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Film, kirchengeschichtsdidaktisch

(erstellt: Januar 2015)

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1. Problematisierungen

In verschiedenen Filmgenres haben Ereignisse der Kirchengeschichte (→ Kirchengeschichte) oder Lebensbilder von kirchengeschichtlich bedeutenden Personen Aufnahme gefunden. Die Anzahl der Spielfilme, die kirchenhistorische Ereignisse thematisieren, wie „Quo vadis“ (1951), oder Dokumentarfilme, welche die Darstellung von kirchenhistorischen Ereignissen mit dem Anspruch der Zuschauer auf zeitgemäße Unterhaltung verbinden, wie „2000 Jahre Christentum“ (1999), ist in den letzten Jahren ständig gewachsen. Kirchenhistorische Filme wie „Bonhoeffer – Die letzte Stufe“ (2000), „Luther“ (2003) oder das Doku-Drama „Das Wunder von Leipzig – Wir sind das Volk“ (2009) haben ein breites Publikum erreicht. Die in diesen Filmmedien vermittelten → Bilder, Einsichten, Aussagen und Perspektiven über Ereignisse und Akteure der Kirchengeschichte sind selbstverständlicher Bestandteil des Alltagswissens nicht nur von Schülerinnen und Schülern (→ Schülerinnen und Schüler).

Die Auseinandersetzung mit kirchengeschichtlichen Filmen hat deshalb auch Aufnahme in die Unterrichtspraxis des Religionsunterrichtes (→ Religionsunterricht, evangelisch; → Religionsunterricht, katholisch) gefunden. Dabei ist festzustellen, dass kirchengeschichtsdidaktische (→ Kirchengeschichtsdidaktik) Intentionen im Umgang mit kirchenhistorischen Filmen oft wenig konkret oder gar nicht formuliert sind, sondern allgemeine Medienkompetenzen (→ Medien) geschult werden sollen. In der Praxis von Unterricht und Katechese (→ Katechese/Katechetik) werden Filme mit kirchenhistorischen Inhalten von Lehrenden (→ Lernende/Lehrende) oft eingesetzt, um die im Unterricht intendierte Vermittlung von kirchenhistorischen Kontexten zu illustrieren. Diese allein illustrative Verwendung von Filmen mit dem Ziel kirchenhistorischer Bildung ist problematisch. Dem kirchengeschichtlichen Lernen steht entgegen, dass sich durch die Rezeption der narrativ-ästhetischen filmischen Verdichtung die Illusion von historischer Authentizität verfestigt beziehungsweise verfestigen soll. Das liegt nicht zuletzt in der Faszination des Filmmediums (→ Film) begründet. Die Entwicklung und Ausprägung eines reflektierten Verständnisses des Spannungsverhältnisses von historischer Faktizität und narrativ-künstlerischer Fiktion, von der Perspektivgebundenheit der filmischen Erzählung und vom Konstruktionscharakter von Geschichte, ist bei einer rein illustrativen Verwendung von Filmen nicht möglich. Wenn daher kirchengeschichtliche Filme kein geeignetes Medium dafür sind, um etwas über die in ihnen gezeigte kirchliche Vergangenheit zu lernen, so ist zu fragen, wie und mit welchen Zielen Filme im Religionsunterricht (→ Filmarbeit in Unterricht und Erwachsenenbildung) angemessen eingesetzt werden können.

