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7.5. Die Briefe des Ignatius von Antiochien

Verfasser und Abfassungssituation

Ignatius, Bischof der christlichen Gemeinde in Antiochien, war während einer Christenverfolgung verhaftet worden. Er wurde zusammen mit anderen Christen nach Rom gebracht, um dort wilden Tieren vorgeworfen zu werden (IgnEph 1,2; IgnRöm 4,1f.). Auf dem Transport schrieb er sieben Briefe: vier von Smyrna aus (an die Gemeinden in Ephesus [IgnEph], Magnesia [IgnMagn], Tralles [IgnTrall] und Rom [IgnRöm]), wenig später drei von Troas aus (an die Gemeinden in Philadelphia [IgnPhld] und Smyrna [IgnSm] sowie an den Bischof Polykarp [IgnPol]). Damit sind unsere Kenntnisse über den Verfasser auch schon erschöpft, wenn man davon absieht, dass der Bischof Polykarp in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi den Märtyrertod des Ignatius voraussetzt (Polyk 9). Die Datierung der Ereignisse ist nicht ganz sicher, meist denkt man an die zweite Hälfte der Regierungszeit des Kaisers Trajan (98-117).

Übersicht über den IgnEph

Präskript(inscriptio)
1,1-2,2 Lobender Rückblick auf den Besuch der ephesinischen Delegation; Bitte, den Diakon Burrus zu seiner Unterstützung bei ihm zu lassen
3,1f. Bitte um Gehör für die folgenden Mahnungen
4,1-6,2 Aufforderung, sich dem Bischof (und dem Presbyterium) unterzuordnen
7,1-9,2 Warnung vor Irrlehrern; Anerkennung für das Verhalten der Epheser Ihnen gegenüber
10,1-3 Verhalten gegenüber den Nichtchristen; Aufforderung zum Gebet für sie
11,1-12,2 In den angebrochenen letzten Zeiten ist es allein wichtig, in Christus erfunden zu werden.
13,1f. Mahnung zu häufigeren gottesdienstlichen Zusammenkünften der Gemeinde
14,1f. Alles gründet auf dem Glauben und der Liebe
15,1-3 Schweigen und Reden
16,1f Die Irrlehre führt ins Verderben
17,1-19,3 Das Christusgeschehen - Heil und Leben für die Christen; dem Fürsten der Weltzeit blieb das Geheimnis verborgen (19,2f. - „Hymnus“ auf die Offenbarung Gottes)
20,1f. Schlussparänese (20,2 - Eucharistieals „Medizin zur Unsterblichkeit“)
21,1f. Postskript

Übersicht über den IgnMagn

Präskript (inscriptio)  
1,1-2 Begründung und Ziel der Bemühungen des Ignatius um die Gemeinden
2 Rückblick auf den Besuch der Delegation aus Magnesia
3,1-4,1 Mahnung, sich dem Bischof trotz seines jugendhaften Alters unterzuordnen
5,1f. Die zwei Prägungen (Mahnung, das Ziel [oder Ende] der Taten zu bedenken)
6,1-7,2 Aufforderung zur Herstellung vollkommener Einheit aller Gemeindeglieder (keine Angelegenheit ohne den Bischof und die Presbyterregeln)
8,1-11,1 Warnung vor judaisierender Irrlehre
12 Wendungen der Bescheidenheit
13,1f. Schlussparänese
14f Postskript

Übersicht über den IgnTrall

Präskript (inscriptio)
1,1f. Freude über den Besuch des Bischofs Polybius und seine Nachrichten von der Gemeinde
2,1-3,3 Mahnung zur Unterordnung unter den Bischof und das Presbyterium und zur Ehrfurcht den Diakonen gegenüber
4,1-5,2 Ignatius und der Gemeinde fehlt vieles, damit sie Gott nicht verfehlen
6,1-11,2 Warnung vor doketischer Irrlehre; Mahnung zu christlichen Tugenden
12,1-3 Schlussparänese
13,1-3 Postskript

