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Religionspädagogik, islamische

Andere Schreibweise: Islamische Religionspädagogik

(erstellt: Februar 2021)

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1. Historische Entwicklung der islamischen Religionspädagogik in Deutschland

Die Islamische Religionspädagogik blickt als Wissenschaftsdisziplin an deutschen Universitäten auf eine recht kurze Geschichte zurück. Ihre Entwicklung ist eng verknüpft mit dem Vorhaben einiger Bundesländer, einen islamischen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach für muslimische Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen zu etablieren.

Nach der Immigration von muslimischen Schülerinnen und Schülern in den 1970er Jahren nach Deutschland wurden von politischer Seite religionspädagogische Angebote für diese Gruppe in Betracht gezogen. Im Jahre 1977 führte Bayern unter dem damaligen Kultusminister Hans Maier als erstes Bundesland eine islamische Religionskunde im Rahmen des muttersprachlichen Unterrichts ein. Einen weiteren Schritt in Richtung eines religionskundlichen Angebots (→ Religionskunde) unternahm Nordrhein-Westfalen im Jahre 1979 mit dem → Lehrplan für „Religiöse Unterweisung für Schüler islamischen Glaubens“. Verankert wurde dieser im Rahmen des muttersprachlichen Türkischunterrichts, der vom damaligen Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Soest von der Grundschule bis zur Sekundarstufe I ausgearbeitet wurde (Lähnemann, 2012, 27). Später wurden Angebote in deutscher Sprache, wie etwa Islamkunde in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1999, Schulversuche Islamischer Religionsunterricht in Bayern (2001), in Niedersachsen (2003) und in Baden-Württemberg (2005) etabliert.

Gleichzeitig wurde in dieser Phase von einzelnen muslimischen Organisationen, wie dem Zentralrat der Muslime (ZMD) im Jahre 1999, ein erster Lehrplan für einen islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache erstellt (Zentralrat der Muslime, 1999). Bis dahin waren die muslimischen Dachverbände (→ Islamische Religionsgemeinschaften als institutionelle Einrichtung(en) in Deutschland) an den einzelnen Schulversuchen nicht beteiligt. Zudem wurden von einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wie Harry Harun Behr auch erste konzeptionelle Überlegungen zur religiösen Erziehung (→ religiöse Erziehung, Islam) der muslimischen Kinder unternommen (Behr, 1998).

Um die Jahrhundertwende wuchs das Interesse an einem deutschsprachigen islamischen Religionsunterricht an der öffentlichen Schule, sodass 1999 in Nordrhein-Westfalen der Schulversuch Islamkunde gestartet wurde, welcher für weitere Projekte in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz u.a. die Grundlage bildete (Aslan, 2012, 11).

Hiermit verbunden war die Frage der Ausbildung von Lehrkräften, die das Fach unterrichten sollen. Im Jahre 2002 wurde an der Universität Erlangen-Nürnberg das Interdisziplinäre Zentrum für Islamische Religionslehre (IZIR) mit einem Lehrstuhl Islamische Religionslehre eingerichtet. Diesem folgten 2004 das Centrum für Religiöse Studien (CRS) mit einem Lehrstuhl für die Religion des Islam an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und im Jahre 2007 das Zentrum für Interkulturelle Islamstudien (ZIIS) mit einem Lehrstuhl für Islamische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück. Zudem kann seit dem Wintersemester 2007/2008 an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg das Studienangebot Islamische Religionspädagogik als Erweiterungsfach für Grund- und Hauptschulen in Anspruch genommen werden. Später wurden weitere Standorte in Karlsruhe und Freiburg eingerichtet (Missiri, 2016, 6f.). Die Maßnahmen einzelner Bundesländer, Lehrstühle an Universitäten einzurichten, kann als ein erster wichtiger Schritt zur Institutionalisierung der islamischen Religionspädagogik an deutschen Universitäten bewertet werden.

Die Aufgabe der Lehrstühle beschränkte sich in den Lehrangeboten auf die Vermittlung der Kenntnisse über unterschiedliche islamisch-theologische Fachdisziplinen und der arabischen Sprache. Die eingeschriebenen Studentinnen und Studenten studierten das Fach mit der Drittfachregelung bzw. waren Lehrkräfte im Schuldienst. Im Fokus der Arbeit der Lehrstühle lag der Praxisbezug, der sich aus der Orientierung der Studierenden an der Schule ableitete. Die ersten Vorläuferinstitute gewannen schnell an Struktur, nachdem der Wissenschaftsrat im Jahre 2010 die Weiterentwicklung der islamischen Studien empfohlen hatte, die als fachwissenschaftlich-theologische Angebote eingerichtet werden sollten. Vorgesehen waren dabei Ausbildungsangebote in islamischen Studien bzw. islamischer Religionslehre, die darauf abzielen, zukünftige Religionspädagoginnen und -pädagogen auf den Religionsunterricht vorzubereiten, den Bedarf an islamischen Religionsgelehrten im Kontext der Moscheegemeinden zu decken, qualifizierte Kräfte in der Sozialarbeit sowie islamische Theologinnen und Theologen in der universitären Lehre und Forschung auszubilden (Wissenschaftsrat, 2010, 73-85).

