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Unterweltvorstellungen und Jenseitsliteratur (Ägypten)

(erstellt: Juni 2007)

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1. Grundlagen

1.1. Regeneration und Seelenvorstellungen

Einen Platz in der Welt der Götter zu finden, mit der bereits zu Lebzeiten durch den Kult kommuniziert werden konnte, ist die gesamte Geschichte Altägyptens hindurch das Ziel seiner Bewohner für ein Leben nach dem Tod. Diese Welt der Götter charakterisiert sich über alle zeitlichen und lokalen Ausprägungen hinweg durch regelmäßig wiederkehrende Regeneration, die ihren Bewohnern eine fortdauernde Existenz bis ans Ende der Zeit garantiert (zu dieser und anderen Grundstrukturen der ägyptischen Jenseitsreligion vgl. vielleicht am besten Hornung, 1992). Die Regeneration betrifft als Erstes ganz unmittelbar den Körper, der im Jenseits seine Lebensfunktion zurückerhalten soll. Deshalb versucht man schon früh, die Leichen durch → Mumifizierung zu konservieren (zu den Anfängen der Mumifizierung s. Germer, 1991, 27-37). Gleichzeitig können auch Bilder, insbesondere Statuen, als jenseitiger Körper dienen. Grabstatuen waren die Empfänger des zu allen Zeiten der ägyptischen Geschichte wesentlichen Opferkults für den Verstorbenen, dessen Ernährung und damit körperliches Fortleben rituell gewährleistet werden sollte.

Das Erleben des körperlichen Tods hat aber klargemacht, dass die erhoffte Existenz ein für alle Male nicht mehr in unserer Welt stattfindet. Die Opferstelle am Grab ermöglicht zwar den Kontakt zwischen Diesseits und Jenseits, doch der leblose Körper ruht im Grab und damit in der Unterwelt, die er in dieser Form nicht verlassen kann. Die gewünschte Fähigkeit ungehinderter Fortbewegung, sogar zwischen Jenseits und Diesseits, ist dem Ba (b’) vorbehalten, der frei beweglichen Komponente des Menschen (und auch der Götter; → Ba). Der Ba kann sich an jeden beliebigen Platz begeben, zudem kann er der Mumie oder einem Kultbild einwohnen und diese so mit der Persönlichkeit des Dargestellten erfüllen. Das Wort Ba wird manchmal mit „Seele“ übersetzt – eine Behelfsübersetzung, denn es gibt noch weitere nicht-körperliche Komponenten oder Aspekte des Menschen, insbesondere Ka und Ach.

Mit dem Ka (k’) (s. z.B. Kaplony, 1980) verfügt der Mensch über eine Art doppeltes Ich, seine Lebenskraft (ein mögliches Wort für „Nahrung“ lautet ebenfalls k’).

Anders als Ba und Ka (außerdem Schatten, Namen, Leichnam, Herz) beschreibt das Wort Ach weniger eine Komponente des Menschen als einen Zustand. Die Formulierung „mein / dein / sein / ihr Ach“ ist entsprechend selten. Die traditionelle Übersetzung „Verklärter“ geht fälschlicherweise von einem Zusammenhang mit j’ch „leuchten“ aus. Tatsächlich bezeichnet das Adjektiv ’ch eine „Wirksamkeit mit verborgener Ursache“ (Jansen-Winkeln, 1996). Ein Ach ist der Verstorbene, wenn er wieder unabhängig agieren kann. s’chw-Riten („Verklärungen“) versetzen einen Menschen oder Gott in den ’ch-Zustand, weshalb die Rezitation entsprechender Texte einen wesentlichen Teil des Bestattungsrituals ausmacht.

Die Vorstellungen von einer Existenz im Jenseits reichen von einer bescheidenen Position im Gefolge eines Gottes bis zur direkten Identifikation mit dem Sonnengott selbst. Der irdische Status des Verstorbenen spielt in dieser jenseitigen Hierarchie keine besondere Rolle (ohnehin stammen fast alle ausführlichen Zeugnisse zu den ägyptischen Jenseitsvorstellungen aus der „Oberschicht“). Entscheidender ist der soziale Rang für die mehr „irdischen“ Aspekte der nachtodlichen Existenz: Fortleben im Gedächtnis der Nachwelt, Reichhaltigkeit von Opferzuwendungen und dergleichen.

1.2. Das Jenseits als Abbild und Gegenbild des Diesseits

Vorbild für die Regeneration der Götterwelt sind natürliche Phänomene, zumeist astronomische. Im Umlauf der Gestirne mit abwechselnden Phasen von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit verkörpern sich Altern und Wiederverjüngung. Am prägnantesten ist die tägliche scheinbare Fahrt der Sonne von Osten nach Westen über den Himmel und nachts zurück zum Osthorizont. Deswegen ist der „Westen“ seit alters eine Bezeichnung des Totenreichs, während der Osthorizont zum Ort der Regeneration schlechthin wird, durch den man wie der Sonnengott in ein neues Leben hinaustreten möchte. Aber auch der Mond, verschiedene Sterne, die Planeten, die jährliche Nilflut und eng an diese gekoppelt der Fruchtbarkeitszyklus der Pflanzen haben Vorstellungen von jenseitiger Erneuerung angeregt. Dagegen finden sich die körperlichen Unzulänglichkeiten des Toten auf den im Jenseits ruhende Totengott (meist → Osiris) projiziert, der dadurch zum Prototyp jedes Leichnams wird (diese Aspekte sind communis opinio, vgl. z.B. Rößler-Köhler, 1980 oder Derchain, 1999).

Für die mögliche Stellung des Verstorbenen unter den Göttern hat offensichtlich die vom König und seiner Verwaltung ausgehende Hierarchie des ägyptischen Staats als Vorbild gedient. So sind der Sonnengott → Re und der Totengott → Osiris von ihrem Gefolge umgeben, in das man sich einreihen möchte (Belege bei Leitz, 2002, VII, 89 bzw. 90); wie unwirsche Palastwachen erschweren Wächter-Dämonen den Zutritt in die Nähe des Gottes (dazu Leprohon, 1994) und manches mehr.

