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Hexenverfolgungen

(erstellt: Februar 2017)

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1. Aktualität des Themas

Das Themenfeld „Hexen, Hexerei, Hexenprozesse“ erfreut sich großer Aufmerksamkeit. Der europäische Buchmarkt wird geflutet mit wissenschaftlichen Arbeiten, Ausstellungskatalogen, Einführungen, Handbüchern und Romanen (→ Kirchengeschichte, Literatur als didaktischer Zugang). Gerade unter letztgenannter Kategorie finden sich Elaborate von zweifelhafter Qualität. Bei der Aufarbeitung und Deutung der historischen Hexenverfolgungen, welche in Europa und seinen Kolonien zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt erlebten, gehen die Meinungen zwischen Fachwissenschaftlern und Vertretern der interessierten Öffentlichkeit oft weit auseinander. Auf der einen Seite versucht die zumeist interdisziplinär angelegte wissenschaftliche Beschäftigung, die Hexenverfolgungen als vergangene und gegenwärtige Phänomene im Kontext der jeweiligen Gesellschaften aus multiperspektivischer Sicht verstehbar zu machen (Behringer, 2004b; Golden, 2006; Barry/Davies, 2007; Levack, 2013; Voltmer, 2015; Sieburg/Voltmer/Weimann, 2017; Davies, 2017).

Auf der anderen Seite bleibt die populäre Deutung der historischen Hexenverfolgungen dominiert von Geschichtsklitterungen und mythomanischen Fabulaten (Wiedemann, 2007). Im Zentrum der klischeehaften Verschwörungsszenarien – gerne bemüht in historischen Romanen – stehen die bösen Machenschaften von Kirche und → Inquisition. Kaum ein populistischer Allgemeinplatz wird bereitwilliger akzeptiert, als die falsche Behauptung, die päpstliche Amtskirche und die von ihr kontrollierte Inquisition trügen nicht nur die Schuld an den Hexenverfolgungen, sondern mit Vertuschungen, Schweigegeboten und Geheimniskrämereien hielten sie diese (vermeintliche) Wahrheit bis heute im Dunkel der Archive. Die Hexenverfolgung wird damit zur Chiffre, die stellvertretend steht für die vermeintlich tödlichen Attacken von Staat und Kirche (→ Kirche – Staat) gegen Hebammen, Heilerinnen, weise Frauen, Kräuterfrauen oder Anhängerinnen eines „uralten“ paganen (wahlweise keltischen oder germanischen) Kultes um Fruchtbarkeit und libertäre → Sexualität. Unterstellt wird, dass eben jene Frauen ins Visier der Hexenjäger gerieten, die gegen männliche Kontrolle aufbegehrten oder ihr spezifisches weibliches → Wissen vor dem disziplinierenden Zugriff des Patriarchats in Gestalt missgünstiger Ärzte, lüsterner Inquisitoren und gieriger Amtsleute bewahren wollten. Die Weiterdeutung durch Feministinnen der 1970er Jahre machte aus der „Hexe“ die Identifikationsfigur für rebellische weibliche Emanzipation schlechthin.

Es kann jedoch nicht genügend betont werden: Dieses Bild lässt sich zurückführen auf männliche, geschlechtsspezifische Rollenklischees bedienende Erfindungen des 19. Jahrhunderts, denen es um die Zuschreibung klarer Weiblichkeitsbilder ging und welche die Frau auf sinnlich-affekthafte, mütterlich-fruchtbare, naturverbunden-heilende Rollen, mithin auf Haushalt, Familie und Kinder reduzierten. Besonders deutlich wird dies an der widerlegten und zudem höchst frauenfeindlichen These, wegen eines vermeintlichen, statistisch aber nicht nachweisbaren Männermangels in Mittelalter und Früher Neuzeit hätten sich Tausende unverheirateter, deshalb sexuell frustrierter und in Armut lebender Frauen Drogen und Rauschmitteln bedient, um in orgiastischen Träumen ihr Elend vergessen zu können. Die Annahme, derart ausgelöste Halluzinationen von Luftfahrt und wüsten Sabbatfeiern hätten die Hexenverfolgungen ursächlich beeinflusst, ist deshalb ebenso falsch. Erst kürzlich wurde der Mythos der angeblich benutzten Hexensalben gründlich dekonstruiert (Voltmer, 2008, 104-108; Ostling, 2016).

In letzter Zeit richtet sich das öffentliche Interesse auf Initiativen zur so genannten Rehabilitation hingerichteter Hexen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Denkmäler, Erinnerungsorte, Gedenktafeln werden errichtet. In Deutschland steht häufig dahinter die Initiative des evangelischen Pfarrers Hartmut Hegeler, der schon seit Jahren auf diese Form der Auseinandersetzung mit den historischen Hexenverfolgungen drängt (Voltmer, 2005b, 6). „Rehabilitiert“ werden seit Neuestem nicht nur die Opfer. Auch mancher „Hexenjäger“ erfährt in der Zwischenzeit eine positivere Einschätzung. So erfuhr die Rolle des als „Hexenbischof“ bezeichneten Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn schon lange vor seinem 2017 zu begehenden 400. Todestag eine auf intensive Archivstudien gestützte, differenziert-exkulpierende Bewertung (Meier 2014; Meier, 2015a; Meier, 2015b; Meier 2016 sowie die für 2017 angekündigten Veröffentlichungen von Andreas Flurschütz da Cruz). Weiterhin bleibt jedoch eine Diskrepanz zwischen populären Klischees und wissenschaftlich-klärenden Deutungen bestehen. Vereinfachende Erklärungsmuster, so irrig sie auch sein mögen, werden leichter akzeptiert als vielschichtige Deutungsmodelle.

