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Jona, bibeldidaktisch, Grundschule

(erstellt: Februar 2020)

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1. Elementare Erfahrungen und Zugänge

1.1. Auflehnung

Der Übergang vom Kindergarten zur Grundschulzeit ist für viele Kinder eine Krisenzeit. In der Kita gehörte man zu den Großen, die schon alles können und das meiste richtig machen. In der Schule zählt man zu den Kleinen, die in der Pausenhofhierarchie ganz unten stehen und die durch Schulpaten betreut werden müssen. Die Lehrkraft wird für Kinder in dieser Zeit eine der wichtigsten Personen außerhalb des Zuhauses. Sie gilt als Autorität in allen Fragen. „Meine Lehrerin hat (aber) gesagt...“. Diesen Satz hören Eltern bis zum Überdruss. Gelegentlich begründen Kinder so ihr Aufbegehren gegen elterliche Vorstellungen. Auch sonst lehnen sie sich jetzt vermehrt gegen elterliche Aufträge auf. Je nach Kind geschieht diese Auflehnung in einer offenen Auseinandersetzung, indem das Kind das Gegenteil des Aufgetragenen tut, oder in verdeckter Weise, indem es den Auftrag „vergisst“. Die mit dem Regelbruch verbundenen, heftigen Gefühle überwältigen das Kind manchmal. Zornausbrüche, große Traurigkeit, Wut sind mit der Auflehnung oft verbunden. Kinder kommen mit diesen Gefühlen leichter zurecht, wenn sie wissen, dass sie von den Eltern geliebt und angenommen sind. Kinder können sich in Jona gut wiederentdecken, besonders in seinen heftigen Gefühlen der Angst, des Zorns und der Trauer. Auch die Frage, ob Gott dafür da ist, uns einen besondere „Komfortzone“ zu schaffen, liegt ihnen nah. Ob sie sich mit Jona identifizieren wollen, steht auf einem anderen Blatt.

1.2. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

In dieser Phase entwickeln die Kinder ein ausgeprägtes Verständnis für Gerechtigkeit. In der Regel bedeutet für sie Gerechtigkeit, dass alle das Gleiche bekommen und gleichbehandelt werden. Angekündigte Strafen müssen durchgeführt werden. Ständig wird verglichen und gemessen. Verlieren beim Spiel ist schwierig; manchmal fliegt das Brettspiel durch das Zimmer, weil der andere gewonnen hat. Das Kind fühlt sich selbst in Frage gestellt, wenn es verloren hat.

Dem Religionsunterricht kommt hier große Bedeutung zu, weil er in einem Kontext steht außerhalb des Zuhauses und der Beziehung zur Klassenlehrerin oder zum Klassenlehrer. Die Fragen nach Gehorsam, Auflehnung und Gerechtigkeit können als menschliche Eigenschaften bedacht werden. Die Geschichte ermöglicht, am eigenen Gottesbild in Abgrenzung zum Elternbild zu arbeiten.

1.3. Angst und Strafe

Kinder in der 1. und 2. Klasse fragen sich beispielsweise:

Wer steht mir zur Seite, wenn ich Angst habe?

Was passiert, wenn ich etwas falsch mache? Verliere ich die Achtung und die Liebe der Menschen, die für mich sorgen?

Bestraft mich Gott?

Kann ich nochmal anfangen? Gibt es eine zweite Chance?

Was ist gerecht?

Was passiert, wenn Gott Gnade vor Recht ergehen lässt? Ist Gott dann ungerecht?

Anhand der Geschichte über Jona und die Stadt Ninive erfährt das Kind, dass Gott zugewandt bleibt, auch wenn ein Mensch sich von ihm abkehrt. Darüber hinaus wendet sich Gott ebenso anderen Menschen zu, auch denen einer anderen Religion.

1.4. Die eigene Meinung oder Haltung ändern

Auch für Kinder im Schulalter ist Zeit sehr relativ. Was heute noch als furchtbare Feindschaft gilt, kann sich morgen bereits in eine „Beste-Freunde-Freundschaft“ verwandelt haben. Wie Erwachsene beharren Kinder auf Haltungen oder geben sie auf. Im Jonabuch ändert Gott seine Haltung zu den Niniviten. Sein Zorn wandelt sich in Mitgefühl und Barmherzigkeit. Die Niniviten kehren um zu Gottes Richtlinien. Jona entzieht sich seinem Auftrag und erfüllt ihn letztlich doch. Die Jonageschichte hilft Kindern zu reflektieren, wann und warum sie ihre Meinung ändern oder eine andere Haltung einnehmen. Kinder können Kriterien entwickeln, welche Anregungen zu einer Meinungsänderung sie aufnehmen möchten und welche nicht.

