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(erstellt: Februar 2018)

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1. Historisch

Der Begriff des Asyls geht auf griechische Antike zurück, wenn auch entsprechende Regelungen in anderen Kulturen ebenfalls zu verzeichnen sind. Religionsgeschichtlich basiert das Asyl auf der Trennung zwischen der sakralen und profanen Sphäre. Wer im Kraftfeld des Heiligen steht, hat Anteil an dieser Kraft. Entsprechend gibt es Beispiele dafür, dass diese Kraft nicht allein von Orten, sondern auch von heiligen Personen ausgehen kann. Dabei bewirkt die sakrale Macht gleichzeitig auch die Einhaltung des Schutzes durch ein Tabu, dieses kann für den Schützling unter Umständen lebenslang erhalten bleiben.

Im griechischen Altertum bezeichnet das Asyl einen Ort (asulon oder asuloV topoV), an dem der Zugriff auf Personen und Sachen verboten ist (Tremmel, 1992, 3f.). Diese Stätten waren vor allem Heiligtümer; ursprünglich wurde das Asyl durch die Berührung mit dem Heiligen (z.B. dem Altar) begründet. In der klassischen Epoche entwickelten sich Heiligtümer, die insbesondere den Schutz der Asylie gewährten; es waren oft große Tempelbezirke, in denen sich die Flüchtlinge (iketai) aufhielten. Eine andere Form von Asyl mit analoger Bedeutung entstand später als Rechtsschutz für Handelnde aus anderen Staaten. Die Flüchtlinge konnten Menschen sein, die sich vor Rechtsfolgen (darunter auch die Blutrache) in Sicherheit bringen wollten, aber auch geflohene Sklaven. Später spielten auch politische Flüchtlinge eine Rolle (Kimminich, 1983, 11).

Die israelitische Tradition kennt ein ähnlich gelagertes Asylrecht. Der Tempel gewährt Schutz vor Verfolgung. Inwieweit in der Frühzeit magische Vorstellungen eine Rolle gespielt haben, kann offen bleiben (Anklänge hieran finden sich etwa in 1Kön 1,50, wo Adonija die Hörner des Altars ergreift, um Schutz zu finden). In den rechtlichen Regelungen spielen aber magische Vorstellungen keine Rolle mehr; ein Zeichen dafür ist, dass im Bundesbuch (Ex 21,13f.) der Altar Schutz nur bei unvorsätzlicher Tötung, nicht aber bei Mord gewährt. Wahrscheinlich basiert das jüdische Asylrecht auf dem Schutz vor Blutrache, jedenfalls soll der Schutz des Asyls gewährt werden, bis das Gericht geurteilt hat (Dtn 19,6). In den Texten der hebräischen Bibel besteht die Tendenz, das Asyl als Rechtsinstitut zu begreifen, das der Begrenzung der Gewalt sowie der Verrechtlichung der Gewaltausübung bei der Strafverfolgung dient (Reuter, 1996, 190).

In der Zeit der Alten Kirche und im frühen Mittelalter war das Asylrecht genuin kirchliches Recht und ausgestaltet als Kirchenasyl. Die beiden Grundlagen hierfür waren die reverentia loci (Ehrwürdigkeit der Stätte) und die intercessio (Beistandspflicht) des Bischofs. Das Kirchenasyl schützte dabei nicht generell vor Bestrafung, vielmehr ging es um den Kampf um das bessere Recht. Der kirchliche Anspruch, Asyl gewähren zu dürfen, wurde von der kaiserlichen Gesetzgebung nur zögerlich anerkannt; das Kirchenasyl war immer wieder Anlass für die Auseinandersetzung zwischen geistlichen und weltlichen Machtansprüchen. Endgültig anerkannt wurde das Kirchenasyl dann erst zu Beginn des 5. Jahrhunderts. Die älteste kirchliche Rechtsquelle für das Asylrecht ist das Konzil von Orange von 441. Dort wurde auch die reverentia loci und die intercessio gemeinsam als Wurzel des Asyls formuliert. Gleichzeitig wurde der Bruch des Rechts mit Kirchenstrafen sanktioniert. Aber auch im kirchlichen Raum wurde bald die Notwendigkeit gesehen, die Asylpraxis einzuschränken, um nicht Verbrechern einen unverdienten Schutzraum zu geben (Reuter, 1996, 193).