2. Geschichtliche Klärungen

2.1. Entstehung des Hexereidelikts

Die geistigen Wurzeln des Hexenglaubens reichen in die mittelalterliche Zeit zurück. Das neue Delikt der Hexerei beinhaltete die Vorwürfe Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Teilnahme am Hexensabbat sowie Planung und Ausführung von Schadenzaubern. Erst um 1400 fügten Theologen (→ Theologie) und Juristen diese schon zuvor bekannten Einzelbestandteile zusammen. Die neuen Teufelsdiener galten weniger als „Einzeltäter“, sondern als Mitglieder einer geheimen, zerstörerischen Ketzersekte. Hexerei wurde als ein „Bandendelikt“ gewertet, als eine gegen Gottes (→ Gott) → Schöpfung gerichtete Verschwörung unzüchtiger, gotteslästerlicher, den Teufel anbetender Häretiker. Mithin schrieb man der Denunziation angeblicher Hexensabbatteilnehmer (und damit der vermeintlichen Enttarnung weiterer Anhänger der Hexenketzersekte) eine hohe indizienrechtliche Beweiskraft zu. Eindrucksvolle Beispiele liefern dafür die langen Listen angeblicher Komplizen, welche den der Hexerei Angeklagten unter Folter abgepresst werden konnten. Nach der → Reformation entwickelten auch die neuen Konfessionen spezielle Hexerei-Imaginationen. Protestantische Theologen zweifelten nicht an der Existenz von Teufelspakt und Schadenzauber, jedoch am Hexenflug und am Hexensabbat. Allerdings stuften sie die Macht des Teufels niedriger ein und machten sein Wirken noch stärker von der „permissio dei“, der Zulassung Gottes, abhängig. Gleichwohl forderten protestantische Theologen und Juristen die Todesstrafe für Hexen (Rummel/Voltmer, 2012, 18-33).

2.2. Phasen der Verfolgungen und Zahlen

Erste Verfahren gegen die als neu gedachte „Hexenketzersekte“ sind nach 1430 vor allem in den näheren und weiteren Landstrichen um den Genfer See, im Wallis, im Waadtland, im Berner Gebiet, in den Herzogtümern Savoyen, Dauphiné und im Piemont festzustellen. Die einsetzende Prozesstätigkeit bestätigte scheinbar die Annahme einer angeblich existierenden Hexensekte. In Gebieten am Bodensee, am Oberrhein, in Oberitalien, im Baskenland und in Katalonien, in Lothringen, Luxemburg oder im Alten Reich lassen sich schon um 1500 zahlreiche Hexereiverfahren nachweisen. Nach 1520/1530 schwächte sich die Prozesstätigkeit zunächst ab. Erst um 1560 (wieder in Koinzidenz mit Krisenphänomenen) setzten jene Hexenverfolgungen ein, die mit großen regionalen Unterschieden und zeitlichen Verschiebungen bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts reichen sollten. Einen absoluten Höhepunkt fanden die mitteleuropäischen Hexenjagden in der Periode zwischen 1580 und 1650. Wie neueste Forschungen zeigen, erlebte der europäische Osten (Ungarn, Polen) die schweren Verfolgungen erst später. Verteilt über ganz Europa und seine Kolonien lassen sich Verfahren und Lynchmorde noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts feststellen (Behringer/Lorenz/Bauer, 2016). Auf dem afrikanischen Kontinent haben die heutigen Hexenprozesse, welche zwar in einem anderen kulturellen, sozialen, religiösen, rechtlichen und politischen Kontext ablaufen, wahrscheinlich schon mehr Opfer gefunden als im Europa der Frühen Neuzeit (Schmidt/Schulte, 2007; Voltmer, 2008, 119-122).

