Urchristentum
Schlagworte: frühes Christentum
(erstellt: Februar 2018)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Urchristentum.200306
1. Urchristentum – fern und doch nah
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich die christlichen Lebensumstände im Vergleich zu den Zeiten des Urchristentums verändert: Das Christentum ist in Europa die prägende Religion, keine neue Gruppierung, die sich dem Staatskult entgegenstellt. Die Kirche ist etabliert, und Theologen haben sich über die Jahrhunderte mit vielen dogmatischen (→ Dogmatik
1.1. Kulturchristentum vs. Urchristentum
Auch wenn gegenwärtig ein Großteil der Bevölkerung in Europa den christlichen Konfessionen angehört, ist eine enge Kirchenbindung nur noch bei einem geringen Teil der Menschen zu finden (Loffeld, 2011, 25-39). Zeichen dieser, religionswissenschaftlich als „Kulturchristentum“ diagnostizierten Ausgangslage ist die prinzipielle Anerkennung christlich fundierter Werte (→ Bildung, Werte-
1.2. Gegenwart verstehen
Angesichts moderner gesellschaftlicher Entwicklungen müssen die Kirchen stets ihre Identität einerseits bewahren, andererseits aber der Zeit angemessen formulieren und nach außen tragen. Bis heute bilden die Worte, Riten (→ Rituale
Häufig sind – auch für kirchenfremde Gemeindemitglieder – Feste ein Anlass, sich mit den kirchlichen Riten und deren Inhalt auseinanderzusetzen. Da der heutige Ritus gottesdienstlicher Feiern, der Taufe und der Buße seine Begründung und seinen Kern vor rund 2000 Jahren erhielt, stellt die Partizipation am jeweiligen Fest bereits einen unmittelbaren, impliziten Kontakt zum Urchristentum dar. Bei einer Erklärung der Riten im Religionsunterricht oder in der Gemeindearbeit kann diese Kontinuität explizit dargelegt und erarbeitet werden.
1.3. Verfolgung und Integration – ein altes neues Problem
Ebenfalls eine Kontinuität, wenn auch eine leidvolle, ist bei der Christenverfolgung (→ Christenverfolgung im frühen Christentum
Auch bei den Folgen der Christenverfolgung heutzutage kann das Vorbild des Urchristentums zur Gemeinschaftsstiftung beitragen. Gerade in der gemeinsamen Feier des Gottesdienstes überwanden die frühen Gemeinden die in der damaligen Gesellschaft existierenden Schranken. Männer und Frauen gehörten ebenso gleichberechtigt zur Gemeinde wie Reiche und Arme, Freie und Sklaven. Die letztgenannte Barriere ist selbstverständlich im Europa des 21. Jahrhunderts lange aufgehoben, dennoch ist die verbindende Kraft des Christentums auch heute noch wirksam. Durch die gleichen Werte, den gleichen Glauben, die gemeinsame Feier des Gottesdienstes sowie die Aufnahme in die Gemeinschaft kann ein wichtiger Schritt zur Integration von Menschen geleistet werden, die aus verschiedenen Gründen neu in einer Gemeinde sind.
1.4. Urchristentum als Quelle christlicher Identität
Die Auseinandersetzung mit Geschichte kann somit gerade in einem pluralen und postmodernen Lebenskontext als „Quelle für Identifikation und Identität in einer Gesellschaft, in der Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und Kultur zusammenleben“ (Johannes Rau, zitiert nach Noormann, 2009, 11), gesehen werden. Besonders gilt dies für eine derartig prägende Zeit wie die des Urchristentums.