Das Jenseits ist aber nicht nur ein bloßes Abbild des Diesseits, sondern auch dessen ergänzendes Gegenbild. Daher rühren Vorstellungen vom Jenseits als „verkehrter Welt“, in der die Gesetze von Raum und Zeit aufgehoben bzw. umgekehrt sind (zu diesem Aspekt Hornung, 1992, 129). Dies drückt sich in den oft gekrümmten Wegen der Unterwelt aus oder in der Gefahr, auf dem Kopf stehen und Exkremente essen zu müssen. Doch drohen diese Risiken nur den Feinden des Sonnengottes, die ihnen nicht gewachsen sind, weil sie sich außerhalb der Weltordnung m’‘t befinden (→ Maat). Den Göttern und den von ihnen akzeptierten Verstorbenen ermöglicht diese Gegenwelt die der irdischen Zeit zuwiderlaufende Verjüngung.

1.3. Zum Nebeneinander unterschiedlicher Vorstellungen

Die vorangehende Aufzählung zeigt ein wesentliches Charakteristikum der ägyptischen Religion aller Epochen auf: die Kombination unterschiedlicher Vorstellungen hinsichtlich bestimmter Ereignisse im Jenseits, des Gebiets, in dem sich diese vollziehen, der Stellung des Verstorbenen, ja sogar der Namen von Göttern. Die scheinbaren Widersprüchlichkeiten gehen so weit, dass der Verstorbene als Erbe des Osiris auftreten kann, obgleich er als Toter selbst ein Osiris geworden ist (z.B. Backes, 2005, 414f.). So regeneriert er sich selbst als sein eigener Nachfolger. Auf den modernen Betrachter mögen solche Vorstellungen „unlogisch“ wirken, eine Akzeptanz des dahinter stehenden Denkens ist aber unabdingbar für das Verständnis der altägyptischen Religion insgesamt. Mit Audrücken wie „multiplicity of approaches“ (Henri Frankfort) oder „komplementärer Logik“ (Erik Hornung) hat die ägyptologische Forschung der vergangenen Jahrzehnte Formulierungen angeboten, die dem modernen Betrachter den Zugang zu einer uns in wesentlichen Zügen nicht mehr vertrauten Denkweise erleichtern können. Die unterschiedlichen Vorstellungen vom Jenseits können jede auf ihre Weise einen besonderen Aspekt veranschaulichen, was ihnen jeweils eine eigene Gültigkeit verliehen hat. Komplexe Kompositionen von Texten und Bildern versuchen immer wieder eine Synthese, wobei wiederum verschiedene solcher Synthesen oft genug in ein und demselben Grab, sogar in einem einzigen Text, zu finden sind.

1.4. Jenseitige Topographie

In Übereinstimmung mit dem soeben Gesagten informieren uns die verschiedenen Bezeichnungen jenseitiger Regionen weniger über deren Lokalisierung im Jenseits; es handelt sich eher um Funktionsbezeichnungen. Z.B. ist das „Opfergefilde“ ein paradiesischer Ort, an dem die Verstorbenen von den ihnen zugewiesenen Speisen leben können; das oft als Gegenstück betrachtete „Binsengefilde“ ist der fruchtbare Ort, wo im Jenseits Ackerbau betrieben und so die Versorgung seiner Bewohner unabhängig von irdischen Kulten sichergestellt wird. Anstatt solche Bereiche verschiedenen Regionen des Jenseits oder konkret des Himmels zuzuordnen (zuletzt Krauss, 1997) sollte man sie als Bezeichnung ein und desselben sehen: eines dem irdischen Niltal ähnlichen Fruchtlands, in dem es sich in Ewigkeit gut leben lässt. Weil aber solch eine Region der Regeneration dient, ist sie gerne in Horizontnähe angesiedelt worden. Entsprechend ist das jenseitige Land Rasetjau (r’-sṯ’w) eine dem gleichnamigen Friedhof von Memphis ähnliche jenseitige Nekropole, in der sich das Grab des Totengottes, des Prototyps aller regulär bestatteten Verstorbenen, befindet.

1.5. Gefahren im Jenseits, Totengericht

Zu dem sehr irdisch wirkenden Jenseits des alten Ägypten gehören trotz des manchmal wunderlichen Aussehens seiner Bewohner entsprechend irdisch aussehende Gefahren. Da der Sonnengott sich zu Schiff fortbewegt, drohen ihm die Gefahren der Schifffahrt, insbesondere Unwetter und Sandbänke (zahlreiche Beispiele u.a. in Sargtexten, Totenbuch und Unterweltsbüchern). Dem Toten seinerseits kann alles Mögliche zustoßen, was auch auf Erden gefährlich ist. Neben unmittelbarer Gefahr für den Leichnam (Verwesung) gilt es, Feinde aller Art abzuwehren. Z.B. möchte man als Vogel emporfliegen (ein Symbol freier Beweglichkeit), ohne in die Netze von Jägern zu geraten (Totenbuch-Kapitel 153: Übersetzung bei Hornung, 1979, 324-331). Es versteht sich, dass derartige sehr diesseitig wirkende Gefahren oft genug Bilder für sonst schwer Auszudrückendes sind. Es besteht beispielsweise die Gefahr, seine „Energie“ (ḥk’, meist als „Zauber[kraft]“ übersetzt) zu verlieren. Sinnbild für den Verlust ist ein Krokodil, das sich von dieser wichtigen „Kraft“ der Menschen ernährt und sie ihm wegschnappt (Totenbuch-Kapitel 31-32: Übersetzung bei Hornung, 1979, 98-101). Besonders häufig erscheinen Wächter, die beim Zutritt zu den Göttern, insbesondere zum Horizont, zu überwinden sind (Beispiele passim).

Ein anscheinend nicht ganz seltenes, in jedem Fall beeindruckendes Ungemach für die ägyptischen Staatsbediensteten, aus deren Umwelt ja im Wesentlichen unsere Quellen stammen, war ein Gerichtsprozess. Immer wieder ist in den Texten von der Überlegenheit über Feinde oder den Feind die Rede, oft weniger im Sinne angewandter Gewalt als im Sinne eines Siegs vor Gericht. Dabei geben die Quellen keinen bestimmten Anlass für den Prozess an, wenn nicht der Streit zwischen dem Totengott Osiris und dessen Sohn Horus gegen ihren Widersacher Seth gemeint ist. Da sich der Verstorbene beiden Göttern angleicht, muss er wie diese gegen seinen Feind vor einem Tribunal obsiegen. Mit der Zeit entwickelt sich aus der allgemeinen Prozess-Idee die Vorstellung eines → Totengerichts, in dem sich jeder Verstorbene vor dem Totengott Osiris und dessen Richterkollegium für seine Taten auf Erden zu verantworten hat (s.u., 2.3.1.).