Diesen Empfehlungen folgte die Gründung von Zentren islamischer Theologie – vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgewählt – an den Universitäten in Münster, Osnabrück, Tübingen, Frankfurt am Main und Erlangen-Nürnberg. Im Jahre 2019 kamen noch Berlin und Paderborn hinzu.

Da mit der jeweiligen Ausdifferenzierung der islamischen Theologie auch die islamische Religionspädagogik ihren Platz im deutschen Wissenschaftssystem einnahm, entstand ein eigenes institutionalisiertes Universitätsfach.

2. Religionsdidaktische Ansätze

Die Sichtung der derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Publikationen zur islamischen Religionspädagogik zeigt deutlich, dass diese sich inhaltlich überwiegend mit Erfordernissen des Schulfaches islamischer Religionsunterricht befassen. Da die Einführung des islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Schulfach in manchen Bundesländern mit der Einrichtung der entsprechenden Lehrstühle bzw. der Etablierung der Lehramtsausbildung einherging, haben die islamischen Religionspädagoginnen und -pädagogen an den Universitäten ihre Arbeit auf die Entwicklung didaktischer Ansätze und die Erstellung von Unterrichtsmaterialien etc. konzentriert. Bislang liegen vor allem zur Korandidaktik, zur performativen Didaktik und zum interreligiösen Lernen Ausarbeitungen vor, die im Folgenden skizziert werden.

2.1. Korandidaktik

Musliminnen und Muslime verstehen unter dem Koran die Sammlung der wörtlichen Gottesrede, die der Prophet Muhammad empfangen und öffentlich verkündet hat. Für Musliminnen und Muslime ist der Koran eine Art Conditio sine qua non und damit die Grundlage des islamischen Glaubens und Handelns. Obwohl der Islam nicht auf den Koran reduziert werden sollte, bildet er den historischen Ausgangs- und wichtigsten Bezugspunkt der islamischen Religionsgeschichte (Sinai, 2017, 8). Aufgrund seiner zentralen Bedeutung sowohl für den einzelnen Gläubigen als auch in der Theologie sehen die Kernlehrpläne für den islamischen Religionsunterricht eine Auseinandersetzung mit dem Koran als Offenbarung Gottes vor. In den religionspädagogischen Publikationen fokussieren sich die Arbeiten zur Korandidaktik auf den Umgang mit dem Koran als heiligem Buch, auf die Arbeit mit dem Koran im Religionsunterricht und die ersten Ausgaben von Kinderkoranen.

2.1.1. Umgang mit dem Koran als Buch im Unterricht

Viele muslimische Schülerinnen und Schüler bringen aus dem Moscheeunterricht oder aus der religiösen Erziehung in der Familie die tradierte Auffassung mit, dass für eine Lesung des Korans eine rituelle Reinigung notwendig ist. Beim Einsatz des Korans im Unterricht zeigen sie oft eine große Hemmschwelle, den Koran anzufassen bzw. darin zu blättern. Der islamische Religionspädagoge Jörg Imran Schröter schlägt vor, beim Koranlesen im Klassenzimmer eine deutsche Übersetzung oder wenigstens eine Ausgabe mit parallelem Text und Anmerkungen einzusetzen, wodurch es sich nicht um „den Koran“, sondern „eine Koranausgabe“, eine Übersetzung und damit auch um eine Auslegung desselben handelt (Schröter, 2017, 259). Wenn der Koran im islamischen Religionsunterricht nicht als liturgischer Text behandelt wird, sondern dazu dient, dass die Schülerinnen und Schüler über ihn ins Gespräch kommen, wird weniger ein Text in arabischer Sprache benötigt, sondern eine Ausgabe, die einen direkten Zugang bietet. Das schließt aber nicht einen ästhetischen Zugang zum Koran aus, der über die arabische Rezitation oder Textgesang eröffnet werden kann.

Der inhaltliche Zugang von Schülerinnen und Schülern zum Koran wird dadurch erschwert, dass sich im Koran eine Sprache reich an Metaphern und mit eigenen ästhetischen Regeln findet, die meist nur mit Hintergrundwissen zu verstehen ist. Zudem folgt der Aufbau keiner narrativen Logik und erschwert dadurch eine kontinuierliche Lektüre, die man von Erzähltexten gewohnt ist (Bauknecht, 2015, 26). Auch wenn bislang keine Untersuchungen vorliegen, wie und was Kinder vom Koran verstehen, ist davon auszugehen, dass aufgrund der fehlenden formal-operativen Denkstrukturen bei Kindern unter 12 Jahren diese nur bedingt in der Lage sind, gerade die bildliche Sprache des Korans, die historisch und gesellschaftlich in einem sich stark von der Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler unterscheidenden Kulturkontext entstanden ist, zu verstehen.

