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(erstellt: Februar 2016)

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1. Einordnung

Die Methode des Legens von Bodenbildern entstammt der sogenannten → „Religionspädagogischen Praxis“ (RPP), eines in den 1970er Jahren induktiv aus der Praxis für die Praxis entwickelten Ansatzes ganzheitlicher christlicher Erziehung, der vor allem mit den Namen Franz Kett und Schwester Esther Kaufmann verbunden ist (Kett, 1996, 9f.); dort werden Bodenbilder als ein mögliches Ausdrucksmittel zur „Methodengruppe der Veranschaulichung“ gezählt (Kett, 1996, 10; Schneider, 1996, 64-66). Umgangssprachlich wird das Legen von Bodenbildern auch als „Kett-Methode“ oder „Tücher-Lege-Methode“ bezeichnet. Allerdings löste sich die Methode beziehungsweise das Medium Bodenbild aus dem engeren Kontext der „Religionspädagogischen Praxis“ und ist heute sowohl im Elementarbereich als auch im Religionsunterricht der Grundschule (weniger bis kaum im Bereich der Sekundarstufen) sowie in der Gemeindekatechese (→ Katechese/Katechetik) und in der → Erwachsenenbildung zu finden, ohne dort einen expliziten Bezug zur „Religionspädagogischen Praxis“ aufzuweisen. So schreibt beispielsweise auch Barbara Schaupp in ihrem grundlegenden Artikel zu dieser Methode, dass die Arbeit mit Bodenbildern zwar von der „Religionspädagogischen Praxis“ „inspiriert“ sei und einen ganzheitlichen Zugang zu biblischen Themen im Religionsunterricht ermögliche (Schaupp, 2007, 176), ohne im Folgenden auf diesen Ansatz und seine Intentionen weiter einzugehen. Auch jüngeren Religionslehrerinnen und -lehrern ebenso wie Studierenden sind die Namen Kett und Kaufmann kaum noch bekannt; viele kennen aber das Legen von Bodenbildern als eine methodische Variante des → Erzählens und Deutens biblischer Texte aus dem Religionsunterricht oder der Gemeindearbeit.

Eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit den Grundanliegen und der pädagogischen Konzeption der „Religionspädagogischen Praxis“ kann in diesem Zusammenhang nicht erfolgen, es sei aber darauf hingewiesen, dass sich die „Religionspädagogische Praxis“ und besonders ihr Einsatz im Elementar- und Primarbereich mit den Kritikpunkten konfrontiert sieht, sie sei didaktisch wie fachwissenschaftlich unreflektiert, übersehe Lebenswelt sowie Entwicklungsstand ihrer Adressatinnen und Adressaten und vernachlässige in auffälliger Weise die kognitive sowie reflexiv-kommunikative Dimension religiösen Lernens (dazu Baur, 2002; Fleck, 2004; Habringer-Hagleitner, 2006, 62-68; Entgegnung bei Kett/Koczy, 2009, 179-219).

Vorschläge und Anleitungen zum Legen von Bodenbildern sind in erster Linie Gegenstand von Methodenbüchern, Arbeitshilfen, Lehrerkommentaren, Unterrichtsmaterialien und „grauen Papieren“ aus der religionspädagogischen Aus-, Fort- und Weiterbildung. Als Methode sui generis werden Bodenbilder allerdings nicht in der engeren religionsdidaktischen Fachliteratur, z.B. über biblisches Lernen, rezipiert. Einer breiteren religionspädagogischen Praxis steht somit eine äußerst schmale bis de facto nicht vorhandene religionsdidaktische Reflexion hermeneutischer (→ Hermeneutik) oder empirischer (→ Empirie) Couleur gegenüber.

Im folgenden Überblick werden Intentionen, Arten und Bedingungen des Legens von Bodenbildern vorgestellt, abschließend aber auch kritische Anfragen zugunsten eines reflektierten Einsatzes von Bodenbildern in der Praxis gestellt.

2. Ziele und Intentionen der Bodenbildgestaltung

Bodenbilder 1

Abhängig vom jeweiligen Lernort können Bodenbilder der Glaubenserkundung und -vertiefung wie in der Gemeindekatechese oder der ganzheitlichen religiösen Bildung auf der Grundlage eines christlichen Gottes- und Menschenbildes wie im schulischen Kontext dienen (Kett, 1996, 10).

