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Lernstrategien

Andere Schreibweise: Lerntechniken; Lernmethoden; engl. learning strategy

(erstellt: März 2023)

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1. Begriffsklärung

Mit dem Begriff Lernstrategien werden Verhaltensweisen und Einstellungen bezeichnet, die „die Aneignung, das Verstehen oder den späteren Transfer neuen Wissens und neuer Fertigkeiten begünstigen“ (Stöger, 2019, 351), die also die Lerneffizienz zielgerichtet steigern. In der Literatur findet sich die grundlegende Ausdifferenzierung in die Kategorien von kognitiven und metakognitiven Strategien (vgl. Stöger, 2019, 351; vgl. Seel, 2000, 224) sowie in ressourcenorientierte, affektive Strategien (vgl. Perels/Dorrenbächer/Landmann/Otto/Schnick-Vollmer/Schmitz, 2020, 47; vgl. Hattie, 2013, 224).

Die kognitiven Lernstrategien werden weiter differenziert in Wiederholungsstrategien (z.B. Lernen von Fakten, Vokabeln, mehrmaliges Lesen eines Textes), Elaborationsstrategien (z.B. Verstehen neuer Inhalte durch Verknüpfung mit bestehendem Wissen, Anwendungs- und Transferaufgaben) und Organisationsstrategien (z.B. den Inhalt in einer verständlichen Form aufbereiten, Zusammenfassung, Klassifizierung im Sinne von Mindmaps), die einer Reduktion auf das Wesentliche dienen (vgl. Stöger, 2019, 351; Seel, 2000, 224). Letztere zielen darauf ab, Lerninhalte zu komprimieren und verständlich zu gestalten, während Elaborationsstrategien kognitive Bezüge und Verknüpfungsprozesse mit dem Vorwissen und den Vorerfahrungen fokussieren. Wiederholungsstrategien dienen primär einer langfristigen Speicherung von Daten und Fakten im Gehirn.

Im Gegensatz dazu weisen metakognitive Strategien (→ Metakognition) eine selbstreflexive Komponente auf und dienen der Beobachtung, Überwachung und Bewertung des eigenen Lernprozesses (Stütz- oder Kontrollstrategien). Ressourcenorientierte, affektive Lernstrategien fokussieren die Beobachtung der eigenen zur Verfügung stehenden Ressourcen (internal: z.B. → Motivation, Aufmerksamkeit; external: z.B. Lernumgebung, Unterstützung durch andere Personen). Ähnlich wie bei den metakognitiven Strategien dienen sie einem Monitoring des eigenen Lernens (vgl. Perels/Dorrenbächer/Landmann/Otto/Schnick-Vollmer/Schmitz, 2020, 47).

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Lernstrategien – insbesondere im Rahmen eines kompetenzorientierten Unterrichts – zielen letztlich darauf ab, → Schülerinnen und Schüler zu befähigen, eigenständig und eigenverantwortlich Lernen zu können (selbstreguliertes Lernen). Neben der Vermittlung von fachlichem Wissen und Können wird dies als zentrale Aufgabe einer Bildungsverantwortung lokalisiert (vgl. Perels/Dorrenbächer/Landmann/Otto/Schnick-Vollmer/Schmitz, 2020, 46). Hinsichtlich der Wirksamkeit von schulischen Interventionen auf Lernen und den Lernerfolg gibt John Hattie in seiner Metastudie (→ Bildungsstudien) eine mittlere Effektstärke von d=59 an, wenn Lernstrategien am konkreten unterrichtlichen Inhalt eingeübt werden (vgl. Hattie, 2013, 224-228).

2. Prinzipien eines Lernen-lernens

Wenn Lernen – unter neurowissenschaftlichen Implikationen – verstanden wird als Verknüpfungsprozess im Gehirn, der neue Informationen mit bereits vorhandenen Strukturen verbindet (Rupp, 2009, 213), um Bedeutung zu konstruieren (→ Kompetenzaufbau, kumulativ / Wiederholung), und die Leistungsfähigkeit im Sinne der neurowissenschaftlichen Grundregel „use it or lose it“ (Bauer, 2009, 55) von der Benutzung(shäufigkeit) abhängt, braucht es Strategien, die das Gehirn der Lernenden beim Lernen unterstützen.