Übersicht über den IgnRöm

Präskript (inscriptio)
1,1-8,3 Inständige Bitte an die Gemeinde in Rom, dem Martyrium kein Hindernis in den Weg zu legen
9,1-10,3 Postskript

Übersicht über den IgnPhld

Präskript (inscriptio)  
1,1f. Lobpreis des Bischofs
2,1-4,1 Mahnung, dem Bischof zu folgen, um der Irrlehre und der Spaltung der Gemeinde zu entgehen
5,1f. Hoffnung, durch die Fürbitte der Adressaten auf Gott hin vollendet zu werden; auch die Propheten sind im Glauben an Jesus Christus gerettet worden
6,1-9,2 Auseinandersetzung mit der judaisierenden Irrlehre; Rückblick auf die Wirksamkeit in Philadelphia
10,1-11,1 Aufforderung, einen Diakon nach Syrien zu senden; Dank für Hilfe für Philo und Rheus Agathopus
11,2 Postskript

Übersicht über den IgnSm

Präskript(inscriptio)  
1,1-3,3 Lobpreis Jesu Christi für den Glauben der Smyrnäer
4,1-7,2 Polemik gegen die, welche Leben und Wirken des Herrn in Schein auflösen und sich von Eucharistie und Gebet fernhalten (doketische Irrlehre)
8,1-9,1 Mahnung, dem Bischof und dem Presbyterium zu folgen
9,2-10,2 Dank für Unterstützung für Ignatius, Philo und Rheus Agathopus
11,1-3 Aufforderung, jemanden nach Syrien zu senden und die dortigen Gemeinden zum Ende der Verfolgung zu beglückwünschen
12,1-13,2 Postskript

Übersicht über den IgnPol

Präskript(inscriptio)  
1,1-3,2 Mahnung an Polykarp, seiner Stellung gerecht zu werden (vor allem im Kampf gegen die Irrlehre)
4,1-5,2 Paränetische Einzelmahnungen an Polykarp
6,1f. Gemeindeparänese
7,1-8,1 Aufforderung, jemanden nach Syrien zu senden; Polykarp soll Grußbotschaften nach Syrien koordinieren
8,2f. Postskript

Überlieferung

Die Briefe liegen in drei Rezensionen vor. In der Forschung hat sich allgemein die Meinung durchgesetzt, dass die sogenannte mittlere Rezension, die die oben genannten sieben Briefe enthält, die ursprüngliche sei. Die verwickelte Überlieferungsgeschichte ist neben den vielen Zitaten bei den Kirchenvätern ein Indiz für die große Wirkungsgeschichte der Briefe in der frühen Kirche.

Literarischer Charakter

Ignatius beachtet in seinen Briefen einerseits die Formalien des antiken Briefstils. Dabei fallen vor allem die sorgfältig formulierten Präskripte auf. Andererseits tragen die Briefe des Bischofs ein ganz individuelles Gepräge. Sie sind offenbar diktiert worden, denn sie machen den Eindruck unmittelbar gesprochener Rede. Ignatius geht souverän mit der Sprache um und nutzt häufig rhetorische Stilmittel.

Gelegentlich finden sich aber auch abgebrochene Satzperioden und verunglückte Bilder. Der souveräne Umgang mit der vorgegebenen Tradition zeigt sich in der Schwierigkeit, diese zu rekonstruieren. An einzelnen Stellen kann angenommen werden, dass er z. B. christologisches Formelgut nutzt (vgl. IgnEph 7,2; 19,2). Ignatius kennt neutestamentliche Schriften, vor allem mehrere Paulusbriefe (vgl. IgnEph 12,2). Es lassen sich aber keine Zitate nachweisen.

Die Briefe sind thematisch sehr einheitlich: Kampf gegen die Irrlehre; Mahnung, dem Bischof zu gehorchen; Hoffnung, durch das Martyrium zu Gott zu gelangen.

