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Abraham und Sara, bibeldidaktisch, Grundschule

Schlagworte: Sara, bibeldidaktisch, Grundschule; Sarah, bibeldidaktisch Grundschule

(erstellt: Januar 2015)

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1. Elementare Erfahrungen und Zugänge

1.1. Anfang und Segen

Der Übergang (→ Übergänge, schulische) vom Kindergarten zur Grundschule stellt für Eltern und Angehörige einen wichtigen Einschnitt dar. Der Abschied von der Kleinkinderzeit weckt Wehmut, der Blick nach vorn Ängste (Obenauer, 2004, 84). Die betroffenen Kinder empfinden anders: Sie freuen sich auf die Herausforderung, möchten „endlich groß sein“, Geschwistern nacheifern, lernen (Schorch, 2007, 64f.). Sie verlassen sich darauf, begleitet zu sein: Auf Kinderzeichnungen zur Einschulung (Schorch, 2007, 64f.; Obenauer, 2004, 87f.) sind Freunde und Verwandte zu sehen, Pferde, die Schultüte, die Lehrerin. Die Kinder wissen noch nicht, was sie möglicherweise verlieren, sie ahnen noch nichts von den Zwängen der Leistungsgesellschaft. Entsprechend nehmen sie etwa einen Einschulungsgottesdienst mit persönlicher Segnung (→ Segen/Segnen, bibeldidaktisch, Grundschule) anders wahr als die Großen: nicht als Passageritus, sondern als Inszenierung eines Anfangs. Sie erfahren neu die Verknüpfung von Alltag und Gott, von Anfang und Segen. „Gell, du hast mich gesegnet?“, ruft ein Kind schon von fern dem Pfarrer zu, als es ihn ein Jahr nach dem Einschulungsgottesdienst auf der Straße trifft (Schorch, 2007, 64f.; Obenauer, 2004, 84). Ein persönlicher Segen, der mit allen Sinnen erfahren wird, prägt sich ein. Es tut gut, ihn mit dem Schuleinstieg zu verknüpfen.

Im Schulalltag kommt dem Raum Schule und den Beziehungen, die Kinder innerhalb dieses Raumes knüpfen können, große Bedeutung zu: Die Herstellung von Geborgenheit und Sicherheit ist das didaktische Leitmotiv des Anfangsunterrichts (Steinkühler, 2013, 12). Unter der Überschrift „Segen“ wird hier gefragt nach dem begleitenden, zugewandten Gott, der gelingendes Leben ermöglicht.

1.2. Ein Kind – Segen für die Eltern

Kinder im Vorschulalter und frühen Schulalter erleben die Geburt von Geschwisterkindern (eigenen oder im Umfeld). Schwangerschaft, Geburt, die Sorge um ein Kleinkind gehören ebenso zum Alltag wie die sich daraus ergebende Rivalität. Die Beziehung zwischen Eltern und Kind wird hinterfragt; sie wird gefestigt, wenn das Kind erfährt: Auch wenn ich größer werde und mich von zu Hause entferne, bin ich gewollt, geliebt und gehalten. Erinnerungen an die Freude der Eltern über die Geburt des Kindes können diese Erfahrung beleben und unterstützen.

1.3. Auftrag und Aufbruch

Anders als der Schuleinstieg wird die Umschulung erlebt: Hier ist das Bewusstsein der Kinder für die Schwellenerfahrung durchaus vorhanden: Der Druck, unter dem die Eltern stehen – „hoffentlich bekommt mein Kind eine Gymnasialempfehlung“ –, ist ihnen ebenso bewusst wie der anstehende Verlust vertrauter Gefährtinnen und Gefährten und der Klassenlehrerin. Wie die erste Klasse unter dem Thema „Geborgenheit“, so steht die vierte unter dem Thema des Aufbruchs (Steinkühler, 2015). Kinder erproben ihr Selbstbewusstsein, sie übernehmen Verantwortung. Sie sind Ritter, die aufbrechen, um die Prinzessin zu befreien, und große Schwestern, die die Hexe in den Ofen stoßen. „Geh aus deinem Vaterland …“, passt in diese Zeit. Aber unter der Oberfläche lauert Versagensangst. Darum gehört dringend dazu: „Ich werde […] dich segnen und du sollst ein Segen sein“ (die Polarität „Werksinn“ gegen „Schamgefühl“ in der Hierarchie der Entwicklungsaufgaben bei Erikson; Grethlein, 2006, 44).

