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Wortereignisformel / Wortempfangsformel

(erstellt: März 2014)

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1. Einordnung und Gestalt der Wortereignisformel

Die Texte des Alten Testaments behandeln die Kommunikation zwischen Gott und Mensch sprachlich gewöhnlich so, wie die Kommunikation zwischen Menschen. Wird darüber berichtet, dass Gott etwas zu einem Menschen sagt, so verwendet der Text normalerweise eines der gängigen Verben des Redens in einer Form, die dem Kontext angepasst ist, was man etwa mit „… da sagte JHWH …“ übersetzen kann. Das zumeist angeführte Zitat der Gottesrede wird entweder durch hebräisches לֵאמֹר le’mor (entspricht im Deutschen einem Doppelpunkt) eingeleitet oder es wird mit der → Botenformel כֹּה אָמַר יהוה koh ’āmar JHWH „so hat JHWH gesprochen“ oder der Gottesspruchformel נְאֻם יהוה nə’um JHWH „Spruch JHWHs“ als zitierte Rede markiert (→ Zitat).

Der Bericht über einen Kommunikationsakt kann aber nicht nur durch ein finites Verb des Sagens ausgedrückt werden, sondern auch mit einer formelhaften Wendung, die im Deutschen etwa mit den Worten „das Wort JHWHs erging an NN“ (so auch Zürcher Bibel und Einheitsübersetzung) wiedergegeben wird.

Die Bezeichnung „Wortereignisformel“ wurde von Walther Zimmerli in seinem Kommentar zum Buch Ezechiel eingeführt: „Mit den Daten ist da, wo nicht eine Vision eingeleitet wird oder wie in 33,21 ein kurzer Geschehensbericht folgt, in der Regel die Formel des Wortereignisses (…) verbunden.“ (Zimmerli, 38*). Die Bezeichnung „Wortereignisformel“ wird in der Exegese des Alten Testaments seither verwendet, um hauptsächlich zwei Ausdrücke zu kennzeichnen: וַיְהִי דְבַר־יהוה אֵל wajəhî dəvar JHWH ’el … „da erging das JHWH-Wort an …“ und הָיָה דְבַר־יהוה אֵל hājāh dəvar JHWH ’el … „das JHWH-Wort erging an …“.

2. Vorkommen und Varianten

2.1. Grundformen

Die beiden Grundformen sind unterschiedlich häufig im Alten Testament belegt. Die Form hājāh dəvar JHWH ’el ist 27-mal belegt (die unten zu behandelnden Formen mit einleitendem ’ǎšer sind in diesen Belegen enthalten).

Die zweite Form, wajəhî dəvar JHWH ’el …, ist mit 83 Belegen ungleich häufiger:

Die beiden Grundformen der Wortereignisformel thematisieren den Empfang eines Gotteswortes als ein Geschehen, das in einen Erzählablauf integriert ist. Dabei gliedert die mit וַיְהִי wajəhî (Imperfekt consecutivum; „da erging …“) eingeleitete Formel das Ergehen eines Gotteswortes an einen Adressaten in eine bereits begonnene Kette von Ereignissen (Erzählprogress) ein, wohingegen die mit הָיָה hājāh (Perfekt) beginnende Form der Wortereignisformel diese Übermittlung der göttlichen Nachricht an den Beginn einer Abfolge von Ereignissen stellt. Oftmals sind bei letzterer Form der Wortereignisformel Zeitangaben beigefügt, z.B. „Und im elften Jahr, am Ersten des Monats, erging das Wort des HERRN an mich: …“ (Ez 26,1).

2.2. Die Wortereignisformel mit einleitendem אֲשֶׁר

Einige Verständnisprobleme bereiten diejenigen Belege, bei denen die mit Perfekt gebildete Form der Wortereignisformel mit der Partikel אֲשֶׁר ’ǎšer eingeleitet wird, also die Form ’ǎšer hājāh dəvar JHWH ’el … aufweisen (so in 1Kön 18,31;‏ ‎Jer 1,2;‏ ‎Jer 14,1;‏ ‎Jer 46,1;‏ ‎Jer 47,1;‏ ‎Jer 49,34‏; ‎Dan 9,2)‏.