2. Jona und das Jonabuch

2.1. Einordnung

Das Buch Jona steht im masoretischen Text an fünfter Stelle im sogenannten Dodekapropheton, der Sammlung der zwölf Bücher der „kleinen Propheten“ von Hosea bis Maleachi. In der Zählung der Septuaginta steht es an sechster Stelle, rückt also in die Mitte des Buches. In dieser Sammlung von Prophetenworten, fällt das Büchlein auf, weil es eine Geschichte über Jona bietet. Im Buch wird Jona nicht Prophet genannt. Aber im 2. Buch der Könige wird ein Prophet Jona erwähnt (2. Kön 14,25). Er sei ein Prophet zur Zeit des König Jerobeams (787-747 v. Chr.) im Nordreich Israel gewesen. Wir erfahren dort den Namen seines Vaters Amittai und seinen Herkunftsort Gat-Hepher. Er liegt etwa 5 km nordöstlich von Nazareth.

Vermutlich ist das Büchlein Jona in der späten nachexilischen Zeit entstanden, also im 4. oder 3. Jahrhundert vor Christus. Dafür sprechen die aramaisierenden Vokabeln und Konstruktionen. Die Wendungen „Gott des Himmels“, sowie „der König und seine Großen“ weisen auf persischen Einfluss hin (vgl. Zobel, 1988). Der Erzähler oder die Erzählerin griff mit Jona eine bekannte Figur auf, um ein theologisches Problem in eine Geschichte zu kleiden.

Ninive war die Hauptstadt Assyriens. Als die Geschichte aufgeschrieben wurde, war dieses Reich längst untergegangen. Ninive wurde 612 zerstört. Das Nordreich Israel war 722 v. Chr. vom assyrischen Heer erobert worden. Die Erfahrung mit der brutalen Eroberung ließ Ninive für Israeliten zum Inbegriff des „Bösen“ werden. Da solche kulturellen traumatischen Erinnerungen lange weitergegeben werden, war für die Hörer und Hörerinnen auch mehrere Jahrhunderte später sofort klar, dass Jona keine Lust hatte, ausgerechnet nach Ninive zu gehen. Dieser Befund weist darauf hin, dass es im Jonabuch nicht um eine theologische Bearbeitung einer historischen Begebenheit gehen kann, sondern eine andere Ebene angesprochen wird (siehe 2.3).

Innerbiblisch kann ein Bezug zur Flutgeschichte (Gen 6-9) hergestellt werden: Jona bedeutet auf Deutsch „Taube“. Die Taube kündet mit dem Ölzweig vom Ende der Flut und damit von der Rettung der Passagiere der Arche. Die Arche birgt in ihrem Schiffsbauch Menschen und Tiere, auch die Taube. Der Fisch rettet Jona, indem er ihn in seinem Bauch aufnimmt und am Ende wieder freigibt.

Im Jonabuch wird die Frage, ob Gott durch Reue und Buße bewegt werden kann, mit Ja beantwortet. In Gen 6-9 wird die Frage so nicht gestellt. Wenn man sie aber trotzdem an die Geschichte stellt, so wird sie ähnlich beantwortet, wenn Gott einseitig sein Versprechen gibt, dass solange die Erde besteht, Saat und Ernte nicht aufhören werden und der Regenbogen als Bundeszeichen Gottes Willen bekräftigt, die Erde nicht mehr zu verderben (Gen 8,21f.;9,11-17.).

Das Volk Israel war keine Seefahrernation. Das Meer war ihm daher eher unheimlich. Gottes Geist kann über dem Wasser ruhen (Gen 1,2). Gott allein kann den Chaosmächten eines Sturmes auf dem Meer wehren (Ps 65,7f.;93,3f.;104,6-9), ja auch damit und darin spielen (Ps 104, 25f.). Um die Menschen zu schützen, setzt Gott dem Meer und damit dem bedrohlichen Chaos Schranken. Gesamtbiblisch gesehen wird dieser Gedanke in der Sturmstillung (Mk 4,35-41 par) und in der Geschichte vom sinkenden Petrus (Mt 14,22-32) wieder aufgegriffen und fortgeführt.