Für den gewinnbringenden Einsatz von Lernstrategien bedarf es zunächst hinreichender Kenntnisse über verschiedene Lernwege (deklaratives Wissen); Lernende müssen Sinn, Aufbau und Funktion von z.B. Mindmaps kennen. Dies ist aber in ein Anwendungswissen zu überführen (prozedurales Wissen) und verlangt von daher ein eigenes Tun und Üben, eben die Anwendung der Strategie selbst bis hin zu einer Automatisierung, die noch ergänzt wird durch die Kenntnis, wann welche Lernstrategie sinnvoll einzusetzen ist (konditionales Wissen) (vgl. Stöger, 2019, 353).

Projekttage, in denen Schülerinnen und Schüler mit wichtigen Lernstrategien bekannt gemacht werden, gibt es bereits vielfach an Schulen. Problematisch dabei ist die beobachtbare Konzentration auf kognitive Lernstrategien einerseits und eine mangelnde Einübung der Strategien im konkreten Unterricht und am konkreten Lerninhalt andererseits. Oft wird die Einübung den Kindern und Jugendlichen anheimgestellt. Ein solches Vorgehen erweist sich aber als kaum erfolgreich (vgl. Stöger, 2019, 352). Auch in diesem Kontext gilt, dass Übung den Meister macht und eine Verbindung der Lerntechniken mit den konkreten Unterrichtsinhalten notwendig ist (vgl. Hattie, 2013, 224f.). Fehlen diese, greifen Schülerinnen und Schüler kaum auf die vorher präsentierten Strategien zurück und vermögen sie auch nicht anzuwenden (vgl. Stöger, 2019, 353).

Die Einübung von Lernen braucht professionelle Begleitung. Neben dem eigenen Tun ist „systematisch Feedback auf die Qualität des Strategieeinsatzes zu geben“ (Stöger, 2019, 353) und zwar so, dass Lernenden deutlich wird, dass der Einsatz von passenden Lernstrategien zu einem Lernerfolg und damit zu einer besseren Leistung (→ Evaluation/Feedback), aber auch zu einem positiven Erleben des Lernens selbst führt. Lernstrategien werden dann erfolgreich eingesetzt, wenn Stärken und Schwächen in der Anwendung erkannt und entsprechende Modifikationen vorgenommen werden (können).

Ziel dabei ist stets der eigenständige und mündige Lernende, der sein Lernen selbst zu planen, Ziele zu formulieren, durchzuführen, zu überwachen und zu regulieren vermag. Oder pointiert formuliert: „Ziel jeglichen Lehrens ist das Lernen!“ (Mendl, 2015, 230) Eben dazu bedarf es neben kognitiven Strategien auch metakognitiver Strategien (→ Metakognition), die zudem volitionale und motivationale Dimensionen berücksichtigen (→ Lerntypen). Aus diesem Grund „lässt sich die Vermittlung von kognitiven und metakognitiven Strategien nicht mehr wirklich voneinander trennen“ (Stöger, 2019, 354). Die Kombination aus beiden führt nachweisbar zu einem höheren Erfolg (vgl. Stöger, 2019, 354).

Bei allen Strategien des kognitiven Übens und Wiederholens gelten einige Leitlinien: Zunächst bedarf es (1) einer grundsätzlichen Bereitschaft und Motivation zu Wiederholung und Übung. Dabei macht die Lehrkraft transparent, wozu diese dient, formuliert Ziele, gestaltet sie abwechslungsreich und bettet die Inhalte in sinnvolle Zusammenhänge ein, um Verknüpfungen zu ermöglichen. Mit der Übung sollte sich (2) ein Lernerfolg einstellen, wenn es auf Dauer gewinnbringend sein soll. (3) Eine hohe Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler ist Voraussetzung für ein längerfristiges Behalten und wird gefördert, wenn Üben und Wiederholen wirklichkeitsnah stattfindet und zu einem sicheren Beherrschen des zu Lernenden führt. Auch bei Formen des selbstregulierten Lernens muss Lernen (4) betreut und kontrolliert werden (Gudjons, 2006, 18).