Die Funktion der Partikel ’ǎšer ist an diesen Stellen unklar. Zur Einleitung eines Attributsatzes kann das ’ǎšer – abgesehen von den unproblematischen Stellen 1Kön 18,31, Jer 1,2 und Dan 9,2 – nicht gebraucht sein, denn es gibt kein Bezugswort (das ist anders bei den gleich noch zu betrachtenden Stellen, an denen ’ǎšer auf haddāvār folgt 2.3.). Die verbleibenden Stellen befinden sich sämtlich im Jeremiabuch (‎Jer 14,1;‏ ‎Jer 46,1;‏ ‎Jer 47,1;‏ ‎Jer 49,34‏), drei der vier Stellen in den „Völkersprüchen“ des Buches (Jer 46,1; Jer 47,1; Jer 49,34). Für Jer 14,1; Jer 46,1 und Jer 47,1 geben die Parallelstellen in der antiken griechischen Übersetzung (Jer 14,1; Jer 26,1; Jer 29,1 LXX) keinerlei Hinweis auf das Vorhandensein einer zusätzlichen Partikel in ihrer Vorlage, in Jer 49,34 (= Jer 25,14 LXX) zeigt die Übersetzung keinen Hinweis auf eine Wortereignisformel, wohl aber auf ein ’ǎšer.

Sofern an diesen 4 Stellen nicht der hebräische Text gestört ist, wäre das ’ǎšer verstehbar als eine Konjunktion, die in Anfangsposition am ehesten die Wortereignisformel als einen Subjektsatz einleitet, dem die Angabe des eigentlichen Adressaten des Gotteswortes als Prädikat gegenübersteht. Die Wortereignisformel bildete damit einen eingebetteten Satz. Jer 46,1 beispielsweise wäre damit etwa folgendermaßen wiederzugeben: „Dass das JHWH-Wort an den Propheten Jeremia erging, war wegen (‘al) der Völker“. In Jer 47,1 und Jer 49,34 steht ’el statt ‘al. Das ist insofern schwierig, als die Präposition ’el äußerst selten ein nominales Prädikat einleitet (s. 4.). Wahrscheinlich muss an diesen beiden Stellen mit der in späteren Zeiten sehr häufigen Gleichsetzung von ’el und ‘al gerechnet werden.

2.3. Die Wortereignisformel mit „das Wort, das“ (הַדָּבָר אֲשֶׁר)

Die Formulierung haddāvār ’ǎšer hājāh ’el … „das Wort, das an … erging“ (Jer 7,1; Jer 11,1; Jer 18,1; Jer 21,1; Jer 30,1; Jer 32,1; Jer 34,1; Jer 34,8; Jer 35,1; Jer 40,1; Jer 44,1) ist demgegenüber problemlos. In ihr verschiebt sich in der Aussage lediglich der Fokus vom Geschehen der Übermittlung der Nachricht von Gott an einen menschlichen Empfänger („es erging ein JHWH-Wort an …“) auf eine Qualifikation des Wortes selber („das JHWH-Wort, das an … erging“). In dieser Form kann man den Ausdruck wie einen Archivvermerk verstehen, der zu der Nachricht die Information gibt, wer ihr Absender und wer ihr Adressat war – in diesem Sinne wird man auch die Überschriften zu einer Reihe von Prophetenbüchern verstehen können (z.B. Hos 1,1; Mi 1,1). Der Absender wird in dieser Variante der Formel durch me’et JHWH „von JHWH“ eingeführt. Diese Angabe fehlt nur in Jer 44,1.

2.4. Die Wortereignisformel mit „durch“ (בְּיַד)

Die Distanz zwischen (göttlichem) Sender und menschlichem Adressaten wird dort hervorgehoben, wo in einem Zwischenschritt der prophetische Übermittler der Botschaft im Unterschied zu deren eigentlichem Empfänger angeführt wird. Im Zusammenhang der Wortereignisformel ist eine entsprechende Formulierung in Hag 1,1, überliefert. In diesem Fall wird das Gotteswort durch (bəjad) den Propheten an (’el) Serubbabel übermittelt: „Im zweiten Jahr von Darius, dem König, im sechsten Monat, am ersten Tag des Monats, erging das Wort des HERRN durch Haggai, den Propheten, an Serubbabel …“. Hag 1,3 und Hag 2,1 erwähnen den eigentlichen Adressaten nicht, so dass es so aussieht, als wäre dort einfach die Präposition ’el durch bəjad ersetzt worden: „Und das Wort des HERRN erging durch Haggai, den Propheten“.