Bodenbilder 2

Im Vordergrund stehen dabei die Veranschaulichung sowie die Verinnerlichung der ausgewählten Inhalte, insbesondere aber von biblischen Texten, religiösen Grundthemen, theologischen Motiven, anthropologischen Grundfragen und rituellen Handlungen. Bei der Arbeit mit Bodenbildern werden der ganzheitliche sowie der emotionale Zugang betont. Hier zeigt sich deutlich die Herkunft aus der „Religionspädagogischen Praxis“, welche Bodenbilder zur Methodengruppe der Veranschaulichung zählt und die verwendeten Materialien entweder in ihrem realen, unmittelbaren Gehalt (Erde, Blumen, …) oder stellvertretend als Zeichen und Symbole (z.B. weißes Tuch für Schnee oder Reinheit) betrachtet, um die persönliche Imagination und Identifikation anzuregen (Schneider, 1996, 64).

Bodenbilder sollen folglich das Verständnis biblischer Texte und religiöser Erzählungen (z.B. Legenden; vgl. Abb. 1), die Deutung theologischer Aussagen und die individuelle Auseinandersetzung mit Lebensthemen anleiten (vgl. Abb. 2), indem sie ein Medium darstellen, das mit individuellen Erfahrungen und Vorstellungen verknüpft wird und den persönlichen Ausdruck von Stimmungen und Meinungen ermöglicht. Darüber hinaus können Bodenbilder Rituale und liturgische Handlungen bereichern, zum eigenen kreativen Gestalten durch die Stimulation innerer Bilder ermutigen oder gestaltpädagogische sowie seelsorgerliche Prozesse initiieren und begleiten.

3. Arten von Bodenbildern

Bodenbilder 3

„Eigentlich beschreibt das Wort bereits die Methode. Es handelt sich um Bilder auf dem Boden – zusammengestellt aus verschiedenen Dingen und Materialien, die während einer bestimmten Arbeitsphase auf dem Boden […] liegen. Bodenbilder werden entweder vorgegeben oder schrittweise entwickelt und lassen sich während eines Prozesses verändern. […] Häufig bilden sie die Mitte eines Kreises, immer wieder stellen sie aber auch Handlungsorte in einem Spiel oder einer Übung dar“ (Schaupp, 2007, 175). Unterschieden wird grundsätzlich zwischen einem Mittelbild für die gesamte Gruppe, welches das gewählte Thema veranschaulicht, und individuellen Bildern, in denen „jeder nach Abschluss des gemeinsamen Lernprozesses seine Eindrücke, Erfahrungen und Erkenntnisse zum Ausdruck bringt“ (Kett/Koczy, 2009, 97).

Bodenbilder 4

Bodenbilder sind damit nicht nur das Endprodukt einer Methode, sondern zugleich ein spezifisches Medium, das für die Adressatinnen und Adressaten zu einem Lerngegenstand im engeren Sinne wird. Somit werden das gewählte Thema und/oder der zu bearbeitende Text in diesem Medium zugänglich, in spezifischer Weise repräsentiert und fixiert. Häufig werden Bodenbilder mit weiteren Methoden und Arbeitsweisen kombiniert (z.B. → Erzählen, Stille- und Fantasieübungen, Gespräch, Spiel).

Betrachtet man die zahlreichen Praxisvorschläge, zeigt sich eine große Bandbreite an Möglichkeiten: Bodenbilder können den Handlungsort einer Erzählung darstellen, ein situatives Einzelbild, eine Schlüsselszene oder verschiedene markante Szenen einer Geschichte visualisiren, theologische Aussagen oder Lebensthemen (z.B. Tod) repräsentieren, Stimmungen und Meinungen des Einzelnen oder einer Gruppe ausdrücken und in eher meditativer Funktion ritualisierte Handlungen unterstützen (Beil/Heller, 2013, 3-14).

Bodenbilder 5

Ausgehend von unterrichtspraktischen Beobachtungen sind meines Erachtens drei Arten von Mittelbildern zu unterscheiden, wie auch die nachfolgenden Beispielfotografien zur Noach-Erzählung anschaulich machen: 1. eher nachstellende und illustrierende Bodenbilder mit vielen Einzelelementen, die in großer Nähe zur Handlungsebene Szenen einer Geschichte bebildern (vgl. Abb. 3: Einzug der Tiere), 2. eher reduzierende und fokussierende Bodenbilder, die ein theologisches Kernmotiv mit ausgewählten und zur Bildwelt der Erzählung passenden Materialien veranschaulichen wollen (vgl. Abb. 4: Motiv des Kastens als Bewahrung der Schöpfung) und 3. eher abstrahierende Bodenbilder, die zum Nachdenken, Fragen und Theologisieren anregen wollen, und sich weitgehend vom Text lösen (vgl. Abb. 5: Farben- und Pflanzenspirale als Weg Gottes mit den Menschen in Gen 6-9).