2.2. Exegetische Beobachtungen zur Einheitlichkeit

Manche Exegeten gehen davon aus, dass zwei Legenden über Jona zu einer Geschichte verknüpft wurden. Eine große Rolle spielt dabei die Frage, ob der Psalm in Jona 2,3-10 älter ist als der Erzählstoff, oder nachträglich eingefügt wurde. Auch die Verwendung der beiden Gottesbezeichnungen „Jahwe“ und „Elohim“ wurden literarkritisch diskutiert. Heute gehen fast alle Exegeten von einer Einheitlichkeit des Buches aus. Für die jetzt vorliegende Geschichte spielen die Vorformen keine Rolle.

2.3. Literarische Anmerkungen

Das Jonabuch ist erzählerisch ein Juwel und entzieht sich einer einfachen, literarischen Zuordnung. Es hat mehrdeutige Züge, wendet sich dann aber in seiner Schlussfrage sehr ernst und direkt an die Leser, fast wie das Brecht’sche epische Theater (vgl. den Schlussepilog aus „Der gute Mensch von Sezuan“): „Verehrtes Publikum, los such dir selbst den Schluss! Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!“ (Brecht, 1964, 402). Das Buch Jona zeigt die Betroffenheit und Umkehr von Menschen und überzeichnet sie gleichzeitig, wenn in Ninive auch die Tiere fasten müssen.

Das Büchlein hat nach heutigen literarischen Kategorien am ehesten die Form einer Kurzgeschichte, die von ihrer pointierten Schlussfrage her konstruiert ist. Dafür spricht vor allem, dass das Ende für Jona offen bleibt. Für eine klassische Lehrerzählung ist das Büchlein zu mehrdeutig.

Jona erhält in der Erzählung fast kindliche Züge, wenn er sich um seine Aufgabe drücken möchte, wenn er davon läuft, wenn er schmollt, weil ihm Bequemlichkeiten wie der Strauch wieder genommen werden, wenn er Gott Vorwürfe macht, weil er selbst nicht vor anderen glänzen kann, weil die Niniviten sich bekehren, wenn er bis zum Ende ichbezogen bleibt. Hinter diesen komischen Zügen blitzt die grundsätzliche Krise auf, in der Jona steckt, weil sein Gottesbild infrage gestellt ist. Auf der Ebene der Lesenden und Hörenden stellt sich diese Frage nach dem Gottesbild ebenso. Die Überzeichnung des Jona hilft den Lesern und Leserinnen, auch den Kindern, ihr eigenes Gottesbild zu überprüfen. Das Jonabuch spielt mit Märchenmotiven und Seemannsgarn, um in diesem anmutig-ungezwungenen Gewand theologische Fragen nach der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes zu stellen. Gerade darum ist das Jonabuch auch für die Grundschule sehr geeignet. Es knüpft an die Formen des Märchens und der Abenteuergeschichten an und führt doch behutsam zu den zugrundeliegenden theologischen und philosophischen Fragen hin.

Das Buch Jona zeigt Gott als Herrscher über Sturm und Wellen, als Lenker der Schritte Jonas, so dass die Leser sich einen Gott vorstellen müssen, der die Menschen und die Welt wie Marionetten führt. Dann aber erweist sich Gott als langmütig und humorvoll, indem er Jona in Kap. 4 nicht gewaltsam zu seiner Ansicht bekehrt, sondern ihm liebe- und respektvoll eine Frage stellt, die Jona in großer Freiheit mit Ja oder Nein beantworten kann.

Der Erzähler oder die Erzählerin beantwortet diese Frage am Ende nicht für Jona. Auf diese Weise wird die Frage an den Leser und die Leserin weiter gereicht.

