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Jakob, bibeldidaktisch, Sekundarstufe

(erstellt: Februar 2017)

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Wohl keiner der Erzväter ist so zwiespältig wie Jakob. Als Sohn Isaaks und Rebekkas gehört er zu den Gründungsfiguren Israels; ja von ihm, dem Gottesstreiter (= Israel) bezieht Israel sogar seinen Namen. Die biblischen Texte, die von Gen 25,19-Gen 35 und dann vermittelt über die Josefsgeschichte in Gen 37-49 Jakobs Geschick erzählen, werden nicht müde, die wechselvolle Geschichte Jakobs als Spiegel der Geschichte Israels zu entwerfen. So wie Jakob einmal als Günstling seiner Mutter Rebekka inszeniert wird, dann aber aufgrund seiner betrügerischen Machenschaften den schützenden Familienclan verlassen muss, so ist auch die Geschichte Israels ein Auf und Ab von intimer Vertrautheit mit seinem Gott und den treulosen Wegen Israels.

Die Schlüsselstelle des Jakobszyklus schlechthin stellt die Erzählung in Gen 32,23-33 vom ungleichen Kampf dar (Schambeck, 2017; Schambeck/Kropač, 2003, 376-382). Aus den vielen Erzählpassagen soll diese hervorgehoben werden, um an ihr den Gottesaussagen nachzugehen, die die Bibel an der Jakobsgestalt festmacht. Damit ist von vornherein klar, dass Jakob nicht mit einer historischen Figur verwechselt werden darf, sondern vielmehr für identifizierende Erfahrungen Israels steht – und wie könnten solche identity marker besser im Gedächtnis haften bleiben als festgemacht an Personen.

Um die Bedeutung von Gen 32,23-33 zu verstehen, ist es deshalb wichtig, sich den biblischen Kontext der Erzählung und deren besondere Stellung im Jakobszyklus vor Augen zu halten, um von da aus Leserwelt und Textwelt miteinander ins Gespräch zu bringen (v.a. Pola, 2014, 190f. arbeitet die Vernetzung von Gen 32,23-33 mit den vorher und nachher erzählten Perikopen der Jakobserzählung heraus). Die folgenden Ausführungen verstehen sich deshalb als Anregung, eigene Lebensfragen über den Text anzustoßen, sie mit biblischen Deutungen zu verschränken und vielleicht sogar eigene Lebensradien zu erweitern. Insofern sind sie gerade für Jugendliche ertragreich, für die sich die Identitätsaufgabe in besonderer Weise stellt und die mitten in ihren eigenen (Lebens-)Ambivalenzen erfahren können, dass zu kämpfen, an Übergängen zu stehen, sich entscheiden zu müssen, urmenschliche Erfahrungen sind. Besonders markant sind die Erfahrungen von Neid, Eifersucht, Bevorzugung, Rivalität und Intrige in den Jakobserzählungen. Dass diese sogar bei Protagonisten der Bibel zu finden sind, mag ermutigen, sich auch den eigenen dunklen Seiten zu stellen.

1. Verortung des Jakobskampfes im Jakobszyklus – Intertextuelle Beobachtungen

Der Fluss Jabbok, der in Gen 32,23-33 den geographischen Wendepunkt markiert, spielt nicht erst hier eine wichtige Rolle. Als der „blaue Fluss“ erinnert er in seiner hebräischen Klangfarbe an das in Gen 32 benutzte Wort „ringen“ bzw. an Jakobs Namen (Seebass, 1999, 394; Weimar, 1989, 59f.). Er teilt Gilead in zwei fast gleiche Teile. Vermutlich hatte Jakob ihn schon bei seinen Reisen von zu Hause zu seinem Zufluchtsort Haran überschritten. Der Jabbok wird damit zu einer Art geographischem Erinnerungsmal für die wechselvolle Geschichte Jakobs und für den Übergang, den dieser zu bestehen hat. Das hebräische Verb 'abar (vorüberziehen) unterstreicht dies, insofern es sich sowohl am Beginn der Erzählung vom Jakobskampf befindet (V. 23-25) als auch am Ende, als Jakob beim hellen Sonnenlicht an Penuel vorbeizieht (Taschner, 2000, 151f.).

