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Andere Schreibweise: Torah, Thora; Thorah

(erstellt: Oktober 2016)

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1. Das Bedeutungsspektrum von „Tora“

Der hebräische Ausdruck תּוֹרָה tôrāh „Weisung / Lehre / Gesetz“ basiert auf der Verbalwurzel ירה jrh III, die nur im Hifil belegt ist und „lehren / unterweisen / anweisen“ bedeutet. Hinzu kommt noch das substantivierte Partizip מוֹרֶה môræh, das insbesondere im nachbiblischen Hebräisch „Lehrer“ meint. Da in der jüngeren Forschung vor allem Verpflichtungsgrad und Verpflichtungsart von תּוֹרָה tôrāh diskutiert werden, soll im Folgenden darauf eingegangen werden.

1.1. Zur Diskussion um die Bedeutung von „Tora“

Die meisten gängigen Bibelausgaben übersetzen תּוֹרָה tôrāh im Anschluss an die → Septuaginta mit „Gesetz“ (νόμος nomos). Eine Ausnahme bildet die Neue Zürcher Bibel, die im Anschluss an Martin Buber תּוֹרָה tôrāh mit „Weisung“ wiedergibt. Buber selbst hatte seine Wortwahl damit begründet, dass (1) „Weisung“ im Unterschied zu „Gesetz“ ein dynamischer Begriff sei und dass (2) im Wort „Weisung“ die Verbindung mit dem „göttlichen Unterweiser“ präsent sei (Buber 1963, 623). Das deutsche Wort „Weisung“ schillert aber zwischen „Unterweisung“ und „Anweisung“ und wurde vielleicht auch deshalb gewählt. „Anweisung“ bzw. „anweisen“ hat einen stärker ausgeprägten Verpflichtungscharakter und korreliert daher mit der Bedeutung „Gesetz“. „Unterweisung“ bzw. „unterweisen“ hat dagegen eine eher lehrhafte Denotation und ist an die Seite von „Lehre“ zu stellen. Buber hatte ausweislich seiner Berufung auf den „göttlichen Unterweiser“ eher den lehrhaften Charakter von תּוֹרָה tôrāh im Sinn.

Liedtke / Petersen nennen in ihrem THAT-Artikel für das Nomen תּוֹרָה tôrāh die Bedeutungen „Weisung / Gesetz“, als Bedeutung für das Verbum ירה jrh Hifil dagegen „lehren“. Das Nomen תּוֹרָה tôrāh habe in nicht-theologischem Zusammenhang nie „nomistische“, sondern stets „chokmatische“ (= weisheitliche) Bedeutung (1033). Auch im → Deuteronomium habe man es keineswegs mit „Gesetzlichkeit“ zu tun (1041, im Anschluss an von Rad 1992, 235), vielmehr sei eine didaktische Absicht anzunehmen (1040).

Auch gemäß dem HGANT-Artikel „Tora“ von Hubert Frankemölle ist die „bei Christen beliebte Identifizierung … mit νόμος (‚Gesetz‘) … in dieser undifferenzierten Form unzutreffend“ (392). Im Deuteronomium ziele תּוֹרָה tôrāh auf die „gesamte Willensoffenbarung [Jhwhs] in ihrer Einheit“ (392, vgl. von Rad 1992, 235), es gehe um die „Stiftung der ethnischen Identität“ (392).

Im ThWAT-Artikel von García López findet sich der Versuch einer Differenzierung: „Wie schon erwähnt, bedeutet תּוֹרָה tôrāh Unterweisung oder Lehre, die entweder mündlich oder schriftlich weitergegeben wurde. Wenn die traditio autoritativ verbindlich ist, kann תּוֹרָה tôrāh den Charakter eines Gesetzes erhalten.“ (603).

