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(erstellt: April 2009)

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1. Begriff

Der in der Ägyptologie übliche Begriff „Uräus“ geht auf das griechische Wort uraios zurück, das Horapollo in seiner spätantiken Schrift zur Erklärungen der Hieroglyphen (Hierogylphica I 16) als ägyptische Bezeichnung einer Schlangenhieroglyphe mitteilt; vielleicht liegt ägyptisch wr(r).t „Uräusschlange“ zugrunde. Horapollo übersetzt das Wort mit basiliskos „kleiner König / Königsschlange“ (→ Basilisk). Heute versteht man unter „Uräus“ die Schlange, die in der ägyptischen Kunst vor allem an der Stirn, aber auch an anderen Teilen des Ornats von Königen und Königinnen sowie von Gottheiten und an Gebäuden angebracht wurde.

2. Zoologie

Dem Uräus liegt, zoologisch gesehen, eine der Speikobraarten (Naja mossambica oder Naja nigricollis) zugrunde, die dem Opfer ihr Gift ins Gesicht spritzen.

3. Uräus in Ägypten

3.1. Mythologie

Von den Ägyptern wurde das Speien von Gift als Spucken von Feuer verstanden. Damit bot sich die Uräusschlange als mächtige Waffe zur Abwehr und Vernichtung des Bösen an. Die Ausbildung dieser ägyptischen Vorstellung fällt bereits in die vorgeschichtliche Zeit.

Seit dem Alten Reich ist die Uräusschlange nicht nur häufig belegt, sondern bereits in vielfältige mythologische Zusammenhänge, Gleichsetzungen und Umdeutungen eingebettet. Eine besondere Rolle spielen dabei die (Flammen)-Augen und die Kronen: Augen, Kronen und Schlangen sind letztlich verschiedene Ausprägungen derselben Göttin, von denen Uto, die Kronengöttin Unterägyptens, eine der wichtigsten ist. Ein Abschnitt aus dem berühmten Horusmythos (→ Horus) von → Edfu erklärt die Funktion der Göttinnen Uto und Nechbet als Uräen an der geflügelten Sonnenscheibe (vgl. Abb. 1) so:

„Und Horus Behedeti (= Horus von Edfu) verwandelte sich in die Flügelsonne auf dem Dach der Barke des Re (= des Sonnengottes). Er gesellte Nechbet und Uto zu sich als die beiden Uräusschlangen, welche die Feinde an ihren Leibern erzittern lassen.“ (Kurth, 1994, 213).

Doch auch viele andere Göttinnen konnten mit der Uräusschlange gleichgesetzt werden und die Hieroglyphe der aufgerichteten Kobra kann als allgemeines Deutzeichen (Determinativ) für Göttinnen stehen.

3.2. Kunst

Was die Darstellungen anbelangt, so erscheint im Alten Reich der Uräus zunächst an der Stirn der Göttin Uto und am Stirnband oder Kopftuch des Königs. Seit dem Mittleren Reich findet sich der Uräus auch an den Kronen des Königs (vgl. Abb. 2), des Verstorbenen sowie an der Geierhaube von Königsgemahlinnen. Götter tragen den Uräus, von vereinzelten früheren Ausnahmen abgesehen, erst seit der 19. Dynastie generell. So war der Uräus schließlich allgemein verbreitet und konnte mit jeder ägyptischen Krone verbunden werden.

Es gibt sogar Doppeluräen (Königinnen der 18. Dynastie [in der Ptolemäerzeit auch mit Dreifachuräus], Könige der 25. Dynastie; Sonnenscheibe [vgl. 3.1], Kriegsgott Month u.a. Götter und Göttinnen). In noch größerer Anzahl können Uräen z.B. am Gürtelgehänge des ägyptischen Königs, als Uräenkalathos der ägyptischen Königin oder als Uräenfries in der Architektur erscheinen.

Auf die je nach Epoche unterschiedlichen ikonographischen Details hinsichtlich Vorkommen, Proportion, Form, Binnenzeichnung, Profil, Befestigung, Gestalt der Windung(en), Kronen des Uräus usw. kann hier nicht eingegangen werden (vgl. Evers 1929).

Uräen (auch geflügelte) gibt es ferner z.B. als Amulette oder als Darstellung auf Skarabäen (→ Amulett). Verschiedene Uräusschlangen bevölkern auch die Unterwelt, wo sie vor allem den Sonnengott während seiner Nachtfahrt beschützen und seine Feinde vernichten.

3.3. Andere Schlangengöttinnen

Ursprünglich nichts mit dem Uräus zu tun haben Göttinen, die in Gestalt einer Kobra verehrt wurden wie z.B. die thebanische Nekropolengöttin Meresger oder die Fruchtbarkeits- und Erntegöttin Renenutet (= Thermuthis).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Berlin 1952
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992

2. Weitere Literatur

  • Ashton, S.-A., 2005, The Use of the Double and Triple Uraeus in Royal Iconography, in: A. Cooke / F. Simpson (Hgg.), Current Research in Egyptology II. January 2001, BAR International Series 1380, Oxford, 1-9
  • Erman, A., 1911, Hymnen an das Diadem der Pharaonen: aus einem Papyrus der Sammlung Golenischeff (APAW.PH 1911, Abh. 1), Berlin
  • Evers, H. G., 1929, Staat aus dem Stein: Denkmäler, Geschichte und Bedeutung der ägyptischen Plastik während des Mittleren Reichs, Bd. 2, München, 21-28
  • Johnson, S. B., 1990, The Cobra Goddess of Ancient Egypt, London / New York 1990
  • Kurth, D., 1994, Treffpunkt der Götter. Inschriften aus dem Tempel des Horus von Edfu, Zürich / München
  • Leitz, C., 1997, Die Schlangennamen in den ägyptischen und griechischen Giftbüchern (AAWLM.G 1997, Nr. 6), Stuttgart
  • Russmann, E. R., 1997, Vulture and Cobra at the King’s Brow, in: Goring, E. / Reeves, N. / Ruffle, J. (Hgg.), Chief of Seers. Egyptian Studies in Memory of Cyril Aldred, London / New York, 266-284

Abbildungsverzeichnis

  • Geflügelte Sonnenscheibe mit zwei Uräen (Pylon des Tempels von Edfu; 3. Jh. v. Chr.). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2005)
  • Kopf einer Statute von Ramses II. (1279-1213 v. Chr.). Aus: Greßmann, H., 2. Aufl. 1927, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl., Abb. 99

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