2.5. Zusammenfassung

Wortereignisformel 1

Es zeigt sich, dass die Wortereignisformel keine scharf umrissene Formel ist, vielmehr gibt es neben den am häufigsten belegten und in diesem Artikel zuerst genannten Hauptformen eine ganze Reihe von Varianten. Insgesamt gibt es mehr als 100 Belege, in diesem Artikel wurden bis zu dieser Stelle 124 Belegstellen angeführt. Die Verteilung ist dabei aber deutlich ungleichmäßig mit gehäuften Vorkommen bei den Propheten Jeremia (45 Belege) und Ezechiel (50 Belege).

3. Zur Bedeutung der Wortereignisformel

3.1. Semantik

Auf den ersten Blick ist die Wortereignisformel ein sprachlich nicht besonders auffälliges Gebilde: Sieht man von der mit ’ǎšer eingeleiteten Variante (s. 2.2.) ab, so sind weder die Syntax noch die einzelnen Wörter besonders schwer zu übersetzen. Das verwendete Verb hājāh ist das Verb der hebräischen Bibel, das so wenig inhaltlich gefüllt ist, dass es kaum mehr als die reine Verbalfunktion in den Satz einbringt. Dieser Umstand ist für die syntaktische Einordnung der Formel wichtig (s. 4.). Das Wort dāvār kann zwar sowohl „Wort“ als auch „Sache / Angelegenheit“ heißen, doch ist im gegebenen Zusammenhang der Wortereignisformel immer klar, dass hier über verbale Kommunikation gesprochen wird. Schon das – mit der einzigen Ausnahme von Jer 14,1 – unmittelbar folgende Zitat der Gottesrede schließt eine andere Bedeutung als „Wort“ aus. So bleiben neben dem als Nomen regens zu dāvār fungierenden Gottesnamen nur noch die Präposition und ein Eigenname übrig, die ebenfalls keine allzu weiten Interpretationsspielräume öffnen.

Dennoch ist die Wortereignisformel in einer Weise gedeutet und übersetzt worden, die sie mit weitreichenden theologischen Folgerungen auflud. Sie wurde dabei in den Zusammenhang der Wort-Gottes-Theologie eingebracht. Dabei geriet das Verb hājāh unter den Einfluss einer Deutung, die dem Gotteswort generell und besonders im Zusammenhang der Wortereignisformel eine Eigenmächtigkeit zuschrieb (Neumann, 176).

Exemplarisch seien dafür die Erläuterungen Zimmerlis zitiert: „Inhaltlich ist an dieser Formulierung zu erkennen, daß sie von einem schon sehr durchgebildeten Wissen um das ‚Wort Jahwes’ herkommt – soll man von einer in den Prophetenkreisen herausgebildeten ‚prophetischen Wort-Theologie’ reden? Es ist nicht vom unmittelbaren Betroffensein durch den persönlichen Zuspruch des persönlichen Gottes geredet, sondern ‚das Wort’ als eine beinahe objektive Größe mit eigener Einschlagskraft verstanden. Vgl. die Ausführungen, die Grether l.c. 150ff. unter dem Stichwort ‚Dabar als Hypostase’ macht. – Zum anderen liegt in der Rede vom Sich-Ereignen des Wortes Jahwes auch der Hinweis auf den eminent geschichtlichen Charakter und die Ereignishaftigkeit des Gotteswortes.“ (Zimmerli, 89).

Der so festgestellten Eigendynamik des Gotteswortes wurde Rechnung getragen in den Übersetzungen, die zum einen das „Allerweltswort“ (Bartelmus) hājāh („sein“) mit „geschehen“ wiedergeben, zum anderen für die Präposition ’el („zu / nach / in Richtung auf“) die Übersetzung „zu“ wählen (Lutherbibel von 1984; Elberfelder Bibel; Levin, 258), wohl um so – mit einer im Deutschen eigentlich nicht möglichen Satzkonstruktion („geschehen“ kann im Deutschen nicht mit der Präposition „zu“ verwendet werden; vgl. Müller, 616f.) – das Außergewöhnliche des Vorgangs auszudrücken. Samuel A. Meier, der untersucht hat, wie in der hebräischen Bibel direkte Rede markiert wird, weist demgegenüber darauf hin, dass die Wortereignisformel nicht mehr aussage, als dass Kommunikation stattgefunden hat.