4. Legematerialien

Die für das Legen von Bodenbildern verwendeten Materialien sind im Vorhinein sorgfältig auszuwählen, zu sammeln und aufzubewahren. Idealerweise sollte ein Grundbestand an Legematerial in Körbchen oder Holzkästchen übersichtlich sortiert und frei zugänglich (für Freiarbeit und Freispiel) aufbewahrt werden (Schaupp, 2007, 180).

Abhängig davon, ob nur ein Bodenbild in der Mitte einer Gruppe entsteht oder aber alle Teilnehmenden selbsttätig ein individuelles Bodenbild entwickeln sollen, sind die benötigten Materialien in entsprechender Anzahl vorzubereiten. Die folgende Zusammenstellung (nach Beil/Heller, 2013, 15f.; Schneider, 1996, 64f.; Schaupp, 2007, 180) gibt einen Überblick über die Vielfalt der zum Einsatz kommenden Legematerialien:

Bodenbilder

Laut Schneider (1996, 65f.) sind Zusammenstellung, Beschaffenheit, Form und Farbe des Materialangebots nicht beliebig, sondern an den Prinzipien der „Religionspädagogischen Praxis“ orientiert: Die runden Formen dienen beispielsweise der inneren Sammlung, zahlreiche Materialien spiegeln die Natur in ihrer Besonderheit und Dignität wider. Den Farben wird grundsätzlich ein symbolischer Gehalt zugesprochen.

5. Phasen der Bodenbildgestaltung

In der Regel entsteht ein Bodenbild in der Mitte eines Sitz- oder Stuhlkreises. Dies entspricht dem Prinzip des Zentrierens, wonach sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowohl außen als auch im Inneren an einem Zentrum ausrichten sollen (Schneider, 1996, 35-37).

Folgt man den Vorgaben der „Religionspädagogischen Praxis“, sollen Bodenbilder in einem vierphasigen Prozess entstehen: Zuerst sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Impulse, welche bereits einen deutlichen Bezug zur folgenden Anschauung besitzen, zur Ruhe kommen, bevor im Anschluss das Mittelbild entwickelt wird (Hinführungsphase). Nachdem sich die oder der Einzelne in spielerischer Weise durch die Aktvierung aller Sinne intensiv mit dem Gegenstand auseinandergesetzt hat (Begegnungs- oder Anschauungsphase), soll sie oder er mithilfe unterschiedlicher Mittel wie Lied, Tanz, Bewegung, kreatives Gestalten einen eigenen Ausdruck finden (Gestaltungsphase). In einem letzten Schritt (Deutungsphase) werden die durch das Bodenbild gewonnenen Erfahrungen verdichtet und auf den Lebensgrund bezogen (Schneider, 1996, 68-72).

Im Kontext des Religionsunterrichts werden diese einzelnen Phasen in gängige Artikulatinsschemata integriert und dort mit typisch schuldidaktischen Unterrichtsschritten (→ Einstieg, Wiederholung, Erarbeitung, Transfer) kombiniert (→ Unterrichtsplanung). Die zunehmende Loslösung aus dem Entstehungskontext der „Religionspädagogischen Praxis“ bedingt eine große Gestaltungsfreiheit beim Legen von Bodenbildern, die keine verbindliche Schrittfolge mehr vorgibt, sondern beliebige Kombinationen und Modifikationen erlaubt. Dementsprechend stellt Schaupp verschiedene Schrittfolgen beim Legen von Bodenbildern vor, wie zum Beispiel ein motivierendes Ausgangsbild, das aufgrund einer erzählerischen Wendung zu einem passenden Schlussbild gestaltet wird, und empfiehlt, gelungene Bodenbilder zu fotografieren und zu archivieren (Schaupp, 2007, 181-184).