2.4. Themen im Buch

Das Wie bei jeder guten Geschichte, lässt sich das Jonabuch nicht auf ein Thema oder einen moralischen Satz festlegen. Diese Geschichte lebt von ihrem Überschuss an Leben. Ein paar Themen seien hier genannt, weil sie sich mit den Fragen der Kinder überschneiden: Darf ich mich auflehnen? Was geschieht, wenn ich mich verstecke oder davon laufe? Werde ich bestraft, wenn ich gebotswidrig handle? Bekomme ich eine zweite Chance bei Gott? Ist Gott eher barmherzig oder eher gerecht? Was passiert, wenn Gott Gnade vor Recht walten lässt? Die Theodizeefrage (→ Theodizee) wird hier gestreift, aber nicht beantwortet (vgl. dazu das Hiobbuch: Fricke, 2016; → Ijob/Hiob, bibeldidaktisch, Grundschule).

Ein weiteres Motiv ist der Tod. Jona ist bereit zu sterben und wird vom Tod gerettet durch den Fisch, den Gott ihm schickt. Die Menschen in Ninive gefährden ihr Leben, das ihrer Kinder und ihrer Tiere, um Gott zu überzeugen, wie ernst es ihnen mit der Umkehr ist. Jona wünscht sich selbst noch zweimal den Tod (Jona 4,3.8). Gottes Barmherzigkeit ist ihm eher Grund zur Verzweiflung als zur Freude. Das Spiel mit dem Tod als Motiv bildet eine Einheit mit den märchenhaften, manchmal zerstörerischen, manchmal dankbaren Zügen der Geschichte (vgl. 1.1) und dem Gebet in Psalmform. Die Frage nach Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit scheint nach dem Jonabuch eine Frage nach Leben und Tod zu sein.

Die Errettung des Sünders wird als Motiv mehrfach durchgespielt. Zunächst geht es um die individuelle Schuld. Jona flieht weit, bis ans Ende der Erde (Tarsis liegt in Spanien, auf der anderen Seite des Mittelmeers), weil er den Auftrag Gottes, anderen Menschen zum Leben zu helfen, nicht erfüllen möchte. Im Sturm wird er geweckt und bekennt sich dazu, dass er derjenige ist, der sich von Gott gesondert hat, dass er Sünder ist. Er erwartet seinen Tod und ist auch bereit zu sterben, um den Matrosen und dem Kapitän Leben zu ermöglichen. Jona wird vom Fisch gerettet und erkennt, dass Gott sein „Leben aus dem Verderben geführt“ hat (Jona 2,7).

Die gleiche Bewegung von Gott weg und zu Gott hin geschieht bei den Niniviten. Dieses Mal stellt sich die Frage, ob es eine kollektive Schuld geben kann. Diese Frage beantwortet die Geschichte mit einem Ja. Die Niniviten hatten sich so weit von Gottes Vorstellungen entfernt, dass Gott eingreifen möchte. Nach Jonas Kurzpredigt erkennen sie sich selbst und wie sie vor Gott dastehen. Darum machen sie kehrt und wenden sich Gott zu. Sie zeigen das, indem sie vierzig Tage lang fasten. Damit demonstrieren sie durch Hunger und Durst, dass sie bereit sind ihr Leben aufs zu Spiel setzen, auch das der Kleinen (Kinder) und ihres Besitzes (Tiere). Das Fasten ist ein Bild für den Tod, wenn die Nachkommen gefährdet werden und damit das Leben überhaupt aufs Spiel gesetzt wird. Ihr Spiel mit dem Tod ist dem des Jona parallel gesetzt. Was bei Jona ein Individuum betraf, betrifft jetzt eine Großstadt mit ihrer Fleisch- und Milchversorgung.

Jona hofft, dass Gott den Sturm besänftigen würde, wenn er sich opfert, der König von Ninive hofft, dass Gottes Zorn sich besänftigen ließe, wenn die Menschen ihr Leben, ihr Vermögen und ihre Zukunft riskieren, um zu zeigen, dass sie sich ändern möchten. Beide Male lässt Gott Gnade vor Recht ergehen, beide Male rettet Gott die Menschen, weil er barmherzig ist.

Jona erkennt im zweiten Teil der Geschichte jedoch nicht, dass für die Menschen in Ninive dasselbe gilt wie für ihn: Gottes Liebe ist größer als menschliches Versagen. Er stellt die Idee, dass kollektive Schuld vergeben werden kann, am Ende der Geschichte in Frage.