Nach Frank Crüsemann hat das Wort תּוֹרָה tôrāh im Alten Testament eine große Bedeutungsbreite:

„Das Wort umfasst dabei wie in allen seinen weiteren Verwendungen Information und Anweisung, Instruktion und Normsetzung, damit Zuspruch wie Anspruch, das Gebot genauso wie die Geschichte der Zuwendung, der es entspringt.“ (1992, 7; vgl. Crüsemann 2009).

Die referierten Stimmen repräsentieren recht gut die neuere Debatte um den Gesetzescharakter der Tora (= Pentateuch) und um die Bedeutung des Wortes תּוֹרָה tôrāh. Im Hintergrund steht die Revision der traditionell-christlichen Auffassung vom „gesetzlichen Judentum“. Daher wird in jüngerer Zeit sowohl in Bezug auf die Tora (= Pentateuch) als auch in Bezug auf das Wort תּוֹרָה tôrāh generell ihr Charakter als Unterweisung und als Ethik hervorgehoben.

Die Korrektur einer ganz oder auch nur überwiegend negativen Wahrnehmung der Tora ist ohne Zweifel ein großer theologischer Fortschritt, doch muss man davor warnen, die Tora nur dann positiv zu bewerten, wenn man ihr gleichzeitig den gesetzlichen Charakter abspricht. Die Übersetzung von תּוֹרָה tôrāh mit νόμος nomos „Gesetz“ ist keineswegs ein christliches Missverständ­nis, sondern wurde von den durchweg jüdischen Über­setzern der Bücher, die in die Septuaginta aufgenommen wurden, als sachgemäß erachtet. Zudem ist die Frage, wie das Wort תּוֹרָה tôrāh in alttestamentlicher Zeit verstanden und verwendet wurde, wohl zu unterscheiden von der Frage, wie die Tora (im Sinne des Pentateuch und im Sinne der gesamten jüdischen → Halacha) im Judentum, angefangen von der hellenistischen Zeit bis in unsere Gegenwart verstanden wurde und verstanden wird.

1.2. Einige Beispiele für die Bedeutungsbreite von „Tora“

Signifikant ist zunächst die Beobachtung, dass תּוֹרָה tôrāh, wenn sich das Wort auf den → Pentateuch oder das Deuteronomium bezieht, oft zusammen mit anderen gesetzesartigen Termini gebraucht wird, als da sind מִשְׁפָּט mišpāṭ „Rechtssatz“, חֹק ḥoq „Satzung“, עֵדוּת ‘edȗt „Verpflichtung“ und מִצְוָה miṣwāh „Gebot“, vgl. etwa Num 15,15-16; Dtn 4,8.44-45; Dtn 30,10; Jos 24,25-26; 1Kön 2,3; 2Kön 17,34.37 (vgl. García López, 603).

Markant ist Lev 6,1-2: „Und Jhwh redete zu Mose: ‚Befiehl Aaron und seinen Söhnen und sage: Dies ist das Gesetz des Brandopfers (זֹאת תּוֹרַת הָעֹלָה zot tôrat ha-‘olāh). …‘“ Die Aufforderung „befiehl“ und die Bezeichnung תּוֹרָה tôrāh erscheinen beide hier zum ersten Mal im Buch Leviticus und dies aufeinander bezogen (vgl. Elliger 1966, 83).

In den Bestimmungen über das zentrale Obergericht in den Institutionengesetzen des Deuteronomium wird das ergehende Urteil wahlweise als מִשְׁפָּט mišpāṭ „Urteil“ (Dtn 17,9.11), דָּבָר dāvār „Spruch“ (Dtn 17,10.11) und תּוֹרָה tôrāh (Dtn 17,11) bezeich­net. Gleich, ob man hier תּוֹרָה tôrāh mit „Weisung“ oder „Gesetz“ übersetzt, es handelt sich auf jeden Fall um eine sanktionsbewehrte Präskription (vgl. Dtn 17,12-13). Daher ist etwa die Übersetzung der Elberfelder Bibel von Dtn 17,11a zu hinterfragen. Sie lautet „Dem Gesetz (תּוֹרָה tôrāh) gemäß, das sie [die Richter] dich lehren (jrh Hifil), und nach dem Recht, das sie dir sagen werden, sollst du handeln.“ Sollen die Oberrichter lediglich darüber unterrichten, was im Gesetz steht? Das kann kaum gemeint sein, angemessen wäre wohl zu übersetzen „…, das sie dich anweisen …“ (vgl. dazu Rüterswörden 2006, 117-119).