Jakob Bibeldidaktisch Sekundarstufe 1

Nach der wechselvollen Geschichte, die gezeichnet war von Betrug und Segen, kehrt Jakob wieder an den Jabbok zurück, als er endgültig heimatlichen Boden betreten will. Die Bedrohung durch seinen Schwiegervater Laban kann er zwar durch einen Versöhnungsvertrag entschärfen; sie sitzt ihm aber trotzdem noch im Nacken. Dazu kommt, dass ihm jetzt Esau, der betrogene Bruder, endgültig vor Augen steht. Jakob lässt Boten mit Geschenken zu ihm schicken, um ihn zu besänftigen. Und dennoch bleibt die Ungewissheit, ob der Übergang in das vertraute Land scheitert oder gelingt.

2. Die literarische Gebrochenheit als Spiegel menschlicher Brüche

Diese durch den Kontext gezeichnete Übergangssituation wird für Jakob und seine Sippe zur Entscheidungssituation über Leben und Tod, über Zukunft und Verderben und als solche gestaltet sie der Text auch literarisch aus. Das Wechselspiel von Betrug und Segen und damit auch von menschlicher Geschichte und der Geschichte Gottes verdichtet sich in Gen 32,23-33 erneut. Gen 32,23-32 ist insofern eine typische Schlüsselerzählung: Sie ist für den Ablauf der Handlung nicht notwendig (Taschner, 2000, 150;155), aber von ihrer theologischen Aussagekraft kaum überbietbar. In ihr zeigt sich, wer der Mensch ist, und wer Gott für den Menschen ist (Taschner, 2000, 150). Die literarische Gebrochenheit des Textes ist nicht nur als Ergebnis eines langen Bearbeitungsprozesses deutbar, sondern spiegelt sich auch in seinem Inhalt: Gen 32,23-33 ist eine Erzählung von Brüchen und von Segen trotz und angesichts menschlichen Scheiterns. Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick auf den Textaufbau, die vorhandenen Widersprüche, Doppelungen, Ungereimtheiten und Leerstellen.

2.1. Textaufbau und seine Brüche

Gen 32,23-33 lässt sich in folgende Sinnabschnitte gliedern, die zugleich von vielen Brüchen durchzogen sind.

Jakob bibeldidaktisch Sekundarstufe 2

Die zahlreichen Brüche und Doppelungen in dem kurzen Text ziehen eine Reihe von sogenannten „Leerstellen“ nach sich, also von Aussagen, die der Text selbst nicht ausgestaltet, die für die logische Abfolge der Erzählung aber vom Lesenden (unbewusst) gefüllt werden müssen.

Z.B. stellt sich mit V. 25 die Frage, wer dieser Jemand ist, der so unvorbereitet an Jakob herantritt und mit ihm kämpft. Oder mit V. 27 ist zu fragen, warum der Andere vor der Morgenröte Angst hat, und warum Jakob ausgerechnet den Segen als Bedingung für das Ablassen von ihm diktiert. Wie kann dieser unbekannte Kämpfer etwas über Jakobs Zukunft wissen und ihn Gottesstreiter nennen (V. 29)? Was erlaubt Jakob, den Kampf als Gotteskampf zu interpretieren und die Begegnung mit dem unbekannten Kämpfer als Sehen Gottes von Angesicht zu Angesicht zu deuten? Wie konnte dieser Unbekannte nach dem Segen so plötzlich verschwinden?

Nicht selten werden diese Leerstellen zu produktiven Orten, um auch die eigenen Geschichten, Deutungen und Erfahrungen in den Text hineinzulegen. Dass dieses Hineinverweben bewusst und nicht unreflektiert geschieht, markiert den Unterschied zwischen einer nicht hilfreichen Eisegese und einer aktualisierenden exegetischen Verheutigung (Schöttler, 2006, 13-33). Im Folgenden geht es deshalb darum, die Leserwelt ausdrücklich mit der Textwelt und ihren Leerstellen ins Gespräch zu bringen.