Für den Umgang im islamischen Religionsunterricht präferiert Jörg Imran Schröter, den Koran im Unterricht begleitend zu lesen, da es an vielen Stellen unerlässlich sei, den Hintergrund der Verse im Zusammenhang mit der Offenbarungsgeschichte zu kennen und in die Deutung mit einzubeziehen (Schröter, 2017, 260). Nach diesem hermeneutischen Zugang werden die Texte in den historischen Offenbarungskontext eingeordnet, indem den Schülerinnen und Schüler weiterführende Informationen über die Entstehungszeit, den Entstehungsort oder die gesellschaftliche Situation gegeben werden. Schröter plädiert auch dafür, mit Übersetzungsvarianten zu arbeiten, um die Vielschichtigkeit der koranischen Begriffe aufzuzeigen.

Um einen korrelativen Prozess (→ Korrelation) zwischen den koranischen Inhalten und den eigenen Lebensdeutungen der Lernenden zu ermöglichen, schlägt Amin Rochdi eine rezeptionsorientierte Koranarbeit vor, die er aus seiner unterrichtlichen Praxis heraus mit einem subjektorientierten Schwerpunkt entwickelt hat. Rochdi weist auf die Problematik hin, dass die einschlägigen Koranübersetzungen sich nicht an eine Schülerschaft im Alter von 10 bis 18 Jahren richten und die Komplexität der Sprache des Korans von den Schülerinnen und Schülern kaum erfasst werden kann (Rochdi, 2014, 101). Ein zweites Problem zeigt sich für ihn in der koranischen Kontextualität, da der koranische Text auf verschiedene soziale und politische Auseinandersetzungen seiner Entstehungszeit eingeht, wodurch ohne Hintergrundwissen das Textverständnis ebenso erschwert wird. Daraus resultiert für Rochdi die Frage, wie die Botschaft des Korans von den Lesenden im 21. Jahrhundert erschlossen und verständlich werden kann. Er didaktisiert das Problem und stellt sich der Herausforderung, den Korantext so anzubieten, dass die Schülerinnen und Schüler sich damit als individuelle, handelnde Subjekte (→ Subjekt) auseinandersetzen und hieraus Handlungsmöglichkeiten und Hilfestellungen für das Leben ableiten können (Rochdi, 2011, 171-173). Er formuliert folgende Prämissen zum Umgang mit dem Koran im Unterricht:

  • „Der angebotene Text muss sprachlich verständlich sein.
  • Der Kontext der Koranoffenbarung muss den Schülerinnen und Schülern transparent sein.
  • Der Inhalt des Korantextes muss den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, sich ihm individuell zu nähern.“ (Rochdi, 2011, 173).

Mit der ersten Bedingung betont Rochdi die Bedeutung einer didaktisierten Übersetzung, die den Korantext in einer einfachen und deutlichen Sprache anbietet und von der Lehrkraft verfasst werden soll. Rochdi findet dafür eine vereinfachte Übersetzung, wie sie auf dem Buchmarkt erhältlich ist, nicht ausreichend, da sie bestenfalls den Zugang zum Koran erleichtern kann. Zudem sieht er eine altersgerechte Übertragung der Begrifflichkeit der arabischen Termini in die deutsche Sprache vor, die Beispiele aus der Lebenswirklichkeit der muslimischen Schülerinnen und Schüler verwendet.

Deutlich wird in dem Ansatz von Rochdi, dass er durch strukturanaloge Grunderfahrungen im Korantext und der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler zu korrelieren erwägt. Der didaktische Wert dieser Ähnlichkeit liegt nach Rochdi darin, dass sich so der Korantext durch das Erkennen dieser Anknüpfungspunkte mit dem eigenen Leben entfalten kann.

Im Ansatz von Rochdi bleibt offen, welche Schwerpunkte unter Einbeziehung der entwicklungspsychologischen Perspektive in den einzelnen Schulstufen gesetzt werden können.

2.1.2. Kinderkorane

In den Herkunftsländern der Musliminnen und Muslime ist die Literaturgattung Kinderkoran analog zur Kinderbibel (→ Kinder- und Jugendbibeln), die im westlichen Kontext verbreitet ist, eher unbekannt. Die Gründe hierfür könnten zum einen darin liegen, dass einzig der kanonisierte arabische Vollkoran Offenbarungsqualität und damit Glaubensautorität besitzt (Fricke, 2017, 33). Zum anderen gehören in muslimischen Kontexten Prophetengeschichten aus dem Koran zur weit verbreiteten Kinderliteratur.