Zur Wortereignisformel resümiert Meier: „The use of ‚word’ in conjunction with the verb ‚to be’ is actually quite underwhelming in its banality in the light of usage in Akkadian and Hebrew. The cautions of Barr (1961:58-72) against ‚maximizing the meaning of a word’ such as היה are appropriate reminders that היה דבר (like Akkadian awatu bašû) simply means that communication has occurred. The excessive ordinariness of this phrase may be grasped by inquiring of the alternatives if one wished to be as minimally descriptive as possible when observing that communication had occurred: it is precisely this phrase that would be chosen: ‚there was a word’.“ (Meier, 318f.).

Angesichts dieser Diskussionslage empfiehlt es sich, zuerst die syntaktische Gestalt der Wortereignisformel zu klären. Die Verwendung der Wortereignisformel zur Einleitung von Botschaften von JHWH – nur in 1Kön 12,22 wird in der Wortereignisformel statt des Gottesnamens JHWH die Bezeichnung „Gott“ (הָאֱלֹהִים hā’älohîm) verwendet – an Menschen erklärt die theologische Bedeutung der Formel. Sie gehört damit zwei Gruppen von Formeln an: Zum einen gehört sie in die Gruppe der „prophetischen Formeln“, die in Prophetentexten besonders häufig belegt sind. Zum anderen gehört sie allgemeiner in die Gruppe der Redeeinleitungen. Um die Bedeutung der Formel einschätzen zu können, ist es darum nötig, sie in diesen beiden Zusammenhängen zu sehen.

3.2. Syntax

Die Wortereignisformel ist eine Formel, die eine Zuordnung einer Gottesrede zu einem Adressaten vornimmt. Sie hat ein Pendant in der Gottesspruchformel (nə’um JHWH „Spruch JHWHs“), die eine Rede dem Autor JHWH zuordnet. Das Verb hājāh hat in der Wortereignisformel die Funktion der Verzeitung eines Nominalsatzes (Bartelmus 152). Der zu Grunde liegende Nominalsatz hat die Gestalt eines „adverbiellen Nominalsatzes“ (Krispenz, 39), das ist ein Nominalsatz, dessen Prädikat durch eine Präposition eingeleitet wird (oder in einem Adverb besteht). Die Verwendung des Verbs hājāh ist in diesem Fall wahrscheinlich aber auch nötig. Nominalsätze, deren Prädikat mit der Präposition ’el eingeleitet werden, kommen im Hebräischen überaus selten vor.

Unter den über 4000 Belegen der Präposition ’el finden sich so gut wie keine, die als Nominalsatz, dessen Prädikat mit ’el eingeleitet ist, verstanden werden könnten. Von den in Frage kommenden Fällen ist Hos 3,3 textlich unsicher, wahrscheinlich ist dort im Laufe der Textgeschichte ein Verb ausgefallen, so dass diese Stelle ursprünglich keinen Nominalsatz enthalten hat. Die als Parallele zu Hos 3,3 gerne angeführte sogenannte Herausforderungsformel „Siehe, ich will an … (dich)!“ (hinnenî ’el + Suffix / Nomen) enthält in der Partikel hinneh ein verbales Element, wie die Möglichkeit zeigt, dass statt hinneh der Imperativ rə’eh verwendet wird (nach HALAT 242 ersetzt hinneh das sprachlich ältere rə’eh). Als Beleg für diese Möglichkeit seien Fälle angeführt, in denen mit dem Verb ntn „geben“ eine förmliche Einsetzung einer Person in ein Amt oder einen Zustand ausgedrückt wird: Vgl. Gen 41,41; Ex 7,1 mit Jer 1,18 oder Num 25,12; hinneh und rə’eh werden dort alternativ gebraucht.

Auch Gen 15,4 (ebenso 1Kön 19,9) enthält mit dem einleitenden hinneh somit ein verbales Element, ohne das die Formulierung dəvar JHWH ’elāw wohl nicht als vollständiger Satz verstanden worden wäre – jedenfalls ist diese Formulierung singulär. In der in Gen 15,4 vorliegenden Form leitet die Präposition nicht das Prädikat eines Nominalsatzes ein, vielmehr ist es Teil eines Syntagmas, das dem Prädikat hinneh zugeordnet ist: „Siehe, (da war) ein JHWH-Wort an ihn“.