2. Elementare Fragen

Für Kinder in der (den) Anfangsklasse(n) sind folgende Grundfragen wichtig:

  • Wie finde ich mich zurecht?
  • Wer steht mir zur Seite?
  • Wo finde ich Geborgenheit und Schutz?
  • Wer mag mich und was bin ich (ihm/ihr) wert?
  • Wo ist der Raum, in dem ich mich in Ruhe entwickeln kann?

Für Kinder in der (den) Übergangsklasse(n) stellen sich weiterführende Fragen:

  • Was soll ich tun?
  • Was liegt vor mir?
  • Was kann ich riskieren?
  • Woher nehme ich den Mut?
  • Worauf kann ich mich verlassen?

3. Elementare Strukturen

3.1. Abraham – in Judentum, Christentum und Islam

Die Erzählungen von Abraham (Gen 11 bis Gen 25) mit Sara, Hagar, Lot, Isaak und Ismael bilden den ersten Teil der Erzelterngeschichten. Mit Abraham (arabisch Ibrahim) beginnt die Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel (→ Judentum) ebenso wie die Geschichte Gottes mit den Nachkommen Ismaels (→ Islam) und wie die Geschichte des Bundes Gottes mit seinen Kindern in aller Welt, der in Jesus Christus seine Vollendung findet ( → Christentum).

Abraham gilt als Begründer des Ein-Gott-Glaubens (besonders im Islam: Sure 6:74; 21:52-58; 37:88-96), als Urvater des Volkes Israel (besonders im Judentum), als Vorbild des Glaubens bzw. des Glaubensgehorsams (besonders im Christentum: Röm 4; Gal 3,6-14; Hebr 11,8-13).

Die einflussreichsten Szenen seiner Geschichte aus christlicher Perspektive sind: Abrahams Berufung (Gen 12,13), die Verheißung unter dem Sternenhimmel (Gen 15,1-5), der Besuch der drei Männer in Mamre (Gen 18,1-15), Isaaks Geburt (Gen 21,1-3), Isaaks Nichtopferung (Gen 22,1-18).

Das Judentum legt zusätzlich Wert auf die Land-Tradition: die Einigung Abrahams mit Lot, das Erbbegräbnis der Sara. Die Umbenennung der beiden Ahnen (Abram zu Abraham, Sarai zu Sara) ist hier ebenso von Bedeutung. Die doppelte Version der Gefährdung der Ahnfrau verstärkt das Motiv der – allen Widrigkeiten zum Trotz – gelingenden Volkswerdung; diesen Aspekt betonen auch das Motiv der Unfruchtbarkeit Saras und die Geschichte des Sohnes der Nebenfrau (Gen 16 und 21). Zur Konzeption des Gottesvolkes gehört der Bund, bekräftigt durch die Beschneidung (Gen 17).

Der Islam fokussiert sich auf den Hagar-Ismael-Strang der Überlieferung. Ismaels (sic!) Nichtopferung ist Grund eines der Hauptfeste, des Opferfestes.

Aus einer anderen Tradition ist der Mythos von Sodom und Gomorra in den Geschichtenkranz um Abraham gelangt (Krauss/Küchler, 2004, 43-45); Abrahams „Feilschen“ mit Gott um die Menschen in den verworfenen Städten hat paradigmatischen Charakter (Krauss/Küchler, 2004, 67).

3.2. Sage und Sagenkranz – die Frage der Wahrheit

Anders als die Urgeschichten, die von typisierten Menschen und Orten und einer mythischen Anfangszeit erzählen, sind Abraham und seine Familie individuell charakterisierte Persönlichkeiten mit je eigenen Lebensläufen. Sowohl räumlich als auch chronologisch sind sie bestimmbar verortet (im Nahen Osten, im zweiten Jahrtausend vor Christus), auch wenn die archäologischen Befunde keine konkreten Hinweise liefern. Angesichts der Tatsache, dass die Geschichten um Abraham, Isaak und Jakob (→ Jakob, bibeldidaktisch I [Primarstufe]; → Jakob, bibeldidaktisch, Sekundarstufe) erst viele Jahrhunderte später aufgeschrieben wurden, ist mit Sagenbildung zu rechnen: Bis dahin mündlich tradierte „Stammes- und Lokalsagen über Führergestalten unter den Wanderhirten sowie Legenden über die Entstehung von Heiligtümern“ wurden gesammelt und in eine Generationenfolge geordnet (Krauss/Küchler, 2004, 9).