Den ersten Versuch, einen Koran für Kinder zu erstellen, haben Lamya Kaddor und Rabeya Müller mit ihrem Werk „Der Koran für Kinder und Erwachsene“ unternommen, mit dem Ziel, Musliminnen und Muslimen als auch Angehörigen anderer Religionen einen neuen Zugang zum Koran zu verschaffen (Kaddor/Müller, 2008, 225). Das Werk unterscheidet sich in wesentlichen Merkmalen von den gängigen Koranübersetzungen: So wurde in zwölf Kapiteln Themen wie etwa Gott, Schöpfung, Mitmenschen, Propheten und Jenseitsvorstellungen behandelt und Verse aus dem Koran nach dem Muster einer Konkordanz zusammengestellt, die von den Autorinnen ausgewählt und übersetzt worden sind. Am Ende jedes Kapitels ist ein kommentierender Text zu dem jeweiligen inhaltlichen Schwerpunkt, der die Grundidee der Koranverse zusammenfasst und einige weiterführende Sacherklärungen gibt. Als Bildelemente wurden Miniaturen aus der osmanischen, persischen und maurischen Zeit eingesetzt, die verschiedene Propheten und auch den Erzengel Gabriel mit ihren Gesichtszügen darstellen.

Mit dem Werk „Was der Koran uns sagt“ haben Hamideh Mohagheghi und Dietrich Steinwede ebenso einen Koran für Kinder herausgegeben. Das Buch enthält insgesamt vier Schwerpunktthemen, in denen nur die Übersetzungen der einzelnen Verse abgedruckt sind. Bei der Auswahl der Themen wurden fundamentale Themen des islamischen Glaubens, wie etwa Gott und seine Schöpfung, Erzählungen über Gesandte und Propheten sowie Glaubensprinzipien und Hinweise zur Praktizierung des Glaubens gewählt. Ferner wurde die Übersetzung stärker sprachlich bearbeitet. Als Bildelemente enthält das Buch auch viele Miniaturen aus der persischen und osmanischen Buchmalerei des 16. und 17. Jahrhunderts sowie moderne Bilder der Gegenwart, in denen Propheten und Engel abgebildet werden.

Beide Bücher stellen für den muslimischen Kontext ein Novum dar und wurden auch von Musliminnen rezensiert (exemplarisch Ablak, 2008 und Abdel-Rahman, 2011).

Auch wenn bislang zwei Kinderkorane publiziert worden sind, gibt es in der islamischen Religionspädagogik noch keine ausformulierte Didaktik dazu. Yaşar Sarıkaya und Dorothee Ermert formulieren Leitfragen bei der Erarbeitung eines Kinderkorans im Spannungsfeld zwischen Kind- und Textgemäßheit:

  • „An welchem Interesse und Bedarf soll sich ein Kinderkoran orientieren? Ist der Koran sprachlich und inhaltlich kindgerecht übersetzbar?
  • Soll und kann ein Kinderkoran den gesamten Text umfassen?
  • Wenn eine Auswahl getroffen wird, nach welchen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Kriterien soll sie erfolgen?
  • Welches Menschenbild bzw. Kinderbild oder welches Gottesbild soll der Komposition zugrunde liegen?
  • Wie wird die Brücke zwischen Kindgemäßheit und Sachgemäßheit geschlagen?“ (Sarikaya/Ermert, 2017, 271).

2.2. Performative Religionsdidaktik

Wie andere Religionen auch vollzieht sich der Islam in geprägten Formen. In der islamischen Theologie gehören der Glaube (arabisch īmān) und die religiöse Praxis eng zusammen, da Glauben ebenso auch ein Tun impliziert, das seinerseits lebendiger Ausdruck des Geglaubten ist. Die Curricula für den islamischen Religionsunterricht sehen eine Einführung in die Glaubenspraxis als die praktische Gestaltung des Glaubens vor (exemplarisch Niedersächsisches Kultusministerium, 2014). Im Folgenden werden die derzeit erarbeiteten Zugänge dargestellt.

2.2.1. Reflexion über die Gebetshaltungen nach Tuba Işık

Tuba Işık entwirft einen Zugang zum rituellen Gebet im Religionsunterricht, indem sie den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit dazu eröffnet, die Bedeutungsgehalte der Gebetshaltungen zu besprechen. Für Işık stehen damit sowohl die einzelnen rituellen Gebetshaltungen als auch die subjektive Perspektive der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund. Sie sieht in diesem Zugang, welcher über den bloßen Vollzug des rituellen Gebetes hinausgeht, eine Möglichkeit für die Schülerinnen und Schüler, „[…] diese Praxis reflektieren zu lernen, um zu einer persönlichen Entscheidung zu kommen, beispielsweise nicht aus Pflichtgefühl zu beten, sondern eine intrinsische Haltung für das Pflichtgebet zu entwickeln“ (Işık, 2012, 189).

Işık verknüpft im nächsten Schritt diese subjektiven Implikationen mit der ethischen Dimension des rituellen Gebetes, indem sie die gestaltete Gottesbeziehung mit symboldidaktischen Elementen verbindet: „Was stellen die Haltungen symbolisch dar? Welche besondere Bedeutung sprechen die SuS diesen zu und welchen aktuellen Bezug stellen sie zu ihrer eigenen Lebenswirklichkeit her? Welche Entsprechungen finden sie durch die Gebetshaltungen für ihr Leben?“ (Işık, 2012, 190).

Mit dem beschriebenen Ansatz kann nach Işık die religiöse Kompetenz der Schülerinnen und Schüler befördert werden, indem ein intensiveres Verständnis zu einem Element der gelebten Praxis ermöglicht und eine eigene Position dem Lerngegenstand gegenüber eingenommen wird (Işık, 2012, 190).

