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Schulter (AT)

(erstellt: April 2013)

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1. Körperteil des Menschen

1.1. Bezeichnung

Das biblische Hebräisch kennt zwei Wörter zum Bezeichnen der Schulterpartie: שְׁכֶם šəkhæm und כָּתֵף kātef, die aber nicht völlig synonym, sondern voneinander unterschieden sind (Hill, 743). שְׁכֶם šəkhæm wird bis auf eine Ausnahme (Gen 48,22: „Bergrücken“; vgl. den Ortsnamen → Sichem, der „Schulter / Bergrücken / Berghang“ bedeutet) nur vom Menschen verwendet und bezeichnet die Partie des oberen Rücken und Nackens (Rattray / Milgrom, 1135f).

כָּתֵף kātef kann neben der Schulter bzw. dem Schulterblatt des Menschen auch die Schulterpartie des Tieres und das essbare Schulterstück bezeichnen. Daneben wird es übertragen auf Hügel und Berge in der Bedeutung „Berglehne / Bergesrücken“ verwendet und bezogen auf die Stiftshütte und den Tempel in der Bedeutung „Seite / Seitenwände“. Im Plural ist es im → Exodusbuch Terminus technicus für die Schulterstücke des priesterlichen Efod. Im 1. Königsbuch (→ Königsbücher) dient es zudem dreimal zur Bezeichnung von Eckpfosten oder Trägern, was vermutlich ebenso wie die Bedeutung „Seite / Seitenwand“ eines Gebäudes daher rührt, dass die Schultern häufig zum Tragen von Lasten dienten (Zobel, 403f).

In Hi 31,22 dient der Ausdruck „Röhre (קָנֶה qānæh) des Armes“ vermutlich zur Bezeichnung des Schultergelenks, das ausgerenkt werden kann.

1.2. Körperaspekt und Gesten

Die Schulterpartie bzw. der obere Rücken dient zum Transport von Gegenständen, Waren und Proviant bzw. von schwereren Lasten. So trägt z.B. → Hagar den Wasserschlauch und den Proviant, den ihr → Abraham mit auf den Weg gibt, auf ihren Schultern (Gen 21,14), → Rebekka trägt auf ihren einen Krug (Gen 24,15; Gen 24,45), die aus Ägypten fliehenden Israeliten ihre Backtröge (Ex 12,34), die → Leviten die Stiftshütte samt Inventar (Num 7,9), → Abimelech transportiert Baumstämme (Ri 9,48) und → Ezechiel sein Gepäck auf dem Weg in die Verbannung (Ez 12,6f.).

Außerdem können auch Waffen zwischen den Schulterblättern getragen werden, Goliath trägt z.B. ein Schwert auf diese Weise (1Sam 17,6).

Die Schulter kann auch als Ansatzpunkt für einen Größenvergleich dienen. So bedeutet der Ausdruck Saul war „höher als alles Volk von seiner Schulter aufwärts“ (1Sam 9,2; 1Sam 10,23), dass Saul einen Kopf größer war als die anderen.

Auch die Schulterpartie des Tieres wird im Zusammenhang mit dem Transport von Lasten genannt (Jes 30,6). Allerdings dürfte hier die Wiedergabe als Seite passender sein, denn einem → Esel wurde die Last so über den Rücken gelegt, dass sich die Ladung nicht auf dem Rücken oder der Schulter, sondern an beiden Seiten befand.

Widder und Schafe nutzen ihre Seite und Schultern um Artgenossen wegzudrängen, um als Erster ans Futter zu gelangen. Dieses Bild wird in Ez 34,21 als Bild für Aggression und Unterdrückung Schwächerer verwendet.

Das Schulterstück eines essbaren Tieres gilt als ausgewähltes, gutes Fleisch (Ez 24,4).

2. Übertragene Bedeutung

2.1. Last auf den Schultern

Die Last auf den Schultern kann, weil sie für harte Arbeit steht, ein Symbol für Knechtschaft sein (Gen 49,15; Jes 10,27). Das Wegnehmen der Last von den Schultern meint daher die Befreiung aus dieser (unter Ägypten: Ps 81,7; unter Assur: Jes 14,25).

Auch der Stab auf den Schultern (Jes 9,3) steht für Versklavung (Kaiser, 200-201; Kilian, 72), entweder ist hier ein Tragholz bzw. Balken zum Binden der Schultern im Blick oder der Stab als Werkzeug für Schläge (Blenkinsopp, 249).

Aber auch positive Aufgaben können jemanden auf die Schultern gelegt werden, was ein Ausdruck für die Übernahme von Regierungsverantwortung ist (Jes 9,5; Jes 22,22). Hier, besonders in Jes 22,22, könnte allerdings auch eine tatsächliche Einsetzung mit der Übergabe von Herrschaftssymbolen, als Ausdruck dieser Übernahme, an den Amtsträger hinter der Aussage stehen (so z.B. Blenkinsopp, 250.338). Dies könnte dann auch Hi 31,36 näher erläutern. Dort sagt → Hiob, er wolle sich die Klageschrift gegen ihn um die Schultern legen und sie als Kranz tragen, als sei sie ein ehrendes Symbol seines Martyriums.

2.2. Jemanden zum Rücken machen

Der Ausdruck „Du wirst ihn zur Schulter machen“, der nur in Ps 21,13 vorkommt, wird meist als „du wirst ihn zu einem Fliehenden machen“, zu „einem, der die Schulter zudreht“ verstanden (so z.B. Hossfeld / Zenger, 143).