(Schulisches) Lernen auf rein kognitive Aspekte zu reduzieren, greift aber zu kurz, weil auch emotionale, motivationale und volitionale Aspekte einzubeziehen sind. Es intendiert auch Veränderungsprozesse in den Dimensionen von (Vor-)Einstellungen und Haltungen (vgl. Kap. 5.1.3 und 5.2) (Stinglhammer, 2017, 77-80;342). Damit geraten aber metakognitive Strategien in den Blick, die ein „Nachdenken über das Denken“ (Hattie, 2013, 224) fokussieren. Schülerinnen und Schüler werden demnach auch gezielt zu ihren Einstellungen und zu möglichen Veränderungen der Einstellung und Haltung befragt. Einerseits betrifft dies Reflexionen über die Motivation, den Willen oder Widerwillen und den damit einhergehenden Gefühlen im Lernprozess (z.B. Das ist mir leicht gefallen …; Ich hätte noch mehr gelernt, wenn …; Da hätte ich noch Hilfe gebraucht …; Das fiel mir schwer, weil …) und andererseits über die inhaltliche Seite, z.B. Einstellungen zu religiös-christlichen Praktiken oder begründete ethische Positionierungen (Beeindruckend finde ich …; Das finde ich eigenartig, weil …; Meiner Meinung nach sollte …, weil … usw.)

3. Selbstreguliertes Lernen

Damit wird das Ziel der Einübung von Lernstrategien deutlich: Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, selbst Lernstrategien kompetent zu planen, durchzuführen und gegebenenfalls anzupassen: Die Lernenden können ihr Lernen unter den Bedingungen eines digitalen Zeitalters mit schnell veraltendem Wissen sowie einer exponentiellen Wissenszunahme in einer globalisierten Welt selbst effektiv gestalten.

Grundsätzlich versteht man unter selbstreguliertem Lernen einen „aktiven, konstruktiven Prozess, bei dem Lernende sich selbst Ziele für ihr Lernen setzen und ihre Kognitionen, ihre Motivation und ihr Verhalten basierend auf diesen Zielen überwachen, regulieren und kontrollieren“ (zit. nach Stöger, 2019, 354). Empirische Studien belegen, dass dieser Kompetenz eine Schlüsselfunktion in Bezug auf Lernen zukommt (vgl. Perels/Dorrenbächer/Landmann/Otto/Schnick-Vollmer/Schmitz, 2020, 46) und mit zunehmendem Alter der Lernenden an Bedeutung gewinnt (vgl. Perels/Dorrenbächer/Landmann/Otto/Schnick-Vollmer/Schmitz, 2020, 58).

Insofern wurden verschiedene Trainingsprogramme entwickelt, die diese Schlüsselkompetenz auf der Grundlage aktueller Forschungsergebnisse fördern. Dabei sind folgende Grundlinien über die Programme hinweg erkennbar (vgl. Perels/Dorrenbächer/Landmann/Otto/Schnick-Vollmer/Schmitz, 2020, 58-62; vgl. Stöger, 2019, 355-358):

  • Lernstrategien werden über einen längeren Zeitraum (mehrere Wochen) eingeübt.
  • Die Lernenden erhalten entsprechendes Hintergrundwissen über verschiedene Strategien (deklaratives Wissen).
  • Die Lernwege werden in und an den jeweils konkreten unterrichtlichen Inhalten (prozedurales Wissen) trainiert und nicht abgekoppelt vom Stundenplan unterrichtet.
  • Die sichere Anwendung des Gelernten in variablen Situationen (Transfer) ist ein wichtiges Ziel.
  • In den Trainingsprogrammen ist ein begleitendes, systematisches Feedback über die Anwendung der Strategien vorgesehen.
  • Die Lernenden werden zu einer metakognitiven Selbstbeobachtung und Reflexion des eigenen Lernens angeleitet (Self-Monitoring).
  • Selbstregulatorische Fähigkeiten wie z.B. eigene Ziele formulieren, Lernwege planen, Überwachung der eigenen Konzentration und Motivation, Umgang mit Fehlern etc. werden geschult.