Im Zeitalter der Aufklärung verliert mit der Emanzipation der politischen Macht von der Kirche das kirchliche Asylrecht zunehmend an Bedeutung. An die Stelle des Kirchenasyls tritt das territoriale Asyl. Im Blick lag dabei auch nicht mehr die Frage nach dem Asyl als Mittel der Durchsetzung eines besseren Rechtes, sondern der Schutz von politischen oder religiösen Flüchtlingen. Allerdings ist es nicht gelungen, das territoriale Asylrecht naturrechtlich zu begründen und durchzusetzen (Rethmann, 1996, 261-264).

In der Folgezeit wurde das Asylrecht von den Staaten als Gnadenrecht verstanden und praktiziert, das vor allem auch entsprechend der politischen Opportunität gewährt wurde. Erst im 19. Jahrhundert begann sich ein liberales Asylrecht zu entwickeln. Das Asylrecht des 19. Jahrhunderts wurde als individuelles Recht verstanden. Mit den großen Flüchtlingsbewegungen seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts begann sich jedoch eine völlig neue Situation abzuzeichnen, die für das Asylrecht sehr folgenreich war. Eine besondere Rolle hatte hierbei das 1921 gegründete Hochkommissariat für Flüchtlingsfragen des Völkerbundes (Nansenamt). Von Bedeutung waren vor allem die vom Kommissariat herausgegebenen Flüchtlingspässe. Das 1930 gegründete Nansenamt erarbeitete schließlich eine Konvention, die die Mitgliedsstaaten zur Asylgewährung verpflichtete, ohne jedoch den einzelnen Flüchtlingen ein Asylrecht gegenüber den Staaten einzuräumen. Diese Konvention wurde unter anderem für die Flüchtlinge vor der nationalsozialistischen Diktatur bedeutsam, da sie von den wichtigsten Asylländern (Belgien, Frankreich, Großbritannien und Tschechoslowakei) ratifiziert wurde (Steinbach, 1995).

Eine abschließende Form erlangten die Bemühungen um ein internationales Flüchtlingsrecht jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Aufnahme des Rechtes auf Asyl in die Allgemeine Erklärung der → Menschenrechte von 1948 und durch die Genfer Flüchtlingskonvention von 1953. Allerdings bezieht sich der entsprechende Art. 14 I der UN-Charta nur auf das Recht, Asyl zu suchen und zu genießen. Dieses Recht stand aber zuvor auch kaum in Frage. Das Problem war und ist vielmehr, ob diesem Recht auch eine Pflicht zur Asylgewährung korrespondiert. Hierzu schweigt die Menschenrechtserklärung. Auch die GFK regelt nicht die Frage der Asylgewährung, sondern setzt sie voraus, indem sie sich explizit nur auf die Rechtsstellung von Flüchtlingen bezieht, die bereits auf ein Staatsgebiet gelangt sind. Einen Schritt weiter geht erst die UN-Deklaration über territoriales Asyl vom 14. 12. 1967, nach der Asylsuchende nicht mehr an der Grenze abgewiesen werden können. Trotzdem behalten die Staaten das Recht, autonom über die Asylgewährung zu entscheiden und sie gegebenenfalls zu versagen. Eine weitergehende internationale Vereinbarung kam seitdem nicht zustande.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Asylrecht in das deutsche Grundgesetz (Art. 16 Abs. 2 II GG, nach der Asylrechtsänderung Art. 16a) aufgenommen. Die Beratungen des Parlamentarischen Rates waren geprägt durch die Erfahrung einer Reihe der Mitglieder, die selbst während der nationalsozialistischen Herrschaft Asyl in anderen Staaten gefunden hatten (Dokumentation der Protokolle in Kauffmann, 1986, 232-251). Inhaltlich ist das Asylrecht im Wesentlichen durch drei Grundsätze gekennzeichnet: durch den Schutz vor Zurückweisung an der Grenze, durch den Schutz vor Ausweisung und den Schutz vor Auslieferung. Ergänzt werden diese Abwehrrechte in Deutschland durch die staatliche Verpflichtung zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins.

In Europa waren seit dem Mittelalter religiöse Gründe für Verfolgung und damit verbunden Flucht oder Vertreibung verantwortlich. Betroffen waren immer wieder die jüdische Bevölkerung und seit etwa dem 13. Jahrhundert missliebige religiöse Gruppen (z.B. Katharer, Waldenser oder Hussiten) und seit der Reformation Angehörige anderer Konfessionen. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert tritt an die Stelle der religiösen die politische und/oder ethnische Verfolgung. Die Durchsetzung des nationalstaatlichen Prinzips führt dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Folgen, die es zum „Jahrhundert der Flüchtlinge“ werden lassen. Manche dieser Folgen wirken bis zur Gegenwart nach. Genannt seien hier insbesondere die nationalen Gruppen, die nach dem Zerbrechen der beiden großen Vielvölkerstaaten (Donaumonarchie und Osmanisches Reich) Opfer von neuen Gebietsaufteilungen, ethnischer Verfolgung oder sogenannter Bevölkerungsausmischung wurden. Die Konsequenzen reichen bis in die Gegenwart. Von den Balkankriegen im ehemaligen Jugoslawien bis zu den Konflikten im arabischen Raum sind die Auswirkungen dieser Geschehnisse immer noch spürbar.