2. Kirchengeschichtliche Klärungen zum Urchristentum
Mit „Urchristentum“ wird in der Regel die erste Zeit des Christentums nach der Auferstehung Jesu Christi bezeichnet. Als Ende dieser „Epoche“ werden unterschiedliche Ereignisse herangezogen wie der Tod des Jakobus 62 n. Chr. und das Ende der Abfassungszeit der neutestamentlichen Schriften. Spätestens aber mit der Flucht der Urgemeinde aus Jerusalem anlässlich des Bar-Kochba-Aufstandes 135 n. Chr. gilt die Phase des Urchristentums als beendet (zur umfassenden Darstellung samt Literaturangaben: Schnelle, 2015, 25-28). Da in ihr der Schritt von der apostolischen zur nachapostolischen Zeit vollzogen wurde, gilt sie als wichtigste Epoche der Kirchengeschichte (Vögtle, 1965, 552). Die urchristliche Zeit wird teils auch als ideale Zeit des Christentums bezeichnet, in der noch keine Kompromisse aufgrund der Verquickung dieser Religion mit staatlicher Macht (→ Kirche, Staat
2.1. Die Urgemeinde
Die frühesten Dokumente des Urchristentums sind die Bekenntnisse zu Jesus als Christus, dem auferstandenen Herrn (1 Kor 15,4
Für die Jünger rund um die Zwölf galt es zunächst, im Glauben an die bevorstehende Parusie ihr Leben ohne Jesus zu gestalten und den von Jesus erteilten und vom Heiligen Geist im Pfingstereignis (Apg 2,1-41
2.2. Die erste Ausbreitung des Christentums – Juden- und Heidenmission
Die ersten Bemühungen der Urgemeinde, das neue Heilsangebot in Jesus Christus zu vermitteln, richteten sich ganz an die jüdische Gesellschaft (Mt 10,5
Antiochia entwickelte sich zum Zentrum und Brennpunkt der Heidenmission. Die dort und auch an anderen Stellen entstehenden Konflikte zwischen Heiden- und Judenchristen versuchte das Apostelkonzil im Jahre 48/49 n. Chr. in Jerusalem zu befrieden (Apg 15
Uneinheitlich wie die Zielrichtung der Mission war auch das Vorgehen. Allein die Ausrichtung des Paulus sowie seine Reisen sind durch seine Briefe ausreichend dokumentiert. Grundlegend muss festgehalten werden, dass das Imperium Romanum mit seiner Infrastruktur die Basis der frühchristlichen Mission war. Dementsprechend lassen sich die frühen christlichen Gemeinden vor allem in den Städten an Knotenpunkten der antiken Handelswege finden.
2.3. Auseinandersetzung mit den religiösen Strömungen der Umwelt
In diesen Handelsstädten sowie im gesamten Römischen Reich war das neue Christentum nicht die einzige Religion, die unter dem Dach der römischen Staatsreligion Anhänger fand. Im Hellenismus, der zur Zeit des Urchristentums die Kultur des Römischen Reiches maßgeblich prägte, fand eine gegenseitige Beeinflussung von traditioneller Staatsreligion und diversen anderen Kulten statt. Das junge Christentum musste sich daher nicht nur gegenüber der staatlich-römischen Religionsvorstellung positionieren, vielmehr stand es auch in Konkurrenz zu einer Vielfalt von anderen religiösen und philosophischen Strömungen. Aus dem Osten des Römischen Reiches stammende Mysterienkulte waren um die Zeitenwende sehr beliebt, so waren beispielsweise Isis und Osiris, Astarte oder die Magna Mater Gegenstand der Verehrung, besonders der Mithraskult fand eine große Verbreitung. Trotz aller Abgrenzung zu anderen religiösen Überzeugungen sind auch Überlagerungen einzelner Motive oder Rituale zu beobachten.
Die verschiedenen, im Römischen Reich vorherrschenden philosophischen Strömungen stellten für das junge Christentum weniger eine Konkurrenz als vielmehr eine Basis für die Entwicklung theologischer Gedanken sowie für die wissenschaftliche Formulierung der eigenen Ideen dar (vgl. die Areopag-Rede des Paulus Apg 17,16-34
Auseinandersetzungen über den Umgang mit dem römischen Staat und seiner Religion gehörten zu den wichtigsten Aufgaben des frühen Christentums. Der Polytheismus oder der von anderen religiösen Strömungen verfochtene Henotheismus wurden kategorisch abgelehnt. Die politischen Verhältnisse wurden aber als von Gott eingesetzt und damit unantastbar akzeptiert (Mk 12,14-17
2.4. Bildung erster kirchlicher Strukturen