Für das Verständnis der Geschichten und die Frage der Kinder – „Ist das wirklich passiert?“ – bedeutet das: Ja, es hat Nomaden gegeben, die sich nach und nach in Kanaan ansiedelten. Ja, es hat Anführer wie Abraham und Jakob gegeben und ja, sie haben so gelebt wie Abraham und seine Familie. Von ihnen hat man sich erzählt, immer und immer wieder: von den Frauen und den Kindern, von Wegen und Zielen, von der Suche nach Weiden und Wasser und davon, dass man schließlich bleiben durfte. Und ja: Man hat sich auch von Gott erzählt, von Gott, der gesagt hat: „Ich will ein großes Volk aus euch machen. Ich will euch segnen und für euch da sein. Ich verbünde mich mit euch, ich biete euch einen festen Bund an.“

Herauszuarbeiten ist das Besondere: ein sehr nahes, sehr vertrautes Verhältnis der Menschen zu ihrem zugewandten Gott, der auf sie achtete, der sie begleitete und segnete.

3.3. Schlüsselmotive – mit Blick auf Grundschulkinder

3.3.1. Land – Nachkommen – Segen

„In heutiger Terminologie könnte man vielleicht sagen, dass Gott Abraham und seinen Nachkommen ein Land, ein kleines Stück Erde, geben will, um dort das Modell einer neuen menschlichen Gesellschaft zu verwirklichen“ (Krauss/Küchler, 2004, 21). „Land“, „Nachkommen“, „Segen“ und „Bund“ gehören in diesem Kontext zusammen und münden im „Schalom“, im Frieden von Gott, Mensch und Kreatur. Im Blick auf Grundschulkinder ist insbesondere das Motiv des Segens (→ Segen/Segnen, bibeldidaktisch, Grundschule) bedeutsam, losgelöst von den Zusagen für Israel, und doch darauf basierend: Der universale Charakter des Segens deutet sich ja bereits in Gottes Zusage an Abraham an (Steinhäuser, 2006, 66f.). Die Bedeutung der Nachkommenschaft – aus Abraham soll ein Volk werden – tritt für Kinder zurück hinter der persönlichen Erfahrung: „Mama und Papa freuen sich auf ein neues Baby; sie haben sich auf mich gefreut.“

3.3.2. Name

Zum Bundesschluss gehört die Namensgebung. Durch seine besondere Beziehung zu Gott wird der Mensch neu. Das unterstreicht der neue Name, der außerdem programmatisch ist: „Vater der Völker“ im Fall Abrahams, „die Fürstin“ im Fall Saras. Aber auch der Geburtsname des Kindes ist Programm: Isaak als „Kind des Lachens“ – Anspielung auf Abrahams und Saras Lachen über die Verheißungen später Elternschaft wie Bestätigung ihrer hellen Freude angesichts der Erfüllung. Kinder erfahren, dass ihr Name Bedeutung hat, im Zusammenhang mit Taufe und Tauferinnerung.

3.3.3. Frieden – Gastfreundschaft – Opfer

Die vorliegende Fassung der Abraham-Geschichten spricht eine reife und verdichtete Sprache: Der Erzähler hält sich an wenige Grundinformationen und verzichtet weitgehend darauf, Handlungsmotive und handlungsbegleitende Emotionen auszuführen. Weder erzählt er, warum Gott ausgerechnet Abraham berief, noch, was Abraham dazu bewog, den Ruf zu hören und ihm zu folgen. Dennoch – und das zeigt die hohe Kunst des Erzählers – kann sich der aufmerksame Hörer bzw. die aufmerksame Leserin diese Lücken füllen, und zwar mithilfe der Szenen, die er/sie im Anschluss an die Berufung mit Abraham erlebt (Krauss/Küchler, 2004, 20). Was ist das für ein Mann? Einer, der an seiner unfruchtbaren Frau festhält, einer, der seinem Neffen nicht nur die Wahl des vermeintlich besseren Landes überlässt (Gen 13,5-11), sondern ihm auch weiterhin beisteht (Gen 14,12-16), einer, der sich um ein friedliches Nebeneinander bemüht, sowohl in seiner Familie als auch in dem Land der Verheißung. Abraham hört auf Gott – das wird in allen Facetten der Geschichte spürbar. Von Abraham (der außerdem durchaus Schwächen hat und Fehler macht) lässt sich ohne moralischen Zeigefinger Frieden lernen, und sei es einfach durch Eintauchen und Einfühlen in seine Geschichten.