2. Aktuelle Entwicklungen

In den letzten Jahren hat die Zahl der geflüchteten Menschen in immensem Maße zugenommen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Sie reichen von politischer Verfolgung über Krieg und Bürgerkrieg bis zu ökologischen Krisen und Katastrophen wie Dürre, Versteppung, Flut- und anderen Katastrophen, die Menschen ihre Existenzgrundlage entziehen. Wenn auch die meisten geflüchteten Menschen Schutz in der Nähe ihrer Herkunftsregionen suchen, wächst die Zahl derer, die transnational in die wohlhabenderen und politisch stabileren Regionen der Welt fliehen. Laut der Statistik des UNHCR waren Ende 2015 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht, die höchste bislang gezählte Zahl. Hauptherkunftsländern waren Syrien, Afghanistan und Somalia, Hauptaufnahmeländer die Türkei, Pakistan und Libanon mit je über einer Million geflüchteter Menschen.

In der Migrationssoziologie wurde und wird noch immer zwischen freiwilliger und unfreiwilliger → Migration unterschieden (Dallmann, 2002, 73-78). Allerdings ist diese Unterscheidung im konkreten Fall oft nur schwer zu treffen. Denn einerseits können aus Flüchtlingen potentielle Einwanderer werden, die sich auf ein dauerhaftes Leben im Gastland einrichten, vor allem, wenn die Gründe für die Flucht über einen längeren Zeitraum andauern. Andererseits ist die Entscheidung zur Migration von vielen Faktoren abhängig, die das Verlassen des Heimatortes für vorteilhafter erscheinen lassen als das Bleiben. In Fällen von Benachteiligung, Unterdrückung oder finanzieller Not sind die Übergänge zwischen Flucht und Migration fließend, die genaue Bestimmung ist immer Gegenstand politischer und moralischer Definition von Seiten des jeweiligen Ziellandes.

Mit den steigenden Zahlen geflüchteter Menschen sinkt vor allem in den reicheren Ländern der Nordhalbkugel die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen. Es ist ein verstärktes Bemühen zu beobachten, die Außengrenzen zu sichern, um Flüchtlingen daran zu hindern, das jeweilige Territorium zu betreten, weil dann die völkerrechtliche Verpflichtung entstünde, diese nicht zurückzuweisen.

3. Der Sonderfall Kirchenasyl

Kaum eine kirchliche Handlungsform hat derartige Reaktionen in der Öffentlichkeit ausgelöst wie das sogenannte Kirchenasyl. Prinzipiell wird in der aktuellen Diskussion mit diesem Begriff der Vorgang bezeichnet, dass einzelne Kirchengemeinden Asylsuchenden in Gemeinde- oder Kirchenräumen einen Aufenthalt gewähren, um sie vor drohender Abschiebung zu schützen, und damit erreichen wollen, dass ihr Asylantrag entweder neu bewertet wird oder dass andere Fakten anerkannt werden, die einen Abschiebungsschutz bewirken könnten. In der öffentlichen Diskussion ist von Gegnern dieser Praxis unter anderem eingewandt worden, dass die Kirchen sich damit gegen bestehendes Recht richteten und damit unzulässigerweise das Verhältnis zwischen → Kirche und Staat belasteten. Auf der Seite der Befürworter reicht die Spanne von Positionen, die das Kirchenasyl als zivilen Ungehorsam legitimieren möchten, bis zur „offiziellen“ Position, die Kirchenasyl als Nothilfe in besonderen Fällen verstanden wissen möchte (Dallmann, 2002, 548-554).

Die Bedeutung des Kirchenasyls wurde und wird in der Diskussion häufig überschätzt. So zählte in Deutschland die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirchenasyl für das Jahr 2016 692 Fälle, bei denen 1139 Personen, darunter mindestens 277 Kinder und Jugendliche) betroffen waren. Im weitaus größten Umfang waren die Kirchenasyle insofern erfolgreich, als eine unmittelbare Abschiebung verhindert werden konnte, nur in 20 der genannten Fälle blieb das Kirchenasyl erfolglos (www.kirchenasyl.de/aktuelles).

