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Wechselgesang

(erstellt: Januar 2009)

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1. Begriff

Wechselgesang bezeichnet eine musikalische Aufführungspraxis (→ Musik) von → Psalmen und Liedern, an der zwei Sprecher oder Sprechergruppen beteiligt sind. Der Begriff „Wechselgesang“ gibt vielleicht das hebräische Wort מַשְׂכִּיל maśkîl wieder, das alttestamentlich 14-mal in den Psalmen belegt ist und außer in Ps 47,8 immer als Überschrift zu verschiedenen Psalmengattungen fungiert. Diese Deutung setzt eine Ableitung des Begriffs von שׂכל II śkl Hif. „überkreuzen“ voraus (Koenen, 1991, 109ff; ders., 1993, 793f; anders Seybold, 133f; Hossfeld / Zenger, 65), doch ist auch eine Herleitung von שׂכל I śkl Hif. möglich (so die ältere Standarddeutung etwa im HALAT, 605; THAT II, 824): Von der Bedeutung „einsichtig sein“ kommt man dann zu „Kunstlied“, von „einsichtig machen“ zu „Lehrgedicht“ und von „Erfolg haben“ zu „Schlager“.

2. Vorgang

Unabhängig von der Überschrift מַשְׂכִּיל maśkîl setzen einige Psalmen eine wechselseitige Vortrags- bzw. Inszenierungspraxis – etwa als kantillierender Sprechgesang – voraus. Dies gilt z.B. für die nach dem Schema „Frage – Antwort“ angelegten Ps 15 oder Ps 24. Zu beachten sind aber auch Refrains oder „Zwischenrufe“ wie Sela (z.B. Ps 3,3); später werden diese Muster in Texten wie Ps 106,48 / 1Chr 16,36; Ps 118,1-4; Ps 136 freilich rein literarisch verwendet – der Psalter ist nicht das Gesangbuch des zweiten Tempels, sondern ein Lesebuch für Torafromme. Daneben wird auch von himmlischen Wechselgesängen berichtet (z.B. Jes 6,3; Apk 4,8ff.; Apk 5,9f; Apk 7,10ff.; Apk 19,1ff.). In die synagogalen und kirchlichen Liturgien der nachbiblischen Zeit finden dann zahlreiche biblisch inspirierte Wechselgesänge Eingang.

3. Trägerkreise

Historisch und soziologisch besitzt der Wechselgesang als Teil der Kultmusik seine Verankerung wahrscheinlich vorab am Jerusalemer Tempel und den dortigen (levitischen) Tempelsängern; solche Sängergilden fungieren später (und im Rückblick) auch als Psalmentradenten (z.B. → Asaf: Ps 50; Ps 73-83; → Korach / Korachiter: Ps 42-49; Ps 84f.; Ps 87f.).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965 (Art. Wechselgesang)
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979 (Art. Chor)
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff (Art. שָׂכַל)
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 3. Aufl., München / Zürich 1978-1979 (Art. שׂכל)
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007 (Art. Wechselgesang)
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003 (Art. Wechselgesang)

2. Weitere Literatur

  • Braun, J., 1999, Die Musikkultur Altisraels / Palästinas. Studien zu archäologischen, schriftlichen und vergleichenden Quellen (OBO 164), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
  • Geiger, M. / Kessler, R. (Hg.), 2007, Musik, Tanz und Gott. Tonspuren durch das Alte Testament (SBS 207), Stuttgart
  • Hossfeld, F.-L. / Zenger, E., 2000, Psalmen 51-100 (HThK), Freiburg u.a.
  • Keel, O., 1996, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, 5. Aufl., Göttingen, 313-327
  • Koenen, K., 1991, Maśkîl – „Wechselgesang“. Eine neue Deutung zu einem Begriff der Psalmenüberschriften, ZAW 103, 109-112
  • Koenen, K., 1991, Art. שׂכל II śkl, in: ThWAT, Bd. VII, Stuttgart, 781-795
  • Seybold, K., 1996, Die Psalmen (HAT I/15), Tübingen
  • Staubli, T., 2007, Musik in biblischer Zeit und orientalisches Musikerbe. Mit Beiträgen von A. Marti, S. Schroer und D. Shehata, Freiburg (Schweiz)

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