Wichtig bleibt, dass die europäischen Hexenjagden über die Jahrzehnte hinweg weder gleichzeitig noch flächendeckend oder kontinuierlich abliefen. Gründe für diesen ungleichmäßigen chronologischen Ablauf und für die unterschiedliche räumliche Verbreitung liegen in der großen Varianz der rechtlichen, sozialen, ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen, welche nötig waren, um das Klima für eine Einzelprozesse überschreitende größere Hexenjagd zu bereiten. Aufgrund der Aktenverluste bleibt die Hexenforschung auf vorsichtige Hochrechnungen angewiesen. Für Europa genannt werden 50.000 bis 60.000 Hinrichtungen, wobei sowohl Einzel- wie Kettenprozesse und Massenverfolgungen zusammengerechnet werden. Mit rund 25.000 Hinrichtungen steht das Heilige Römische Reich Deutscher Nation an der Spitze der Skala. Die Intensität der Verfolgungen fiel regional sehr unterschiedlich aus. In der Schweiz sowie in den Herzogtümern Lothringen und Luxemburg wurden insgesamt um die 10.000 Personen als vermeintliche Hexen getötet. Im katholischen Irland gab es so gut wie keine Prozesse, in England wurden etwa 500, in Schottland dagegen mindestens 2.500 Menschen wegen angeblicher Hexerei zum Tode verurteilt. Im bevölkerungsreichen europäischen Flächenstaat, dem katholischen Königreich Frankreich, kam es bei einer Einwohnerzahl von rund 20 Millionen zu höchstens 1.000 Hinrichtungen. Als Opfer müssen auch jene Personen bezeichnet werden, die zwar lebend, physisch wie psychisch jedoch schwer gezeichnet, aus einem Hexereiverfahren herauskamen, sei es, weil sie die Folter ungeständig überstanden hatten, sei es, weil sie lediglich verbannt worden waren. Von ihrer Umgebung oft gefürchtet und gemieden, wurden solche Freigelassene nicht selten von ihren Nachbarn gesteinigt, ertränkt oder auf andere Weise gelyncht, wie zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Dörfern der Ardennen, wo circa 300 der Hexerei verdächtigte Menschen ermordet worden sein sollen (Rummel/Voltmer, 2012, 74-83; Karte und Tabelle: Historisches Museum der Pfalz Speyer, 2009, 180-185).

Schon seit dem 18. Jahrhundert sollten sich die nicht zu bestreitenden Ungeheuerlichkeiten der historischen Hexenverfolgungen in möglichst hohen Hinrichtungszahlen spiegeln. Weitreichende Folgen zeigte die Hochrechnung des Quedlinburger Stadtsyndikus Gottfried Christian Voigt († 1791), der auf der Grundlage von 135 Quedlinburger Hexenhinrichtungen in einem Jahrhundert zu dem Ergebnis kam, zwischen dem 7. und 17. Jahrhundert müssten europaweit insgesamt über neun Millionen Menschen als Hexen hingerichtet worden sein (Behringer, 1998). Der „Neun-Millionen-Mythos“ wanderte in internationale feministische und neopagane Kreise, wo schon mal von elf, dreizehn, 20 oder gar 30 Millionen hingerichteten Hexen gesprochen wird. In den 1970er Jahren verstiegen sich wohlmeinende Frauenrechtlerinnen zu einem unangebrachten Vergleich mit dem Holocaust, in dem sie von den so genannten „burning times“, von einem „Gynozid“ sprachen.

2.3. Beteiligte Gerichte

Hexenprozesse sind in ihrer absoluten Mehrzahl von weltlichen Gerichten nach Maßgabe des zeitgenössischen Strafrechts als legale Prozesse geführt worden. Die Folter gehörte in nach römischem Recht geführten Strafverfahren zu den damals legalen Methoden, ein Geständnis zu erlangen, welches zur juristisch korrekten Verurteilung notwendig war. Nicht nur in Hexereiverfahren wurde die Tortur exzessiv angewandt, um die so genannte Verstocktheit der angeklagten Person, deren Schuld bereits angenommen wurde, zu brechen.

Schon in der frühen Phase zwischen 1430 und 1500 waren neben Inquisitoren auch weltliche Gerichte und die Bevölkerung an der Verfolgung angeblicher Hexen und Hexenmeister beteiligt. Formal richteten sich die Hexereiverfahren im Alten Reich mehrheitlich nach den einschlägigen Vorgaben der „Carolina“ (Halsgerichtsordnung Karls V., 1532). Nur in Italien, Spanien und Portugal befassten sich die Gerichte der jeweiligen länderspezifischen, erst gegen Ende des Mittelalters bzw. nach 1500 eingerichteten kirchlichen Inquisitionsbehörden mit dem Hexereidelikt. Sie haben jedoch nur wenige Todesurteile in Zauberei- bzw. Hexereifällen ausgesprochen.

Die Konfession der Gerichtsherren spielte für die grundsätzliche Bereitschaft, Hexenprozesse zuzulassen bzw. zu führen, eine untergeordnete Rolle. Allerdings scheinen konfessionell verschärfte Auseinandersetzungen – zum Beispiel während der Hugenottenkriege in Frankreich (1562-1598), vor und während des Dreißigjährigen Krieges (Heiliges Römisches Reich deutscher Nation sowie angrenzende Gebiete, 1618-1648) oder im Englischen Bürgerkrieg (1642-1649) – zu Verunsicherung, Intoleranz, Misstrauen, Diffamierungen und Ausgrenzungen geführt zu haben, welche letztlich in Hexenfurcht und einschlägigen Verdächtigungen münden konnten.

