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(erstellt: April 2009)

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1. Etymologie und Belege

Tenne 1
Die Wurzel grn dient nicht nur im Hebräischen, sondern auch im Ugaritischen zur Bezeichnung einer Tenne (Gray, 1953, 120). Im Arabischen steht ǧurn für einen Steinmörser, aber auch für Tenne und Getreidescheune. Im Äthiopischen hat sich die Bedeutung „area frumentaria“ erhalten.

Im Alten Testament begegnet גּוֹרֶן gôræn „Tenne“ 36-mal, davon 7-mal im Pentateuch, 9-mal im deuteronomistischen, 7-mal im prophetischen und 8-mal im chronistischen Schrifttum, 4-mal im Buche Ruth und 1-mal bei Hiob (in Jer 2,25 ist mit Qere gərônekh „deine Kehle“ zu lesen).

2. Die Anlage einer Tenne

TBB710

In der Regel liegt die Tenne in der Nähe einer Ortschaft, da sie sich so leicht erreichen und bewachen lässt. Das Beispiel des Boas zeigt aber, dass jemand in der Erntezeit auch über Nacht auf der Tenne bleiben kann (Rut 3,2-7). Wegen des vorherrschenden Westwinds lag sie bevorzugt wohl östlich der Orte, damit die Spreu beim Worfeln nicht in den Ort wehte. Die einmalige Gleichsetzung einer Tenne mit einem Stadttor (1Kön 22,10) hat zu der These geführt, dass eine solche „Tenne“ nur ein anderes Wort für einen öffentlichen Platz war (Gray, 1952, 112f). Da auf der Tenne das Getreide gedroschen, geworfelt und gesiebt wird, bedarf es eines festen Untergrundes. „Stets wird eine Stelle mit glattem felsigem Boden bevorzugt …“ (Dalman, 69). Fehlt ein felsiger Untergrund, dann muss der Boden festgestampft werden (Jer 51,33). Um das Korn von der Spreu zu trennen, ist man auf hinreichenden Wind angewiesen. Die Tenne darf sich allerdings nicht auf einer Bergspitze efinden, denn dann würde der Wind nicht nur die Spreu, sondern auch das Korn wegwehen. Deshalb lag die Tenne in Betlehem sogar an einem tiefer gelegenen Ort, zu dem man hinabstieg (Rut 3,3).

Einige Tennen sind noch namentlich bekannt. An der „Dornentenne“ (Gen 50,10f) findet die Totenfeier für Jakob statt. An der Tenne Nachons droht die Lade umzustürzen (2Sam 6,6; 1Chr 13,9: Tenne Kidons). Auf der Tenne des → Arauna hat → David einen Altar errichtet und Opfer dargebracht (2Sam 24,16-25; 1Chr 21,15-28). Sie wird später eindeutig mit dem Tempelplatz identifiziert (2Chr 3,1). „Die felsige Natur der im Norden der Jebusiterstadt liegenden Höhe wird sie als Tenne empfohlen haben“ (Dalman, 71).

3. Arbeiten auf der Tenne

Die Garben wurden von Eseln oder Rindern zur Tenne gebracht (vgl. Hi 39,12). Kleinere Mengen von Getreide (Rut 2,17) ließen sich ebenso wie Dill oder Kümmel (Jes 28,27) mit einem Stock ausklopfen (Borowski, 63). Bei größeren Ernteerträgen hatte man mehrere Möglichkeiten. So konnten die Hufe der Rinder das Dreschen übernehmen (Hos 10,11). Man konnte sich auch eines Dreschschlittens bedienen (מוֹרַג in 2Sam 24,22; Jes 41,15 oder חָרוּץ Jes 28,27; Jes 41,15), dessen scharfe Zähne aus Stein oder Eisen die Halme zerschnitten (Borowski, 64f). Schließlich wird auch von Wagenrädern gesprochen, die dem gleichen Ziel dienten (Jes 28,27f). Beim Worfeln benutzte man hölzerne Gabeln (Jer 15,7), die sich aber nicht erhalten haben (Borowski, 67). Dabei wurde die Spreu vom Wind verweht (Ps 1,4). Da der Wind zur Abend- oder Nachtzeit günstig war, wurde gern zu einer solchen Tageszeit geworfelt (Rut 3,2). Von der Tenne wird das Getreide in das eigene Gehöft geholt (Dtn 16,13).