2.2.2. Dimensionen der performativen Religionsdidaktik nach Jörg Ballnus

Für seine Ausarbeitung orientiert sich Jörg Ballnus an den Dimensionen religiöser Bildung (→ Bildung, religiöse), die von der katholischen Religionspädagogin Claudia Gärtner (Gärtner, 2015) für den Lernort Schule erstellt wurden. Dabei befasst er sich mit der liturgischen und hermeneutischen Dimension und lässt die von Gärtner genannte philosophische, ethische und symbolisch-ästhetische Dimension unberücksichtigt. Nach Ballnus muss das liturgische Lernen am Lernort Schule dem Verhältnis von Sprechakt und Handlung gerecht werden, daher reicht „ein bloßes ‚Extrahieren‘ verschiedener Körperhaltungen aus der Abfolge der Gebetshaltungen“ (Ballnus, 2016, 174) nicht aus, „[…] wenn die dazugehörige Sprachhandlung fehlt. Daher ist immer eine Kombination aus Sprech- und Körperhandlung für den performativen Charakter einer didaktischen Inszenierung im Unterricht notwendig“ (Ballnus, 2016, 174).

Ballnus nähert sich in der hermeneutischen Dimension an den koranischen Text über die Sprache an, die alle Schülerinnen und Schüler sprechen. Für ihn erfolgen Textverstehen und Texterkundung in der deutschen Sprache, das Verstehen des Textes durch Hinzunahme von Übersetzungen hält er für unerlässlich, möchte aber auf der anderen Seite den arabischen Originaltext verstanden wissen (Ballnus, 2016, 174).

Wenn es ihm darum geht, den Text im Religionsunterricht losgelöst von der Handlungshierarchie des rituellen Gebetes erleben und wirken zu lassen, präferiert er mit dem Weg des Ausprobierens den evangelischen Ansatz des performativen Lernens. Nach diesem darf die Inszenierung von Religion nicht mit einem authentischen religiösen Handeln verwechselt werden, da dies den Modalitäten schulischen Lernens nicht entspricht. Daher geht es um Handeln im Modus des „als ob“, um ein „Probehandeln und Probedenken“ (Ballnus, 2016, 174) oder „ein Probehandeln in religiösen Welten“ (Dressler, 2002, 14). Mit der Anknüpfung an den evangelischen Ansatz macht Ballnus deutlich, dass es ihm um das ‚Zeigen der Religion‘ mittels des gesprochenen arabischen Textes geht und nicht um eine religiöse Praxis, zumal er die Loslösung des Textes von der Handlungshierarchie des rituellen Gebetes betont. Nach Ballnus lässt sich unter Berufung auf Leonard/Klie „durch eine partielle Performativität […] zugleich der starre Charakter katechetischer Rahmenbedingungen der bloßen Nachahmung muslimischer Normativität öffnen“ (Leonhard/Klie, 2012, 90).

2.2.3. Zusammenfassung der Ansätze

Die skizzierten Ansätze zum performativen Lernen von Iṣık und Ballnus zeigen, dass es ihnen in Abgrenzung zur Moscheedidaktik um das reflexive Erleben des Gebets, bei Iṣık durch die einzelnen habitualisierenden Elemente und bei Ballnus durch den gesprochenen Text als Rede Gottes, geht. Damit betonen sie die Förderung der Positionierung der Schülerinnen und Schüler in der Begegnung mit dem religiösen Ritus, ohne auf die emotionale Erlebnisdimension zu verzichten.

Es bleibt an dieser Stelle weiterzudenken, wie zum einen der Ansatz der performativen Religionsdidaktik mit der Signatur der islamischen Religionspädagogik weiterentwickelt werden kann, wenn das Ziel sein soll, dass Inhalte der islamischen Praxis mit ihren Ausdrucksformen von den Schülerinnen und Schülern wahrgenommen, gedeutet, gestaltet werden oder sie gegebenenfalls daran teilhaben können. Eine hinreichende Klärung benötigt das Verhältnis von habitualisierenden Elementen, die ein Einüben in den Glauben darstellen, und der Ausbildung einer religiösen Urteilskompetenz, gerade auch im Hinblick auf Schülerinnen und Schüler, die keine religiöse Sozialisation in der Familie oder der Moschee erfahren haben. Notwendig bleiben die Betrachtung weiterer Bereiche der islamischen Orthopraxie sowie die Entwicklung tragfähiger performativer religionsdidaktischer Ansätze, um Schülerinnen und Schüler in performativen Bildungsprozessen urteils- und handlungsfähig zu machen, wobei aber auch das Überwältigungsgebot im Blick behalten werden muss.