Das Thema Angst zieht sich durch das ganze Büchlein. Ob Jona aus Angst flieht, wird uns nicht erzählt. Angst haben auf alle Fälle die Seeleute während des Sturms. Ob Jonas Schlaf eine Art Angststarre ist oder tatsächlich ein tiefer Schlaf, bleibt offen. Die Reaktion der Niniviten und ihres Königs könnte ebenfalls angstgetrieben sein. Sie übersetzen ihre Angst in überkonditioniertes Wohlverhalten, um die befürchtete Strafe Gottes abzuwenden.

Das Jonabuch zeigt verschiedene Wege im Umgang mit der Angst: die Flucht (Jona 1,3-16), den Aberglauben (Jona 1,7;1,12.14f.), wie auch einen beherzter Umgang mit der Angst (Jona 1,12) und die Möglichkeit, die Angst in ein Gebet zu fassen (Jona 2).

Ein weiteres Thema ist der „Zorn“. Gott ist erzürnt über das Treiben der Menschen in Ninive (Jona 1,1). Das Meer wütet auf Gottes Geheiß (Jona 1,15). Jona zürnt Gott (Jona 4,1.4.9). Gott lässt von seinem Zorn ab, kehrt um zu seiner Barmherzigkeit (Jon 3,10). Bei Jona dagegen führt der Zorn in die Depression, er wird autoaggressiv. Zum Verständnis hilft, wenn wir den Depressiven als den sich und andere niederschlagenden Menschen erkennen (vgl. Dörner, 2019, 193f.).

3. Interreligiöse Aspekte

In interreligiös gemischten Klassen bietet sich bei Jona die Zusammenarbeit mit dem islamischen Religionsunterricht an (→ Islamischer Religionsunterricht, IRU; → interreligiöses Lernen, Grundschule).

Jona wird im Koran in der mekkanischen Sure 21,87f. al-anbiya als „der mit dem Fisch“ bezeichnet, der von Gott aus der Not gerettet wird, als er ihn in der Not ruft. In der mekkanischen Sure 37,139-144 as-saffat (vgl. Bobzin, 2010, 395f.) wird betont, dass der Lobpreis Gottes, den Jona anstimmte, seine Rettung durch Gott in die Wege leitete. Die mekkanische Sure 68 al-qalqam denkt in den Versen 48-52 darüber nach, dass „der mit dem Fisch“ verloren gewesen wäre, wäre ihm Gott nicht gnädig gewesen (vgl. Bobzin, 2010, 519). Hier verbinden sich die Frage nach der Auflehnung gegen Gott und Gottes Barmherzigkeit mit den oben erarbeiteten Aspekten.

Im Christentum wurden Motive aus dem Buch Jona von Anfang an mit Jesus Christus identifiziert. Wir kennen den Fisch als Zeichen für Jesus Christus. Wir lesen, wie Jesus auf die Zeichenforderung der Pharisäer mit dem Hinweis auf das Zeichen des Jona antwortet (Mt 12,40). Die Niniviten taten Buße, die Menschen, die Jesus hören, sollen sich die Niniviten zum Vorbild nehmen (Mt 12,41; Lk 11,29-32). In der christlichen Kunst wird Jona als Vorläufer Jesu Christi für die Auferstehungshoffnung dargestellt.

4. Elementare Wege

4.1. Didaktische Überlegungen

4.1.1. Auflehnung gegen Regeln und das Bild von Gott

Der erste Satz im Buch Jona nimmt die Kindersituation auf: „Es geschah das Wort des HERRN zu Jona...“ (Jona 1,1). So kommen bei Kindern manche Aufträge der Erwachsenen an. Aus heiterem Himmel in die eigene Kinder- oder Spielwelt hinein kommt ein Befehl. Im folgenden Vers stechen die Imperative hervor: Mach dich auf, geh, tu... (Jona 1,2).

Es wird uns nicht erzählt, womit Jona gerade beschäftigt war oder ob er ohnehin nichts Besseres zu tun hatte. Kinder erleben oft, dass sie von Erwachsenen aus ihrer eigenen Aufmerksamkeit herausgerissen und mit einem fremden Auftrag belegt werden. Sie erleben sich passiv Erwachsenen gegenüber. So wundert es unangepasste Kinder in der Regel nicht, dass sich Jona auflehnt. Angepasste Kinder werden sein Verhalten mit Erschrecken kommentieren, denn Erwachsenen und viel mehr Gott muss man ihrer Meinung nach gehorchen.