Allerdings gibt es in Zef 2,5 eine analoge – verblose – Formulierung, bei der lediglich die Präposition ’el durch die Präposition ‘al ersetzt ist: dəvar JHWH ‘ǎlêkhæm. Das ist insofern von Belang, als in späteren Texten die beiden Präpositionen ’el und ‘al zunehmend austauschbar werden. Möglicherweise ist aber die Präposition ‘al in ihrem Gebrauch weniger an Verben gebunden, so dass die Grenzen zwischen beiden auch im Gebrauch zur Einleitung eines nominalen Prädikates verwischt worden wären. (Zur Verwendung der Präposition „l“ in der Wortereignisformel s. 6. zu 1Sam 4,1)

In jedem Fall dürfte deutlich sein, dass die beiden Hauptvarianten der Formel, die mit der Perfektform hājāh oder der Narrativform wajəhî eingeleitet werden, lediglich Anpassungen an den narrativen Zusammenhang und die Stellung der Formel innerhalb dieses Zusammenhangs darstellen. Das Perfekt steht in texteinleitender Position, es gehört zum Hintergrund der Erzählung, zu den Voraussetzungen für das danach Berichtete. Die mit dem Narrativ beginnende Variante integriert den Umstand, dass ein JHWH-Wort an einen Adressaten ergangen ist, in den Erzählfluss; der Wortempfang wird so Teil einer Abfolge von Ereignissen, die schon vor dem Wortempfang begannen. Die mit ’ǎšer erweiterte Form stellt lediglich eine Variante der Wortereignisformel dar, keine eigene Form (so Neumann 193, der diese Formeln als „Wortgeschehensformel“ von der Wortereignisformel abgrenzen wollte).

Allen Formulierungen liegt ein Nominalsatz zu Grunde, der das JHWH-Wort in Subjektsfunktion dem zumeist mit der Präposition ’el eingeleiteten Prädikat „an NN“ zuordnet. Alle Formulierungen fügen, da offenbar ein so zu konstruierender Nominalsatz im Biblischen Hebräisch nicht gebräuchlich war, das inhaltsärmste Verb des Biblischen Hebräisch hājāh „sein“ ein. Die Verwendung des Verbs hājāh darf darum in diesem Zusammenhang nicht überinterpretiert werden. Das semantisch unspezifischste Verb des Biblischen Hebräisch bedeutet in der Wortereignisformel nicht mehr als irgendwo sonst.

Dort, wo die Verfasser der Bibeltexte spezifischere Aussagen machen wollten, wählten sie ein anderes Verb, wie etwa in 1Sam 3,7, wo eine der Wortereignisformel ganz parallele Formulierung auftaucht, das Verb glh „enthüllen“: ûšəmû’el ṭæræm jāda‘ ’et JHWH wəṭæræm jiggālæh ’elāw dəvar JHWH „ehe Samuel JHWH erkannte und ehe ihm ein JHWH-Wort enthüllt / offenbart wurde“. An anderen Stellen wird zunächst eine Wortereignisformel verwendet, auf die im weiteren Textverlauf mit einem anderen Verb Bezug genommen wird: 1Kön 16,1 wajəhî dəvar JHWH ’el jehû’ … ‘al ba‘šā’ le’mor „das JHWH-Wort erging an Jehu … bezüglich Bascha:“ wird in 1Kön 16,7 praktisch wiederholt (mit ungewöhnlicher Stellung des Verbs): wəgam bəjad jehû’ ben ḥanānî hannavî’ dəvar JHWH hājāh ’el ba‘šā’ „auch durch Jehu ben Hanani, den Propheten erging ein JHWH-Wort an Bascha“, um dann in 1Kön 16,12 in eine Vollzugsmeldung zu münden, die abschließt mit den Worten: kidvar JHWH ’ǎšer dibbær ’el ba‘šā’ bəjad jehû’ hannabî’ „gemäß dem JHWH-Wort, das er (nämlich JHWH) geredet hatte zu Bascha durch den Propheten Jehu“. Die Sequenz zeigt sehr deutlich, dass dort, wo die Wortereignisformel steht, die Verfasser der Texte wissen, dass JHWH selber spricht, und zwar durch den Propheten. Eine ähnliche Abfolge findet sich noch in 1Kön 17,16; 1Kön 17,24. Die Formulierung devar JHWH ’ǎšer dibbær „Wort JHWHs, das er gesprochen hat“ ist mehrfach belegt (neben den bereits erwähnten Stellen in: 1Kön 2,27; 1Kön 13,26; 1Kön 14,18; 1Kön 15,29; 1Kön 16,34; 1Kön 22,38; 2Kön 1,17; 2Kön 10,17; 2Kön 20,19; 2Kön 24,2; Jes 39,8; Jer 36,4; vgl. auch Jos 8,27 mit ṣiwwāh „befehlen“ und 2Kön 23,16 mit qārā’ „rufen“). Sie bildet eine Analogie zur Variante haddāvār ’ǎšer hājāh ’el … (me’et JHWH) „das Wort, das ergangen ist an … (von JHWH)“.