Inhalt

Es fällt schwer, die in den Briefen bekämpften Irrlehren exakt zu rekonstruieren, da Ignatius seine Gegner häufig zwar mit heftigster Polemik bedenkt, sie dabei aber kaum inhaltlich charakterisiert. Zudem gilt auch bei ihm das generelle methodische Problem, dass er seine Gegner natürlich aus dem Blickwinkel seiner Theologie schildert. Bei aller Vorsicht wird man trotzdem sagen können, dass es Ignatius mit zwei verschiedenen Irrlehren zu tun hatte. In Ephesus, Tralles und Smyrna bekämpft er Christen, die die irdische Existenz Jesu nur als eine scheinbare ansehen wollten (Doketen). Dabei gewinnt man den Eindruck, dass diese Leute durchaus keine marginale Minderheit waren.

Als zweite Irrlehre bekämpft Ignatius Christen, die gewisse jüdische Sitten beibehalten (IgnMagn 9,1 nennt explizit den Sabbat) und das Alte Testament sehr hoch schätzen (IgnPhld 8 – sie prüfen am AT die Gültigkeit und das Recht des Evangeliums).

Ignatius betrachtet die Irrlehren zum einen unter dem ekklesiologischen Aspekt und sieht durch sie die Einheit der Kirche gefährdet. Garant dieser Einheit ist der Bischof (vgl. IgnMagn 6,1; 7,1; IgnPhld 3,2 u. ö.). Die Einheit der Gemeindeglieder untereinander und mit dem Bischof bedeutet für Ignatius zugleich Unterordnung unter ihn. Er misst dem Bischof eine einzigartige Stellung in der Gemeinde zu. Die Gläubigen sollen sich zu ihrem Bischof verhalten, wie die Kirche zu Christus und wie Christus zum Vater (IgnEph 5,1). Letztlich haben alle Handlungen in der Kirche nur eine Berechtigung, wenn sie im Beisein des Bischofs stattfinden. Dem Bischof wird das Presbyterium zugeordnet. Es umgibt ihn, wie die Apostel Christus umgeben (IgnTrall 2,1f.). An dritter Stelle in dieser theologisch begründeten Hierarchie stehen dann die Diakone, denen Ehrfurcht entgegenzubringen ist.

Man muss sich nun allerdings vor dem Trugschluss hüten, dass Ignatius hier die Wirklichkeit der kleinasiatischen Gemeinden beschreibt. Er bemüht sich vielmehr, sein Gemeindeideal in den Gemeinden durchzusetzen.

Zum anderen betrachtet Ignatius insbesondere die doketische Irrlehre unter dem christologischen Aspekt. Er betont mehrfach die Wahrhaftigkeit der irdischen Existenz Jesu. Zugleich bezeichnet er ihn ganz selbstverständlich als Gott. Beides kann er zu einer Art Zwei-Naturen-Christologie zusammenfassen (vgl. insb. IgnEph 7,2). Damit hängt zusammen, dass Ignatius immer wieder unterstreicht, dass „Fleisch“ und „Geist“ komplementär seien.

Die Briefe zeugen von einem starken Verlangen des antiochenischen Bischofs, durch das Martyrium zum wahren Jünger zu werden und zu Gott zu finden (vgl. insb. IgnRöm). Auch hier findet sich ein Motiv seines Kampfes gegen die Doketen. Ignatius verbindet die Sinnhaftigkeit seines Martyriums wesentlich mit der Realität der Passion Jesu Christi. Indem die Doketen die Passion in Schein auflösen, stellen sie zugleich den Sinn des Weges in Frage, den Ignatius für sich gewählt hat.

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkundes des Neuen Testaments von Klaus-Michael Bull

Bull, Klaus-Michael: Bibelkunde des Neuen Testaments. Die kanonischen Schriften und die Apostolischen Väter. Überblicke – Themakapitel – Glossar, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 8. Aufl. 2018.

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