2. Filme als Medium der Kirchengeschichtsdidaktik

Ein angemessener kirchengeschichtsdidaktischer Umgang mit Filmen beginnt dort, wo Filmmedien als Zeugnis einer Erinnerungskultur wahrgenommen werden. Filme als Denkmale christlicher Erinnerungskulturen (→ Erinnerung/Erinnerungslernen) sind oft geprägt von traditionsvergewissernden Aussagen, welche die Abfolge kirchengeschichtlicher Ereignisse als Erfolgsgeschichte oder Biographien mit hagiographischen (→ Heilige) Interpretamenten darstellen, die auf Identitätsbildung zielen. Konfessionell verschiedene Perspektiven auf Kirchengeschichte sind dabei ebenso prägend wie ein zeitgebundenes Verständnis der eigenen Geschichte. In kirchengeschichtlichen Filmen spielen aber auch nichtchristliche Motive und Bedürfnisse nach Erinnerung eine Rolle. Diese Filme bieten, wie beispielsweise „Der Name der Rose“ (1986), eine Außenperspektive auf die Geschichte des Christentums, die aber ebenso wert- und zeitgebunden bleibt. Hier sind kirchenhistorische Ereignisse und Akteure eher filmische Folien und Staffage für die eigentliche Filmhandlung. Gemeinsam ist allen kirchengeschichtlichen Filmen, dass sie authentisch belegen, wie in der Entstehungszeit des Films kirchengeschichtliche Inhalte mit filmischen Mitteln bezogen auf ein Publikum erzählt werden. Daraus folgt, dass sich die Grundfragen beim kirchenhistorischen Lernen mit Filmen darauf richten, wie und warum auf diese Weise im jeweiligen Filmmedium über Kirchengeschichte und ihre Akteure erzählt wird. Dabei wird in den Blick genommen, wie kirchenhistorische Ereignisse im jeweiligen Filmmedium zu einer sinnstiftenden Erzählung verknüpft werden. Diese Blickrichtung deckt nicht nur die Illusion der Authentizität der Kirchengeschichtsfilme auf, sondern schärft bei Lernenden das Bewusstsein für die Perspektivität der filmischen Erzählung (→ Geschichtserzählung). Der kirchengeschichtsdidaktische Zugang fragt dabei über das allgemeinhistorische Erkenntnisinteresse hinaus, welche sinnstiftende Erzählung von der Vergangenheit der Kirchen beziehungsweise der christlichen Akteure entworfen wird. Besonders in konfessionslosen Bildungskontexten können die Fragen nach dem Wie und Warum der filmischen kirchenhistorischen Erzählungen häufig tradierte Stereotype aufzeigen und aufbrechen. So können gerade an kirchengeschichtlichen Filmen, die auf eine christliche Traditionsvergewisserung zielen, anschaulich kirchengeschichtliche Narrative exemplarisch aufgezeigt werden. Ein wichtiges Lernziel kirchengeschichtsdidaktischen Lernens ist erreicht, wenn Lernende befähigt werden, jeweils eigene historisch plausible kirchenhistorische Narrationen zu entwerfen.

Es ist deutlich, dass im Blick auf diese Zielsetzung die Darbietung eines vollständigen kirchengeschichtlichen Films, der ungekürzt oft mehrere Unterrichtseinheiten beansprucht, sich der Auswahl von repräsentativen Schlüsselszenen unterordnen sollte, welche die Motive der jeweiligen filmischen Narration veranschaulichen und an denen sich die Methoden der Dekonstruktion von Kirchengeschichtsfilmen einüben lassen.

3. Kirchengeschichtsdidaktische Umsetzungen

Für die Verwendung von Filmen mit dem Ziel, kirchenhistorische Bildungsprozesse zu initiieren, können folgende Impulse für die Praxis gegeben werden: In der Vorbereitungsphase ist es empfehlenswert, die Erfahrungen der Lernenden mit kirchenhistorischen Filmen zu thematisieren. So können bereits im Vorfeld Prägungen und verfestigte Geschichtsbilder zur Sprache kommen, die es in der Auseinandersetzung mit dem ausgewählten Medium zu überprüfen gilt. Ebenso sollten Erwartungen an das Filmmedium formuliert werden, um die Rolle des Publikums, auf dessen Akzeptanz die filmisch-kirchenhistorische Narration zielt, ins Bewusstsein zu rufen.

Weiterhin sollten Hintergrundinformationen über die Entstehung des Films bereitgestellt werden, um die Zeitgebundenheit der filmischen Erzählung über kirchliche Vergangenheit plausibel werden zu lassen. Auch ist eine gründliche kirchenhistorische Erarbeitung der relevanten Ereignisse und Zusammenhänge im Vorfeld der Filmpräsentation unerlässlich, um das Gezeigte einer historischen Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und künstlerische Fiktion und filmische Gestaltungsmittel aufdecken zu können. Die Auswahlkriterien der Schlüsselsequenzen sind den Lernenden zu erläutern, damit deren Exemplarität nachvollzogen werden kann.

Für die Phase der Präsentation sollten Lernende durch gezielte Beobachtungsaufträge ihre Aufmerksamkeit darauf fokussieren, auf welche Weise kirchenhistorische Ereignisse dargestellt werden, um Wertungen und Interpretamente des Films zu erkennen.

Hilfreich ist es, nach der Präsentation auch nicht Gezeigtes zu thematisieren, um die im Film getroffene Auswahl nachvollziehen zu können.

Eine Unterrichtseinheit mit kirchenhistorischen Filmen kann zielführend abgeschlossen werden, wenn Lernende in die Lage versetzt werden, zu kirchenhistorischen Ereignissen oder zu Akteuren der Kirchengeschichte eigene Kurzfilme zu produzieren. So kann auf geeignete Weise das Problembewusstsein für den Umgang mit kirchenhistorischen Filmen gefestigt und die eigene kirchenhistorische narrative Kompetenz ausgebildet werden.

Literaturverzeichnis

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