1.6. Religion und Magie, Wissen für das Jenseits

Neben der Verewigung seines irdischen Lebens sowie von Ritualen zu seinen Gunsten erfüllen die zahlreichen Texte und Darstellungen in den Gräbern vor allem den Zweck, den Verstorbenen mit dem nötigen Wissen für das Jenseits auszustatten: bebilderte Beschreibung jenseitiger Orte und Sprüche, um die dort drohenden Gefahren abzuwehren. Nachschriften zu den Texten betonen deren Nutzen denn auch oft mit der einleitenden Formulierung: „Wer diesen Spruch kennt, der…“ (passim, z.B. nach einigen Kapiteln des Totenbuchs, vgl. Hornung, 1979, 120, 129, 148, 153 u.a.).

Die sehr irdische Form, die man den drohenden Gefahren gab, erlaubt eine entsprechend irdische Abwehr. So können die genannten Wächter überwunden werden wie „im richtigen Leben“: durch Überredung oder durch Drohungen. Ein Fährmann, der an die Stelle der Tore mit Wächtern treten kann und sich zunächst weigert, den Verstorbenen überzusetzen, wird dadurch überzeugt, dass man sein Schiff genau kennt, dessen Bestandteile zum Teil mit Gottheiten identifiziert, in jedem Fall aber personifiziert werden. Schlangengestaltige Feinde werden wie Schlangen beschworen: Ihr Gift ist unwirksam, sie kriechen fort oder werden erlegt (Abb. 1). Von auf Erden verwendeten „magischen“ Sprüchen sind solche Abwehrzauber in Form und Formulierungen nicht zu unterscheiden; einziger Unterschied ist die Lokalisierung der Sprech-Situation im Jenseits. Die moderne Unterscheidung zwischen Religion und Magie greift hier also nicht: Den tiefschürfenden Ideen von ewiger Regeneration durch Sonnengott und Osiris einerseits sowie den Zaubersprüchen gegen finstere Dämonen andererseits liegt dasselbe facettenreiche Jenseits zugrunde.

2. Historische Entwicklung

2.1. Frühzeit und Altes Reich (1.-6- Dynastie, 3000-2000 v. Chr.)

Seit der Steinzeit weist die Blickrichtung der bestatteten Körper gen Osten oder Westen auf den Sonnenlauf als zentrales Symbol für Tod und Wiedergeburt. Das Totenreich wird dementsprechend mit dem Sonnenuntergang in Zusammenhang gebracht und schon in frühen Texten gern als „(schöner) Westen“ bezeichnet (ein Überblick bei Murray, 1956). Die Nekropolen liegen grundsätzlich auf dem Westufer des Nils, woran sich in allen Zeiten nur in Ausnahmefällen etwas ändern wird. Die Gräber sind mit Nahrung und Utensilien der Körperpflege ausgestattet und belegen so die Hoffnung auf eine körperliche Fortexistenz. Als Häuser für die Ewigkeit nehmen sie immer mehr Elemente der Wohnarchitektur auf.

Verschiedene Totengötter sind bezeugt, oft als Herren einer bestimmten Nekropole (Chontamenti in → Abydos, Sokar im memphitischen Raum). Im Verlauf des späteren Alten Reichs werden sie fast alle mit → Osiris verbunden. Oft angerufen wird außerdem der canidengestaltig vorgestellte Anubis (die landläufige Bezeichnung als Schakal ist unzutreffend), der als göttlicher Balsamierer eine wesentliche Rolle im Geschehen um den Leichnam verkörpert.

Die hoch aufragenden Pyramiden zeugen seit der 3. Dynastie von der Hoffnung des Königs auf eine Existenz am Himmel. Mit den seit Unas, dem letzten Herrscher der 5. Dynastie, in den Kammern der königlichen Gräber angebrachten → Pyramidentexten verfügen wir dann über die ältesten ausführlichen Quellen zur Jenseitsreligion überhaupt, die neben Ritualtexten zu Opferhandlungen und Beschwörungen zur körperlicher Wiederbelebung viele Vorgänge im Jenseits schildern oder zumindest andeuten. Der als Osiris bezeichnete tote König strebt eine herausragende Position als Herr der Götter an, wobei ein Schwerpunkt der Vorstellungen auf ein Dasein als „unvergänglicher“ Stern am Nachthimmel abzielt. Von dort aus ist eine Existenz mit dem Sonnengott und eine Ausfahrt mit diesem (bzw. als dieser) an den Tageshimmel möglich. Schon diese frühe Textsammlung ist aber in sich heterogen und transportiert verschiedene, sich zum Teil direkt widersprechende Vorstellungen. Insgesamt spielt aber das unterirdische Jenseits eine viel geringere Rolle für den König.

Wesentliche Bereiche des Jenseits bilden das Opfer- und das Binsengefilde, zu denen der toten König übersetzen will. Dort erwarten ihn materielle Versorgung und Regeneration. Viele Angaben über astronomische Vorgänge lassen auf einen sehr direkten Bezug zu sichtbaren Phänomenen schließen, doch erweist sich die diesbezügliche Forschung als überaus schwierig (Krauss, 1997). Größer als in späteren Epochen ist der Anteil von Sprüchen aus dem Opferritual für den verstorbenen König, eine Verewigung der irdischen Darreichung von Speis und Trank, Kleidung etc.