3. Leerstellen als „Füllbecken“ menschlicher Geschichten

Die Bibelstelle erhält ihre Brisanz vor allem dadurch, dass im Erzählduktus lange Zeit im Dunkeln bleibt, wer dieser „Jemand“ ist, der gleichsam aus dem Nichts kommt und sich in der Nacht an Jakob heranmacht, um mit ihm zu kämpfen.

3.1. Lebenskämpfe

Diese vom Text eröffnete Leerstelle wurde sowohl in der Bild – als auch in der Erzähltradition reich gefüllt. Diese „Füllungen“ knüpften zwar einerseits an die Deutung Jakobs in V. 31 an, in der Jakob den Unbekannten mit Gott identifiziert, sie gingen aber andererseits auch darüber hinaus. In bibeldidaktischen Lernarrangements können diese Füllungen produktiv genutzt werden: Z.B. indem Bilder von Kämpfenden wie von Rembrandt van Rijn, Paul Gaugin, Eva Huelsberg u.a. nur in ihren Konturen gezeigt und mit dem Impuls verbunden werden, in diese die „Kampfplätze“ des eigenen Lebens einzutragen. Mit wem kämpfe ich? Wo kämpfe ich? Aus welchen Kämpfen bin ich verletzt herausgegangen? Wie machen sich diese Wunden in meinem Leben bemerkbar?

3.2. Glaubenskämpfe

Noch brisanter werden diese Fragestellungen, wenn sie nicht nur auf die Lebensläufe im Allgemeinen hin formuliert werden, sondern Gott als Angreifer deutlich wird. Damit tritt die ganze Schärfe auf den Plan, die die Jakobsgeschichte insgesamt durchzieht: Gott ist einmal der Gott des Lebens und der Gerechtigkeit, dann wieder scheint er gerade dem Betrug Recht zu geben und seinen Segen über dem Listigen auszuschütten. In Gen 32,23-33 wird diese Ambivalenz auf ihren Höhepunkt getrieben. In den Kampf Jakobs mit dem Unbekannten ist die ganze Geschichte seiner Betrügereien und des von Gott bei Bet-El zugesagten Segens eingeschrieben (Gen 28,10-22). Dort hat Gott Jakob versprochen, dass er mit ihm sein werde, ihn behüten werde, wohin er auch gehe und ihn wieder zurück in dieses Land bringen würde, aus dem er aus Angst vor der Rache Esaus fliehen muss. Und noch mehr: Gott hat Jakob versprochen, dass er vollbringen werde, was er ihm versprochen habe (Gen 28,15). Die Erfüllung dieser Verheißung steht bis Gen 32,23-33 noch aus. Jetzt wird sie im Kampf „eingelöst“. Eine abstruse Vorstellung: Gott zwingt Jakob in den Kampf und fordert ihn zu diesem Kampf heraus. Und doch ist diese noch öfter in der Bibel zu finden, zieht man den Vergleich mit Ex 4,24-26 heran, als Gott in der Nacht Mose überfällt und ihm ans Leben will. Gen 32,23-33 mit seiner Begründung des Kultortes Peniel wird damit zum Gegenstück der Bet-El-Perikope in Gen 28,10-22.