2.3. Interreligiöses Lernen

In der christlichen Religionspädagogik wurden in den letzten Jahrzehnten Konzeptionen entwickelt, wie das interreligiöse Lernen (→ interreligiöses Lernen) im Religionsunterricht umgesetzt werden kann. Auch wenn die Beschäftigung mit anderen Religionen und Weltanschauungen im islamischen Religionsunterricht ebenso zu den in den Lehrplänen verankerten Inhalten gehört (exemplarisch Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014), bleibt es von islamischen Religionspädagoginnen und -pädagogen zu klären, aus welchem theologischen Selbstverständnis heraus, mit welchen theologisch begründeten Kriterien und mit welchem, ebenfalls begründeten Ziel ein solches Lernen initiiert und begleitet werden soll (Tautz, 2013, 279). Daher muss die eigene Tradition in besonderer Weise daraufhin befragt werden, was sie im Gegenüber zur fremden Tradition gesprächsfähig macht.

2.3.1. Begründung des interreligiösen Lernens aus muslimischer Perspektive

Begründungen des interreligiösen Lernens im islamischen Religionsunterricht legen den Schwerpunkt weniger auf die theologisch bzw. religionspädagogische Ebene, sondern eher auf die gesellschaftliche. So begründet die Islamwissenschaftlerin Rabeya Müller die Notwendigkeit des interreligiösen Lernens mit der Vielfalt der Religionen in der Gesellschaft: „Die gesamtgesellschaftlichen Gegebenheiten haben sich heute dahingehend verändert, dass Religion und Glaube keine Selbstverständlichkeit mehr sind. Es existiert ein Pluralismus von Religionen, Weltanschauungen und Werten […]. Die Anerkennung der Pluralität, sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch innerhalb des Islam, gehört heute zu einer angemessenen muslimisch-religiösen Bildung“ (Müller, 2010, 175).

Der Religionspädagoge Bülent Uçar und der Islamwissenschaftler Esnaf Begic argumentieren in einer Abhandlung ähnlich wie Müller, indem sie sich zunächst auf die Anwesenheit der Muslime bedingt durch die Migrationssituation beziehen. Bezogen auf den islamischen Religionsunterricht fordern sie ein, dass dieser „[…] sich über die Grenzen des jeweiligen theologischen Binnenverständnisses hinweg öffnen muss, ohne dabei die theologischen Inhalte der Bezugsreligion in Frage zu stellen und sein bekenntnisorientiertes Profil zu nivellieren“ (Uçar/Begic, 2010, 96). Uçar und Begic machen deutlich, dass für sie der bekenntnisgebundene Charakter des Religionsunterrichts im Vordergrund steht und auch beim interreligiösen Lernen beibehalten werden muss. Wie dies konkret umzusetzen ist, skizzieren sie mit einigen Beispielen, wie etwa wichtigen Anlässen im Jahreszyklus, Weihnachten oder Ramadan, die in einer gemeinsamen Lerngruppe multiperspektivisch erarbeitet werden können, ferner regen sie Besuche in Moscheen und Kirchen oder Lesungen von Texten aus Koran und Bibel an (Uçar/Begic, 2010, 98f.).

Harry Harun Behr hingegen geht bei seinen Überlegungen von der Frage aus, was im Religionsunterricht zum interreligiösen Lernen geleistet werden soll. Daraus ergibt sich für Behr die Einordnung der Methode, der Ziele und der theologischen Begründung. Nach Behr ist das interreligiöse Lernen im schulischen Kontext maßgeblich bestimmt durch die Institution, ihrer Richtlinien und die in den Curricula festgelegten Inhalte. Er entwirft eine Struktur mit fünf Ebenen, auf denen sich Religionen zueinander in Bezug setzen lassen und in denen sich religions- und kulturvergleichende Debatten immer wieder asymmetrisch gegenüberstehen und nicht selten auch gegeneinander ausgespielt würden (Behr, 2017, 78). Die erste Ebene der „Inszenierung“ (Behr, 2017, 79) ist die des praktischen Vollzugs, an dem eine Religion sichtbar wird. Das können nach Behr Orte, Räume, Handlungen oder Personen sein. Auf der zweiten Ebene der „Interpretation“ (Behr, 2017, 79f.), der Dimension des Unsichtbaren, kommen für Behr die Glaubenselemente der jeweiligen Religion in Betracht, die ein Nachdenken über die Religion ermöglichen und Antworten suchen auf Fragen, wie etwa die nach Leben und Tod und damit nach dem Sinn. Auf der dritten Ebene der „Infragestellung“ nähert sich Behr der historischen Einordnung der Religionen und ihrer Entwicklungen, woraus sich durch die Anfragen der Zugang zur eigenen Tradition verändern kann. Die vierte Ebene der „Intention“ (Behr, 2017, 80) greift mit der Ethik des Handelns aktuelle Fragen auf, wenn es darum geht, über den bekenntnisgebundenen Unterricht hinaus im sozialen Feld gemeinsame Problemfelder anzugehen. Auf der letzten Ebene der „Institution“ (Behr, 2017, 80) geht es Behr um eine stärkere Selbstpositionierung der Schülerinnen und Schüler nicht nur zu religiösen Institutionen, sondern auch zur eigenen Religion. Daher ist der Begriff Institution hier auch symbolisch zu verstehen als das „System“ der Religion im Sinne eines Sinn- und Weltdeutungssystems, wo eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen erfolgt.