Sie hören beides: Die Geschichte von einem geduldigen → Gott, der auch den Trotz aushält und von einem konsequenten Gott, der Jona, weil er gerade ihn für diesen Auftrag braucht, dazu bringt, genau das zu tun, was Gott ihm sagt.

Sie hören, dass Jona einsieht, dass seine Auflehnung in diesem Fall falsch war und dass er ohne Murren bereit ist, die Konsequenzen dafür zu tragen.

Manchen Kindern wird auffallen, dass Jona Gott für jemand hält, der fordert, dass man sein Leben lässt (Jona 1,12). Hier stellt sich die Frage, ob Jona sich irrt oder ob er Recht hat.

Daher legt es sich nahe, mit den Kindern allen Alters an ihren Gottesbildern zu arbeiten. Das Jonabuch gibt vielleicht dem Bild von einem barmherzigen Gott, der sich beknien und sich von seinem Zorn zur Gnade umstimmen lässt, die Priorität. Gott bleibt aber rätselhaft und unverfügbar. Letztlich geben aber die Kinder die Ebene der Diskussion vor, nicht die Lehrkraft, damit bei den Kindern eigene Erkenntnisprozesse eingeleitet werden. In der Frage des Gottesbildes sind Erwachsene, wenn sie ehrlich sind, ebenso auf der Suche wie die Kinder. Der Charme der Jonageschichte könnte gerade sein, dass sich Lehrkraft und Kinder gemeinsam auf den Weg machen, eigene Ideen von Gott zu überprüfen, weil die Lehrkraft letztlich nicht sehr viel mehr über Gott weiß, als die Kinder. Auch darum hat die Jonageschichte kein Ende, weil die Frage nach Gott kein Ende hat. Das zu entdecken, könnte für beide Seiten eine wertvolle Erkenntnis sein.

4.1.2. Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, eine Theodizeefrage

Die Theodizeefrage (→ Theodizee) wird auch von Kindern formuliert. Sie wird bei den Kindern vermutlich angesichts des Leids der Tiere (Jona 3,7) aufbrechen, weniger bei der Frage nach den hungernden Kindern. „Warum müssen die Tiere fasten? Sie haben doch nichts getan?“ Es hieße auf der Seite der Erwachsenen, dem Problem auszuweichen, indem man dem Nachdenken der Kinder vorgreift und die Verantwortung dem König von Ninive zuweist, der den Befehl eben so erteilt. Die Frage bleibt ja trotzdem, warum hier auch die Unschuldigen vom Gericht bedroht sein sollten und ob Gott gerecht oder barmherzig sein soll.

Wegen der Tiere werden die meisten Kinder in Richtung Barmherzigkeit tendieren. Das hilft ihnen eigene Verhaltensmuster, die sie auch am Ende in Jonas Verhalten mit dem Rizinusstrauch erkennen, aus einer anderen Perspektive zu reflektieren. Die Geschichte bietet ihnen an, Gottes Blickwinkel einzunehmen.

4.1.3. Der Umgang mit Angst und aggressiven Gefühlen

Je nach Thema einer Klasse kann anhand des Jonabuches auch über Angst gesprochen werden. Jona fühlt sich überfordert und läuft davon. Aber wie immer im Leben hilft eine Flucht nur vorübergehend. Die Wellen schlagen über ihm zusammen (Jona 1,15). Diese Metapher kann sowohl für Ängste, wie auch für Überforderung stehen. Hier wird erzählt, wie einer von Gott aus dem Meer seiner Angst gerettet wird und wie er dann im Rückblick an einem sicheren Ort Sprache für seine Angst findet (Jona 2).

Gott besiegt seinen eigenen Zorn, indem er Mitleid mit den Menschen hat (Jona 3,10). Gott schenkt den Niniviten ein neues Leben.

Jona freilich verharrt in seinem Zorn und zerstört damit seine eigene Lebenskraft. Der Rizinusstrauch ist ein Bild für Jona selbst. Der Wurm steht für die selbstzerstörerische Kraft seines Zorns. Die Zornkraft verhindert das Weiterwachsen des Strauches, die liebevolle Kraft des Jona, und lässt ihn schließlich ratlos zurück.