4. Die übertragene Bedeutung

Die „Tenne“ kann für die Getreideernte stehen. Der Schuldknecht soll sowohl etwas von der Tenne wie von der Kelter bekommen (Dtn 15,14). Während einer Hungersnot kann der ratlose König Israels einer hilfsbedürftigen Frau weder von der Tenne noch von der Kelter helfen (2Kön 6,27).

Die Vorgänge auf der Tenne werden auch als Bild für das kommende Gericht gebraucht. Die Spreu steht für das rasche und spurlose Vergehen der Gottlosen und der Götzendiener (Ps 1,4; Hos 13,3). Israels Feinde werden von JHWH eingesammelt und wie Garben auf die Tenne gebracht (Mi 4,12). In Jes 21,10 wird Israel angesprochen: „Du mein zerschlagenes, zerdroschenes Volk!“ In Jer 51,33 wird Babel mit einer Tenne verglichen, die kurz vor der Erntezeit festgestampft wird. Die Ernte bildet dabei eine Metapher für das Gericht (Mi 4,12; Jo 4,13; Jes 27,12; vgl. Jes 63,3).

5. Die Tenne als Kultort?

Waren die Tennen nur profane Plätze oder spielten sie auch eine kultische Rolle (Gray, 1953, 120f)? Immerhin befragt → Gideon den Willen Gottes gerade an einer Tenne (Ri 6,36-40). Die Propheten des israelitischen Königs treten in 1Kön 22 auf einer Tenne auf und kündigen lautstark den Sieg über → Aram an (1Kön 22,10). Vor allem spricht Hosea davon, dass sich Israel auf den Dreschplätzen den Hurenlohn verdient habe (Hos 9,1f). Daher verstummt die These nicht, dass die Tenne des → Arauna auch schon vor Davids Altarbau kultisch genutzt worden sei (Ahlström, 115f). Aber eine solche Ansicht wird immer hypothetisch bleiben. Denn die vorliegende Erzählung betont gerade die bisherige profane Nutzung der Tenne des Arauna, wenn sie Rinder, Dreschschlitten und Zaumzeug anführt. Gideons Bitte um Zeichen setzt zudem ebenso wenig eine Kultstätte voraus wie der öffentliche Auftritt der Propheten vor den Königen Israels und Judas.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • The Interpreter’s Dictionary of the Bible, Nashville / New York 1962 (Supp. 1976)
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Ahlström, G.W., 1961, Der Prophet Nathan und der Tempelbau, VT 11, 113-127
  • Borowski, O., 1987, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake
  • Dalman, G., 1933, Arbeit und Sitte in Palästina III, Gütersloh
  • Gray, J., 1952, Tell El Far‘a by Nablus: A „Mother“ in Ancient Israel, PEQ 84, 110-113
  • Gray, J., 1953, The Goren at the City Gate, PEQ 85, 118-123
  • Münderlein, G., 1977, Art. גרן, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a., II, 66-70
  • Smith, S., 1946, The Threshing Floor and the City Gate, PEQ 78, 5-14
  • Smith, S., 1953, On the Meaning of Goren, PEQ 85, 42-45
  • Stricker, B.H., 1955, The Origin of the Greek Theater, JEA 41, 36-47

Abbildungsverzeichnis

  • Bauer mit Pflug (Ägypten, 1994). © public domain (Foto: Ludwig Koenen, 1964)
  • Erntearbeiten (Wandmalerei im Grab des Sennudjem in Dēr el-Medīna; 19. Dynastie). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Worfeln. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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