3.3. Versöhnt mit sich, den anderen und Gott

Jakob gibt nun zum ersten Mal in der erzählten Geschichte zu, dass er betrogen hat. Er tut dies, indem er dem Gegner seinen Namen nennt: Jakob = Betrüger. Erst daraufhin gibt ihm der unbekannte Kämpfer einen neuen Namen, setzt ihn als Ur-Vater des Volkes Israel ein und segnet ihn. Die Erzählungen über Jakob nach Gen 32,23-33 sind von der Entscheidung für die Wahrhaftigkeit und damit für das Leben geprägt. Jakob kann seinem Bruder Esau gegenüber treten, sich mit ihm versöhnen und in Zukunft in Frieden leben. Vor allem die jüngere Exegese gewichtet diesen Zusammenhang besonders (Taschner, 2000, 156f.; Pola, 2014, 190). Weil in Gen 33,10 Jakob nach der versöhnenden Wiederbegegnung mit Esau sagt: „Denn ich sah dein Angesicht als sähe ich Gottes Angesicht“, wird das Angesicht Gottes, dem Jakob im Kampf begegnet, mit dem Angesicht des damals noch zu fürchtenden Bruders in eins gelesen. Die Bereitschaft Jakobs, seine betrügerischen Machenschaften gegenüber Esau zu bekennen, wird zum Weg, Gottes Angesicht zu entdecken und umgekehrt. Die Versöhnung mit dem Bruder steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Versöhnung mit Gott. Nächstenliebe wird zur Gottesliebe und Gottesliebe zur Nächstenliebe.

3.4. Chronologie als Biographie

Die Bearbeitung einer anderen Leerstelle kann ebenfalls helfen, die Jakobserzählung nicht nur als bloße Literatur, sondern als „Lebensgeschichte“ zu lesen. Im Kampf Jakobs mit dem Unbekannten spielen die Zeitangaben eine besondere Rolle. Nach Gen 32,25 scheint der Kampf in der Nacht zu beginnen. Die Morgenröte wird als Entscheidungszeit markiert (V. 25c), und als die Sonne hell scheint (V. 32), ist alles vorbei. Nacht, Morgen und heller Tag werden nicht nur als chronologische, sondern auch als biographische Angaben lesbar. Die mystischen Traditionen sowohl des Christentums als auch des Judentums und des Islam verstehen die Nacht als Zeit, in der die inneren Regungen auch in ihrer Abgründigkeit an die Oberfläche kommen: sei es im Traum, oder aber in der konkreten Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten des Lebens. Was tagsüber noch zu bewältigen oder auch nur unterdrückbar scheint, gewinnt in der Nacht die Oberhand und zeigt sich durchaus auch als mächtiger Gegner. Dann gilt es, vor diesen Dunkelheiten nicht davonlaufen zu müssen, sondern ihnen ins Auge sehen zu lernen, ohne angesichts dieses Anblicks vergehen zu müssen – vergleichbar dem, was Jakob erlebt, als er in der Nacht zum Kampf gezwungen wird und im hellen Schein der Mittagssonne seine Erfahrungen als Schauen Gottes von Angesicht zu Angesicht deuten kann.

In der Jakobserzählung kommt dabei der Morgendämmerung eine richtungsweisende Rolle zu. In der älteren Exegese wurde der Gegner als „Flussdämon“ identifiziert, dessen Macht und Einfluss mit der Morgenröte schwindet (Seebass, 1999, 395). Biblisch fundierter ist der intertextuelle Vergleich, mit dem der Morgen als Zeit des Eingreifens JHWHs konnotiert wird und damit als Zeit der Rettung und Befreiung gilt (Ex 14,24; Ps 46,6; Jes 17,14 Auch die Auferstehung als das Eingreifen Gottes schlechthin wird erzählerisch am Morgen verortet: Mt 28,1). Die Morgenröte in Gen 32 markiert damit den Übergang vom Geltungsbereich des Dunklen zum Geltungsbereich des Hellen, vom Dämonischen zum Göttlichen, vom Tod zum Leben. Jakob kann erfahren, dass nicht das Dunkle die Oberhand behält, sondern sich das Leben im Ringen mit Gott Durchbruch verschafft. Diese Verheißung steht seitdem nicht nur über Jakobs Leben, sondern durch ihn über dem gesamten Volk Israel und durch Israel über allen Menschen.

4. Exegetische Einzelheiten

Um diese Füllungen der Jakobsgeschichte mit den eigenen Lebensgeschichten nicht am Text vorbei, sondern dessen Verheißungen aufnehmend und aktualisierend leisten zu können, ist es wichtig, über exegetische Einzelheiten Bescheid zu wissen.