Behr erhofft sich von einem interreligiösen Austausch nicht nur gemeinsame Erkenntnisse und Interessen, die die eigene Religion wie die andere Religion vertiefen, sondern auch Steuerimpulse, wie mit der eigenen Schrift im Religionsunterricht verfahren wird (Behr, 2017, 81f.). Behrs Ausführungen machen deutlich, dass nach ihm das interreligiöse Lernen ein Begegnungslernen mit einem Perspektivenwechsel bedingt.

2.3.2. Interreligiöse Kooperationsprojekte

Seit einigen Jahren gibt es Kooperationsprojekte von Religionspädagoginnen und Religionspädagogen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit auf vielen Ebenen. Exemplarisch sollen hier einige von ihnen vorgestellt werden:

1. Religionspädagogische Gespräche zwischen Mitgliedern des Judentums, Christentums und Islams

Die Religionspädagogen Bernd Schröder, Harry Harun Behr und Daniel Krochmalnik haben im Jahre 2007 eine Tagungsreihe initiiert, die sich an jüdische, christliche und muslimische Religionslehrkräfte richtet. Ziel der Tagungsreihe ist es, Religionslehrkräften aus verschiedenen Religionen […] ein Forum zu bieten, um miteinander theologische und pädagogische Impulse aus den drei Religionen zu bedenken, eigene Erfahrungen mit Unterricht im Licht der jeweils anderen Religion sehen zu lernen und so die reichen religiösen Erziehungs- und Bildungstraditionen der jeweils anderen Religionen aus deren Innenperspektive zu verstehen“ (Schröder/Behr/Krochmalnik, 2009, 7). Neben den Tagungen werden die Dokumentationen der Tagungsreihe in einer Buchreihe herausgegeben (exemplarisch Schröder/Behr/Krochmalnik, 2009).

2. Christlich-islamisches Forum Religionspädagogik

Das interreligiöse Projekt Christlich-islamisches Forum Religionspädagogik (CIFR) in Münster versteht sich als Plattform für interreligiösen Diskurs und interreligiöse Forschung mit Blick auf fachdidaktische Fragen der Religionspädagogik. Gegründet wurde die Plattform von Clauß Peter Sajak, Rainer Möller und Mouhanad Khorchide, welches auch durch die räumliche wie institutionelle Nähe in Münster bestärkt wurde. Seit 2013 veranstaltet das CIFR im Frühjahr eine zweitägige Expertenkonsultation zu religionspädagogischen und didaktischen Fragen und Problemen und lädt dazu Fachleute aus Theorie und Praxis ein. Im Herbst findet dann eine Lehrerfortbildung statt, die modellhaft die Kooperation von evangelischen, katholischen und islamischen Lehrkräften im Schulalltag aufgreift (Möller, 2015).

3. Religionskooperativer Religionsunterricht

Um Spielräume interreligiöser Kooperation und interreligiösen Begegnungslernens in der Schule auszuloten, wurde an der Universität Paderborn am Zentrum für Komparative Theologie und am Institut für Katholische Theologie in Kooperation mit dem Seminar für Islamische Theologie im Rahmen des konfessionellen Religionsunterrichts ein Modellprojekt entwickelt, das angesichts politischer, gesellschaftlicher und kultureller Bedingungen und unter den für alle Religionsgemeinschaften gleichermaßen geltenden Herausforderungen religiöser Pluralität eine gemeinsame Verantwortung für eine öffentlich wirksame religiöse Bildung Rechnung trägt. Das Modellprojekt wurde im Schuljahr 2018/19 an einem Gymnasium im Ruhrgebiet erprobt, das neben dem evangelischen und katholischen Religionsunterricht auch einen islamischen Religionsunterricht erteilt. Dabei war das Ziel, den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu bieten, einen aktiven Dialog über existentielle und gesellschaftsrelevante religiöse Fragestellungen zu führen, welcher über konfessionelle Grenzen hinausgeht.

Die theologischen Vorannahmen für dieses Modell eines religionskooperativen Religionsunterrichts basieren auf den handlungsleitenden Zielen und Methoden der Komparativen Theologie. Die auf dieser Grundlage entwickelte Grundidee des Projektes besteht darin, den bekenntnisgebundenen Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG durch didaktisch profilierte Phasen des interreligiösen Begegnungslernens zwischen Schülerinnen und Schülern verschiedener Bekenntnisse zu ergänzen. Nach Abschluss wurde der Religionsunterricht empirisch untersucht, indem methodisch-systematisch sowohl quantitative als auch qualitative Daten generiert wurden (Woppowa/Caruso/Konsek/Kamcili-Yildiz, 2020).