Dahood lehnt diese Wiedergabe jedoch ab, weil das im zweiten Halbvers genannte „ins Gesicht schießen“ dazu nicht passe. Hier sei vielmehr an eine Unterwerfung gedacht: „God will make the enemies supine so that the king might put his feet upon their neck as a sign of conquest“ (Dahood, 134). Dass das Abwenden der Schultern auch in 1Sam 10,9 ein Zeichen des Weggehens ist (Hill, 108), spricht allerdings für die erste Deutung.

2.3. Als eine Schulter dienen

In Zef 3,9 wird für die Heilszeit verheißen, dass die Völker Gott dienen werden als eine Schulter. Dies drückt aus, dass sie ihm alle zusammen wie einer dienen werden, und entspricht wohl in etwa dem Deutschen „Schulter an Schulter“ (Deissler, 249f).

2.4. Die widerspenstige Schulter zeigen

Zweimal findet sich im Alten Testament der Ausdruck „eine widerspenstige Schulter geben / zeigen“ (Neh 9,29; Sach 7,11) um das Verhalten der Israeliten, die nicht auf Gottes Gebote hören wollen, gegenüber Gott zu beschreiben. In Sach 7,11 wird dieses Verhalten um das Schwermachen der Ohren, also um absichtliches Nichthören, in Neh 9,29 um das Starrmachen des Halses und Nichthören ergänzt. In beiden Fällen bedeutet der Ausdruck „widerspenstig sein“ (Deissler, 288). Eventuell ist er aus dem störrischen Verhalten von Eseln abgeleitet, die sich häufig ihrer Trägeraufgabe durch „bocken“ entziehen wollen.

3. Die Schulter Gottes

Von Gottes Schulter ist im Alten Testament eventuell einmal die Rede, allerdings ist der Bezug nicht ganz sicher. In Moses Segen für den Stamm Benjamin heißt es: „Der Liebling Jahwes wohnt bei ihm sicher, er beschützt ihn allezeit, und er wohnt zwischen seinen Schultern“ (Dtn 33,12). Es ist nicht sicher, was damit ausgedrückt werden soll. Möglich wäre, dass dies ein Bild für besonderen Schutz und Hilfe ist (Philipps, 228), denn Gott schützt und trägt Benjamin wie ein Vater sein Kind, das er „Huckepack“ nimmt (Braulik, 241, Christensen, 851).

Craigie hingegen vermutet einen militärischen Kontext und nimmt ein Lehnwort an. Statt „Schultern“ übersetzt er daher „Waffen“, d.h. Benjamin fungiert als eine der Waffen Gottes (Craigie, 396f).

Möglich ist aber auch, dass sich „Schulter“ gar nicht auf Gott, sondern auf Benjamin bezieht. Tigay gibt als Möglichkeit des Verstehens „hinter seinem (Benjamins) Rücken“ an und sieht dies als besonderen Schutz an, denn Jahwe beschützt den Bereich Benjamins, den dieser selbst nicht überblicken kann (Tigay, 326). Möglich ist es aber auch hier, statt „Schulter“ „Bergrücken“ zu übersetzen, denn der Kultort, an dem Jahwe anwesend geglaubt wird, liegt auf ehemals benjaminischem Gebiet (vgl. Jos 18,28), dass wohl erst bei der Reichsteilung an Juda fiel (Nielsen, 304, Braulik, 241).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Blenkinsopp, J., 2000, Isaiah 1-39. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 19), New York u.a.
  • Braulik, G., 1992, Deuteronomium II. 16,18-34,12 (NEB 28), Würzburg
  • Christensen, D.L., 2002, Deuteronomy 21,10-34,12 (WBC 6B), Waco
  • Craigie, P.C., 1983, The Book of Deuteronomy (NIC.OT), Grand Rapids
  • Dahood, M.S.J., 1966, Psalms I. 1-50. Introduction, Translation, and Notes (AncB 16), New York u.a.
  • Deissler, A., 1988, Zwölf Propheten III. Zefania, Haggai, Sacharja, Maleachi (NEB 21.3), Würzburg
  • Dhorme, E., 1963, L’emploi metaphorique des noms de parties du corps en hébreu et en akkadien, Paris
  • Hill, A.E., 1997, Art. כָּתֵף, in: New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis II, Grand Rapids, 743-744
  • Hill, A.E., 1997, Art. שְׁכֶם, in: New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis IV, Grand Rapids, 108
  • Hossfeld, F.-L. / Zenger, E., 1993, Die Psalmen I. Psalm 1-50 (NEB 29.1), Würzburg
  • Kaiser, O., 1981, Das Buch des Propheten Jesaja. Kapitel 1-12 (ATD 17), Göttingen 5. Aufl.
  • Killian, R., 1986, Jesaja 1-12 (NEB 17), Würzburg
  • Luering, H.L.E., 2011, Art. Shoulder, in: International Standard Bible Encyclopedia Online, Art. Shoulder (1939), (Zugriff am 13.12.11)
  • Nielsen, E., 1995, Deuteronomium (HAT 1,6), Tübingen
  • Perlitt, L., 2004, Die Propheten Nahum, Habakuk, Zephanja (ATD 25,1), Göttingen
  • Phillips, A., 1973, Deuteronomy (CNEB), Cambridge
  • Rattay, S. / Milgrom, J, 1993, Art. שְׁכֶם šekæm, in: ThWAT VII, Stuttgart u.a., 1335-1337
  • Reventlow, H., 1993, Die Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi (ATD 25.2), Göttingen
  • Tigay, J.H., 1996, Deuteronomy. The Traditional Hebrew Text with the New JPS Translation (The JPS Torah Commentary), Philadelphia
  • Zobel, H.-J., 1984, Art. כָּתֵף kāṯep, in: ThWAT IV, Stuttgart u.a., 402-406

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