Im Kirchenasyl kommen zwei Motive zusammen: die Anknüpfung an die oben beschriebenen älteren Traditionen und die Pflicht der kirchlichen Amtsträger und der Gemeinden zum Eintreten für die Schutzbedürftigen und Notleidenden. Das kircheneigene Asylrecht ist nun im Zuge der Aufklärung und der Ausbildung des modernen Rechtsstaates zum staatlichen Recht geworden. Die Kirche hat seitdem nur in ihrem eigenen Bereich das Recht, selbst rechtliche Normierungen zu setzen, in allen übergeordneten Bereichen gilt die Rechtshoheit des Staates. Ein eigenes kirchliches Asylrecht besteht daher nicht.

Das heißt jedoch nicht, dass es nicht auch die Praxis des Kirchenasyls gibt. Diese hat jedoch eine andere Funktion. Zum einen beziehen sich Gemeinden, wenn sie Kirchenasyl gewähren, für Handlungsweise auf eigene alte Traditionen. Dabei wird auch auf die Erfahrungen der amerikanischen Sanctuary-Bewegung zurückgegriffen (Huber, 1988; Robinson, 1986). Mit dem Rückgriff auf diese Traditionen soll eine Identität christlichen Handelns dadurch hergestellt werden, dass diese auf eine neue Situation hin befragt und modifiziert wird. Der Rückgriff auf das Modell des Kirchenasyls will also gerade nicht überholtes Recht wieder einsetzen, sondern dient der Ausbildung einer christlichen Identität im Blick auf die als moralisch gefordert empfundene eigene Handlungsweise. Diese wird durch die Tradition des Kirchenasyls in den Kontext christlicher Kirche gestellt, um sich so der eigenen Identität in sich verändernden Zeiten zu vergewissern.

4. Ethische Aspekte

Das Kernproblem einer Ethik der → Migration, das auch die Frage des Asyls betrifft, lautet: Dem menschen- und völkerrechtlich weitgehend akzeptierten „ius emigrandi“ steht kein gleichermaßen akzeptiertes „ius immigrandi“ gegenüber. Dieser Zusammenhang betrifft eine Ethik der Migration insgesamt und wirkt sich deshalb auch auf die Institution des Asyls aus. Das Recht auf Zuflucht kollidiert mit dem staatlichen Souveränitätsrecht, das im Blick auf das Territorium besagt, dass Staaten ihre Grenzen schützen – und damit auch schließen – dürfen und somit das Recht besitzen, souverän über temporäre oder dauerhafte Zuwanderung zu entscheiden. Dem steht nicht entgegen, dass Staaten im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen – wie etwa in der EU – diesbezügliche nationale Rechte an transnationale Institutionen übertragen können.

Grundsätzlich lassen sich zwei ethische Positionen unterscheiden, die auf diese Konstellation reagieren: Zum einen – oft liberale bis libertäre – Ansätze, die in der Tendenz dieses Souveränitätsrecht einschränken oder negieren, zum anderen – oft kommunitäre – Ansätze, die dieses Recht verteidigen (Dallmann, 2013).

Historisch steht für die erste Tradition Immanuel Kant, der in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ im Rahmen eines Weltbürgerrechtes ein Hospitalitätsrecht postuliert, das jeder Person einräumt, „sich zur Gesellschaft“ anzubieten. Eine liberale Position vertritt z.B. Carens, der auf ein Recht für Freizügigkeit plädiert, weil gemäß des Rawlsschen Ansatzes das Recht auf Migration im System der Grundfreiheiten Aufnahme finden würde. Freizügigkeit ist für die Verfolgung der Lebenspläne von Menschen wesentlich, weil Geburtsort und Abstammung zu den natürlichen Zufälligkeiten gehören, die moralisch willkürlich sind und deswegen zur Begründung von Einschränkungen nicht herangezogen werden können (Carens, 2012).

Für die zweite Position kann Walzer gelten, für den im System der distributiven Verteilung die Mitgliedschaft in einem Gemeinwesen zu den wichtigsten Gütern gehört. Daraus leitet er ab, dass bereits vorhandene Mitglieder – mit einigen moralischen Einschränkungen – selbst auswählen dürfen, wer dazugehören soll oder nicht (Walzer, 1992).

Eine vermittelnde Position geht von Hannah Arendts „Recht, Rechte zu haben“ aus (Arendt, 1949, 760). Da die Durchsetzung dieses Rechts bei ihr wiederum an die Nationalstaaten delegiert ist und damit mit deren Souveränitätsrechten kollidiert, adressiert Benhabib dies an die internationale Gemeinschaft und ihre Institutionen (Benhabib, 2008, 56-74).