Die calvinistische Kurpfalz verhinderte jede Verfolgungstätigkeit. Die reformierten niederländischen Generalstaaten, lutherische Reichsstädte wie Nürnberg oder Rothenburg ob der Tauber standen den Hexenjagden ebenfalls eher ablehnend gegenüber. Die lutherischen Herzogtümer Mecklenburg-Güstrow bzw. Mecklenburg-Schwerin und Sachsen-Coburg, das reformierte Genf oder das calvinistische Schottland erlebten jedoch ebenso scharfe Verfolgungen wie beispielsweise die drei geistlichen Kurfürstentümer Mainz, Köln und Trier, die Reichsabtei St. Maximin von Trier, die Fürstabtei Fulda, die Fürstpropstei Ellwangen, die Deutschordenskommende Mergentheim oder die fränkischen Hochstifte Bamberg, Würzburg und Eichstätt (Rummel/Voltmer, 2012, 113-119; Voltmer, 2010).

2.4. Akteure und Akteursgruppen

Konkrete Personen übernahmen das Aufspüren, Enttarnen, Verfolgen und letztlich Hinrichten vermeintlicher Hexen. Lokale Hexenjagden wurden oft initiiert aus der Bevölkerung heraus, wo man sich durch die (vermeintlichen) Machenschaften der Hexen existentiell bedroht glaubte. Allerdings muss differenziert werden: Auf der einen Seite standen Einzelpersonen bzw. Gruppen, denen es gelang, ihr Interesse an entsprechenden Prozessen und Verfolgungen vor die Obrigkeit sowie deren Gerichte zu bringen. Dieses Interesse wurde als allgemeine Aufgabe zur Ehre Gottes und zur Erhaltung des gemeinen Nutzes propagiert. Auf der anderen Seite findet sich die „schweigende“ Mehrheit, die solches Verfolgungsdrängen in Passivität ertrug oder als Mitläufer unterstützte.

Im Westen des Alten Reiches und in Luxemburg bildeten sich so genannte Hexenausschüsse. Darunter versteht man dörfliche oder kleinstädtische Klagekonsortien, die speziell von der Gemeinde beauftragt waren, vermeintliche Hexen aufzuspüren, Belastungsmaterial gegen sie zu sammeln und sie schließlich vor Gericht zu bringen. In anderen Territorien des Reichs, wie zum Beispiel in Mecklenburg, Schleswig-Holstein, aber auch in Würzburg, kam es zur Bildung von Bürgerinitiativen. Anderenorts richteten die Untertanen Petitionen an die Obrigkeiten mit der dringenden Bitte um Hexereiverfahren. Unterstützung erhielten die lokalen Hexenjäger und Gerichte durch Denunzianten, Zeugen und andere Helfershelfer (zum Beispiel Wächter und Büttel).

Die in der Forschung gerne als „Verfolgung von unten“ bezeichneten Aktionen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer ein obrigkeitlicher Justizapparat nötig blieb, dessen Amtsträger und Schöffen die Prozesse führten – beraten und begleitet von Spezialisten in der Person ausgebildeter Juristen, welche die Haft- und Folterbefehle begründeten, von Scharfrichtern und ihren Knechten, welche die Angeklagten zum Reden brachten. Nicht zuletzt bedurfte es Schreiber und Notare, welche nicht selten die gütlichen Verhöre wie auch die Befragungen unter der Folter führten und dabei den Verfahrensgang protokollierten. Schlussendlich konnte die Hinrichtung von vermeintlich überführten Hexen und Hexenmeistern zu einem „Theater des Schreckens“ werden, an dem teilzunehmen die Bevölkerung nicht selten bei Strafe gezwungen wurde, damit sie den für alle sichtbaren Sieg ihrer christlichen Obrigkeit über die Hexen erfahren konnte. Mit dem Hinrichtungsritual fand quasi eine Wiederherstellung der gestörten Friedensordnung statt, die unter den Zuschauenden anwesenden vermeintlichen Übeltäter wurden gewarnt, die Seelen der bußfertig gestorbenen Hexen konnten Erlösung finden (Rummel/Voltmer, 2012, 51-53).

2.5. Geschlechterverteilung und Rolle von Frauen in den Verfahren

Einzelne Gebiete sahen eine vergleichsweise hohe Quote als vermeintliche Hexenmeister hingerichtete Männer (z.B. in Island, in der Normandie oder im Waadtland). In der Mehrzahl sind jedoch Frauen den Hexenjagden zum Opfer gefallen, je nach Region zwischen 90 und 70 Prozent. Allgemein lag in katholischen Gebieten mit bis zu 30 Prozent der Männeranteil unter den Hingerichteten höher als in protestantischen Gebieten und Territorien (80 bis 90 Prozent weibliche Hingerichtete). Gründe für die konfessionellen Unterschiede scheinen zum einem in der Vorstellung von der Zusammensetzung der Hexensekte selbst zu liegen: Auf katholischer Seite ging man eindeutig von einem zweigeschlechtlich besetzten Hexensabbat aus, dessen Hexenkönige meist Männer waren. Die frauenfeindlichen Zuspitzungen des Dominikaners Heinrich Institoris im „Malleus maleficarum“ wurden von den führenden katholischen Dämonologen des 16. Jahrhunderts nicht übernommen. Protestantische Theologen lehnten mehrheitlich die Vorstellung von einem tatsächlich stattfindenden Hexensabbat ab. Bedeutsam für die Ausbildung der konfessionellen Unterschiede blieb die uneinheitliche Übersetzung der Bibelstelle (→ Bibel) Ex 22,17. Während die katholische Vulgata das männliche Genus („die Zauberer sollst du nicht leben lassen“) gebrauchte, folgte Luther in seiner Übersetzung der aus dem hebräischen Original stammenden weiblichen Form („die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen“). Danach verband sich das Delikt der Hexerei eher mit dem weiblichen als mit dem männlichen Geschlecht.