Zum Programm des Schalom, des umfassenden Friedens mit Gott und Mensch, gehört insbesondere die Gastfreundschaft, exemplarisch vorgestellt in der Geschichte vom Besuch der drei Männer in Mamre (Halbfas, 1985, 215f.). Das ist ein fruchtbares Motiv für Kinder in der einen, globalisierten Welt.

Hier sei Isaaks Nichtopferung (jüdisch: akedah, Isaaks Bindung) nur knapp miterwähnt. Sie gehört in den Zusammenhang der Ehrerbietung, die Abraham Gott erweist, indem er auf ihn hört. Unbedingt. In der Geschichte des verhinderten Opfers erhält er dafür ausdrücklich Lob und Bestätigung: „Weil du […] deinen einzigen Sohn mir nicht vorenthalten hast […] weil du auf meine Stimme gehört hast“ (Gen 22,15-18), bestätigt Gott seine Segenszusage und erweitert sie. Das ist der eine Aspekt der Geschichte – die im Kern nur funktioniert, wenn man Kinder als „Besitz“ der Eltern sieht; heute ist ein Vater, der sein Kind opfern will (für welche gute Sache auch immer), ein Unhold. Man sollte jungen Kindern, die ihren Wert entdecken wollen, mit solch einer Überlegung gar nicht erst kommen (weshalb die Geschichte aus Kinderbibeln mittlerweile weitgehend verschwunden ist; anders Westhof, 2006, 14f.).

Die Pointe dieser Geschichte – Gott will das Menschenopfer nicht – wird nur dem verständlich, der die Erzähllogik biblischer Ursprungsgeschichten durchschaut: Vom Ende her sind sie zu lesen, vom Wort Gottes. Das, was vorher erzählt wird, dient lediglich der Entfaltung des Missstandes vor seiner Abschaffung (so übrigens auch in der Sintflutgeschichte, Gen 7f., und etwa in der Auseinandersetzung Jesu mit der syrophönizischen Frau, Mk 7,24-30).

3.3.4. Engel

Die Erzelterngeschichten erzählen von Gott mit unterschiedlich viel Abstand. „Und Gott sprach“ hört sich so an, als sei Gott ein objektiv, äußerlich wahrnehmbarer Akteur innerhalb der Geschichten. Andernorts erscheint Gott im Traum oder durch Engel. Es liegt nahe, dass diese unterschiedlichen Ausdrücke gleichwertige Lösungsversuche für die gleiche theologische und erkenntnistheoretische Herausforderung sind: von Gottes Wirkung in der Geschichte zu reden, obwohl er größer ist als jede Geschichte und menschlicher Definition nicht verfügbar (hierzu: Krauss/Küchler, 2004, 11). Wer diese Formulierungen wörtlich stehen lässt, hat ein Vermittlungs- und Glaubwürdigkeitsproblem. Kinder heute fragen nach: „Ich wusste gar nicht, dass Gott reden kann“ (Moers, 2010, 100). Das ist ein fruchtbarer Moment für ein theologisches Gespräch (→ Kindertheologie).

Dasselbe gilt für den Engel, der zweimal Hagar begegnet, sowie für die „drei Männer“ bei Abraham in Mamre: Wie vorsichtig und behutsam wird hier das Geheimnis des Wirkens Gottes erzählt, ja, mehr angedeutet: Drei Männer, dann wieder einer – gewöhnliche Fremde, dann „der Herr“: Schon hier wird die Empfehlung fällig: die Kinder diesen Ungereimtheiten ungeglättet auszusetzen und sie beim Sich-Wundern zu begleiten!

