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(erstellt: August 2019)

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1. Begriff

Schlacke 01
Metalle, die seit der Steinzeit die materielle Grundlage für viele technische Errungenschaften der Menschheit bilden, kommen in der Natur ausgesprochen selten in reiner Form vor, sondern als Erze, einer Mischung aus Gestein und Verbindungen von Metall und Nichtmetall. Die Gewinnung reiner Metalle aus dem Erz bezeichnet man als Verhüttung und sie verläuft über mehrere Stufen der Trennung und chemischen Umsetzung zur Gewinnung eines möglichst reinen Metalls. Das wichtigste Verfahren hierfür war und ist die Erhitzung des Erzes, so dass sich aus der Verbindung (z.B. Malachit) durch chemische Umsetzung das reine Metall (Kupfer) bildet, welches sich im Idealfall von dem verbleibenden Gestein scheidet und zusammenfließt. Den verbleibenden Rest bezeichnet man als Schlacke. Entweder kann man das Metall im flüssigen Zustand abgießen oder nach der Abkühlung mechanisch von der Schlacke trennen.

Schlacke 02
Die Schlacke war unbrauchbarer Abfall. Immerhin, um die Ausbeute des Metalls zu erhöhen und die Reinheit des Metalls zu steigern, konnte das Schmelzen und Abgießen mehrfach nacheinander geschaltet werden; zudem konnte man dem Erz oder dem Rohmetall zusätzliche Stoffe, wie z.B Hämatit, Kieselsäure und Kalk bei der Kupfergewinnung beigeben, die unerwünschte Begleitbestandteile oder Reaktionsprodukte chemisch banden oder umwandelten.

Mit dem Begriff „Schlacke“ wird das hebräische Wort סִיג sîg (Plural: סִיגִים sîgîm) wiedergegeben, es findet sich in Jes 1,22.25; Ez 22,18 (2x); Ez 22,19; Spr 25,4; Spr 26,23; Ps 119,119. Das Wort begegnet an allen Stellen im Plural (eine Ausnahme könnte in Ez 22,18 vorliegen, aber der Text ist unsicher). Das spricht dafür, dass man sich Schlacke nicht als amorphe Masse vorzustellen hat, das würde nämlich mit dem Singular ausgedrückt (Ges.-Kautzsch-Bergsträsser, Grammatik, §124l). Der Plural impliziert, dass eine Vielzahl von Bestandteilen erkennbar ist, z.B. Silberstücke im Falle von Silber (Gen 42,25.35). Je nach Verfahren, mit dem die Metallgewinnung betrieben wurde, konnte auch eine Menge an Schlackebrocken entstehen, die dann aufgebrochen wurden, um an die entstandenen Metall-Nuggets zu gelangen. Es könnten aber auch die Abfälle der Reinigung des Metalls über mehrere Stufen oder Prozesse gemeint sein.

In Jes 1,25 steht der Plural von בָּדִיל bādîl „Ausgesondertes / Ausgeschiedenes“ (Gesenius, 18. Aufl., 125) in Parallele zu סִיגִים sîgîm und dürfte deshalb etwas Ähnliches wie Schlacke bedeuten (Gesenius, 18. Aufl., 125 schlägt tatsächlich vor: „Schlacke, unedles Metall“). In Num 31,22; Ez 22,18.20; Ez 27,12 bezeichnet der Begriff im Singular aber eindeutig ein Metall, wobei „Zinn“ gut passen würde. In Jes 1,25 ist allerdings die Gewinnung von Silber im Blick. Der letzte und wichtigste Schritt ist dabei die Trennung des Silber-und-Blei-Gemisches im Schmelztigel (vgl. → Lauge 4.). Dies geschieht dadurch, dass das Blei zu Bleiglätte (PbO) oxidiert und im geschmolzenen Zustand abgeleitet oder von einem Saugmaterial, wie z.B. Knochenasche, aufgenommen wird. Das Silber bleibt dabei zurück. Der Plural בְּדִילִים bǝdîlîm sollte also das abgeschiedene Blei, vielleicht noch spezifischer die Bleiglätte bezeichnen (Köhler).

Die → Septuaginta wählt in allen Fällen vereinfachende Übersetzungsäquivalente, insofern nicht mehr der Vorgang selbst, sondern sein metaphorisches Äquivalent eingesetzt oder umschrieben wird: in Jes 1,22 „Wertloses“ (auch Spr 25,4; Spr 26,23); in Ez 22,19 „Vermischtes“, in Ps 119,119 „Sünder“. Entweder verstanden die Übersetzer den Begriff nicht mehr und errieten die metaphorische Bedeutung aus dem Kontext oder wollten ihren Lesern keine Metaphern aus der Metallverarbeitung zumuten.