Das Jenseits der Pyramidentexte ist für den König reserviert, seit Ende der 6. Dynastie auch für wenige Frauen der Königsfamilie, in deren Gräbern dann Pyramidentexte angebracht werden. Über den Jenseitsglauben der hohen Beamten und der übrigen Bevölkerung wissen wir demgegenüber viel weniger. Deutlich ist aber die Anlage der Gräber von Beamten um das ihres Königs herum, so dass sie auch im Jenseits in dessen Gefolge an seinem positiven Schicksal teilhaben können. Ausführliche Opferlisten und Darstellungen des Grabherrn vor einem Opfertisch sowie die Scheintür als Durchgang aus dem Jenseits genau zur Opferplatte zeigen in jedem Fall die zentrale Bedeutung der rituellen Versorgung, damit der Tote „auf den Wegen des schönen Westen wandeln“ konnte, wie es in einem Opfergebet heißt. Die kurzen Opfergebete („Opferformeln“) enthalten noch die meisten Anspielungen auf die Jenseitsvorstellungen dieser Zeit (eine Zusammenstellung bei Barta, 1968).

2.2. Erste Zwischenzeit und Mittleres Reich (7.-13. Dynastie, 2200-1650 v. Chr.)

2.2.1. Die Sargtexte

Entscheidende Neuerung in der Religionsgeschichte der Ersten Zwischenzeit ist die Übernahme königlicher Jenseitsvorstellung durch Privatleute. Besonders deutlich zeigt sich dieser Wandel in der Bezeichnung „Osiris“ für jeden Verstorbenen. Grabkammern und insbesondere Särge werden mit den ehemals königlichen Pyramidentexten und vielen weiteren, diesen ähnlichen Texten beschriftet. Die Verbreitung und Weiterentwicklung dieser → „Sargtexte“ beschränkt sich nun nicht mehr auf die königliche Residenz, sondern reicht mit regionalen Schwerpunkten vom Nildelta bis nach Assuan. Dabei können die einzelnen Särge jeweils nur eine kleine Auswahl aller bekannten Texte bieten. Im Rahmen dieses Textkorpus gibt es erstmals längere Kompositionen, die manchmal Bilder zu den Texten hinzufügen – eine Visualisierung des Jenseits, die in den Totenbuch-Vignetten und den Unterweltsbüchern des Neuen Reichs intensiviert und weiterentwickelt werden wird.

Ausführlichstes und berühmtestes Beispiel ist das in Mittelägypten zusammengestellte „Zweiwegebuch“ (ältere Fassung: Sargtexte 1029-1130), in dem verschiedene Vorstellungen vom Vordringen des Verstorbenen zu Osiris und v.a. zum Sonnengott gesammelt und teilweise miteinander kombiniert sind (Backes, 2005). Hier und in den gleichzeitigen Texten über das Opfergefilde (Sargtexte 464-468) treffen wir erstmals auf bildliche Darstellungen jenseitiger Gebiete (Abb. 2). Dem Verstorbenen werden dabei die für das Finden des rechten Wegs und die Überwindung der Wächter notwendigen Informationen und Sprüche an die Hand gegeben. Wichtig sind auch die zahlreich überlieferten „Schu-Sprüche“, in denen der Verstorbene als Ba des Gottes Schu und Erbe des uranfänglichen Sonnengottes Atum eine aktive Rolle bei der Wiederbelebung seines Vaters und damit der gesamten Welt und auch sich selbst spielt. Im Übrigen sind zu dieser Zeit schon die meisten der in Abschnitt 1.5 erwähnten Gefahren zu bestehen.

2.2.2. Neuerungen

Neben den alten königlichen Wunsch nach sternenhafter Existenz am Nachthimmel (Wallin, 2002) tritt in den Sargtexten deutlicher die Nachtfahrt des Sonnengottes, an dessen Verjüngung im Osthorizont der Verstorbene teilhaben möchte. Dabei wird die Begegnung von Sonnengott oder dem Verstorbenen als dessen Stellvertreter mit dem Totengott Osiris als Vereinigung von Ba und Leichnam zu einem wesentlichen Ereignis. Lange hat man die Ausarbeitung dieser Vorstellung als Produkt des Neuen Reichs betrachtet, das durch seine Verbindung der angeblich konkurrierenden Vorstellungen um Sonnengott und → Re die großartigste Synthese der altägyptischen Religion darstelle (z.B. Eliade, 1978, 108-112). Tatsächlich ist aber diese Vorstellung mit allen ihren wesentlichen Elementen schon im Mittleren Reich belegt (Bickel, 1998). Neben der Begegnung zwischen Sonnengott und Osiris ist dies v.a. die Abwehr des schlangengestaltig dargestellten → Apophis, der die Fahrt des Sonnengottes aufhalten will (s.u., 2.3.2., Abb. 4). Auch die Vorstellung eines Jenseitsgerichts ist greifbar (Grieshammer, 1970; Seeber, 1980).

Ob die sog. „Osirianisierung“, also die Zunahme deutlicher Elemente des „Osiris-Glaubens“ im Verlauf des Mittleren Reichs gleichzeitig eine Zurückdrängung des am Sonnengott orientierten Jenseits bedeutet, muss angesichts zu weniger Quellen offen bleiben. Mit der späten 12. Dynastie werden nämlich die Sargtexte seltener, und aus den Pyramidenanlagen der Könige des gesamten Mittleren Reichs ist kein Textgut erhalten, so dass sich die sie betreffenden Vorstellungen nur anhand der architektonischen Veränderungen ihrer Gräber erahnen lassen. Eine zunehmend komplexere Ausarbeitung des unterirdischen Elements ist hier in der Tat zu beobachten; da aber die Grabarchitektur hauptsächlich den seit jeher als in der Unterwelt ruhend betrachteten Körper betrifft, kann sie über die den Ba betreffenden Ideen kaum etwas aussagen. Festzuhalten ist in jedem Fall, dass sich die Jenseitsvorstellungen der Sargtexte während der Folgezeit ohne grundlegende Veränderungen fortsetzen, allerdings mit stärkerem Fokus auf der Nachtfahrt des Sonnengottes.