Im Pentateuch wird das Nomen תּוֹרָה tôrāh überwiegend dazu verwendet, eine starke, gesetzesartige, teils mit Sanktionen bewehrte Anweisung zum Ausdruck zu bringen, wobei freilich die Unterweisung impliziert sein kann. Analoges gilt, wenn in anderen Büchern auf den Pentateuch oder einen Teil davon Bezug genommen wird.

Dagegen können etliche Belege im → Proverbienbuch primär als schwache Aufforderung im Sinne einer lehrhaften Unterweisung verstanden werden. So sagt etwa in Spr 4,2 der Weisheitslehrer: „Denn gute Lehre gebe ich euch; meine Weisung (תּוֹרָתִי tôrātî) sollt ihr nicht verlassen!“ Interessanterweise übersetzt die Septuaginta auch diese Belegstellen weit überwiegend mit νόμος nomos „Gesetz“ (s.u. 2.1).

Differenzierter ist die Sachlage bei den Belegen für die sog. Torafrömmigkeit (Ps 1,2; Ps 19,8; Ps 37,31; Ps 40,9; Ps 94,12; Ps 119 passim). Für diese Psalmbeter ist die Tora (= Pentateuch) viel mehr als ein äußeres Gesetz, sie ist geistvolle Unterweisung zum glückseligen Leben (Ps 1,1-2). Das schließt aber nicht aus, dass die Tora gleichzeitig im Gemeinwesen Gesetzeskraft haben konnte.

2. Die Verwendung des Ausdrucks „Tora“

2.1. Weisung des Vaters, der Mutter oder des Lehrers

Der mutmaßlich älteste Gebrauch des Wortes „Tora“ meint die elterliche Weisung oder auch die Unterweisung durch den Lehrer. Diese beiden Möglichkeiten sind in den kurzen Sprüchen des → Proverbienbuches nicht immer eindeutig zu unterscheiden, da der darin angesprochene „Sohn“ sowohl der leibliche Sohn als auch der Schüler sein kann. Elternweisung liegt wohl vor in Spr 1,8; Spr 6,20.23; Spr 7,2, Lehrerweisung wohl in Spr 3,1; Spr 13,14; Spr 28,4.9; Ps 78,1. Beides möglich scheint in Spr 4,2; Spr 28,7. Interessant ist Spr 31,26, wo von der Weisung der tüchtigen Frau die Rede ist. Diese erscheint hier aber nicht in erster Linie als Mutter, sondern als Aufsichtsperson.

2.2. Expertise des Priesters

Eine zweite traditionelle Verwendungsweise scheint die Erteilung von Expertisen durch Priester gewesen zu sein (→ Priestertora). Als locus classicus gilt Hag 2,11, wo eine Anfrage an die Priester ergeht, sie mögen doch Auskunft („Tora“) darüber geben, ob eine Sache durch die Berührung mit etwas Heiligem heilig werden kann. Ebenfalls unter diese Rubrik fallen wohl Dtn 17,11; Jer 2,8; Jer 18,18; Ez 7,26; Ez 22,26; Hos 4,6; Zef 3,4; Mal 2,6-9; Klgl 2,9; Spr 29,18.