4. Elementare Wege

4.1. Didaktische Überlegungen

4.1.1. Abraham und Sara: Gott geht mit (Anfangsunterricht)

Als Familiengeschichte, als Geborgenheitsgeschichte, als Geschichte eines lang gehegten Wunsches und seiner letztendlichen Erfüllung passt die Erzählung von Abrahams Segen und Verheißung mit Happy End gut zur Situation der Kinder am Anfang der Grundschulzeit (Freudenberg, 2010, 81f.). Unmittelbar eingängig dürfte den Kindern die Familiensituation sein und ganz intuitiv vermissen sie das Kind. Unschwer erschließt sich auch die Ausgangssituation: Aufbruch. Ortswechsel. Das Fremde für die Kinder ist zugleich das, was die Erkundung lohnt. Auch wenn einfache Korrelationen didaktisch längst verpönt sind: Vertrauen schöpfen im Neuanfang ist ein wichtiger und zugleich naheliegender Zugang.

Das ist das erste wichtige Thema: Abraham hört Gott. Das nächste: Abraham hört ein Versprechen: Segen – didaktisch verknüpfbar mit dem Bund (Steinkühler, 2011a, 32). Und das dritte: Gott hält sein Versprechen, und zwar doppelt: Alles geht mehr oder weniger gut aus. Und: Abraham und Sara bekommen ihr Kind.

Die meisten Entwürfe für die Klassen 1 und 2 beschränken sich auf dieses Kurzprogramm (Freudenberg, 2010, 81-92; Drews, 2006, 30-33; Moers, 2010, 100-110; Steinhäuser, 2006, 66-73). Ein zusätzlicher, meist einleitender Schwerpunkt (wenn nicht hier, dann in Klasse 3/4) ist die Erarbeitung der historisch-sozialen Verortung: Zweistromland, Nomadenleben, (Halb-)Wüste. Zu beachten ist, dass hinter all den menschlich-erfahrungsweltlichen Anknüpfungspunkten und Vertiefungsmöglichkeiten die Frage nach Gott nicht zu kurz kommt. Sie ist das eigentlich Spannende, weil Fremde an Abrahams und Saras Geschichte (Moers, 2010, 100f.).

4.1.2. Abraham und Sara: Ein Mensch hört auf Gott (Übergangsstufe)

Eine Abraham-Einheit im dritten oder vierten Schuljahr wird sich der Grundstimmung „Queste“ anpassen (= Auftrag und Bewährung in Sage und Abenteuerroman): Es gibt eine Aufgabe sowie Mut und Hilfe, sie zu lösen. Der Weg wird herausfordernder durch den Umweg nach Ägypten, den Streit der Hirten, die Entführung Lots. Das Warten auf den Erben wird dramatisiert durch Saras missglückten „Lösungsversuch“ mit Hagar und Ismael. Menschliche Schwächen treten zutage. Leitmotivisch hält Gottes wiederholtes Eingreifen die Fäden zusammen: Gott spricht und Abraham richtet sich neu aus. „Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?“ (Gen 18,14) ist eine herausfordernde Frage, die im Raum stehen bleiben darf. Entwürfe für die Klassen 3 und 4 arbeiten mit einer Perlenkette von Episoden (Peters, 2006; Freudenberg, 2004, 117-130). Wieder gilt das in 4.1.1. Gesagte: Gott ist das Besondere an den Geschichten; die Frage nach Gott soll als Leitmotiv stets gegenwärtig sein.

Wenn die Abraham-Geschichten in Klasse 1 oder 2 bereits behandelt worden sind (4.1.1.), ist es reizvoll, Einzelepisoden zu thematisieren, z.B. Abrahams Gabe der Streitschlichtung (Trennung der Hirten) innerhalb einer Einheit zur Friedenserziehung (→ Krieg und Frieden) oder Abrahams Ringen um die Gerechtigkeit Gottes innerhalb einer Einheit zum Thema „Gut und Böse“.