6. Rahmenbedingungen für Bodenbilder

Bodenbilder 6

In der Methodenliteratur werden für den produktiven Einsatz von Bodenbildern folgende Kriterien aufgeführt: ausreichende räumliche Gegebenheiten, eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre innerhalb der Gruppe, die strukturierte und reduzierte Gestaltung des Mittelbildes, die Entwicklung eines positiven Schlussbildes (vgl. Abb. 6) sowie die Freiwilligkeit bei der Erarbeitung persönlicher Bodenbilder unter bewusstem Verzicht auf deren Fremddeutung (Beil/Heller, 2013, 17; Schaupp, 2007, 178f.).

Darüber hinaus sollte bei der Planung und Gestaltung von Bodenbildern die Art und Weise des Symbolverstehens der Adressatinnen und Adressaten bedacht werden sowie ihre u.a. → entwicklungspsychologisch bedingten säkularen und religiösen Deutungsmuster. Ebenso sollte in die Vorüberlegungen einfließen, dass sich vor allem Jungen durch diese Methode anscheinend in geringerer Weise angesprochen fühlen. So geben in der Studie von Doris Baum die befragten Jungen mehrheitlich an, nicht so gerne Bilder zu malen oder zu legen und weniger gerne zu tanzen als ihre Altersgenossinnen (Baum, 2008, 68-72; Bucher, 2000, 46). Von Jungen werden eher praktische Tätigkeiten, bei denen sie etwas Neues erleben oder ausprobieren können, bevorzugt. Insofern sind die Aktivierung der Adressatinnen und Adressaten, ihr Involvierungsgrad sowie ihre Beteiligungsmöglichkeiten im Vorhinein zu bestimmen, um diese nicht nur in die Rolle von Zuschauenden, sondern in erster Linie von Produzentinnen und Produzenten zu versetzen. Zudem bleibt zu überlegen, ob Impulse zur kritischen und hinterfragenden Auseinandersetzung mit dem dargebotenen Mittelbild angeboten werden (vgl. 7.).

Grundsätzliche Fragen betreffen die Planung: Wie wird ein Bodenbild überhaupt entwickelt? Gelten für Bodenbilder dieselben Kriterien wie für ein Kunstwerk, z.B. Autonomie und Polyvalenz? Was soll wozu veranschaulicht werden (z.B. Zeit und Ort, Handlung, Akteure, Konstellationen, Werte, Leerstellen, Theologie einer biblischen Erzählung)? Wie und womit kann was in Bezug auf die Entwicklung des Symbolverstehens repräsentiert werden? Möglicherweise wäre die Planung von Bodenbildern – gerade bei Erzähltexten – explizit mit der Strukturalen Analyse, welche die Textwelt als solche zu erkunden sucht (Zirker, 1998), zu verbinden und/oder mit dem Modell der Elementarisierung nach Karl E. Nipkow und Friedrich Schweitzer, das nach der wechselseitigen Erschließung von Inhalt/Text und Lernenden sucht.

Schließlich sollte ausgehend von der Interdependenz zwischen Intention, Inhalt, Medium und Methode die (selbst)kritische didaktische Grundfrage nicht ausgespart werden, ob das geplante Bodenbild der ‚passende‘ Lernweg ist. Denn ein gewähltes Medium kann auch eine Hemmung oder Diffusion des Lernprozesses bewirken. So könnte vielleicht das Nacherzählen einer Geschichte mittels einfacher Requisiten die Imagination besser anregen als ein Bodenbild. Unter Umständen würde ein wirkungsgeschichtliches Zeugnis zu einem biblischen Text einen produktiveren Zugang eröffnen. Vielleicht ist zur Veranschaulichung von Zusammenhängen, Ergebnissen, Einstellungen, Meinungen, Positionen ein anderes Medium (Tafel, Flipchart, Plakat, Vier-Ecken, …) geeigneter und mitunter ermöglichen andere Gestaltungsformen einen unmittelbareren Ausdruck.

7. Kritische Anfragen

Bodenbilder scheinen das Innenleben ihrer Adressatinnen und Adressaten anzusprechen und eine Identifikation mit dem Gegenstand zu ermöglichen. Trotzdem bestehen aus religionspädagogischer Sicht auch kritische Anfragen an diese Methodik.