Frauenfeindliche Lehren über eine grundsätzliche Schwachheit des weiblichen Geschlechts, welche beispielsweise schon von Aristoteles geäußert worden sind, verbanden sich mit der sozialen Praxis. Nahrungszubereitung, Geburtshilfe, Kindererziehung, Krankenpflege sowie die Versorgung des Milch- und Kleinviehs gehörten zum Aufgabenbereich von Frauen. Hier auftretende Todesfälle, Krankheiten und Schädigungen konnten daher leicht ihrer Verantwortung zugeschrieben und als Ergebnisse magisch-zauberischer Aktionen gedeutet werden.

Es kamen aber keineswegs nur alte Frauen aus den Unterschichten in Hexereiverdacht, sondern in großer Zahl Frauen aus der dörflichen wie städtischen Mittel- und Oberschicht. Wenn auch einige Dämonologen das Stereotyp der armen, alten Frau als angebliche Teufelsbuhlerin in den Vordergrund schoben, zeigte sich dieses Opfermuster jedoch schon bei frühen Verfolgungen wie auch den späteren massenhaften Hexenjagden gegen Ende des 16. und im Laufe des 17. Jahrhunderts als äußerst instabil. Junge und verheiratete Frauen, Kinder, Jugendliche, Männer, Amtsträger und Geistliche gerieten unter Anklage. Insgesamt waren Frauen jedoch aufgrund ihrer rechtlichen, sozialen und ökonomischen Minderstellung immer die ‚leichteren‘ Opfer.

Auf der anderen Seite nahmen Frauen maßgeblich Anteil daran, ihre verdächtigten Geschlechtsgenossinnen als Hexen öffentlich zu diffamieren und auszugrenzen. In den Nachbarschaften und zwischen den verschiedenen Bewohnern eines Haushalts konnte es häufig zu derlei Bezichtigungen kommen. Alltägliche, von der wirtschaftlichen Notsituation verschärfte Streitereien, den gemeinschaftlichen Frieden störende Handlungen, alte Feindschaften, kleinste Auffälligkeiten begründeten häufig einen Anfangsverdacht. Schon der grundlose Aufenthalt einer bereits verdächtigten Person im Stall des Nachbarn oder der überraschende Tod eines Stücks Vieh, das sie berührt hatte, konnten hinreichende Verdachtsgründe liefern, die vor Gericht den Wert belastender Aussagen erhielten. Dabei spielte es eine große Rolle, dass Hausmüttern und Nachbarinnen die informelle soziale Kontrolle oblag, was de facto in missgünstiger Feindschaft, Bespitzelung und Überwachung mündete. Daher waren es auch Frauen, die ihre als „Hexen“ verdächtigten Verwandten und Nachbarinnen bei den männlich besetzten Gerichtsinstanzen denunzierten. Damit fungierten sie zugleich als Zeuginnen der Anklage.

Das Übergewicht männlicher Zeugenschaft erklärt sich leicht: Obwohl Frauen vor Gericht das gleiche Zeugnisrecht wie Männer hatten, wurde den männlichen Aussagen größere Beweiskraft beigemessen. Oftmals bestätigten die aufgerufenen Frauen nur die Aussagen ihrer Väter, Ehemänner oder Brüder. Allerdings bezogen die männlichen Zeugen ihr vorgebliches Wissen vor Gericht meist aus dem durch Frauen verbreiteten Klatsch und aus Gerüchten. Ohne Zweifel spielte die soziale Praxis des Tratschens und der üblen Nachrede bei Frauen wie bei Männern eine wesentliche Rolle für die Verbreitung von Hexereigerüchten.

Das Bild von der Frau als Opfer einer männlich dominierten Hexenjustiz muss weiter relativiert werden: Als Sachverständige in allen Fragen der weiblichen Physis waren es Nachbarinnen wie vereidigte Hebammen, die Hexereiverdächtige in den Gefängnissen untersuchten, insbesondere wenn eine Schwangerschaft angegeben oder vermutet wurde, welche in der Regel eine Haft- und Folterverschonung bis nach der Geburt nach sich zog. Frauen agierten mithin als Helfer der Gerichtsinstanzen. Gelegentlich traten Frauen selbstständig als Privatklägerinnen auf und brachten angebliche Hexen vor Gericht. Als Gutsherrinnen, als Landesherrinnen oder als Gerichtsherrinnen initiierten und duldeten adelige Frauen Hexereiverfahren.