Bereits in der Urgemeinde fanden Mahlfeiern zum Gedenken an Jesus Christus statt, die zugleich einen endzeitlichen Charakter hatten. Die Versammlungen dienten „als Instrument, mit Hilfe dessen die in Jesus angebrochene Gottesherrschaft […] in der Ekklesia erfahren und bezeugt werden kann“ (Klein, 2015, 273). Bereits Ignatius von Antiochia beschreibt im Jahr 115 n. Chr. einen sakramentalen Charakter des Mahles (Brief an die Epheser 20; Trocmé, 2003, 61-63). Viele frühchristliche Schriften berichten über die Umsetzung des jesuanischen Taufauftrags in den jungen Gemeinden, ein wirklicher Taufritus findet sich jedoch erst in der Traditio Apostolica des Hippolyt zu Beginn des dritten Jahrhunderts in Rom. Im Zusammenhang mit der Taufe beschäftigen sich die christlichen Schriften des ersten Jahrhunderts auch mit der Buße, ohne den Konflikt zwischen der einmaligen Buße und einem möglichen erneuten Sündigen (→ Sünde/Schuld
Aus der Praxis der brüderlichen Belehrung (Mt 18,15-18
Es ist anzunehmen, dass das Presbyterium nicht aus den Synagogen übernommen wurde, sondern dass die „Ältesten“ aus pragmatischen und organisatorischen Gründen zur Sicherung der Einheit eingesetzt wurden (Gnilka, 1999, 280f.; Schnelle, 2015, 422f.). Die Entwicklung des Monepiskopats ging von Kleinasien und Antiochia aus. Der erste Klemensbrief hebt die Bedeutung der Bischöfe sowie ihre Nachfolge auf die Apostel hervor. In derselben Schrift wird deutlich, dass der Bischof von Rom bereits früh eine besondere Autorität innehatte und auch einen Führungsanspruch gegenüber anderen bedeutenden Bischofssitzen wie Karthago, Alexandria, Antiochia, Ephesos und Jerusalem erhob.
3. Religionsdidaktisch-praktische Überlegungen
3.1. Vergegenwärtigung des Urchristentums als Weg zu einer christlichen Identität
Für eine mündige Reflexion über das Christin- bzw. Christ-Sein ist die Beschäftigung mit der Kirchengeschichte und gerade mit der Phase des Urchristentums in all ihrer Komplexität unerlässlich. Von der Sachinformation über die damaligen Bedingungen, der Erarbeitung von einzelnen Positionen und Ideen bis hin zur Empathie für die Situation einzelner Personen sollen die Schülerinnen und Schüler die konstitutive Kraft des Urchristentums für die heutige Kirche erkennen und im besten Falle daraus auch Denk- und Handlungsimpulse für die Gegenwart entwickeln (zu unterschiedlichen Formen der Vergegenwärtigung: König, 2016, 57-59). Ein erinnerndes Lernen (→ Erinnerung/Erinnerungslernen
3.2. Die ersten Gemeinden im Spiegel der Quellen
3.2.1. Arbeit mit biblischen Quellen
In der Biographie des Apostels Paulus sowie in seinem Briefkorpus spiegelt sich die Situation des Urchristentums in allen Facetten wider. Anhand der Person des Paulus das Urchristentum exemplarisch zu erschließen, hält „für die Lernenden biographische Anknüpfungspunkte bereit, die motivieren, Kirchengeschichte verstehend nachzuvollziehen und für sich zu vergegenwärtigen“ (Lindner, 2007, 258). Paulus bietet die Möglichkeit, nicht als fernes Ideal, sondern als Gegenüber mit Erfahrungen, Zweifeln, Fehlern und Überzeugungen für die Lernenden greifbar zu werden (Wiemer, 2017, 306-310). Die Apostelgeschichte sowie die Evangelien geben ebenfalls einen Einblick in viele Aspekte des urchristlichen Lebens. Ein häufig herausgegriffener Punkt ist hierbei Liebeskommunismus der Urgemeinde. Durch die Auseinandersetzung mit der biblischen und historischen Grundlage dieses Miteinanders können moderne, sozialistisch-ideologisch geprägte Umgestaltungen des Motivs aufgedeckt und deren jeweilige Intention erarbeitet werden. Das Verantwortungsgefühl für Arme und Kranke, das die urchristlichen Gemeinden zeigten, muss demgegenüber herausgearbeitet werden und kann als Anstoß für heutiges Denken und soziales Engagement in der Gesellschaft dienen. Ebenso formuliert die Überwindung von gesellschaftlichen und nationalen Grenzen in der christlichen Gemeinschaft einen Anspruch an christliches Handeln heute.