2.3. Zweite Zwischenzeit, Neues Reich, Dritte Zwischenzeit (14.-24. Dynastie, 1650-750 v. Chr.)

2.3.1. Das Totenbuch

Zur Zeit der asiatischen Hyksos-Könige im Delta entstehen in Theben unter der ägyptischen 17. Dynastie – vielleicht zum Teil schon etwas früher – die eindrucksvollen Text-Bild-Kompositionen, die mangels entsprechender Quellen aus früherer Zeit unser Bild der ägyptischen Unterwelt wesentlich geprägt haben. An erster Stelle zu nennen ist das → Totenbuch, das sich im Wesentlichen aus einer relativ kompakten Sammlung der Sargtexte speist, wobei die Texte nun durch zugehörige Darstellungen (Vignetten) ergänzt werden. Hinzu treten weitere Texte und Bilder unbekannten Ursprungs. Zunächst auf Gegenständen königlicher Grabausstattung angebracht begleiten Totenbuch-Texte und Totenbuch-Vignetten meist auf Papyri (aber auch auf anderen Textträgern) seit der 18. Dynastie Privatleute ins Jenseits. Inhaltlich setzt das Totenbuch unmittelbar die Sargtexte fort und steht durchaus nicht für eine „Umpolung“ des Totenglaubens (so Assmann, 2001, 285). Besondere Erwähnung verdient das nach moderner Zählung 125. „Kapitel“, in dem die Idee des Jenseitsgerichts (s.o. 1.5) ihre ausführlichste und bekannteste Umsetzung erfährt. Berühmt sind die zu diesem Kapitel gehörigen Vignetten mit Darstellung der Wägung des Herzens (Sinnbild für alles Denken und Fühlen des Menschen) gegen eine Feder bzw. eine Göttin mit einer Feder auf dem Kopf (beides Schriftzeichen für die universelle Ordnung m’‘t und deren gleichnamige Personifikation, die Göttin → Maat).

Diese Darstellungen nehmen stets in beschwörender Weise den guten Ausgang des Prozesses vorweg: Die Waage befindet sich im Gleichgewicht, so dass der Verstorbene „gerechtfertigt“ (m’‘-chrw) in das Jenseits eingehen darf. Die Maßnahmen des Verstorbenen, um diesen Prozess nach dem Tod tatsächlich heil zu überstehen, sind auf die gewählten Bilder des Prozesses und der Herzenswägung bezogen: Beteuerungen gegenüber jedem einzelnen der 42 Totenrichter, welche Sünden man nicht begangen hat (das sog. „Negative Sündenbekenntnis“ aus dem 125. Kapitel des Totenbuchs) oder Beschwörung des Herzens, im Prozess nicht gegen seinen Besitzer auszusagen (Totenbuch-Kapitel 30).

2.3.2. Die Unterweltsbücher

Eine ganz andere Form der Darstellung wählt die zweite große Gruppe von Quellen über die Jenseitsvorstellungen des Neuen Reichs: die während des Neuen Reichs fast ausnahmslos in königlichen Gräbern überlieferten sog. „Unterweltsbücher“. Anders als die Sprüche des Totenbuchs (und der früheren Textkorpora), die den Verstorbenen in das jenseitige Geschehen einbinden, sind die Unterweltsbücher rein deskriptiv. Ihr Nutzen besteht also ausschließlich in dem Wissen über die Geschehnisse während der Nachtfahrt des Sonnengottes, das sie vermitteln. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Grabherr den Sonnengott Re auf dieser Fahrt begleitet. Dementsprechend ist er in dessen Barke dargestellt und hat so an seiner Regeneration Anteil, greift aber nicht in das Geschehen ein.

Das älteste Unterweltsbuch ist das seit der frühen 18. Dynastie belegte Amduat. Dieser Name ist eine moderne Wiedergabe des ägyptischen jmj-dw’t „(Buch dessen,) was in der Unterwelt ist“, einer Bezeichung für alle derartigen Jenseitsführer. Der ägyptische Titel des Amduat lautete „Schrift des verborgenen Raums“ (zẖ’w n ‘t jmnt). Im Amduat finden sich verschiedene Vorstellungen über das regenerative Geschehen erstmals auf die 12 Stunden der Nacht verteilt. Neben der stetigen Zuweisung von Licht und Nahrung an die Unterweltbewohner sind die entscheidenden Ereignisse die Begegnung des Sonnengottes mit dem Totengott (Sokar in der 4. und 5. Stunde; Osiris in der 6. Stunde) und die Abwehr des Apophis in der 7. Stunde (Abb. 4).

Seit der ausgehenden 18. Dynastie präsentiert das Pfortenbuch in ähnlicher Form diese Vorstellungen in anderer Anordnung, ergänzt durch einige prägnante Einzelbilder, insbesondere eine Darstellung des Jenseitsgerichts und ein Schlussbild, das den gesamten Sonnenlauf zusammenfasst (Abb. 5).

Die Vorstellung von der Vereinigung zwischen Re und → Osiris als Ba und Körper wird in immer neuen Formen in Bild und Text umgesetzt, z.B. im seit dem Mittleren Reich häufig überlieferten siebzehnten Kapitel des Totenbuchs (= Spruch 335 der Sargtexte):

„Osiris ist das, als er in Mendes eintrat,

dort fand er den Ba des Re.

Da umarmte einer den anderen,

da wurden (sie) zu seinem Doppel-Ba.“ (Übers.: Hornung, E., 1979, 68)

Weitere Unterweltsbücher treten seit der Zeit der Ramessiden (19. und 20. Dynastie) auf. Die Einteilung in 12 Stunden ist dabei noch im Buch vom Tag und im Buch von der Nacht zu finden, während das Höhlenbuch und das Buch von der Erde diese Anordnung wieder zugunsten einer mehr kollagenartigen Darstellung aufgeben. Verwandt mit diesen Kompositionen sind die berühmten Bilder der Himmelsgöttin Nut, über oder an deren Leib der Sonnengott in seiner Barke fährt (Buch vom Tag und Buch von der Nacht); bekannt auch die Vorstellung von einem Himmel in Kuhgestalt (Buch von der Himmelskuh: Hornung, 1982a).

Weitere Texte und Bilder aus Gräbern, Tempeln und Stelen bereichern das Bild innerhalb der hier skizzierten Grundlinien. In ihrer Gesamtheit und Vielfalt belegen all diese Zeugnisse das permanente Bestreben, jenseitiges Fortleben und die damit verbundenen Rätsel von Raum und Zeit durch fassbare Bilder und Begriffe besser zu verstehen.