4. Vergleich mit anderen prophetischen Einleitungsformeln

Die Wortereignisformel wird in Texten der biblischen Prophetie wie eine Einleitungsformel verwendet. Sie begegnet nicht bei allen Propheten, vielmehr setzt ihr Gebrauch erst mit den Prophetenbüchern Jeremia und Ezechiel ein. Die Verwendungen im → Deuteronomistisches Geschichtswerk sind wohl sämtlich nicht vor diese Bücher zu datieren (Levin, 257.279).

Im Grunde sagt die Wortereignisformel nur aus, dass ein „Wort“ von JHWH an einen Adressaten ergangen ist. Sie ist damit Teil des Erzählflusses, nicht der Rede. Ein Zitat des ergangenen „Wortes“ müsste nicht zwingend folgen. Das ist anders bei den übrigen Weisen, ein Gotteswort in den Text zu binden. Neben dem asyndetisch angefügten nə’um JHWH „JHWH-Spruch“, das ein Zitat in knappster Form dem Autor JHWH zuschreibt – und ohne dieses Zitat überflüssig ist, ist hier vor allem die → Botenformel zu nennen, aber auch die einfachen Einfügungen ’āmar / dibber JHWH „sagte JHWH“ oder wajj’omær / wajədabber JHWH „da sagte JHWH“. Die zuletzt genannten drei Ausdrücke sind die einfachsten Zitatmarkierungen der hebräischen Bibel; wie die Formel nə’um JHWH „Spruch JHWHs“ sind sie ohne ein explizites Zitat sinnlos.

Die Botenformel stellt eine Sonderform der Zitatmarkierung „’āmar NN“ dar, die an der Stelle, an der gewöhnlich das Zitat stehen müsste – nämlich am Anfang – dieses durch ein kataphorisches koh „so“ ersetzt und es dann erst im Anschluss an die Botenformel anführt. Damit rückt sie über die Angabe des Autors hinaus den Inhalt des übermittelten Wortes in den Vordergrund. In analoger, aber rein nominaler Weise tut dies die dem Zitat nachgestellte Orakelformel nə’um JHWH. Die Wortereignisformel dagegen nimmt in besonderer Weise den Adressaten in den Blick, sie teilt mit, an wen das Gotteswort ergangen ist.

5. Die Wortereignisformel und Redeeinleitungen

Alle prophetischen Redeformen und insbesondere alle prophetischen Einleitungsformeln haben ihren Ursprung in Redeweisen menschlicher Kommunikation. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die zu Grunde liegende Vorstellung, dass Gott mit Menschen in Redeform kommuniziert, ist ja selber schon eine Übernahme eines realweltlichen Vorgangs in die Sphäre des Umgangs mit dem Göttlichen. Auch die Wortereignisformel stellt einen Versuch dar, den höchst ungewöhnlichen Vorgang der Begegnung eines Menschen mit dem Transzendenten mit Hilfe eines alltäglichen Bildes in Worte zu fassen. Dass die prophetischen Redeeinleitungsformeln aus dem Alltagsgebrauch übernommen wurden, wird nur deshalb nicht unmittelbar deutlich, weil die weit überwiegende Mehrzahl der formelhaften Redeeinleitungen in der Hebräischen Bibel in prophetischen Zusammenhängen zu finden ist. Dennoch sind für alle diese Formeln auch Verwendungen in der zwischenmenschlichen Rede belegt, die den ursprünglichen Zusammenhang erkennen lassen. Zumeist sind solche realweltlichen – nicht symbolweltlichen – Verwendungen auch in Texten aus der Umwelt Israels belegt.