4.2. Verortung im Lehrplan

In manchen Bundesländern ist Jona im Bildungs- oder → Lehrplan der Grundschule nicht enthalten (z.B. Bayern), in anderen schon, etwa in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt u.a., wo Jona in dem Bereich: Die Frage nach Gott in der 3./4. Klasse verankert ist. Im Plan für den Kindergottesdienst, in den Kinderbibeln, bei Godly Play (→ Godly Play/Gott im Spiel) hat Jona dagegen einen festen Platz. Hier scheinen sich zwei grundverschiedene Haltungen zur Frage, ob sich das Jonabuch für Kinder eignet, gegenüber zu stehen. Natürlich ist Jona eine sehr farbige Geschichte, deren Unterhaltungscharakter sehr groß ist. Dass die Geschichte im Religionsunterricht verwendet werden soll, lässt sich jedoch erst begründen, wenn Kinder dort die Möglichkeit erhalten, über die theologischen Fragen des Büchleins nachzudenken und an eigenen Gottesbildern zu arbeiten.

4.3. Hinweise zur Methodik der Biblischen Erzählung

Freies Erzählen einer biblischen Geschichte (→ Bibel erzählen) ist immer das Beste. Kinder wie Erwachsene werden mitgenommen auf die Reise in die Geschichte des Jona, ohne dass ein Buch zwischen dem Erzählenden und den Zuhörenden steht. Fertige Erzählungen in Kinderbibeln oder Handreichungen für den Kindergottesdienst haben bereits didaktische und theologische Entscheidungen getroffen.

Beim Jonabuch zeigt sich das in verschärfter Weise. Zwar hat der letzte Satz des biblischen Textes keinen Fragepartikel, ist aber als Frage zum Nachdenken zu verstehen. Wenn es in den Kinderbibeln bei einer Aussage bliebe, dann könnte man auch gut damit leben. Leider gibt es nur eine Kinderbibel, die keine deutende Antwort anschließt, nämlich die 3-Minuten-Bibel von Jochem Westhof (vgl. Westhof, 2006, 88-91). Hilfreich zur Erschließung kann die Familienbibel „The Barnabas Family Bible“ von Martyn Payne und Jane Butcher sein. Sie gibt den Bibeltext in zeitgenössischer Sprache wieder und erschließt im Kommentar mit einigen theologisierenden Fragen die Geschichte und eröffnet einen möglichen Lernweg.

Die Bilder der Kees-de-Kort-Kinderbibel (vgl. de Kort, 1986, 107-131) eignen sich gut für eine Erzählung als Bilderbuchkino. Das zornrote oder von der Sonne verbrannte Gesicht Jonas bietet sich für ein Theologisieren gut an.

Beim → Erzählen mit dem Kamishibai oder Kreashibai sollten vorgefertigte, gekaufte Bildkarten dringend geprüft werden. Manche Karten führen gerade beim Buch Jona von intendierten Gesprächen weg. Stattdessen könnten die Kinder angeregt werden, ihre eigenen Bildkarten oder Schattenrisse zu gestalten und die Geschichte selbst zu erzählen (→ Erzählen bibeldidaktisch).

Empfehlenswert ist die Bildmappe von Christel Holl mit einer Arbeitshilfe von Esther Kaufmann und Meinulf Blechschmidt (vgl. Kaufmann, 2017, 18-62). Mit dieser Arbeitshilfe der sogenannten „Kett-Methode“ kann auch gestalttherapeutisch weitergearbeitet werden.

Sprechanlässe für Kinder gibt eine Erzählung mit Biblischen Erzählfiguren. Die Erzählfiguren helfen Kindern, eigene Sprache zu finden für die theologischen Fragen, die sie im Bezug auf Jona bewegen.

4.4. Ganzheitliche Methoden

Einen ganzheitlichen Ansatz bietet Elisabeth Buck mit ihrem „Bewegten Religionsunterricht“ (Buck, 1999, 121-132). Bucks Erzählung ist so offen, dass Gespräche entstehen können und den Kindern Raum für eigenständiges Nachdenken und Theologisieren bleibt.

Der Ansatz von „Godly Play – Gott im Spiel“ führt ins eigenständige Theologisieren. Die Jona-Geschichte mit einem offenen Ende und den Ergründungsfragen findet sich im Band „Glaubensgeschichten“ von Martin Steinhäuser (Steinhäuser, 2017, 122-128).

Bilder und kreative „Methodenhupferl“ finden sich in der Kinderbibelwoche „Jona. Von Angst, Ärger und Wut“ (2018) der „Kirche mit Kindern“ in Bayern.