2.3.3. Kontinuität und Zweifel

Alles in allem scheinen sich die offiziellen Jenseitsvorstellungen im Neuen Reich nicht tiefgehend zu ändern; alle Elemente sind bereits im Mittleren Reich bekannt. Der theologische Fortschritt besteht eher im Finden immer neuer Möglichkeiten, die undurchschaubaren Geschehnisse des Jenseits erklärend wiederzugeben. Dies war offenkundig notwendig, denn die immer bestehenden Zweifel an der Existenz eines Jenseits treten während der 18. Dynastie besonders deutlich zutage. In einigen Gräbern der 18. Dynastie sind die berühmten „Harfnerlieder“ aufgezeichnet, in denen der Sänger angesichts des unbekannten und somit durchaus nicht sicheren Fortlebens nach dem Sterben den Genuss des diesseitigen Lebens empfiehlt. In welchem Maße man den offiziellen Jenseitsvorstellungen aus Unterweltsbüchern, Totenbuch etc. folgte, war offenbar dem Individuum überlassen. Insbesondere die Anbringung der Lieder in Gräbern – oft unmittelbar neben „konventionellen“ Texten – zeugt von einem regen Dialog zwischen den verschiedenen Haltungen (Rößler-Köhler, 1980, 263f.). Seit der Ramessidenzeit fehlen die zweifelnden Texte wieder, zumindest in der Grabdekoration.

Die gescheiterte religiöse Reform Echnatons gegen Ende der 18. Dynastie und die folgende Gegenbewegung sind sicherlich nicht ohne Einfluss auf den Jenseitsglauben geblieben, die genauen Umstände sind aber bis heute unklar. Gleiches gilt für Art und Intensität einer Beeinflussung durch ausländische Religionen, mit denen, bedingt durch die ägyptische Herrschaft über weite Teile des syrisch-palästinensischen Raums, das gesamte Neue Reich hindurch intensiver Kontakt bestand. Interessanterweise sind es ausgerechnet die skeptischen Harfnerlieder, für deren Rezeption in dieser Region es Anhaltspunkte gibt, nämlich im Buch → Qohelet (Fischer, 1999).

2.3.4. Die Dritte Zwischenzeit

Nach dem Ende des Neuen Reichs (um 1070 v. Chr.) ist hinsichtlich der Jenseitsvorstellungen kein Bruch festzustellen, auch wenn die Quellen für einige Jahrhunderte spärlicher fließen. Weiterhin werden Totenbücher für die Verstorbenen angefertigt; auch die Darstellungen auf Grabwänden und Stelen setzen Bekanntes fort. Altbekannte aber auch neue Darstellungen des Jenseits sind auf den „Mythologischen Papyri“ zu finden, die wie die Totenbücher mit ins Grab gegeben wurden und als eine Art Kompendium aus den Unterweltsbüchern verstanden werden können (Piankoff / Rambova, 1957). Die Ägypter bezeichneten sie als „(Buch dessen,) was in der Unterwelt ist“, woraus die moderne Bezeichnung des Amduat entstanden ist (s.o., 2.3.2.). Einige in der Spätzeit beliebte neue Kapitel des Totenbuchs, die „Zusatzkapitel“ 166-174 (im Gegensatz zu den schon im Neuen Reich belegten anderen Sprüchen mit denselben Nummern 166-174), die erstmals den Göttern von Theben eine wichtige Rolle für den Verstorbenen zubilligen, mögen aus dem späteren Neuen Reich oder der Dritten Zwischenzeit stammen (Übersetzung in Allen, 1974, 215-223).

2.4. Spätzeit und griechisch-römische Zeit (ab der 25. Dynastie, 750 v. Chr. bis Spätantike)

Mit der Herrschaft der nubischen 25. Dynastie setzt in Ägypten eine vom Staat initiierte intensive Beschäftigung mit den Zeugnissen der eigenen Vergangenheit ein, die insbesondere die folgende 26. Dynastie prägt. In diesem Zusammenhang werden neben dem immer noch tradierten Totenbuch einige Sargtexte sowie die Unterweltsbücher des Neuen Reichs und viele seltener belegte Texte und Bilder „wiederentdeckt“. In welchem Maße sie aufgrund ihres ehrwürdigen Alters in die Gräber gelangten und in welchem Maße sie dabei noch die Vorstellungen der eigenen Zeit widerspiegeln, ist nicht erforscht. Vielleicht müssen wir für die ägyptische Spätzeit mit einer skeptischen Haltung gegenüber den traditionellen Vorstellungen rechnen, zugunsten des wieder verstärkten Wunsch nach Fortleben im Gedächtnis der Nachwelt (Rößler-Köhler, 1980, 264).

Etwa um die Zeitenwende lösen neue Texte die Sammlung des Totenbuchs endgültig ab. Sie verweisen u.a. auf eine stärkere Einbindung des Verstorbenen in den Tempelkult. Im „Buch vom Durchwandeln der Ewigkeit“ ist jener im Verlauf des Festkalenders bei den wesentlichen Riten zugegen und profitiert so von diesen in ähnlicher Form wie die Götter. Dagegen betonen die „Bücher vom Atmen“ (eine passendere Übersetzung des ägyptischen Ausdrucks wäre „Atem-Urkunden“ o.ä.) mehr die körperliche Regeneration, indem die Götter dem Verstorbenen die Fähigkeit zu den körperlichen Lebensfunktionen – insbesondere eben zum Atmen – garantieren und so die sichtbaren Symptome des Todes wegbeschwören. Auch hier eher eine Verschiebung des Schwerpunkts als neue Vorstellungen. Reihen von Göttern, die auf manchen Särgen dem Verstorbenen ihren Schutz bieten, ähneln auffallend entsprechenden Darstellungen von Riten für Osiris. Insgesamt lässt sich für die spätägyptischen Jenseitsvorstellungen vielleicht eine stärkere Betonung des greifbaren Rituals feststellen, zumal zur selben Zeit auch der Tempel und seine Rituale noch stärker als in früherer Zeit als ritueller „Motor“ der Weltordnung und als Garant von deren Fortdauern betrachtet werden können.