Frauen und Männer, die tatsächlich als dörfliche Kleinmagier oder als Heiler tätig waren, konnten aus unterschiedlichen Gründen in ein Hexereiverfahren geraten. Vielfach agierten sie als so genannte Hexenbanner, indem sie die angeblichen Verursacher von Schadenzauber „entlarvten“ und der Verfolgung aussetzten. Die in den Gerichtsakten präsentierte „Hexenkarriere“ angeklagter Personen, welche unterstellte, sie hätten schon lange im Verdacht der Hexerei gestanden, entpuppt sich bei genauem Hinsehen oft als eine retrospektive Zuschreibung, welche erst während des Verfahrens stattfand. Gerade während der großen Massenverfolgungen, wo innerhalb weniger Jahre Hunderte Menschen als vermeintliche Hexen hingerichtet wurden, machten allein der Prozess und die Folter aus Unschuldigen angebliche Hexen. So bleibt die Zahl derjenigen, welche tatsächlich mit magischen Handlungen den Hexereiverdacht auf sich gezogen haben, gering im Verhältnis zu jenen Personen, die aufgrund erpresster und erfolterter Bezichtigungen in ein Hexereiverfahren gezogen wurden. Hebammen gehörten definitiv nicht zu den Zielgruppen der Hexenjagd (Opitz-Belakhal, 2007; Rummel/Voltmer, 2012, 71-73;79-80).

2.6. Hexenprozesse als Handlungsoption

Die nach Zeit und Raum zu diversifizierenden Hexenverfolgungen waren keine konzertierte Aktion von der Papstkirche und dem Staat. Der Papst und die Kurie verfügten ebenfalls nicht über die politische Macht, regulierend einzugreifen, erst recht nicht in die Hexenjagden protestantischer Territorien des Alten Reiches oder in jene Verfolgungen, welche nach der Reformation in den von der Papstkirche abgetrennten Königreichen auf den britischen Inseln oder in Skandinavien stattfanden. Aus heutiger Sicht ließ es der Papst jedoch an geistlichen Ermahnungen und Strafandrohungen gegenüber den katholischen Brandstiftern mangeln.

Die noch immer benutzte Bezeichnung Hexenwahn ist strikt abzulehnen. Verfahren und Verfolgungen waren nicht das Ergebnis kollektiver Verblendung oder pathologischer Wahnzustände. Vielmehr engagierten sich konkrete Akteure mit konkreten Absichten, gleichermaßen motiviert durch (mögliche) existentielle Ängste wie durch eigene Interessen. Der Begriff „Hexenjagd“ macht besser deutlich, dass es sich um ein auf unterschiedlichen Ebenen organisiertes und vom jeweiligen Justizapparat exekutiertes Vorgehen handelte. Die zähe Langlebigkeit der „schwarzen Legende“ von der Schuld (→ Sünde/Schuld) der Kirche verdankt sich unter anderem dem Umstand, dass die Hexenjagden in den geistlichen Kurfürstentümern Köln, Mainz und Trier, vor allem aber jene in den fränkischen Hochstiften (Bamberg, Eichstätt, Würzburg) bereits große zeitgenössische Aufmerksamkeit gefunden hatten und von protestantischen „Aufklärern“ und während des Kulturkampfes im 19. Jahrhundert angeprangert, aufgebauscht und einseitig dargestellt wurden (Meier, 2015b; Rummel/Voltmer, 2012, 77).

Die internationale Hexenforschung geht inzwischen von einem Bündel an Voraussetzungen aus, die nötig blieben, damit sich aus Einzelverfahren Kettenprozesse und Massenverfolgungen entwickeln konnten (Rummel/Voltmer, 2012, 84-112):

  • einschlägige wirtschaftliche, konfessionelle und/oder politische Krisenszenarien und Konflikte;
  • die Verbreitung des kumulativen Hexereibegriffs sowie die vollständige oder nur teilweise Akzeptanz seiner einzelnen Bestandteile (Teufelspakt und -buhlschaft, Hexenflug, Hexensabbat und Schadenzauber);
  • die angewandte Maxime des „crimen exceptum“ (Ausnahmeverbrechen) sowie Stellenwert und Ausmaß der angewandten Folter, was in manchen Herrschaftseinheiten standrechtliche Verfahren erlaubte;
  • das Verfolgungsdrängen spezifischer Bevölkerungsgruppen mit verschiedenen Stufen der Partizipation an den Hexereiverfahren;
  • die aktive Verfolgungsbereitschaft der Hochgerichtsherren in adligen, geistlichen oder städtischen Herrschaftseinheiten;
  • die verfolgungsfördernden und -duldenden Maßnahmen der Landesherrschaften;
  • das Karriere-, Profilierungs- und Bereicherungsinteresse, welches lokale Gerichtsbeamte, Kommissare, Notare und andere Akteure an der Durchführung von Hexereiverfahren nehmen konnten;
  • die Kommunikationsstrukturen und Netzwerke, von denen die Wirkmacht der Verbreitung einzelner Voraussetzungen abhängig blieb (Klein- bzw. Großräumigkeit der Herrschaftsgebilde, Besiedlungsdichte, Wirtschafts- und Siedlungsstrukturen, Kirchenorganisation, Gelehrten- bzw. Juristendichte sowie geistliche und familiäre Netzwerk- und Klientelsysteme).