Das Verb „ringen“ (abaq): Mit ihm wird in Gen 32,23-33 die Kampfhandlung bezeichnet. Es ist in der gesamten Schrift nur an dieser Stelle zu finden (Hapaxlegomenon: also einmaliger Begriff in der Schrift) und spielt über die Klangfarbe sowohl an den Flussnamen Jabbok als auch an Jakobs Namen an. Diese klangliche Verbindung ist für die Jakobserzählung nicht untypisch (z.B. Gen 25,27; Gen 32,33). Durch dieses Stilmittel gelingt es dem Erzähler, Ort, Handlung und Protagonisten unvergleichlich miteinander zu verbinden (Taschner, 2013, 152).

Der Name Israel: Im V. 29 erhält Jakob einen neuen Namen, den Namen Israel, der an dieser Stelle zum ersten Mal im Pentateuch genannt wird und ab da, nicht nur zum Namen des Ahnvaters, sondern zur Bezeichnung des auserwählten Volkes avanciert (Taschner, 2013, 150).

Der Segen: Im Jakobskampf ist der Segen, den der Angreifer Jakob gibt, von zentraler Bedeutung. Er ist unmittelbar mit dem neuen Namen Israel verbunden. Weil Jakob den Kampf gekämpft und ihn ausgehalten hat – und zwar sowohl mit den Menschen (Esau und Laban), mit sich (V. 28a), als auch mit Gott selbst, wie seine wechselvolle Geschichte beweist, – erhält er den Segen. Dies erfolgt nicht als Belohnung für vorausgesetzte Werke, sondern als treuer Erweis, dass Jakobs Leben und damit das Leben aller, denen diese Geschichten nicht fremd sind, gesegnet ist.

Peniel: Der Ort des Kampfes und des Segens wird für Jakob zum Ort, an dem er Gott von Angesicht zu Angesicht begegnet. Dieses Wortspiel, das im Hebräischen auch durch die Klangähnlichkeit unterstrichen wird (hebräisch panim = Angesicht; hebräisch Peni-El), wird in Gen 32,31 zum Ankerpunkt für eine Kultätiologie. Das Heiligtum in Penuel wird verbunden mit der Erfahrung des Gotteskampfes, die von Jakob in Gen 32 überliefert wird.

Speisesitte: Die Erzählung vom Jakobskampf schließt mit der Bemerkung, dass seitdem in Israel auf die Verspeisung des Hüftmuskelnerves verzichtet werde. Dieses Gebot ist im AT singulär (Pola, 2014, 192).

5. Wenn Gott an den Menschen herantritt, bleibt nichts, wie es war

Die Erzählung vom Jakobskampf gehört damit zu den herausforderndsten biblischen Texten überhaupt. Sie provoziert nicht nur das theologische Sprechen über Gott, sondern zeigt auf ungeschönte Weise, mit welchen Abgründen der Mensch behaftet ist. Dass der Mensch trotz aller eingeschliffenen Lebensmechanismen nicht auf sie fixiert bleiben muss, sondern neu beginnen und damit neue Lebensradien beschreiten kann, kann sozusagen als horizontale Lesart des Jakobskampfes gelten. Dass Gott nicht locker lässt, auf allen (un-)möglichen Wegen immer wieder neu an den Menschen herantritt, um ihn zum Leben hin zu bewegen, ist die theologische Verheißung des Kampfes am Jabbok. Dass diese Zusage nicht nur für Jakob gilt, sondern an ihm für alle Leserinnen und Leser erzählt wird, macht die Heilsbotschaft aus, die auch heute noch entdeckt werden will.

6. Didaktische Ideen und Lernwege

Um die Vielfältigkeit der Jakobserzählungen und besonders des Jakobskampfes auch didaktisch einzuholen, bieten sich ganz unterschiedliche Lernwege an.

6.1. Auseinandersetzung mit Werken der bildenden Kunst

Schon weiter oben wurde auf die reiche Wirkungsgeschichte hingewiesen, die der Jakobskampf in der bildenden Kunst erzeugte. Die Auseinandersetzung mit Bildern aus unterschiedlichen Epochen und mit unterschiedlichen Akzentsetzungen erlaubt, die Akzentuierungen in der Jakobsgeschichte deutlicher wahrzunehmen und sich mit ihnen zu beschäftigen.