4. Lernstrategien im religionspädagogischen Kontext

„Der Religionsunterricht hat im Laufe der letzten 50 Jahre keine eigene Wiederholungskultur entwickelt. Man meinte, durch Aktualität, durch Lebens- und Personbezug sowie durch emotionale Betroffenheit nachhaltige Lernprozesse auslösen zu können“ (Rupp, 2009, 218). Diese sicherlich pointiert formulierte Aussage legt den Finger in eine religionspädagogische Wunde und stellt die Frage, was nach „1000 Stunden Religion“ (Kliemann/Rupp, 2000) noch bleibt. Und mit dem Begriff der „Wiederholungskultur“ wird nicht nur der Aspekt der Wirksamkeit des Religionsunterrichts, sondern auch die Frage nach angemessenen Lernstrategien evident. Gerade der kompetenzorientierte Unterricht zielt auf „systematisches und vernetztes Lernen“ und folgt so „dem Prinzip des kumulativen Kompetenzerwerbs“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2005, 6). Welche Lernstrategien werden im Religionsunterricht verfolgt, die ein kumulatives Lernen fördern? Finden sich über eine mechanische Wiederholungskultur durch Auswendiglernen hinaus auch Elaborationsstrategien, Organisationsstrategien und Metakognition? Studien zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler tendenziell zu mehr Vernetzungsleistungen fähig wären, als im Unterricht von der Lehrkraft abgerufen wird (vgl. Stinglhammer, 2017, 332). Wenn begründet bemängelt wird, dass der Religionsunterricht heute zu „anregungsschwach“ sei, die Schülerinnen und Schüler zu wenig herausfordere und kognitiv aktiviere (vgl. Englert/Hennecke/Kämmerling 2014, 230f.; vgl. Stinglhammer, 2017, 320;235), dann stellt sich auch die Frage nach herausfordernden, aktivierenden Lernstrategien.

Diese Defizitanzeige kann – neben anderen Faktoren – damit erklärt werden, „dass es bislang im Religionsunterricht kaum Gelegenheiten zum Üben und Wiederholen gab. Im Religionsunterricht müssen variantenreiche Formen des Übens entwickelt werden, die die Schülerinnen und Schüler herausfordern, das Gelernte und Gekonnte in unterschiedlichen Situationen, mit verschiedenartigen Medien und Materialien, unter vielfältigen Gesichtspunkten und an immer wieder neuen Aufgaben anzuwenden und zu üben“ (Möller, 2012, 3). Die Entwicklung einer neuen Sensibilität für Lern-, Übungs- und Wiederholungsstrategien auch im religionsunterrichtlichen Kontext scheint angezeigt. Im Religionsunterricht sind aber Vernetzungen im Sinne des Aufbaus von kumulativem Wissen (→ Kompetenzaufbau, kumulativ / Wiederholung) nicht ausschließlich auf kognitiv-begrifflicher Ebene zu betrachten, sondern religiöses Lernen zielt auch auf Verknüpfungen mit einer emotional aufgeladenen Lebens- und Erfahrungswelt sowie auf Veränderungen in den sensiblen Dimensionen von Einstellungen und Haltungen (vgl. z.B. ethisches Lernen → Ethische Bildung und Erziehung, performatives Lernen) (vgl. auch Mendl, 2022).