7.1. Konditionierung und Aktionismus

So kann bei zu geringer Strukturierung und Konzentration ein Bodenbild schnell zu einer oberflächlichen Illustration mit dekorativem Zweck oder zu einem bunten Wimmelbild ohne roten Faden werden. Auch der Einsatz der Materialien sollte abgestimmt sein und nicht zu einem Potpourri führen (z.B. Farbausdrucke aus dem Internet, Kinderspielzeug, Plastik). Im Umgang mit Bodenbildern ist besonders darauf zu achten, dass bei den Adressatinnen und Adressaten keine „Konditionierungen“ (Schaupp, 2007, 179) im Sinne von eindeutigen Zuschreibungen oder reproduktiven Antworten des Religionsstunden-Ichs entstehen (z.B. „Die Kerze steht für Gott“; „Das grüne Tuch meint Hoffnung“), sondern plurale Deutungen ermöglicht werden. Hier ist eine selbstkritische Haltung vonnöten, die hinterfragt, inwieweit die leitende Person selbst eine bestimmte Entschlüsselung ihres Mittelbildes erwartet und dazu vorgefertigte Deutungsmuster anbietet. Außerdem bleibt im Blick zu behalten, welche Prozesse in einer Gruppe mittels Bodenbildern angestoßen werden, um beispielsweise einer persönlichen Überforderung durch gestaltpädagogische Intentionen entgegenzuwirken. So gibt auch Schaupp zu bedenken, dass „nicht das eigentliche Bodenbild die Qualität der jeweiligen Bibelarbeit [prägt], sondern die theologische, pastorale und pädagogische Kompetenz der leitenden Person“ (Schaupp, 2013, 539).

Nach dem Motto „Hauptsache es wird im Sitzkreis etwas gelegt“ kann schließlich auch bei Bodenbilden die Tendenz zum Aktionismus entstehen. Mit dem Containerbegriff „ganzheitliches Lernen“ belegt, geht es dann oberflächlich um das bloße Tun und Produzieren, ohne tiefer liegende Erkenntnisprozesse oder Zielsetzungen zu berücksichtigen (Gehltomholt, 2000).

7.2. Reflexion und Feedback

Darüber hinaus bestehen aber noch grundsätzlichere Anfragen an das Medium Bodenbild, insbesondere mit Blick auf die Erarbeitung biblischer Texte.

Zum einen gibt die leitende Person der Gruppe durch das Mittelbild ein von ihr entworfenes Bild vor, das basierend auf einer individuellen Lesart des biblischen Textes unter Umständen auch eine spezifische Deutung präferiert. Das jeweilige Gegenüber dieses Mittelbildes wird dann zum bloßen Konsumenten eines vorgegebenen Bildes und hat dadurch eventuell einen nur sehr geringen Deutungsspielraum zur Verfügung. Durch bestimmte Legematerialien sowie durch eine Tendenz zur textnahen Illustration kann zudem eine gewisse Historisierung biblischer und legendarischer Erzählungen entstehen, die bei den Adressatinnen und Adressaten über die Anschaulichkeit hinaus den Eindruck erweckt, dies sei damals genau so gewesen und geschehen. Folglich wäre im Vorhinein zu berücksichtigen, inwieweit ein Bodenbild die Imagination nicht nur fördert, sondern auch begrenzt und fixiert, damit dies durch verfremdende und irritierende Elemente im Bodenbild selbst aufgebrochen werden kann.

Zum anderen bleibt im Konzept der „Religionspädagogischen Praxis“ die Deutungsphase relativ blass und bildet dort das christliche Menschen- und Gottesbild den selbstverständlichen Deutungshorizont. Insbesondere im Kontext des Religionsunterrichts mit seiner → heterogenen und religiös pluralen Schülerschaft stellt sich deshalb die Frage, ob es den → Schülerinnen und Schülern möglich ist, sich reflexiv zu einem Bodenbild zu positionieren, oder ob grundsätzlich von einer (emotionalen und/oder religiösen) Identifikation mit dem gelegten Inhalt ausgegangen wird. Dies ist vor allem im Primarbereich ernst zu nehmen: Dort werden Schülerinnen und Schüler in der Deute-/Vertiefungsphase von Bodenbildern nämlich häufig aufgefordert, eigene Gebete, Bitten, Dankesworte etc. an Gott oder Jesus Christus als Ich-Aussage zu formulieren. Dabei werden eine christlich-religiöse Weltsicht sowie ein bekenntnishaftes Einverständnis selbstverständlich und unhinterfragt vorausgesetzt. Aber gerade im Religionsunterricht (→ Religionsunterricht, evangelisch; → Religionsunterricht, katholisch) sollten auch (meta-)reflexive Lernprozesse angestoßen werden: Schülerinnen und Schülern sollte es möglich sein, ein Bodenbild säkular zu deuten, zu einem Mittelbild kritisch Stellung zu beziehen, sich davon zu distanzieren und ein Feedback zu geben. So betont zuletzt auch Schaupp im „Handbuch Bibeldidaktik“ das reflexive Moment und benennt als eine wichtige Phase beim Legen von Bodenbildern die Rückmeldung: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen obligatorisch über das Bodenbild selbst und seine Passung kommunizieren können (Schaupp, 2013, 538). Dadurch wird gleichzeitig dem Problem entgegengewirkt, mittels Bodenbildern eine religiöse Sonderwelt oder eine kirchlich-religiöse Binnenwelt ohne Bezug zur Lebenswelt der Adressatinnen und Adressaten zu inszenieren (Fleck, 2004, 187; Habringer-Hagleitner, 2006, 65f.).