6.2. Sprechmotette

Der Jakobskampf nennt zwar nur wenige Protagonisten, doch kommen in ihm viele Stimmen, explizite und innere, vor. Solche können sein: Die inneren Vorgänge in Jakob, bevor er in der Nacht aufsteht und seine Familie und seine Habe über die Furt setzt; Bewegungen, die sich in Jakob selbst abspielen, als er allein am Ufer zurückbleibt; was in Jakob vorgeht, als dieser Jemand auftritt und mit ihm zu kämpfen beginnt; aber auch was den Unbekannten motiviert, was er will, ist mit solchen inneren Stimmen vergleichbar. Auch die Frauen und Kinder, der gesamte Clan samt Sklaven und Knechten, die in V. 23f. erwähnt werden, können in solchen Stimmen versinnbildet werden.

In der Sprechmotette werden diese Stimmen laut, hören aufeinander, überschlagen sich, bringen die Dramaturgie zum Ausdruck, die den Jakobskampf bestimmt und versinnbilden so, was das innerste Gefüge von Gen 32,23-33 ist.

6.3. Textorientierte Lernwege

Der Jakobskampf mit seinen vielen Leerstellen lädt ein, diese, ähnlich wie in der Sprechmotette, bewusst zu füllen, indem die Schülerinnen und Schüler eingeladen werden, Textpassagen weiter zu schreiben. Dazu bieten sich an:

V. 25: Als nur noch er allein zurückgeblieben war, rang mit ihm …

V. 27a: Der Mann sagt: Lass mich los; denn …

V. 27c: Jakob aber entgegnete: Ich lasse dich nicht los, wenn du …

V. 30: Nun fragte Jakob: Nenne mir doch deinen Namen! Jener entgegnete:

Die Lernwege, die je nach Lerngruppe und Fokus des Unterrichtssettings zu wählen sind, können beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler den Text nicht als fremde, irrelevante Welt abtun müssen, sondern in den alten Texten auch ihre eigenen Themen aufspüren können.

Literaturverzeichnis

  • Pola, Thomas, "Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt". Form und Inhalt von Gen 32,23-33, in: Theologische Beiträge 45 (2014) 3/4, 187-205.
  • Schambeck, Mirjam, Biblische Facetten. 20 Schlüsseltexte für Schule und Gemeinde, Ostfildern 2017.
  • Schambeck, Mirjam/Kropač, Ulrich, Eine (un-)heilvolle Begegnung: Dekonstruktive Bibelarbeit an Gen 32,23-33, in: Katechetische Blätter 128 (2003) 5, 376-382.
  • Schöttler, Heinz-Günther, "Die göttlichen Werke wachsen, indem sie gelesen werden" (Gregor der Große), in: Schöttler, Heinz-Günther (Hg.), "Der Leser begreife!" Vom Umgang mit der Fiktionalität biblischer Texte, Biblische Perspektiven für Verkündigung und Unterricht, Berlin u.a. 2006,13-33.
  • Seebass, Horst, Genesis II/2. Vätergeschichte II (23,1-36,43), Neukirchen-Vluyn 1999.
  • Taschner, Johannes, Verheißung und Erfüllung in der Jakoberzählung (Gen 25,19-33,17). Eine Analyse ihres Spannungsbogens, Freiburg i. Br. u.a. 2000.
  • Theuer, Gabriele, Jakob und Rahel, in: Zimmermann, Mirjam/Zimmermann, Ruben (Hg.), Handbuch Bibeldidaktik, Tübingen 2013, 296-300.
  • Weimar, Peter, Beobachtungen zur Analyse von Gen 32,23-33, in: Biblische Notizen 49 (1989) 1, 58-94.

Abbildungsverzeichnis

  • Die Verortung des Jakobskampfes im Jakobszyklus © bei der Autorin
  • Textaufbau von Gen 32,23-33 © bei der Autorin

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