Wer die Geschichte poetisch erzählen möchte, kann die Ballade „Der ganze Fisch war voll Gesang“ von Klaus-Peter Hertzsch (2014, 50-63) verwenden. Hertzsch gelingt es in seiner Ballade die Heiterkeit und die Ernsthaftigkeit der biblischen Erzählung miteinander zu verbinden.

Wer viel Zeit hat, kann mit einem Bibliolog arbeiten, in dem die Seeleute, die Wellen, der Fisch, verschiedene Personen in Ninive, der Wurm, der Strauch, die Hitze oder die Sonne eine Stimme bekommen (vgl. Pohl-Patalong, 2013, 45-88).

Einen weiteren Weg bietet eine Rückengeschichte. Hier sollte man sehr auf die Gruppe achten. Wenn die Lehrkraft nicht sicher ist, ob alle Kinder achtsam miteinander umgehen können, empfiehlt sich diese Methode nicht. Normalerweise (aber) ermöglicht eine Rückengeschichte einen tiefen, meditativen Zugang zum Buch Jona (vgl. Forssman, 2015, 8-13).

Literaturverzeichnis

  • Bobzin, Hartmut, Der Koran, München 2010.
  • Brecht Bertolt, Der gute Mensch von Sezuan in Bertolt Brecht, Stücke Bd. VIII, Berlin/Weimar 1964.
  • Buck, Elisabeth, Kommt und spielt. Bewegter Religionsunterricht im 1. und 2. Schuljahr, Göttingen 1999.
  • Collodi, Carlo, Pinocchio, Würzburg 2017.
  • Dörner, Klaus/Plog, Ursula/Teller, Christine, Irren ist menschlich, Köln 25. Aufl. 2019.
  • Forssman, Eva, Rückengeschichten 2. Acht spürbare biblische Erzählungen, Nürnberg 2015. Online unter: https://www.afgshop.de/kirche-mit-kindern/kindergottesdienst/rueckengeschichten-band-2.html, abgerufen am 17.10.2019.
  • Fricke, Michael, Art. Ijob/Hiob, bibeldidaktisch, Grundschule (2016), in: wissenschaftlich-religionspädagogisches Lexikon im Internet www.wirelex.de, (https://doi.org/10.23768/wirelex.IjobHiob_bibeldidaktisch_Grundschule.100144, PDF vom 20.09.2018).
  • Hertzsch, Klaus-Peter, Der ganze Fisch war voll Gesang, Stuttgart 2014.
  • Holl, Christel, Bildmappe Jona, Landshut 2017.
  • Kaufmann, Sr. Esther/Blechschmidt, P. Meinulf, Mach dich auf den Weg! Gott ruft Jona, in: Religionspädagogische Praxis 3 (2017).
  • De Kort, Kees, Bibelbilderbuch, Bd. 2, Stuttgart 1986.
  • Kinderbibelwoche „Jona. Von Angst, Ärger und Wut“, Kirche mit Kindern, Nürnberg 2018. Online unter: https://www.afgshop.de/kirche-mit-kindern/kinderbibelwochen/kinderbibelwoche-jona.html, abgerufen am 17.10.2019.
  • Payne, Martin/Butcher, Jane, The Barnabas Family Bible. 110 Bible stories for families to share, Abingdon 2014.
  • Pohl-Patalong, Uta, Bibliolog. Impulse für Gottesdienst, Gemeinde und Schule, Bd. 1 Grundformen, Stuttgart 3. Aufl. 2013.
  • Steinhäuser, Martin (Hg.), Godly Play. Das Konzept zum spielerischen Entdecken von Bibel und Glauben. Glaubensgeschichten, Leipzig 3. Aufl. 2017
  • Weber, Beat, Jona. Der widerspenstige Prophet und der gnädige Gott, Biblische Gestalten Bd. 27, Leipzig 2. Aufl. 2016.
  • Westhof, Jochem, Die 3-Minuten Kinderbibel. Geschichten von Menschen in der Bibel, Neukirchen-Vluyn 2006.
  • Wolff, Hans W., Jonabuch, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart – Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Bd. 3, Tübingen 3. Aufl. 1959, 854f.
  • Zobel, Hans-Jürgen, Jona/Jonabuch, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 17, 1988, 229-234.

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