Nur die Bündelung, die Kumulation, die Konstellation mehrerer (durchaus nicht aller) Bedingungen konnte sich zu einem wirkmächtigen Movens für Hexenverfolgungen jenseits von Einzelprozessen entwickeln. In manchen kleinen und mittleren geistlichen wie weltlichen Territorien wurden Hexenprozesse zur Durchsetzung lokaler Autonomie und Herrschaftsrechte initiiert (Voltmer, 2005b; Voltmer, 2013). Grundbedingung für großangelegte Verfolgungen blieb unbedingt die Akzeptanz des Hexensabbat-Konstrukts, ein blindes Vertrauen in das Indiz der Besagung (d.h. der im Verhör oder unter Folter erpressten Denunzierung anderer als Hexen), die Bewertung des Hexereideliktes als Ausnahmeverbrechen und die Anwendung eines Ausnahmeverfahrens mit exzessiver Folter. Kamen diese Elemente zusammen und gelang es, ein solches Prozessmilieu gegenüber dem Zugriff regulierender Kontrolle – sei es durch den Landesherrn und seine Regierungsgremien, sei es durch Reichsgerichte oder übergeordnete Gerichtsinstanzen – abzuschotten, dann konnten sich höchst opferreiche Verfolgungsschübe entwickeln.

Der Hexenprozess bot eine Handlungsoption, deren Ergreifung den beteiligten Gruppen und Einzelpersonen erfolgversprechende Angebote zur Konfliktlösung auf der sozialen, herrschaftspolitischen wie auch der persönlichen Ebene machte. Fromme Religiosität und profane Funktionalität verschmolzen miteinander. Auch stellte der Hexenglaube hinreichende Erklärungsmuster bereit, mit deren Hilfe gesellschaftlich missliebige, als auffällig empfundene Personen mit dem Verdacht der Hexerei markiert werden konnten. Ähnlich wie der Vorwurf der Ketzerei wurde so das Etikett, eine Hexe, ein Hexenmeister zu sein, entweder vom sozialen Umfeld zugeschrieben oder durch in den Verhören erpresste Besagungen angehängt.

3. Didaktische Überlegungen: Hexenverfolgung im Unterricht

3.1. Mythen und Fehlsichten im Unterricht

Es wäre wünschenswert, wenn der Schulunterricht in den Fächern Geschichte, Religionslehre und Ethik (→ Ethikunterricht) von den mythomanischen Fabulaten um die Hexenverfolgung verschont bliebe. Das Gegenteil scheint der Fall. Inzwischen sind jene Schüler erwachsen und selbst Lehrer, die im Laufe der 1980er Jahre in den Genuss gutgemeinter Unterrichtseinheiten zum lange vernachlässigten Thema „Frühneuzeitliche Hexenverfolgungen“ und „Geschichte der Frauen“ gekommen waren. Allerdings blieb der Unterricht kontaminiert mit den längst widerlegten Thesen von der „Vernichtung der weisen Frauen“ (Heinsohn/Steiger, 1985). Unter „Ein apokalyptischer Massenwahn“ (Wunderer/Conrad, 2005, 52) widmet sich so noch 2005 ein Lehrbuch zur Geschlechtergeschichte dem Thema. In deutlichem Abstand zu gesicherten Ergebnissen der rezenten Frauen- und Genderforschung, jedoch mit einem diffus bleibenden „feministischen Zugriff“ gewährt man der Pseudo-Erkenntnis Raum, dass „mit der Hexenverfolgung matriarchalische Strömungen ausgerottet werden sollten“ (Wunderer/Conrad, 2005, 52). Das Ganze mündet in der Quintessenz, dass „Hexen“ Aussteiger-Frauen gewesen seien, die dem „Männlichkeitsrausch des 16. Jahrhunderts“ (Wunderer/Conrad, 2005, 52) durch das Brauen und Anwenden von Hexensalben entfliehen wollten.

Eine eingehende Analyse alter und neuer Schulbücher im Fach Geschichte brachte ein erstaunliches Faktum zu Tage (Fresen, 2016): Wenngleich kaum mehr von „mittelalterlichen“ Hexenverfolgungen die Rede ist, so werden andere Fehlsichten unreflektiert weitergetragen, so die einseitige Zuschreibung einer „Schuld der Kirche“ oder die falsche Behauptung, Rothaarige und Hebammen seien besonders verfolgt worden. Andere Schulbücher malen geradezu voyeuristisch die grausame „Hexenfolter“ aus. Dies überrascht umso mehr, da inzwischen durchaus Unterrichtsmaterial zur Verfügung steht, das einen vielschichtigen Zugang ermöglicht (Voltmer, 2005a).

3.2. Perspektiven

Wichtig ist eine klischeefreie Beschäftigung mit den Hexenprozessen der Vergangenheit (in Europa und seinen Kolonien) und der Gegenwart (zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent). Weder sollte die Behandlung der Hexenverfolgungen dazu dienen, die vergangenen Welten und die Akteursgruppen (mal die katholische, mal die protestantische Seite) als rückständig und fortschrittsfern zu etikettieren, noch kann das Phänomen als „Epochenschwelle“ zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit gebraucht oder seine Überwindung als Verdienst der „Aufklärung“ bezeichnet werden. Diese Zuschreibungen verdanken sich häufig einer politisierten, konfessionell polarisierenden Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts.