4. Drei-Religionen-Schule

Einen besonderen Weg der Begegnung geht die Drei-Religionen-Schule in Osnabrück, an der Mitglieder der drei monotheistischen Religionen gemeinsam nach dem trialogischen Profil der Schule die Schulkultur gestalten. Das religionspädagogische Konzept der Schule sieht einen bekenntnisgebundenen jüdischen, christlichen und islamischen Religionsunterricht für die jeweiligen Schülerinnen und Schüler vor. Daneben gibt es in jedem Schuljahr jahrgangsübergreifende Projekte, in denen spezifische Aspekte der Religionen erst aus der eigenen und dann aus der Fremdperspektive betrachtet werden. Das interreligiöse Konzept der Schule zeigt sich durch eine gemeinsame Fachkonferenz Religion auch im Kollegium, durch initiierte Gespräche innerhalb der Elternschaft oder auch im schulischen Beirat. Besondere Berücksichtigung finden im Schulalltag die religionsspezifische Verpflegung sowie die Feste aller drei Religionen. Wissenschaftlich begleitet wird die Arbeit an der Drei-Religionen-Schule von einem Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern der drei Religionen (Sturm/Verburg, 2017, 160-168).

5. Materialien zum Lernen im Dialog bzw. Trialog

Auf der Materialebene entstehen in den letzten Jahren verstärkt gemeinsame Publikationen von christlichen und muslimischen Religionspädagoginnen und -pädagogen, die die Perspektiven ihrer Religionen in ihren Konzeptionen berücksichtigen. Auf der Ebene der Unterrichtspraxis bieten sich die von Clauß Peter Sajak herausgegebenen Themenhefte „Lernen im Trialog“ (exemplarisch Sajak, 2012) an, die theologische Grundlagentexte sowie Praxisbeispiele für die interreligiöse Projektarbeit in unterschiedlichen Schulstufen anbieten. Hinzu kommen in Zusammenarbeit mit muslimischen Wissenschaftlerinnen erarbeitete Materialien für die Arbeit im christlichen Religionsunterricht (exemplarisch Marose, 2020 und Woppowa, 2019).

Dem Ansatz der Begegnung, die über die monotheistischen Religionen hinausgeht, zeigen die Materialien zum interreligiösen dialogischen Lernen, indem der gelebte Glaube von Mitgliedern der jeweiligen Religion veranschaulicht und der Inhalt im Alltag gestaltet wird. Die Autorinnen und Autoren der interreligiös angelegten Unterrichtsmaterialien kommen aus dem Buddhismus, Hinduismus, Judentum, Christentum, Islam und Alevitentum. Das Ziel der Reihe ist es, die Binnenperspektiven der unterschiedlichen Religionen aufzuzeigen (exemplarisch Gloy/Herweg/Knauth//Petersen/Petterson/Rochdi/Yildiz, 2014).

2.3.3. Zusammenfassung

Die dargestellten Arbeiten und Kooperationen zum interreligiösen Lernen zeigen, dass muslimische Religionspädagoginnen und -pädagogen von ihren christlichen Kolleginnen und Kollegen als Gesprächs- und Dialogpartner für einen internen sowie offenen Diskurs angefragt werden, um Konzepte des interreligiösen Lernens auf wissenschaftlicher Ebene sowie der Ebene ihrer Umsetzung im Religionsunterricht weiterzuentwickeln bzw. zu verbessern. Hierbei orientiert man sich an den Konzeptionen der evangelischen und katholischen Religionspädagogik.

Allerdings ist in diesem Arbeitsfeld noch von der Seite der islamischen Religionspädagogik zu klären, welche theologische Begründung einer interreligiösen Begegnung im schulischen Feld zugrunde gelegt wird und welcher Hermeneutik religiöser Pluralität sie folgen soll. Es stellt sich die Frage, ob die islamische Religionspädagogik denselben Weg wie die christliche Religionspädagogik geht – angefangen bei religionskundlichen Modellen bis zu interreligiösen Kooperationsmodellen – oder ob sie grundsätzlich einen eigenen genuin islamisch-religionspädagogischen Weg der Begegnung entwickelt (Kamcili-Yildiz, 2020, 88). Der Blick auf die Veränderungen durch den konfessionell kooperativen Religionsunterricht im christlichen Bereich auf der einen Seite und die steigende Anzahl muslimischer Schülerinnen und Schüler auf der anderen Seite lassen erkennen, dass religionsübergreifende Kooperationsformen die Zukunft des Religionsunterrichts bestimmen könnten (Riegel, 2018).

Literaturverzeichnis

  • Abdel-Rahman, Annett, Rezension zu „Was der Koran uns sagt“, in: Hikma. Zeitschrift für islamische Theologie und Religionspädagogik (2011) 2, 113f.
  • Ablak, Sabiha, Der Koran für Kinder und Erwachsene – Eine Rezension aus islamischer Sicht, in: Loccumer Pelikan. Religionspädagogisches Magazin für Schule und Gemeinde (2008) 4, 166f.
  • Aslan, Ednan, Situation und Strömungen der islamischen Religionspädagogik im deutschsprachigen Raum, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 11 (2012) 2, 10-18.
  • Ballnus, Jörg, Text und Performanz. Eine Didaktik des Gebets im islamischen Religionsunterricht zwischen Normativität und Spiritualität, Frankfurt a. M. 2016.
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