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Engel im Alten Testament

Begriff

Der deutsche Begriff „Engel“ kommt vom griechischen ἄγγελος, angelos, her, das hebräisches מַלְאָךְ, mal’ak übersetzt. Das zugehörige Verbum מַלְאָךְ, la’ak (ugaritisch belegt) bedeutet „schicken, senden“, und so benennt מַלְאָךְ zunächst einen Boten schlechthin, beispielsweise als Gesandten eines Königs (2Kön 1,2). Etwa die Hälfte aller Vorkommen des Begriffes in der Bibel ist nicht auf einen göttlichen Boten bezogen, sondern auf politische oder militärische Gesandte.

Engelvorstellung

Wie menschliche Boten auch hat der Engel JHWHs zunächst Botschaften an Menschen zu überbringen. Dabei wird er als menschengestaltig vorgestellt und redet oft mit dem Ich Gottes, vgl. Ri 6,11-24 oder Gen 18. Da der hebräische Terminus Engel JHWHs determiniert ist, es also um den, nicht um einen Engel Gottes geht, kann man fragen, ob es sich bei allen Begegnungen mit Engeln um denselben einen Engel Gottes handelt. Unklar ist, ob der Engel als momentane Erscheinungsform oder Verhüllung Gottes anzusehen ist, oder ob er als von JHWH zu unterscheidendes Wesen vorzustellen ist. Daneben steht die These, dass der Engel eine ursprünglich selbständige Lokalgottheit war, die in JHWH aufgegangen ist oder depotenziert wurde, vielleicht ist die Engelvorstellung auch vom Dämonenglauben in Nachbarkulturen her beeinflusst worden. Eine ausgefeilte Angelologie (Engellehre), in der alle Aussagen zu einem System geordnet sind, bietet das Alte Testament nicht, sondern in verschiedenen Zeiten gab es unterschiedliche Konzepte, wie man sich Gottes Wirken durch einen oder mehrere Engel vorstellte.

Hofstaat Gottes

Neben der Rede von dem einen Engel JHWHs finden sich im AT auch mehrere Stellen, die von einer Mehrzahl himmlischer Wesen sprechen, vgl. die Engel auf der Leiter (Gen 28,12). Zudem findet man die damit verbundene Vorstellung von einem himmlischen Hofstaat (Ps 82), die vielleicht aus kanaanäischer Theologie übernommen worden ist. Dazu werden die Gottessöhne (vgl. Gen 6,1-4, Hi 1,6; 38,7), der als Person vorgestellte Geist (1Kön 22,19ff.), Kerubim (1Sam 4,4) und Serafim (Jes 6) und das Heer des Himmels (vgl. Jos 5,14) gezählt. Erst in späterer, nachexilischer Zeit werden alle diese Wesen mit dem einen Begriff „Engel“ benannt und man geht davon aus, dass es eine himmlische Ordnung gibt, der die irdische in gewisser Weise entspricht.

Engel bringen den Menschen Botschaften, wohl daher, weil Gott selbst unanschaulich ist. Sie sind aber keine eigenständigen Botengötter, wie etwa Hermes in der griechischen Mythologie, sondern bleiben ganz an JHWHs Willen gebunden. Engel sind nicht Gegenstand eigener Verehrung, sondern bloßes Instrument Gottes. Sie schützen und retten Gottes Auserwählten (Gen 22) oder das ganze Gottesvolk (Ri 2, vgl. auch den Engel in Num 22). Dies kann dann auch dazu führen, dass der Würgeengel das gegnerische Volk schlägt, vgl. Ex 12,22f.