Wenn in 1Sam 4,1 gesagt wird „das Wort Samuels erging an ganz Israel“, so steht dahinter sicherlich das Wissen, dass Samuel Gottesoffenbarungen empfängt (1Sam 3,20.21). Dennoch ist es aus der Perspektive des Volkes Samuels Wort. Die Weise, wie ausgedrückt wird, dass ein Wort von Samuel an das ganze Volk ergeht, ist sprachlich nur geringfügig unterschieden von der Weise, wie der prophetische Wortempfang in der Wortereignisformel formuliert ist. Lediglich die verwendete Präposition ist in 1Sam 4,1 eine andere („l“ statt ’el). In 1Sam 21,9 wird die Dringlichkeit eines „Königswortes“ (hājāh dəvar hammælækh nāḥûṣ) als Grund dafür angegeben, dass David keine Waffe bei sich hat. Weder 1Sam 4,1 noch 1Sam 21,9 bieten direkte realweltliche Verwendungen der Wortereignisformel, sind ihr sprachlich jedoch sehr ähnlich. Beide Stellen können möglicherweise den situativen Zusammenhang beleuchten, in dem in derselben Weise von einer Wortübermittlung an einen Menschen gesprochen wird, wie dies in der Wortereignisformel der Fall ist: In beiden Fällen geht es um eine Direktive, die nicht ignoriert werden darf, eine Order, die beachtet werden muss.

In akkadischen Texten findet Samuel A. Meier einen Verweis auf ein „Wort des NN“ nicht nur bei Orakeln, sondern ebenso bei königlichen Befehlen und Briefen des Königs: „In Mesopotamia one may identify oracles, commands, and decisions originating with the gods as the ‚word of Ishtar’, the ‚word of Nusku’, the ‚word of Sin’, etc. The ‚word of the king’ is also widely attested in Akkadian in reference to orders and commands of the royalty. As an epistolary introduction, it is specifically a phenomenon of royal missives in the Neo-Assyrian, Neo-Babylonian, and Late Babylonian periods: ‚The words of the king to PN’, amat (abat) šarri ana PN.“ (Meier 316). Diese Verwendungen sind ein Argument für seine Einschätzung, dass auch die Wortereignisformel die theologische Beweislast, die ihr in der Exegese seit Zimmerli aufgebürdet wurde, nicht tragen kann.

Das JHWH-Wort hat in der Wortereignisformel keineswegs eine eigene, von seinem Ursprung unabhängige Macht und Wirksamkeit, die über das hinausginge, was von Worten im Alten Testament sonst ausgesagt wird. Jedenfalls gibt die Sprache keinen Anhalt zu einer so weitreichenden Deutung. Wenn nun aber deutlich ist, dass in der Wortereignisformel das Verb hājāh keine andere Bedeutung hat als sonst, dann besteht auch kein Grund mehr, hājāh mit „geschehen“ zu übersetzen, um dann aus diesem „geschehen“ wiederum einen Einbruch des Transzendenten in Gestalt des selbstwirkenden Wortes herauszulesen.

6. Wortereignisformel – Wortempfangsformel

Die Durchsicht der Vorkommen der Wortereignisformel in ihren Varianten samt weiterer ähnlicher Formulierungen zeigt, dass die fragliche Formel sich formal in das Ensemble der prophetischen Formeln einfügt und zugleich eine klare Bedeutung in innerweltlichen Sprechsituationen hat. Eine besondere metaphysische Bedeutung besitzt sie nur insofern, als ihrem Ausgangspunkt eine solche zugesprochen wird: Allein die herausgehobene Stellung JHWHs gibt dem JHWH-Wort eine über den Befehl einer hochgestellten Person hinausgehende Bedeutung. Auch die in der Formel eingesetzte Fügung, die auf einer Nominalsatz-Konstruktion basiert und diese um das Verb hājāh erweitert, bietet keinen Grund zu der Annahme, dass mit dieser Formel ein besonders ausgezeichnetes und den Rahmen der Realität sprengendes Ereignis bezeichnet wird. Neumanns (176) Einschätzung, dass „… hier der dāvār als eine dynamische Kraft wirkt, die als plötzliches Ereignis in einen Geschehenszusammenhang eingreift und ihm eine andere, unvorhergesehene Richtung gibt …“ erweist sich als Überinterpretation. Vielmehr geht es lediglich um die Feststellung des Empfangs einer Mitteilung. Insofern erscheint die Bezeichnung „Wortempfangsformel“ deutlich angemessener als die Bezeichnung „Wortereignisformel“.