2.3. Worte von Propheten

Weiter wird auch das prophetische Wort in gewissen Fällen als „Tora“ bezeichnet (→ Prophetie). Der Höraufruf am Anfang der Kultkritik Jes 1,10-15 nennt das Folgende „Wort Jhwhs“ und „Weisung / Tora unseres Gottes“. → Jesaja, der mit dem Jerusalemer Tempel assoziiert ist, verwendet diesen Ausdruck mehrfach (Jes 5,24; Jes 8,16; Jes 30,9) für seine Gottesworte. In diesem Sinne sind wohl auch Jes 42,4 und Ez 43,11.12; Ez 44,5.24 zu verstehen. In Ex 18,16.20 fungiert Mose als prophetischer Oberrichter, der das Volk mit Hilfe von Gottesbefragungen „über die Ordnungen und Weisungen“ belehrt. In 2Sam 7,19 bezeichnet David die Dynastieverheißung des Propheten → Nathan als Tora, aber die Stelle ist textlich unsicher.

2.4. Gottesworte, deren Vermittlung nicht expliziert wird

Es gibt etliche Stellen, an denen „Tora“ (im Singular oder Plural) eine von Gott ausgehende Weisung meint, wobei allerdings nicht expliziert wird, wie diese Weisung zum Empfänger kommt. Darunter fallen Jes 2,3 || Mi 4,2; Jes 24,5; Jes 42,21.24; Jes 51,4; Jes 51,7; Jer 6,19; Jer 18,18; Jer 31,33; Hi 22,22; Ps 37,31. In Jer 8,8; Jer 9,12; Jer 16,11; Jer 26,4; Jer 32,32; Jer 44,10.23; Ps 40,9; Ps 94,12 könnte auch Tora im Sinne von Pentateuch gemeint sein (s.u. 2.7.).

2.5. Einzelne priesterliche Gesetze

Häufig werden in den priesterlichen Texten des Pentateuch einzelne Gesetze mit der Bezeichnung „Tora“ eingeleitet oder abgeschlossen: Ex 12,49; Lev 6,2.7.18; Lev 7,1.7.11.37; Lev 11,46; Lev 12,7; Lev 13,59; Lev 14,2.32.54.57; Lev 15,32; Lev 26,46; Num 5,29.30; Num 6,13.21; Num 15,16; Num 19,2.14; Num 31,21. Hier handelt es sich tatsächlich um Gesetze im eigentlichen Sinne, d.h. um transsituational gültige Vorschriften. Lev 26,46 schließt das Heiligkeitsgesetz ab und damit eine Mehrzahl von Gesetzen. Daher findet sich hier der Plural תּוֹרֹת tôrot „Weisungen / Gesetze“.

2.6. Gesetzbuch des Deuteronomium

Eine sehr markante Verwendungsweise zeigt das → Deuteronomium. Darin kommt „Tora“ 22-mal vor, davon 15-mal in der Fügung „diese Tora“, 3-mal in der Fügung „dieses Buch der Tora“ und einmal als „Und dies ist die Tora“. Die Fügung „dieses Buch der Tora“ findet sich zudem noch einmal in Jos 1,8. Das stets gesetzte Demonstrativpronomen zeigt, dass „Tora“ hier auf das Buch, in dem der Ausdruck steht, referiert. „Diese Tora“ ist das Deuteronomium bzw. das Gesetzbuch des Deuteronomium. Gesondert zu bedenken sind allenfalls die drei Belege in Dtn 27, weil hier auch auf das → Bundesbuch (in Dtn 27,5-7) und auf das → Heiligkeitsgesetz (in Dtn 27,20-24) Bezug genommen wird. Auf jeden Fall ist der Sprachgebrauch des Deuteronomium neu, denn hier bezieht sich der Ausdruck erstmals auf eine Sammlung von Gesetzen.