Erzengel

Wirkungsgeschichtlich besonders bedeutsam wurden die Engelvorstellungen der nachexilischen Zeit. Der himmlische Hofstaat lobt und preist Gott und ist damit Vor- oder Urbild des irdischen Tempelgottesdienstes. Dazu sind beispielsweise aus Qumran (spätere) Hymnen und Anweisungen für diesen himmlischen Gottesdienst der Heiligen im Himmel erhalten, die sog. Sabbatlieder. In besonderer Nähe zu Gott stehen vier oder sieben Erzengel (vgl. Tob 12,15), deren Namen wechseln können. Der Name Erzengel ist erst im griechischen Henochbuch belegt, die Zahlen 4 und 7 orientieren sich wohl an den Thronseiten nach Ez 1-3 und an den 7 damals bekannten Planeten. Durchgängig (und bereits im AT) verwendet werden Michael, Rafael und Gabriel. Nach dem Danielbuch stehen unter diesen Engeln weitere Engelwesen, die je einem bestimmten Volk zugeteilt sind. Ihre Auseinandersetzungen entsprechen den Kämpfen der Völker untereinander, vgl. Dan 10,11-14. Michael, der Engelsfürst, ist nach Dan 10,13 und 12,1 in ausgezeichneter Weise für den Schutz Israels zuständig, er wird auch die endzeitliche Verherrlichung der Gerechten in Israel bringen. In Qumran weiß man sich der Hilfe der Engel im endzeitlichen Kampf des Bösen gegen die Gemeinde der Gerechten sicher (1QM 12).

Deuteengel

Die den Erzengeln untergeordneten Engel haben zudem noch die Aufgabe, von Gott gesandte Visionen zu verdeutlichen, sie werden dann als Deuteengel, angelus interpres, bezeichnet. In dieser Funktion sind sie im Danielbuch und besonders bei Sacharja belegt. Doch schon der „Mann“ in Ez 40 hat eine vergleichbare Funktion. Dieser Deuteengel ist kennzeichnend für die späten Stadien der israelitischen Prophetie, die in die Apokalyptik hinüberweist. Dort ist kein Gesicht mehr ohne Hilfe aus der göttlichen Sphäre zu verstehen.

Engellehre

In der zwischentestamentlichen Zeit weiten sich die Engelspekulationen aus, es kommt zu immer weiter ausgefeilten Vorstellungen vom Wesen und Wirken der Engel. So gelten Engel als geschlechtslos (Mk 12,25), heilig, unsterblich (Lk 20,36), mit göttlichem Wissen begabt und geflügelt. Daneben tritt auch die aus Gen 6,1-4 abgeleitete Vorstellung vom Fall der Engel (mit Vermittlung von Geheimwissen an die Menschen), die etwa im Henochbuch weit ausgebaut wurde.

Satan

Ein besonderer Aspekt innerhalb der Vorstellung vom himmlischen Hofstaat ist die möglicherweise alte Gestalt des Satan, שָׂטָן, der nach Sach 3,1 und Hi 1 als Feind der Menschen Mitglied des Hofstaates ist. Ursprünglich wurde mit diesem Begriff nur ein militärischer oder politischer Widersacher bezeichnet, vgl. 1Kön 5,18. Die Aufgabe der späteren Satansgestalt ist es, die Menschen vor Gott anzuklagen, auf ihre Rechtschaffenheit zu achten. Diese Vorstellung wurde in zwischentestamentlicher Zeit in Richtung auf einen Dualismus erweitert; Satan gilt als böses Prinzip, als selbständiger Widersacher Gottes, vgl. dazu Mt 4 über die Versuchung Jesu. Die griechische Übersetzung hat Satan mit διάβολος, diabolos „Verwirrer“, übersetzt, wovon das deutsche Wort „Teufel“ abgeleitet wurde.

Erklärung

Die Herkunft der Engelvorstellung ist unklar und umstritten. Doch für ihre Ausweitung in exilisch-nachexilischer Zeit lassen sich Gründe anführen: Mit der zunehmenden Transzendierung des Gottesbildes in dieser Zeit bestand die Gefahr, dass die Zuwendung Gottes zu den Menschen, zu seinem auserwählten Volk, nicht mehr deutlich aussagbar war. Diese Lücke füllte die Rede von den Engeln, durch die Gott wirken kann, dann aus.

Literatur

M. Mach, Entwicklungsstadien des jüdischen Engelglaubens in vorrabbinischer Zeit, TSAJ 34, 1992.

K. Koch, Monotheismus und Angelologie, in: W. Dietrich, M. A. Klopfenstein, Ein Gott allein?, 1994, S. 565–581.

A. Lange (Hg.), Die Dämonen. Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen und frühchristlichen Literatur im Kontext ihrer Umwelt, 2003.

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