Einmal mehr handelt es sich dabei aber eher um eine Akzentverschiebung bei der Umsetzung der Jenseitsvorstellungen als um deren grundsätzliche Wandlung. Die nächtliche Regeneration durch Kontakt des Leichnams mit dem Sonnengott findet noch in der Einweihung in den griechisch-römischen Isis-Kult ihren Widerhall, wie sie von Apuleius im „Goldenen Esel“ beschrieben wird (Hornung, 1994):

„Ich betrat Proserpinas Schwelle, und nachdem ich durch alle Elemente gefahren, kehrte ich wiederum zurück. Zur Zeit der tiefsten Mitternacht sah ich die Sonne in ihrem hellsten Licht leuchten; ich schaute die unteren und oberen Götter von Angesicht zu Angesicht und betete sie in der Nähe an.“ (Übers.: Rohde, 1975, 318)

Dass die ägyptische Religion (und mir ihr die gesamte Kultur) nach dem Neuen Reich keineswegs im Verfall begriffen war, wie immer noch oft behauptet wird, belegt schon ihre Anziehungskraft auf Angehörige der griechischsprachigen Bevölkerung, von denen sich einige in ägyptischer Manier bestatten ließen. Umgekehrt können die bildlichen Umsetzungen der Jenseitsvorstellungen stilistische Elemente der hellenistischen Kunst (im weitesten Sinne des Wortes) übernehmen. Berühmtestes Beispiel sind die „Mumienportraits“ aus der Gegend des Fayum, aber auch auf Leichentüchern und Grabwänden sind zahlreiche Beispiele überliefert.

Schließlich hat sich die Sitte der → Mumifizierung und damit die Idee eines körperlichen Weiterlebens bis in die christlichen Nekropolen der Spätantike gehalten (Germer, 1991, 90f.).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Berlin / New York 1952
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, Leuven 2002-2003

2. Quellen: Textausgaben und Übersetzungen

Ein fundierter Leitfaden

  • Hornung, E., 1997, Altägyptische Jenseitsbücher. Ein einführender Überblick, Darmstadt

Pyramidentexte

  • Allen, J.P., 2005, The Ancient Egyptian Pyramid Texts (Society of Biblical Literature, Writings from the Ancient World 23), Atlanta
  • Sethe, K., 1908-1922, Die altägyptischen Pyramidentexte, Leipzig
  • Faulkner, R.O., 1969, The Ancient Egyptian Pyramid Texts, Oxford

Sargtexte

  • Barguet, P., 1986, Textes des sarcophages égyptiens du Moyen Empire. Introduction et traduction (Littératures anciennes du Proche-Orient. Textes égyptiens 12), Paris
  • Buck, A. de, 1935-1961, The Egyptian Coffin Texts, 7 Bde. (Oriental Institute Publications), Chicago
  • Carrier, C., 2005, Textes des sarcophages du Moyen Empire égyptien, 3 Bde., Paris
  • Faulkner, R.O., 1973-1978, The Ancient Egyptian Coffin Texts I-III, Warminster

Totenbuch

Es existiert keine brauchbare synoptische Edition, sondern es sind die Publikationen einzelner Handschriften heranzuziehen. Den Angaben von Hornung, E., 1997, 28-33 sind v.a. die Reihen „Handschriften des Altägyptischen Totenbuches“, Wiesbaden (9 Bde. seit 1995), „Studien zum Altägyptischen Totenbuch“, Wiesbaden (11 Bde. seit 1998) sowie „Catalogue of Books of the Dead in the British Museum“ (3 Bde. seit 1997) hinzuzufügen.

  • Allen, T.G., 1974, The Book of the Dead or Going forth by Day (Studies in Ancient Oriental Civilization 37), Chicago
  • Barguet, P., 1967, Le Livre des Morts des Anciens Egyptiens (Littératures anciennes du Proche-Orient), Paris
  • Cénival, Jean-Louis de, 1992, Le Livre pour sortir le jour. Le Live des Morts des anciens Egyptiens, Le Bouscat
  • Hornung, E., 1979, Das Totenbuch der Ägypter, Zürich / München

Unterweltsbücher

  • Hornung, E., 3. Aufl. 1989, Die Unterweltsbücher der Ägypter, Zürich / München
  • Hornung, E., 1982a, Der ägyptische Mythos von der Himmelskuh: eine Ätiologie des Unvollkommenen (Orbis Biblicus et Orientalis 46), Fribourg / Göttingen
  • Hornung, E., 1982b, Tal der Könige. Die Ruhestätte der Pharaonen, Zürich / München
  • Lieven, A. von, (im Druck), Grundriss des Laufes der Sterne. Das sogenannte Nutbuch (The Carlsberg Papyri 8), Copenhagen
  • Piankoff, A. / Rambova, N., 1957, Mythological Papyri (Bollingen Series XL.3), New York
  • Roulin, G., 1996, Le Livre de la Nuit. Une composition égyptienne de l’au-delà (Orbis Biblicus et Orientalis 147), Fribourg / Göttingen
  • Wiebach-Köpke, S., 2003, Phänomenologie der Bewegungsabläufe im Jenseitskonzept der Unterweltbücher Amduat und Pfortenbuch und der liturgischen „Sonnenlitanei“ (Ägypten und Altes Testament 55), Wiesbaden
  • Zeidler, J., 1999, Pfortenbuchstudien. Teil I: Textkritik und Textgeschichte des Pfortenbuches, Teil II: Kritische Edition des Pfortenbuches nach den Versionen des Neuen Reiches (Göttinger Orientforschungen, IV. Reihe: Ägypten, 36), Wiesbaden

Spätzeitliche Quellen

  • Beinlich, H., 2000, Das Buch vom Ba (Studien zum Altägyptischen Totenbuch 4), Wiesbaden
  • Coenen, M., 1995, Books of Breathings: More than a Terminological Question?, Orientalia Lovaniensia Periodica 26, 29-38
  • Goyon, J.-Cl., 1972, Rituels funéraires de l’ancienne Égypte, Paris
  • Herbin, Fr. R., 1994, Le livre de parcourir l’éternité (Orientalia Lovaniensia Analecta 58), Leuven

3. Weitere Literatur

Die folgenden Veröffentlichungen sind nur als Auswahl zur Anregung gedacht. Neben unzähligen Detailstudien sei noch auf einführende Aussagen zum ägyptischen Jenseitsglauben verwiesen, wie sie die zahlreichen populärwissenschaftlichen Werke über die altägyptische Religion oder das Alte Ägypten insgesamt enthalten.