Die herkömmlichen Bezeichnungen für gesetzliche Bestimmungen sind מִשְׁפָּט mišpāṭ „Rechtssatz / Rechtsentscheid“, ‎מִצְוָה miṣwāh „Gebot“, חֹק ḥoq „Satzung“ und bezeichnen einzelne, eher kurze Abschnitte. Auch דָּבָר dāvār eigentlich „Wort / Sache / Rechtsfall“ bezeichnet in seiner Anwendung auf präskriptive Sätze wie etwa im → Dekalog oder in Teilen des Bundesbuches kurze Einheiten. Einzig „Tora“ in seiner Anwendung auf priesterliche Gesetze (s.o. 2.5.) referiert auf etwas umfangreichere Einheiten. Gleichwohl betraten die Deuteronomisten mit der Anwendung des Ausdrucks „Tora“ auf ein komplexes Gebilde wie Dtn 12-28 Neuland. Das liegt daran, dass es weder im Alten Orient noch im archaischen Griechenland einen Begriff gegeben hat, der unserem modernen „Gesetzeskodex“ oder „Gesetzbuch“ entspricht. Die Übertragung des Ausdrucks „Tora“, der traditionell situationsbezogene Weisungen oder kurze bis mittellange priesterliche Vorschriften bezeichnete, auf ein umfangreiches und vielgliedriges Werk wie das Gesetz des Deuteronomium löste dieses terminologische und begriffliche Defizit. Die präskriptive Denotation des Wortes wurde übernommen und auf ein neuartiges Referenzobjekt angewendet.

Im Verlauf des → Deuteronomistischen Geschichtswerks (DtrG) wird mehrfach auf das Gesetzbuch des Deuteronomium zurückverwiesen, und nicht zuletzt diese Rückverweise konstituieren das DtrG als literarische Komposition: Jos 1,7.8; Jos 22,5; Jos 23,6; 1Kön 2,3; 2Kön 10,31; 2Kön 14,6; 2Kön 17,13.34.37; 2Kön 21,8; 2Kön 22,8.11; 2Kön 23,24.25.

2.7. „Tora“ als Bezeichnung für das Ganze des Pentateuch

Im Anschluss an den Sprachgebrauch des Deuteronomium wurde der Ausdruck „Tora“ in der Folge auch auf das Gesamt des → Pentateuch bzw. der pentateuchischen Gesetze ausgeweitet. Der in der Leseabfolge des Pentateuch erste Beleg dafür findet sich in der Erweiterung der Gottesrede an Isaak (Gen 26,3bβ-5), wo Gott den Abraham dafür lobt, dass dieser „auf meine Stimme gehört und meine Vorschriften gehalten hat, meine Gebote, meine Ordnungen und meine Gesetze (תוֹרֹתָי tôrotāj).“ Der letzte Ausdruck könnte auch singularisch תוֹרָתִי tôrātî „meine Tora“ vokalisiert werden. In seiner Auslegung dieser Stelle verwendet Sir 44,20 (Lutherbibel: Sir 44,21) den Singular, dort steht hinter dem griechischen νόμος nomos „Gesetz“ allerdings im hebräischen Text מִצְוָה miṣwāh „Gebot“. Aber gleich, ob Singular oder Plural, gemeint ist, dass Abraham alle pentateuchischen Gebote gehalten hat.

Nach Ex 13,9 soll die „Tora Jhwhs“ im Munde des Angesprochenen sein. Dieser Ausdruck ist, obgleich er ganz vertraut klingt, im Alten Testament eher selten und im Pentateuch an dieser Stelle singulär. Die anderen Belege für diesen Ausdruck beziehen sich ebenfalls auf den Pentateuch und stammen durchweg aus späten Texten (1Chr 16,40; 1Chr 22,12; 2Chr 12,1; 2Chr 17,9; 2Chr 31,3.4; 2Chr 34,14; 2Chr 35,26; Esr 7,10; Neh 9,3; Ps 1,2; Ps 19,8; Ps 119,1) – mit Ausnahme von Jes 5,24; Jes 30,9, wo die prophetische Weisung gemeint ist (s.o. 2.3.) und 2Kön 10,31, wo das Deuteronomium im Blick ist (s.o. 2.6.). Schwierig einzuordnen ist auch Am 2,4.