Folgende Perspektiven auf den Themenkomplex können → Schülerinnen und Schüler jedoch gewinnen:

  • „Mitmenschen“ (darunter Familienmitglieder, Nachbarn, Freunde und Feinde) haben damals wie heute Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung von „Hexen“ und anderer vergleichbar verketzerter, kriminalisierter und „gemobbter“ Personen bzw. Gruppen betrieben.
  • Kein gesichtsloser Machtapparat, sondern konkret zu benennende Menschen mit konkret zu benennenden Interessen und Gründen beteiligten sich als Initiatoren, Organisatoren, Gerichtspersonal, Denunzianten oder Zeugen an den Hexenjagden, manchmal im Rahmen so genannter, von den Medien und von selbst ernannten moralischen Unternehmern initiierter „moralischer Paniken“.
  • Unterstützung fanden und finden lokale wie obrigkeitliche „Hexenjäger“ aller Konfessionen bei Mitläufern und der schweigenden Mehrheit. Grundsätzlich konnte jedermann und jedefrau zum „Hexenjäger“ werden, insbesondere solche Personen, welche menschenverachtenden Ideologien, vorgeblichen Bedrohungsszenarien, so genannten „übergeordneten Interessen“ blindes Vertrauen schenk(t)en und damit die eigene Vorteilsnahme (un-)bewusst legitimier(t)en und verschleier(te)n.
  • Die Kirchen und ihre Vertreter haben dabei ambivalente, unterschiedliche Rollen gespielt. Es bleibt stets an der Einzelperson und an den kirchlichen Institutionen im historischen Kontext zu prüfen, ob, in welchem Maße und mit welcher Begründung der Hexenglaube propagiert, kritisiert oder abgelehnt wurde, ob und in welchem Maße an den Verfahren teilgenommen wurde (z.B. als Exorzist oder Beichtvater). Die Bandbreite möglicher Beteiligung reichte von aktiven Aufrufen zu Verfolgungen (zum Beispiel durch Predigten) bis hin zu Geistlichen (darunter viele Jesuiten), welche als Beichtväter versuchten, den angeklagten Personen beizustehen. Geistliche Fürsten haben wie ihre weltlichen Kollegen Hexenprozesse und Massenverfolgungen zugelassen bzw. unterbunden.

3.3. Umsetzungsoptionen

Es bietet sich an, einen lokalen Bezug herzustellen, wenn im Unterricht (→ Kirchengeschichtsdidaktik) das Phänomen „Hexenverfolgung“ angesprochen wird. Hilfreiche Materialien, Lexikonartikel, Aufsätze und weiterführende Links bietet die seriöse Internetplattform „historicum.net“. Wenig zielführend dürfte der Einsatz von Kinofilmen (→ Film, kirchengeschichtsdidaktisch) sein, welche sich meist klischeebehaftet, mit Horrorelementen durchsetzt und oft bezogen auf die Hexenprozesse im neuenglischen Salem mit dem Phänomen auseinandersetzen. Selbst eine so ernsthaft gemeinte Verfilmung wie „Die Seelen im Feuer“ (2015) kommt nicht ohne eine love story aus. Gute Einstiege bieten die in den letzten Jahren herausgegebenen Kataloge zu einschlägigen Ausstellungen mit ihren Karten, Tabellen und Abbildungen (Historisches Museum der Pfalz Speyer, 2009).

4. Ausblick

Trotz aller Fortschritte kann das aktuelle Thema „Hexenverfolgung“ weder im nationalen noch im internationalen Rahmen als hinlänglich „ausgeforscht“ bezeichnet werden. So sind zum Beispiel noch immer viele Akten (insbesondere in privaten Adelsarchiven) nicht ausgewertet (Voltmer, 2012; Voltmer, 2015b). Darüber hinaus beginnt man intensiver zu fragen nach dem Einfluss der Kategorie ‚Kommunikation‘, nach der Rolle der Medien (Flugblätter, neue Zeitungen, Predigten etc.), nach der persönlichen Vermittlung von Verfolgungswissen oder über Netzwerke (Orden, Universitäten) und Klientelsysteme (Adel). Unter dem Stichwort „Wissenstransfer“ wird zum Beispiel der Austausch und die Modifikation von Narrativen des „Hexenwissens“ erforscht (Voltmer, 2012; Sieburg/Voltmer/Weimann, 2017). Auch in Zukunft wird die multiperspektivisch (→ Perspektivenwechsel) und interdisziplinär ausgerichtete sozial-, gender-, medien-, kunst-, rechts-, wirtschafts- und religionshistorische Beschäftigung mit Magie, Zauberei, Hexerei sowie Hexenverfolgung, welche ebenfalls Fragen der politischen Kulturgeschichte beachtet, wichtige Beiträge zur Ergründung vergangener (und gegenwärtiger) Welten leisten.

Literaturverzeichnis

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