5. Lernstrategien im Religionsunterricht

5.1. Kognitive Lernstrategien

5.1.1. Wiederholungsstrategien

Auch im Religionsunterricht braucht es ein „mechanisches“ Üben, weil sich die grundlegenden ‚Vokabeln‘ einer religiösen Bildung angeeignet werden müssen (Warum werden die einzelnen christlichen Feiertage gefeiert? Welche wichtigen Orte finden sich in einer Kirche? Wie finde ich eine Bibelstelle? Was ist der Inhalt zentraler biblischer Geschichten? etc.). Es gibt grundlegende Inhalte, die auswendig gewusst werden sollten, um darauf aufbauend kognitive Schemata entwickeln zu können. Muss nämlich ein Sachgebiet von Anfang an und ohne Vorkenntnisse gelernt werden, braucht es für ein gezieltes Lernen zunächst die Aneignung eines grundlegenden Wissens, das dann mit neuen Inhalten verknüpft werden kann (vgl. Roth, 2009, 66). Das ist den Lernenden transparent zu machen. In Religionsbüchern wird dies auf verschiedenen Ebenen versucht, z.B. durch übersichtliche Zusammenstellungen von bereits bekanntem (Grund-)Wissen zur Wiederholung oder durch angeleitete Wiederholungen am Ende eines Kapitels (vgl. z.B. die Religionsbuchreihen „Religion vernetzt plus“ oder „Freiräume“)

Bei Wiederholungstrategien gilt stets: Ein regelmäßiges, verteiltes Üben ist nachweisbar effektiver als ein konzentriertes, einmaliges Wiederholen, weil es danach deutlich leichter fällt, das Gelernte wieder abzurufen. „Regelmäßig zehn Minuten sind besser als zwei Stunden hintereinander“ (Gudjons, 2006, 18; vgl. Hattie, 2013, 220). Methodisch kann ein solches Lernen unterstützt werden durch lautes Aufsagen, wiederholtes Lesen, Mnemotechniken oder entsprechende Lern-/Grundwissenskarteien, die eine aktive Lern- und Wiederholungszeit im Unterricht selbst anzielen und diese nicht ausschließlich auf die Hausaufgabenzeit verlagern.

Sicherlich ist zu bedenken, dass die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler, für ein Fach wie Religionslehre einen großen Lernaufwand zu betreiben, sich in Grenzen hält. Doch können solche Strategien Teil des Unterrichts sein und auch spielerisch (z.B. in der Gestaltung eines Quiz) erfolgen.

Ein solches Wiederholen – missverstanden als Pauken und Drill – „kann allzu oft stumpfsinnig und repetitiv sein, minimales Feedback enthalten, keine multiplen unterschiedlichen Erfahrungen beinhalten oder solche anbieten, keine ausreichende kontextuelle Variabilität bieten, um einen Lerntransfer zu ermöglichen, nicht in den Kontext tieferen und konzeptuellen Verstehens eingebettet sein, das Teil eines umfassenderen Lernergebnisses ist, und oft genug auf Oberflächen-Wissen zielen“ (Hattie, 2013, 220). Insofern wird deutlich, dass ein mechanisches Wiederholen eine Lernstrategie ist, die kontextualisiert werden muss (z.B. Verknüpfen mit und in konkreten Anwendungssituationen; nicht nur aufzählen, sondern auch erklären; Fragen formulieren; Wiederholung anhand eines Bildes) , denn es geht im unterrichtlichen Kontext nicht nur um eine Optimierung der Behaltensleistung, sondern primär um ein Verstehen von Religion (vgl. Mendl, 2009, 29).

5.1.2. Organisationsstrategien

Organisationsstrategien zielen auf eine Reduzierung, Ordnung und Visualisierung des Inhalts. Unterstreichungen und Markierungen in einem Text sind hier ein erster methodischer Schritt zur Ordnung und Fokussierung, der aber auch gelernt und geübt werden will. Darüber hinaus können Vorgehensweisen wie Exzerpieren, Teilüberschriften oder Titel formulieren, Tabellen oder Diagramme anlegen oder eine Strukturierung in Mindmaps, helfen, Inhalte zu organisieren und handhabbar zu machen.