In zwei nachpriesterlichen Ergänzungen zur Mannaerzählung (→ Manna) wird die Einhaltung des → Sabbats als Bewahrung der Tora verstanden, einmal im Singular (Ex 16,4), das andere Mal im Plural (Ex 16,28).

Die Erzählung über den Altarbau auf dem → Ebal Jos 8,30-35 steht in einem engen Zusammenhang mit Dtn 27. Hier wie dort ist der Sprachgebrauch eigentlich deuteronomistisch, sachlich gibt es jedoch Gründe anzunehmen, dass hier wie dort mit „Tora“ das Gesamt des Pentateuch gemeint ist (s.o. 2.6.). Deutlich ist dies der Fall in Jos 24, wo die seltene Formulierung „Tora Gottes“ (Jos 24,26, so auch in Neh 8,18; Neh 10,29) verwendet wird. Der Bezug auf den Pentateuch als Ganzen ergibt sich aus dem Skopus des heilsgeschichtlichen Rückblicks Jos 24,2-13.

Soweit die Belege aus dem Hexateuch, die weiteren Belege im Alten Testament wurden zum Teil bereits angesprochen. Zu nennen sind in erster Linie das → Esra-Nehemia-Buch und die → Chronik. In den → Psalmen sind zu nennen Ps 1,2; Ps 19,8; Ps 78,5.10; Ps 89,31; Ps 119. Letzterer Psalm ist mit 25 Belegen besonders auffällig. Weiter sind zu erwähnen die Belege im Bußgebet → Daniels Dan 9,10.11.13 und schließlich der Hinweis auf die „Tora Moses“ im Schlussvermerk des Prophetenkanons (Mal 3,22; → Prophetenbücher).

2.8. Weitere Entwicklung

Die weitere Entwicklung sei nur ganz kurz umrissen. Im hellenistischen Judentum entwickelten sich die Tora und der Jerusalemer Tempel –vergleichbar den zwei Brennpunkten einer Ellipse – zum politischen, kulturellen und religiösen Doppelzentrum des Frühjudentums (vgl. 1Makk 14,29). Dabei wurde die Tora einerseits als ein von Gott übermitteltes Werk sui generis verstanden, andrerseits aber durch die gängige Bezeichnung als νόμος nomos „Gesetz“ auch in Analogie zu den Gesetzen anderer Völker. Die überragende Bedeutung der Tora wird daran deutlich, dass gelegentlich Zitate aus anderen Büchern des Alten Testaments als Worte des Gesetzes eingeführt werden. So etwa in Joh 10,34 mit Bezug auf Ps 82,6 oder in 1Kor 14,21 mit Bezug auf Jes 28,11-12.

Ab der römischen Zeit tritt neben die Tora im Sinne des Pentateuch die mündliche Tora, die im 2./3. nachchristlichen Jahrhundert in Gestalt der Mischna verschriftlicht wurde. Im rabbinischen bzw. orthodoxen Judentum kann mit „Tora“ auch das Gesamt der jüdischen Lebensregeln bezeichnet werden und wird damit zum Synonym für „Halacha“.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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  • Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006
  • Lexikon der Bibelhermeneutik. Begriffe – Methoden – Theorien – Konzepte, Berlin 2009
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  • Schmid, K., Literaturgeschichte des Alten Testaments. Eine Einführung, 2., durchgesehene und bibliographisch erweiterte Auflage, Darmstadt 2014.
  • Schmitt, H.-C., Arbeitsbuch zum Alten Testament. Grundzüge der Geschichte Israels und der alttestamentlichen Schriften (UTB 2146), 3. Auflage, Göttingen 2011, 173-302.
  • von Rad, G., Theologie des Alten Testaments, Band 1: Die Theologie der geschichtlichen Überlieferungen Israels, 10. Auflage, München 1992.
  • Zenger, E. u.a., Einleitung in das Alte Testament, 9., aktualisierte Auflage herausgegeben von C. Frevel (StTh 1/1), Stuttgart 2015, 67-227.

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