Der weltliche Hintergrund der Formel dürfte für das Verständnis der Formel weiter tragen als die Deutung auf der Grundlage einer weitreichenden theologischen Interpretation des Gotteswortes, die dessen Ereignischarakter betont und es nahe an eine Hypostase JHWHs heranrückt (vgl. dazu das Zitat aus Zimmerli unter 3.). Zimmerli, der die Bezeichnung „Wortereignisformel“ in seinem Kommentar zum Buch Ezechiel einführte, berief sich hierfür auf Grether und stellte die Frage „soll man von einer in den Prophetenkreisen herausgebildeten ‚prophetischen Wort-Theologie‘ reden?“ (89). Die Frage wurde in der Folge unter dem Eindruck der Wort-Gottes Theologie häufig wie eine rhetorische Frage verstanden und in der Folge wurde das JHWH-Wort der Wortereignisformel ganz nahe an den Logos des Prologs zum Johannesevangelium (Joh 1,1-16) herangerückt. Damit aber wird die Wortereignisformel theologisch überfrachtet.

Erhellender dürfte es sein, dass die Verwendungen dieser Formel eher in den Zusammenhang einer Gottesvorstellung gehören, die den sozialen Rahmen des Königshofes als Bild zitiert, das Friedhelm Hartenstein für andere Zusammenhänge bereits als den Bildzusammenhang identifiziert hat, in dem in vielen Fällen Gott in seiner Beziehung zu den Menschen imaginiert wird (Hartenstein). Das Überwältigende in der Begegnung eines Menschen mit dem Transzendenten, das andere Texte (z.B. Jes 6 oder die Konfessionen Jeremias) zum Ausdruck bringen, wird in der Wortereignisformel eher heruntergespielt. In denkbar kargen Worten wird die Distanz, die hier überbrückt wird, in der Gestalt eines amtlich registrierten Kommunikationsaktes zum Ausdruck gebracht. Dass es sich dennoch gerade nicht um banale Kommunikation handelt, wird aus dem Umstand deutlich, dass die Analogien außerhalb des prophetischen Zusammenhanges auf die Kommunikation verweisen, die der König mit seiner Umgebung pflegt. Es spricht aber doch alles dafür, dass nicht ein selbständig agierendes Wort in der Wortereignisformel zum Ausdruck kommt, sondern dass der Umstand, dass Gott selber redet, dem empfangenen Wort Gewicht verleiht.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004 (Art. „Wort Gottes“)
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Bibeltheologisches Wörterbuch, Graz 1994 (Art. „Wort Gottes”)

2. Weitere Literatur

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  • Hartenstein, F., 2008, Das Angesicht JHWHs (FAT 55), Tübingen
  • Koch, K., 1997, The Language of Prophecy: Thoughts on the Macrosyntax of the dĕbar YHWH, in: H.T.C. Sun / K.L. Eades (Hgg.), Problems in Biblical Theology (FS R. Knierim), Grand Rapids, 210-221
  • Krispenz, J., 2011, Überlegungen zur Typologie von Nominalsätzen im biblischen Hebräisch, ZAH 21-24, 35-54
  • Levin, C., 2004, Das Wort Jahwes an Jeremia. Zur ältesten Redaktion der Jeremianischen Sammlung, ZThK 101, 257-280
  • Meier, S.A.,1992, Speaking of Speaking. Marking Direct Discourse in the Hebrew Bible (VT.S XLVI), Leiden / New York / Köln
  • Müller, W., 2012, Art. „ergehen“, in: Das Wörterbuch deutscher Präpositionen. Die Verwendung als Anschluss an Verben, Substantive, Adjektive und Adverbien, Berlin / New York, 616-617
  • Neumann, P.K.D., 1973, „Das Wort, das geschehen ist …“. Zum Problem der Wortempfangsterminologie in Jer. I-XXV, VT XXIII, 171-217
  • Parunak, H. Van Dyke, 1994, Some Discourse Functions of Prophetic Quotation Formulas in Jeremiah, in: R.D. Bergen (Hg.), Biblical Hebrew and Discourse Linguistics, Winona Lake, 489-519
  • Seidl, T., 1977, Datierung und Wortereignis, BZ 21, 23-44
  • Zimmerli, W., 1969, Ezechiel (BK.AT XIII), Neukirchen-Vluyn

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