Literaturverzeichnis

  • Baum, Doris, Grundschul-Religionsunterricht aus Kinder- und Elternsicht. Eine vergleichende empirische Studie mit religionspädagogischer Perspektive an ausgewählten Volksschulen in OÖ, Linz 2008.
  • Baur, Katja, Symbolisieren als Gestalten. Ein evangelisches Wahrnehmen des katholischen Modells der „Religionspädagogischen Praxis“ nach Franz Kett, Münster 2002.
  • Beil, Brigitte/Heller, Horst (Erarb.), Bodenbilder im Religionsunterricht. Entwicklung, Gestaltung, Legebeispiele, in: Religionspädagogische Hefte. Ausgabe A: Allgemeinbildende Schulen (2013) 4.
  • Bucher, Anton A., Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe. Eine empirische Untersuchung zum katholischen Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart/Berlin/Köln 2000.
  • Fleck, Carola, Ganzheitliche religiöse Erziehung. Eine kritische Auseinandersetzung mit der „Religionspädagogischen Praxis“, Münster 2004.
  • Gehltomholt, Christiane, Kneten statt beten? Zur Konkretisierung des Unterrichtsprinzips Handlungsorientierung für den Religionsunterricht, in: Katechetische Blätter 125 (2000) 6, 399-403.
  • Habringer-Hagleitner, Silvia, Zusammenleben im Kindergarten. Modelle religionspädagogischer Praxis, Stuttgart 2006.
  • Kett, Franz, Zur Geschichte der religionspädagogischen Praxis, in: Schneider, Martin, Religionspädagogische Praxis als Weg ganzheitlicher Erziehung. Mit einer Einführung von Franz Kett, Landshut 1996, 7-10.
  • Kett, Franz/Koczy, Robert, Die Religionspädagogische Praxis – Ein Weg der Menschenbildung, Landshut 2009.
  • Orth, Peter, Biblische Texte ganzheitlich erschließen, in: Rendle, Ludwig (Hg.), Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht. München Neuausgabe 2007, 192-206.
  • Porzelt, Burkard, Grundlinien biblischer Didaktik, Bad Heilbrunn 2012.
  • Schaupp, Barbara, Art. Bibel und Bodenbilder, in: Zimmermann, Mirjam/Zimmermann, Ruben (Hg.), Handbuch Bibeldidaktik, Tübingen 2013, 536-540.
  • Schaupp, Barbara, Bodenbilder gestalten, in: Rendle, Ludwig (Hg.), Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht, München Neuausgabe 2007, 175-191.
  • Schneider, Martin, Religionspädagogische Praxis als Weg ganzheitlicher Erziehung. Mit einer Einführung von Franz Kett, Landshut 1996.
  • Zirker, Hans, Strukturale Analyse biblischer Erzählungen, in: Zirker, Hans, Zugänge zu biblischen Texten. Eine Lesehilfe zur Bibel für die Grundschule. Neues Testament, Düsseldorf 4. Aufl. 1998, 18-21;25.

Abbildungsverzeichnis

  • Die Heilige Elisabeth (2015) © Maria Meier
  • Vaterunser: Wenn ich Vater sage (2015) © Maria Meier
  • Einzug der Tiere (2015) © Eva Stögbauer & Anna Marschke
  • Arche: Bewahrung der Schöpfung (2015) © Eva Stögbauer & Anna Marschke
  • Gen 6-9: Gottes Weg mit den Menschen (2015) © Anna Marschke
  • Legematerialien
  • Gott schließt einen Bund (2015) © Maria Meier

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