4.1.3. Abraham und Ibrahim; Isaak und Ismael

Immer wieder ist zu lesen, dass der Stoff der Abraham-Geschichten sich besonders dazu anbiete, interreligiös (→ Interreligiöses Lernen) ins Gespräch zu kommen (Moers, 2010, 101). Unproblematisch ist das nicht, da ja Isaak und Ismael dezidiert in einer Konkurrenzsituation dargestellt sind: Im Buch Genesis können sie nicht miteinander aufwachsen, sondern Ismael wird vertrieben. Versöhnlicherweise verleiht freilich Gott ihm eigene Würde, gibt ihm einen eigenen Auftrag und eine eigene Verheißung. Ein konsequent interreligiös angelegter Gesamtentwurf unter dem Leitthema „Segen“ (→ Segen/Segnen, bibeldidaktisch, Grundschule) kann hierauf aufbauen (Hagemann, 2002). Hier wäre voneinander zu lernen, bei aller Unterschiedlichkeit ähnlich und bei aller Ähnlichkeit unterschiedlich zu sein; auf dieser Basis wächst gegenseitiger Respekt.

Ertragreich ist es, sich auf das besondere Verhältnis Abrahams/Ibrahims zu Gott zu fokussieren: Erzählungen um Abrahams Abschaffung der Götzenbilder im Judentum (Böttrich/Ego/Eißler, 2009, 29-37) und im Koran ergänzen das, was in den biblischen Abraham-Geschichten Gottes Stimme ist – ein Gott allein, dem alle Dinge möglich sind. Besonders geeignet scheint hier christlicherseits die Neuerzählung der Berufung Abrahams von Jochem Westhof (Westhof, 2006, 10f.), der narrativ herausarbeitet, dass der Erzvater einen bisher unbekannten Gott gehört hat. Für die islamische Tradition empfehlen sich die Übertragungen der einschlägigen Koran-Suren von Hamideh Mohagheghi und Dietrich Steinwede (Steinwede/Mohaghehi, 2011, 48-51).

4.2. Hinweise zur Methodik

4.2.1. Biblisch erzählen

Die Erzählvorschläge zu den ausgewählten Stücken aus den Abraham-Geschichten reichen von Kinderbibelabschnitten über neue Versionen bis hin zu einer fünfteiligen „Erzählwerkstatt“ (Freudenberg, 2010, 88-90): Hier werden Skizzen angeboten, nach denen frei erzählt werden kann. Dazu finden sich folgende einleitende Hinweise: „Erzählen Sie subjektiv: Nicht: ,Gott spricht zu Abraham‘, sondern: ,Abraham hört eine Stimme‘ bzw. ,Sie ist ihm wie Gottes Stimme‘ (hierzu auch: Steinkühler, 2011b, 46-48). Berücksichtigen Sie Sara; auch Sara trägt die Konsequenzen des Glaubenswagnisses, das ihr Mann eingeht. Die Drei Männer in Mamre, die zugleich Gott sind, sind behutsam und offen anzulegen. Es muss Raum für Fantasie und für Deutungen bleiben“ (Freudenberg, 2010, 82).

Kinderbibeltexte sind insofern hilfreich, als sie die ausgewählten Stücke aus dem großen Erzählzusammenhang praxisgerecht anbieten. Auf der anderen Seite haben ihre Autorinnen und Autoren bereits viele theologische und didaktische Vorentscheidungen getroffen. Die Freiheit der Unterrichtsgestaltung vonseiten der Lehrkräfte wie der Unterrichtsentfaltung vonseiten der gesamten Lerngruppe wird damit beschnitten. Einen guten Kompromiss bilden → Kinder- oder Schulbibeln, die bewusst nicht neu und frei erzählen, sondern einen elementarisierten Grundtext bieten, wie für die Klassen 1 und 2 die „Kinderlesebibel“ (Landgraf, 2011, 16f.), für die Klassen 3 und 4 die „Bibel für Kinder und alle im Haus“ (Oberthür, 2005, 50-60). So steht ein gleichsam neutraler Grundtext als Basis des → Erzählens und mehrperspektivischen Erschließens zur Verfügung, einer, der bleibt und immer wieder neu bedacht werden kann, während die mündliche Erzählung gewissermaßen „pro tempore und loco“ ihre Wirkung entfaltet (Steinkühler, 2011b, 34-39).

Die Bilder von Kees de Koort bieten nach wie vor eine ideale Grundlage des gemeinsamen Erzählens und Wiedererzählens. Im „Bibelbilderbuch“ stellt Hellmut Haug dazu einen elementaren Text zur Verfügung, der den Kindern im Anfangsunterricht Hilfestellung zum Selbsterzählen gibt (Haug/de Koort, 1998, 34-45).