Mit den Methoden der Bibelarbeit (z.B. → Standbilder
Bei der Arbeit mit den biblischen Quellen muss die Lehrkraft auch die Historizitätsanfragen der Jugendlichen berücksichtigen. Die zur Zeit des Urchristentums erfolgte Abfassung der Evangelien (Zwei-Quellen-Theorie) sowie deren Absicht, ein Zeugnis des Glaubens an Jesus den Christus zu sein, sollten Gegenstand einer unterrichtlichen Betrachtung sein. Mit Zweifeln an der Historizität der Auferstehung, wie sie auch heute auftreten, musste sich bereits Paulus auseinandersetzen (1 Kor 15,12-19
Die Ausbildung der ersten Versammlungen, Sakramente, Ämter und Strukturen kann ebenso aus den genannten biblischen Quellen erarbeitet werden. Die Evangelien sowie die Paulinen geben für den Unterricht einen Überblick über unterschiedliche entstehende Institutionen sowie über die Probleme, die sich in der Frühzeit des Christentums ergaben.
3.2.2. Außerbiblische Quellen im unterrichtlichen Einsatz
Die Didache sowie der erste und zweite Klemensbrief bieten gegenüber den biblischen Schriften ausführlichere Informationen zu urchristlichen Ämtern und Strukturen, führen diesbezüglich jedoch in den meisten religionspädagogischen Handlungsfeldern zu weit. Der erste Klemensbrief zeigt eine ähnliche Situation, wie sie gegenwärtigen, in einer postmodernen und pluralistischen Gesellschaft lebenden Christinnen und Christen begegnet, insofern darin das Leben der Christengemeinde im synkretistischen Rom und Korinth Gegenstand der Darstellungen ist: „Die Bewältigung der Erfahrung der multikulturellen Situation erfolgt in der christlichen Gemeinde zu Rom nicht prinzipiell anders als in anderen christlichen Gemeinden, nämlich so, dass das Christentum für seine Mitglieder eine neue Identität bereitstellt und sich für Nichtmitglieder offenhält, soweit diese dazu bereit sind, sich restlos auf diese neue Identität einzulassen“ (Meiser, 2004, 154). Die Auseinandersetzung mit der Identität des Urchristentums sowie die Abgrenzung zur Umwelt finden ihren Niederschlag auch im Diognetbrief. Dessen Lektüre dürfte jedoch in der Regel die Möglichkeiten und den Rahmen von Religionsunterricht und Gemeindearbeit übersteigen.
3.3. Die Verfolgungssituation des Urchristentums als Chance
Die Verfolgung der Christinnen und Christen ist durch unterschiedliche Quellen sehr gut und perspektivenreich dokumentiert. Die Lernenden können die Situation der verfolgten Christinnen und Christen inhaltlich sowie methodisch auf vielfältige Art und Weise nachvollziehen.
3.3.1. Entdecken urchristlicher Begeisterung
Das Martyrium wurde bereits in der frühchristlichen Zeit als Samenkorn für die christliche Religion bezeichnet (Tertullian, Apologeticum 50,13). Gerade im Religionsunterricht oder in der Erwachsenenbildung kann die Standhaftigkeit im Glauben und die persönliche Hingabe an Gott die Lernenden beeindrucken und ihre religiöse Identitätsfindung anregen. Ziel einer unterrichtlichen Behandlung sollte daher nicht nur der Erwerb kirchenhistorischen Wissens sein, sondern vielmehr, Empathie für die verfolgten Christinnen und Christen zu empfinden. Somit kann eine Sensibilität für Unterdrückung sowohl wegen des Glaubens als auch aus anderen Gründen geweckt werden. Diese Feinfühligkeit kann im besten Fall sowohl das Verständnis für politische Prozesse im Weltgeschehen als auch den persönlichen Umgang mit anderen Menschen prägen.