5.1.3. Elaborationsstrategien

„Wo das, was Schülerinnen und Schüler im Unterricht an Neuem erfahren, nicht eingebettet wird in ‚Begriffsnetze‘ und ‚kognitive Landkarten‘, droht das neu Gelernte ‚träges Wissen‘ zu bleiben. Es wird schnell vergessen, wird nicht Teil des eigenen Wissensrepertoires und bringt keinerlei Zugewinn an Orientierungsleistungen“ (Englert, 2013, 58f.). Neuere Studien zeigen, dass diese Einbettung der Inhalte in größere Kontexte im Religionsunterricht ausbaufähig wäre (vgl. Englert, 2014, 117f.; vgl. Englert, 2013, 33f.) und dass Lernende teilweise von sich aus und ohne expliziten Impuls der Lehrkraft übergreifende Sinnzusammenhänge herstellen (vgl. Stinglhammer, 2017, 316f.;332f.). Aufgrund dieses Befundes stellt sich die Frage nach den im Religionsunterricht praktizierten Lernstrategien, die über ein mechanisches Wiederholen hinausreichen. Lerngegenstände sind in „komplexen, anwendungsbezogenen Kontexten und Situationen“ darzubieten und „aktive Vernetzung, Vertiefung und mehrmalige Wiederholung eines Konstrukts in neuen Kontexten“ (Mendl, 2012, 108) ist anzusteuern, um ein wirkungsvolles Lernen zu ermöglichen. Im Zuge der Kompetenzorientierung (→ Kompetenzorientierter Religionsunterricht) sind verschiedene unterrichtspraktische Modelle eines aufbauenden, kumulativen Lernens vorgelegt und reflektiert worden (vgl. z.B. Schwaller, 2020).

Eine einfach umzusetzende Elaborationstechnik, um religiöses Wissen zu verankern, sind Verknüpfungen von Inhalten mit einem weiteren Medium z.B. mit einem Bild (Text-Bild-Vergleich), mit Alltagsbeispielen, mit Liedtexten oder über die thematisierte Bibelstelle hinaus mit anderen Perikopen im Sinne einer kanonischen Exegese. Ein begrifflicher Inhalt wird in einem anderen Kontext neu gesehen und gedacht. Solche Vernetzungen müssen aber von der Lehrkraft bewusst angeregt werden, sollen Lernprozesse nicht im Diffusen verlaufen. Grundlegend kann eine Sensibilisierung für steigernde Anforderungsstufen in der Formulierung von Arbeitsaufträgen Vernetzungen begünstigen (z.B. von „beschreiben“ und „benennen“ zu Operatoren höheren Niveaus wie „vergleichen“, „erläutern“ oder „beurteilen“ vordringen) (vgl. Mendl/Stinglhammer, 2019, 142).

Bereits vorab initiieren → Advance Organizer Einordnungshilfen und Vernetzungsebenen, um die Anschlussfähigkeit des neuen Inhalts zu begünstigen. Sogenannte Begriffsnetze im Sinne von Mindmaps können dabei auch über eine Reduzierung des Stoffes hinausreichen und Verknüpfungen in den verschiedenen Dimensionen deutlich machen.

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Die komplexere Methodik der Struktur-Lege-Technik ermöglicht die Vernetzung und systematische Ordnung zentraler Begriffe des Unterrichtsgegenstandes. Dazu werden ausgewählte Begriffe (mindestens sieben; je nach Jahrgangsstufe empfiehlt sich eine Erhöhung der Anzahl) einer Unterrichtsthematik auf Karteikarten notiert. Die Lernpartner erläutern sich zuerst gegenseitig die einzelnen Begriffe, ehe sie diese in eine sinnvolle, inhaltlich zusammenhängende Struktur bringen, die sie dann anderen Schülerinnen und Schülern erläutern. Um Fragen beantworten und mögliche Fehler korrigieren zu können, empfiehlt sich die Präsentation wenigstens einer Struktur im Plenum, die von der Lehrkraft kritisch begleitet wird (vgl. Hepting, 2008, 141-144).

Solche Methoden, „vor allem das Vernetzen von Begriffen und Beziehungen durch Strukturskizzen […], überhaupt Techniken der Visualisierung“ (Gudjons 2006, 15), helfen, die neue Information mit bestehendem Vorwissen und Vorerfahrungen zu verknüpfen.