5. Religionspädagogische Konsequenzen

Das Thema „Asyl“ ist der Sache nach ein komplexes und kompliziertes Thema politischer Ethik. Es ist eingebunden in das umfassende Thema Migration – und den damit konnotierten Fragestellungen von Zugehörigkeit, Identifikation, kultureller Diversität – und damit auch in die Unterscheidung zwischen dem „Wir“ und den anderen. In diesem umfassenden Kontext ist es jedoch eher ein Spezialthema, das sich auf die Frage nach dem Schutz vor wie auch immer gearteter Verfolgung zuspitzen lässt.

Mit dieser Zielrichtung ist aber auch die Gefahr einer übervereinfachenden Emotionalisierung verbunden, wenn das Thema allein aus der Perspektive mannigfaltiger Einzelschicksale behandelt wird. Wohl kaum jemand wird sich der Evidenz solcher Schicksale verschließen können. Allerdings lassen sich aus Einzelfällen kaum generelle Schlüsse ziehen, es sei denn den, dass es immens schwierig ist, generelle Schlüsse zu ziehen.

5.1. Biblische Bezüge

In den Texten der hebräischen Bibel spielt das Asylrecht eine eher marginale Rolle. Der Altar bietet dem Täter Schutz bei unvorsätzlicher Tötung (Ex 21,13f.), dieser Schutz dient dazu, Zeit zu erhalten, bis das Gericht geurteilt hat (Dtn 19,6). Deshalb wird in der alttestamentlichen Forschung schon lange angenommen, dass diese Institution vor allem dem Schutz vor Blutrache gilt (Löhr, 1930). In diesem Sinne geht es nicht um den Schutz „Fremder“, die aufgrund welcher Art von Verfolgung auch immer um Asyl nachsuchen. Auch die sogenannten „Fremdengesetze“ in der alttestamentlichen Überlieferung zielen keineswegs auf Migrantinnen und Migranten im modernen Sinne. Die dort bezeichneten „Fremden“ (gerim), denen die Schutzvorschriften gelten, sind eher als sozialer Typus und nicht als ethnisch fremd zu verstehen (Bultmann, 1992).

Dies alles gilt in verstärktem Maße für die neutestamentliche Tradition. Hier spielt das Asyl im engeren Sinne keine Rolle und auch der Begriff des Fremden wird wesentlich metaphorisch gebraucht zur Selbstbezeichnung der christlichen Minderheit (Feldmeier, 1992). Selbstverständlich lässt sich ethisch an dieser Stelle immer das Motiv der → Nächsten- und Feindesliebe geltend machen; allerdings bedarf dieses dann einer Spezifizierung und Aktualisierung, die im Blick auf das Asyl gerade nicht im Fokus der entsprechenden Texte steht.

5.2. Didaktische Bezüge

Das Thema Asyl steht im Zusammenhang des umfassenderen Themas Flucht und → Migration. Hierzu stehen eine ganze Reihe an (Unterrichts-)Materialien zur Verfügung (insbesondere über den Deutschen Bildungsserver und die Bundeszentrale für politische Bildung), die insbesondere Fragen nach Fluchtursachen und –wegen thematisieren und sich der Frage der Integration zugewanderter Menschen widmen. Des weiteren werden Fragen der → Fremdheit allgemein oder des interreligiösen Lernens (→ interreligiöses Lernen) aufgegriffen. Solche allgemeineren Themen finden sich auch z.B. im Lehrplan Religionsunterricht für die Katholische Kirche der Deutschschweiz (Netzwerk Katechese, 2017) unter dem Titel „Migration als Chance“. Gemeinsam ist allerdings allen Materialien, dass sie nicht klar zwischen Flucht und Asyl unterscheiden.

Einen direkten Zugang zum Thema könnten die Fernsehfilme des ZDF „Auf dünnem Eis – Die Asylentscheider“ (ZDF, 2017), der jedoch nicht frei zugänglich ist, sowie des WDR „Die Entscheider“ (WDR, 2001) bieten, der ebenfalls nicht abrufbar ist. Beide Beiträge haben den unschätzbaren Vorteil, dass sie das Verfahren dokumentarisch begleiten und damit einen Einblick sowohl in die Situation von Asylsuchenden als auch der Asylbürokratie geben.

Materialien für den Unterricht in der Oberstufe werden z. B. vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V. oder von der Plattform „unterrichtsmaterial-aktuell“ zur Verfügung gestellt.

Literaturverzeichnis

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  • Walzer, Michael, Sphären der Gerechtigkeit. Ein Plädoyer für Pluralität und Gleichheit, Frankfurt a. M./New York 1992.

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