Die Erarbeitung der Abraham- und Sara-Geschichten wird in vielen Entwürfen mit Legematerial begleitet, mit Bildern, Bibelfiguren und/oder Rollenspiel. Nicht nur in der Gemeinde, sondern auch in der Schule sind „Godly Play“-Materialien gut einsetzbar, hier: die Wüstenkiste, „Volk-Gottes-Figuren“, ein Körbchen mit Steinen, zwei blaue Fäden, zwei hölzerne Blöcke (Steinhäuser, 2006, 67f.). Erzählt und spielerisch mit Leben erfüllt werden Abraham-Geschichten auch im Ausdrucksspiel (Braner, 2011, 44f.), im Rollenspiel oder mit → bibliologischen Elementen (zur Methode: Pohl-Patalong, 2013, 47-60).

Sicherung und zugleich kreative Aneignung der Geschichten gewährleistet u.a. das Erstellen eines persönlichen Leporellos (mit vorstrukturiertem Material, Moers, 2010, 117-120). Als „roter Faden“ und zugleich Sicherung kommen überdies Bibelerzähllieder in Betracht.

4.2.2. Der „garstige Graben“

Verschiedene Wege werden vorgeschlagen zur Erarbeitung des Themas „Nomadenleben“: Fotoshow, Arbeit mit Sachbüchern, Abbildungen im Buch, Erzählung aus der Sicht eines Nomadenkindes bis hin zum Besuch eines Nomadenzeltes im Bibelerlebnishaus. Zu beachten ist, dass das Bemühen um den historischen Kontext die Erzählungen nicht so weit von der Lebenswelt der Kinder entrückt, dass fruchtbare Aneignungen schwerfallen. „Die Geschichten sind uralt; sie haben nichts mit mir zu tun“, urteilen auch bereits Grundschulkinder (Hanisch/Bucher, 2002, 52). Der Übertritt vom Historischen zum Existenziellen kann durch Methodenwechsel (zeigen, erzählen, spielen) akzentuiert werden. Problematisch sind vor allem Erzählvorschläge, die die heilsgeschichtliche Konstruktion der Bibel historisierend zementieren: „Als die Sintflut vorüber war …“ (Steinhäuser, 2006, 69; in der ansonsten sehr offen angelegten und anregenden Erzählvorlage wird hier der hermeneutisch-kategoriale Unterschied zwischen Urgeschichte und Erzelterngeschichten ohne Not nivelliert.).

4.2.3. Verständigung über Religion

Ein Unterrichtsprojekt, das die oben genannten Texte – Abrahams Berufung in einer freien Bibelerzählung sowie die Koransuren in der elementaren Übertragung von Dietrich Steinwede – zur Erarbeitung der „Entdeckung“ des einen Gottes heranzieht, muss behutsam eingebettet sein. Die verschiedenen Glaubenstraditionen passen hier gut zueinander. Die gelebte Praxis des Ein-Gott-Glaubens in Islam und Christentum jedoch unterscheidet sich – und diese Differenz soll keineswegs ignoriert werden (Meyer, 2006, 8). Wo Muslime und Christinnen, Christen und Musliminnen nebeneinander in einer Lerngruppe sitzen, kann interreligiöser Dialog elementar und erfahrungsbezogen eingeübt werden: Man erzählt einander von „seinem“ Abraham/Ibrahim, man zeigt einander etwas von der je eigenen Weise, sich Gott zu nähern und nach Gott zu richten, man besucht sich gegenseitig in Kirche und Moschee. Im erkundenden Miteinander erwerben die Kinder die Kompetenz, sachgerecht über ihre eigene wie über eine andere, verwandte Religion zu sprechen und Auskunft zu geben.

Literaturverzeichnis

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  • Steinwede, Dietrich, Abraham‚ in: Steinwede, Dietrich, Religionsbuch Oikoumene, Werkbuch 1/2, Düsseldorf 1994, 128-133.
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  • Westhof, Jochem, Die 3-Minuten-Kinderbibel. Geschichten von Menschen aus der Bibel, Neukirchen-Vluyn 2006, 10-15.

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