Auf der Ebene von Einstellungen und Haltungen, auf das auch ein ethisches Lernen zielt, werden z.B. im Unterrichtskonzept einer performativen Religionsdidaktik (→ Performativer Religionsunterricht, evangelisch; → Performativer Religionsunterricht, katholisch) Vernetzungsprozesse und reflexive Elemente auf mehreren Ebenen miteinander verwoben. Da die Schülerinnen und Schüler weitgehend über keine eigenen persönlichen Erfahrungen mit religiösen Vollzügen verfügen (Traditionsabbruch; → Sozialisation, religiöse), werden punktuell religiöse Vollzüge einladend erprobt und reflektiert, weil zurecht zu fragen ist, ob christlicher Glaube ohne Konkretion überhaupt verstehbar werden kann (vgl. Mendl, 2021, 239f.;242f.). Hier geht es also um eine Vernetzung von religiösem Orientierungswissen mit der Erlebensdimension eines behutsamen konkreten Vollzugs sowie (zentral) mit einer diskursiven Reflexion des Erlebten, welche eine subjektive Bedeutungszuweisung generiert und so eine Modifikation der eigenen Einstellung / Haltung gegenüber Religion ermöglicht (vgl. Mendl, 2016, 18-20). Dieses Konzept intendiert nicht nur auf Vernetzungen auf einer kognitiv-begrifflichen Dimension, sondern auch auf einer affektiven Ebene.

Im Zuge des kompetenzorientierten Unterrichts haben sich komplexe, herausfordernde und differenzierende Lernaufgaben entwickelt, die die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten in konkreten → Anforderungssituationen unterstützen und metakognitive Strategien einbinden.

5.2. Metakognitive Lernstrategien

5.2.1. Reflexion

Insbesondere im Zuge der kompetenzorientierten Ausrichtung der Lehrpläne hat unterrichtspraktisch eine Lernreflexion, zumeist am Ende der Stunde, Einzug in den Religionsunterricht gehalten. Dies ist aus der Sicht einer notwendigen Einübung metakognitiver Lernstrategien insgesamt zu begrüßen. Zu beachten ist dabei aber, dass eine Reflexion sich sowohl auf inhaltliche Aspekte als auch auf den Lernprozess an sich beziehen kann und muss, weil eine kombinierte Vermittlung kognitiver und metakognitiver Strategien am meisten Erfolg verspricht. Impulse wie „Das hat mir heute Spaß gemacht…“ allein greifen zu kurz, wenn sie nicht in einen größeren Zusammenhang eingebettet sind und von weiteren Anregungen (z.B. Das habe ich heute gelernt …; Diese Frage habe ich noch …; Am wichtigsten erscheint mir …, weil…; Nicht verstanden habe ich …) ergänzt werden. Reflexive Elemente können die eigene Einstellung und Haltung in religiösen Fragen schärfen. Schülerinnen und Schüler müssen sich auch distanzieren und ihre individuellen Einstellungen modifizieren oder festigen dürfen.

5.2.2. Lerntagebuch und Portfolio

Lerntagebücher (auch digitale) dienen einer metakognitiven Reflexion und Monitoring des eigenen Lernens, der Überprüfung, Kontrolle und ggf. Anpassung der eigenen Lernstrategie. In ihnen wird kein generelles Lernverhalten abgefragt, sondern sie begleiten den konkreten Lernprozess und die angewandte Strategie und schulen ein selbstreguliertes Lernen. Dabei steht die Reflexion des eigenen Lernens im Zentrum, wobei dies auch begleitet sein kann von inhaltlichen Abfragen und damit einer Festigung und Neustrukturierung des Inhalts (vgl. Perels/Dorrenbächer/Landmann/Otto/Schnick-Vollmer/Schmitz, 2020, 53). Im Portfolio/E-Portfolio (→ Portfolio, Portfolioarbeit) liegt der Fokus dagegen meist mehr auf der Darstellung des Lernens und seiner Lernergebnisse, wobei beide Begriffe nicht trennscharf verwendet werden (→ E-Teaching). So erfolgreich Lerntagebücher als Hilfe für selbstreguliertes Lernen eingesetzt werden, sind sie tendenziell aber noch sehr aufwändig gestaltet und büßen dadurch an Alltagstauglichkeit ein (vgl. Perels/Dorrenbächer/Landmann/Otto/Schnick-Vollmer/Schmitz, 2020, 64). Unterrichtspraktische Modelle, die sich mit einem geringeren Aufwand in den Unterrichtsalltag integrieren lassen, sind sicher ein Desiderat für die Zukunft.