  • Assmann, J., 2001, Tod und Jenseits im Alten Ägypten, München
  • Backes, B., 2005, Das altägyptische Zweiwegebuch. Studien zu den Sargtext-Sprüchen 1029-1130 (Ägyptologische Abhandlungen 69), Wiesbaden
  • Barta, W., 1968, Aufbau und Bedeutung der altägyptischen Opferformel (Ägyptologische Forschungen 24), Glückstadt / Hamburg / New York
  • Bickel, S., 1998, Die Jenseitsfahrt des Re nach Zeugen der Sargtexte, in: A. Brodbeck (Hg.), Ein ägyptisches Glasperlenspiel. Ägyptologische Beiträge für Erik Hornung aus seinem Schülerkreis (FS Hornung), Berlin, 41-56
  • Derchain, Ph., 1999, Art. Mort. Dans la religion égyptienne, Dictionnaire des mythologies, Paris, 1371-1377
  • Eliade, M., 1978, Geschichte der religiösen Ideen. Band 1: Von der Steinzeit bis zu den Mysterien von Eleusis, Freiburg i.Br. (frz. Originalausgabe Paris 1976)
  • Fischer, St., 1999, Die Aufforderung zur Lebensfreude im Buch Kohelet und seine Rezeption der ägyptischen Harfnerlieder (Wiener alttestamentliche Studien 2), Frankfurt/M. u.a.
  • Germer, R., 1991, Mumien. Zeugnisse des Pharaonenreiches, Düsseldorf / Zürich (Neuausgabe 2001)
  • Grieshammer, R., 1970, Das Jenseitsgericht in den Sargtexten (Ägyptologische Abhandlungen 20), Wiesbaden
  • Hornung, E., 1980, Art. Jenseitsführer, Lexikon der Ägyptologie III, Wiesbaden, 246-249
  • Hornung, E., 1992, Zur Struktur des ägyptischen Jenseitsglaubens, Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 119, 124-130
  • Hornung, E., 1994, Altägyptische Wurzeln der Isismysterien, in: C. Berger / G. Clerc / N. Grimal (Hgg.), Hommages à Jean Leclant (FS Leclant), volume 3: études isiaques (Bibliothèque d’Étude 106/3) Kairo, 287-293
  • Jansen-Winkeln, K., 1996, „Horizont“ und „Verklärtheit“: Zur Bedeutung der Wurzel Ax, Studien zur Altägyptischen Kultur 23, 201-215
  • Kaplony, P., 1980, Art. Ka, Lexikon der Ägyptologie III, Wiesbaden, 275-282
  • Kees, H., 2. Aufl. 1956, Totenglauben und Jenseitsvorstellungen der alten Ägypter. Grundlagen und Entwicklung bis zum Ende des mittleren Reiches, Leipzig
  • Krauss, R., 1997, Astronomische Konzepte und Jenseitsvorstellungen in den Pyramidentexten (Ägyptologische Abhandlungen 59), Wiesbaden
  • Leprohon, R.J., 1994, Gatekeepers of this and the Other World, Journal of the Society for the Studies of Egyptian Antiquities 24, 77-91
  • Murray, M.A., 1956, Burial Customs and Beliefs in the Hereafter in Predynastic Egypt, The Journal of Egyptian Archaeology 42, 86-96
  • Rohde, A. (Übers.), 1975, Apuleius, Der Goldene Esel, Frankfurt/M. / Leipzig
  • Rößler-Köhler, U., 1980, Art. Jenseitsvorstellungen, Lexikon der Ägyptologie III, Wiesbaden, 252-267
  • Seeber, Chr., 1980, Art. Jenseitsgericht, Lexikon der Ägyptologie III, Wiesbaden, 249-252
  • Wallin, P., 2002, Celestial Cycles. Astronomical Concepts of Regeneration in the Ancient Egyptian Coffin Texts (Uppsala Studies in Egyptology 1), Uppsala

Abbildungsverzeichnis

  • Der Verstorbene wehrt eine gefährliche Schlange ab (Zeichnung nach einer Vignette zu Kapitel 39 des Totenbuchs; Totenbuch des Iuf-aa, Ptolemäerzeit). Aus: R. Lepsius, Das Todtenbuch der Ägypter nach dem hieroglyphischen Papyrus in Turin, Leipzig 1842, Tafel XVIII
  • Ein Exemplar des Zweiwegebuchs. Umzeichnung ohne Texte nach einem Sarg aus dem Ägyptischen Museum Kairo (mittlere bis spätere 12. Dynastie, ca. 1850 v. Chr.). Aus: P. Lacau, Catalogue Général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire. Nos 28087-28126. Sarcophages antérieures au Nouvel Empire II, Kairo 1906, Pl. LV (für diesen Artikel leicht nachbearbeitet von B. Backes)
  • Das Totengericht. Vignette zu Kapitel 125 des Totenbuchs: Empfang des Verstorbenen durch die Göttin Maat; Wägung des Herzens; der Gott Thot trägt das natürlich positive Ergebnis dem Totengott Osiris vor; darüber die 42 Totenrichter (Totenbuch des Iuf-aa, Ptolemäerzeit). Aus: R. Lepsius, Das Todtenbuch der Ägypter nach dem hieroglyphischen Papyrus in Turin, Leipzig 1842, Tafel L (für diesen Artikel leicht nachbearbeitet von B. Backes)
  • Amduat, 7. Stunde. Vor der Barke des Sonnengottes liegt gefesselt und zerschnitten Apophis, der schlangengestaltige Feind des Re (Zeichnung nach dem Grab Sethos’ I.; 19. Dynastie, um 1280 v. Chr.). Aus: E.A.W. Budge, The Egyptian Heaven and Hell I, London 1905, 142
  • Pfortenbuch, Schlussbild. Am Ende der Unterwelt hebt der zeitlose Urozean Nun die Barke des Sonnengottes zur Himmelsgöttin Nut, an die sich wieder Osiris stellvertretend für das nächtliche Jenseits anschließt (Zeichnung nach dem Sarg Sethos’ I.; 19. Dynastie, um 1280 v. Chr.). Aus: E.A.W. Budge, The Egyptian Heaven and Hell II, London 1905, 303

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