3.3.2. Verwendung vielfältiger Quellen
Das rechtliche Vorgehen gegen die Christinnen und Christen kann im Religionsunterricht sowohl aus dem Christenbrief des Plinius (X 96) als auch aus den im ausgehenden zweiten Jahrhundert verfassten Märtyrerakten des Römischen Reiches erarbeitet werden. Interessanter als die eigentlichen Akten sind jedoch die in der gleichen Zeit entstandenen Passiones. Diese stellen Glaubensüberzeugungen sowie Einstellungen der Märtyrinnen und Märtyrer deutlicher und nachvollziehbarer dar. Die Vorwürfe, die schließlich zur Verfolgung führten, dokumentiert Minucius Felix in seinem Werk Octavius (Octavius 9, 1-7). Zwar entstammt diese Schrift dem ausgehenden zweiten oder beginnenden dritten Jahrhundert und nicht mehr der Epoche des Urchristentums, für eine Erschließung der Motive kann sie aber durchaus herangezogen werden. Die lateinischen Quellen erweisen sich auch als gymnasiale Möglichkeit der fächerübergreifenden Zusammenarbeit mit dem Fach Latein, da sie sprachlich sowie inhaltlich gewinnbringend erschlossen werden können. Bildquellen aus der frühchristlichen Zeit sind zwar häufig nicht exakt in die Epoche des Urchristentums zu datieren, können aber dennoch hilfreich sein für die Veranschaulichung und Vermittlung des zeitlich weit entfernten Stoffes (→ Kunst, kirchengeschichtsdidaktisch
3.3.3. Überwindung des Antisemitismus
Zuletzt sollte das Urchristentum auch im Kontext des Umgangs mit dem Judentum behandelt werden (→ Judentum, als Thema christlich verantworteter Bildung
4. Identitätsbildung durch Urchristentum im Kulturchristentum
Auch wenn mehrere Elemente aus dem Judentum sowie dem paganen Umfeld der frühen Christinnen und Christen in kirchliche Riten und Denkprozesse übernommen wurden, so ist doch das Urchristentum durch seine geisterfüllte Reaktion auf das Auferstehungserlebnis konstitutiv für die Kirche, die Christinnen und Christen und das gesamte christlich-abendländische Europa. In einer Umwelt, die vom römischen Staatskult, von diversen anderen Religionen und Kulten sowie der griechisch-römischen Philosophie geprägt war, entwickelten die ersten Christinnen und Christen eine eigene, genuin christliche Identität. Obwohl das Christentum heute vielerorts noch immer nominell die prägende Religion ist, stehen seine Gläubigen vor der Aufgabe, in einer pluralen, postmodernen Gesellschaft ihre Position zu bestimmen, ihre christliche Identität zu leben und einen Standpunkt für einen von Toleranz geprägten Umgang mit anderen Religionen und Strömungen zu entwickeln. Die Thematisierung von Kirchengeschichte im Religionsunterricht (→ Kirchengeschichtsdidaktik
Leider wird im religionsunterrichtlichen Kontext das Urchristentum in den seltensten Fällen als Gesamtheit begriffen. Die meisten Fokussierungen begrenzen ihr Spektrum auf einen Teilkomplex wie die Christenverfolgungen, die Person des Paulus oder die Entwicklung von kirchlichen Strukturen. Gerade aber die Summe von innovativer, kreativer Entwicklung, von ersten Erfolgen, aber auch von enttäuschten Hoffnungen, von Unterdrückung und Verfolgung bildet das wahre Leben ab und bietet den Lernenden damit einen Bezugspunkt zu ihrem eigenen Leben. Überdies bleibt gerade die spannende Auseinandersetzung des Urchristentums mit der Philosophie und religiösen Strömungen des Umfelds in der religionspädagogischen Forschung sowie im Unterricht häufig außen vor. Dabei bietet die Spurensuche nach Beeinflussungen des christlichen Gedankenguts bzw. der Bräuche durch andere religiöse Ideen und Riten den direkten Weg von der Gegenwart in die Zeit des Urchristentums.
Häufig werden die Thematisierung von Kirchengeschichte im Religionsunterricht im Allgemeinen und das Urchristentum im Besonderen von Lehrenden und Lernenden als langweiliger und trockener Stoff empfunden. Dabei sollte gerade diese konstitutive Epoche aufgrund ihrer historischen Bedeutung sowie ihrer Relevanz für das Christsein der Gegenwart mit der ihr innewohnenden Begeisterung zur Geltung gebracht werden.
Die Beschäftigung mit dem Urchristentum bietet überdies die Chance, die im Kulturchristentum der Postmoderne häufig verlorengegangene Identifikation und bewusste sowie kritische Auseinandersetzung mit kirchlichen Lehren und Strukturen wieder ans Tageslicht zu bringen. Nicht nur steckt im Wort „Kulturchristentum“ das Urchristentum, sondern das Urchristentum ist auch der Kern der heutigen Kultur. Wenn dieser Zusammenhang zugänglich wird, entfacht dies möglicherweise bei den Schülerinnen und Schülern ein neues „KultUrchristentum“ – im Sinne der Begeisterung für Christus und die (früh)kirchlichen Gemeinden.
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Abbildungsverzeichnis
- Unbekannter Urheber, Alexamos verehrt seinen Gott, entstanden zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert, Museum auf dem Palatin Rom, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:AlexGraffito2.png#filelinks
; abgerufen am 12.10.2017
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