Literaturverzeichnis

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  • Englert, Rudolf, Religion gibt zu denken. Eine Religionsdidaktik in 19 Lehrstücken, München 2013.
  • Englert, Rudolf/Hennecke, Elisabeth/Kämmerling, Markus, Innenansichten des Religionsunterrichts. Fallbeispiele-Analysen-Konsequenzen, München 2014.
  • Freiräume. Evangelisches Religionsbuch für Mittelschulen, hg. v. Martina Steinkühler, München 2017ff.
  • Gudjons, Herbert, Intelligentes Üben. Methoden und Strategien, in: LOG IN 138/139 (2006), 14-19.
  • Hattie, John, Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von Visible Learning, Baltmannsweiler 2013.
  • Hepting, Roland, Zeitgemäße Methodenkompetenz im Unterricht. Eine praxisnahe Einführung in neue Formen des Lehrens und Lernens, Bad Heilbrunn 2. Aufl. 2008, 141-144.
  • Mendl, Hans, Kognitiv vernetzen. Eine Problemstudie zu einer Spielform nachhaltigen Lernens aus Expertensicht, in: Brieden, Norbert u.a. (Hg.), Nachhaltige Wirkung von Religionsunterricht. Religion lernen, Jahrbuch für konstruktivistische Religionsdidaktik 13, Babenhausen 2022, 161-174.
  • Mendl, Hans, Performativer Religionsunterricht, in: Kropač, Ulrich/Riegel, Ulrich (Hg.), Handbuch Religionsdidaktik, Stuttgart 2021, 239-245.
  • Mendl, Hans, Religion zeigen – Religion erleben – Religion verstehen. Ein Studienbuch zum Performativen Religionsunterricht, Stuttgart 2016.
  • Mendl, Hans, Lernen, in: Porzelt, Burkard/Schimmel, Alexander (Hg.), Strukturbegriffe der Religionspädagogik, Bad Heilbrunn 2015, 223-230.
  • Mendl, Hans, Konstruktivistische Religionspädagogik, in: Grümme, Bernhard/Lernhard, Hartmut/Pirner, Manfred (Hg.), Religionsunterricht neu denken. Innovative Ansätze und Perspektiven der Religionsdidaktik. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 2012, 105-118.
  • Mendl, Hans, Wissenserwerb im Religionsunterricht. Die Bedeutung von Erfahrung in einem performativ ausgerichteten Religionsunterricht, in: Religionspädagogische Beiträge 63 (2009), 2-38.
  • Mendl, Hans/Stinglhammer, Manuel, Was Lehrkräfte anrichten – Lernimpulse, Lernrahmung, Lernsteuerung, in: Büttner, Gerhard u.a. (Hg.), Praxis des RU. Religion lernen, Jahrbuch für konstruktivistische Religionsdidaktik 10, Babenhausen 2019, 129-145.
  • Möller, Rainer, Kompetenzorientierter Religionsunterricht in der Praxis. Ein Planungsmodell, in: Comenius-Institut (Hg.), CI Informationen. Mitteilungen aus dem Comenius-Institut, (2012) 2, 1-3.
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  • Stinglhammer, Manuel, Wer verknüpft, lernt! Eine qualitativ-empirische Nahaufnahme religiöser Lernprozesse im Religionsunterricht am Beispiel der biblischen Perikope von Jakobs Kampf am Jabbok (Gen 32,23-33), Berlin 2017.
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Abbildungsverzeichnis

  • Überblick Lernstrategien. © Manuel Stinglhammer
  • Beispiel Struktur-Lege-Technik. © Manuel Stinglhammer

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