2. Archäologische Erkenntnisse

Über die Metallverarbeitung ist man dank der Funde von entsprechenden Anlagen, einschließlich der Metalle und Schlacken gut informiert. Die angewendeten Verfahren konnte man experimentell nachstellen. Auf YouTube finden sich einige entsprechende Videos (siehe z.B. Video 1, Video 2).

Schlacke 03
Einen einzigartigen Einblick in die Metallgewinnung erlaubt die Ausgrabung der antiken Kupferbergbaustätte in Timna, weil die Anlage nicht mehr überbaut wurde, nachdem man sie aufgegeben hatte. Hier wurde seit dem 4. Jahrtausend vor Christus aus den Kupfererzen Malachit (Cu2[(OH)2|CO3]) und Paratakamit (Cu3(Cu,Zn)(OH)6Cl2) das zur Bronzeherstellung wichtige Metall Kupfer (Cu) gewonnen. Der Bergbau wurde am intensivsten im 10. Jh. v. Chr. betrieben und kam Ende des 9. Jh. v. Chr. zum Erliegen (Ben-Yosef, 65). Die verwendeten Verhüttungsstellen, können noch nicht mit modernen Hochöfen, wie sie zum Beispiel im Ruhrgebiet noch betrieben werden, verglichen werden. Sie bestanden aus steinernen Öfen, die nach der einmaligen Verwendung abgebrochen wurden, um an die erkaltete Schlacke und die darin eingeschlossenen Metalle zu gelangen.

Schlacke 04
Die Schlacke blieb einfach liegen und der nächste Ofen wurde an derselben Stelle errichtet. Der magnetische Zustand der Schlacke kann auf Grund des schwankenden Magnetfeldes der Erde auch dazu verwendetet werden Verhüttungsprozesse zu datieren. Viele Öfen lagen bei oder auf einem Hochplateau, welches neben Brennmaterial auch Wind zum Befeuern der Brennöfen zur Verfügung stellte (siehe Übersichtskarte der 2013 Field Session des Central Timna Valley Project, URL im Abbildungsverzeichnis).

Aus den Grabungen können vielfältige Rückschlüsse auf die Lebensumstände der Bergleute gezogen werden. So gab es in Timna zwei Klassen: diejenigen, die „unter Tage“ (bis zu 70 m tief) arbeiteten, und diejenigen, die die Öfen betrieben. An Hand der gefundenen Reste von Kleidung und Speisen, welche teilweise von sehr weit her herangeschafft wurden, lässt sich schließen, dass die Bergleute gut versorgt wurden (Sapir-Hen). Das wiederum spricht dafür, dass ihre Expertise geschätzt wurde.

Da man nur vorgefertigte Rohgegenstände, aber keine fertigen Produkte fand, muss das Metall zur Weiterverarbeitung an andere Orte verbracht oder verkauft worden sein.

3. Jesaja 1,21-28: Die Neubearbeitung einer missglückten Verhüttung

In Jes 1,21-28 wird ein Gerichtswort gegen Jerusalem vorgebracht: Die Stadt hat sich gegen JHWH vergangen (Jes 1,21-23). Das herrschende Unrecht wird als Folge eines unerklärlichen Verfalls beschrieben. Dabei fällt unter anderem die Aussage: „Dein Silber ist zu Schlacke geworden“ (Jes 1,22). Da Silber als Edelmetall äußerst beständig ist, muss die Formulierung als poetisch verkürzte Aussage gemeint sein (→ Lauge 4.). Wahrscheinlich geht es darum, dass bei der Gewinnung von Silber aus dem Erz durch Schmelzen ein gravierender Fehler passierte, so dass das Silber in der entstehenden Schlacke verblieb, der aufwendige Schmelzvorgang also nicht das angestrebte Ergebnis, die Gewinnung reinen Silbers, erbrachte.

Im zweiten Teil des Gerichtswortes (Jes 1,24-28) kündigt JHWH ein → Läuterungsgericht an, wobei auch das Ergebnis des missglückten Verhüttungsprozesses erneut bearbeitet wird. Diesmal wird das Verfahren nicht nur fehlerfrei durchgeführt, sondern auch noch durch die Zugabe von בֹּר bor „Pottasche“ (?) optimiert (→ Lauge 4.), so dass qualitativ hochwertiges Silber entsteht (vgl. Spr 25,4).

Der Vorgang dient als Metapher dafür, dass JHWH Jerusalem wieder zu einem gerechten, gottgefälligen Gemeinwesen formen wird. Am Ende (Jes 1,27-28) wird deutlich gemacht, dass die Läuterung dadurch vollzogen wird, dass die Übertreter und Sünder aussortiert und zerschmettert werden (vgl. Ps 119,119).

4. Ezechiel 22,17-22: Das große Einschmelzen

Auch das Gerichtswort Ez 22,17-22 benutzt wie Jes 1,21-28 die Metaphorik von der Verhüttung von Metallen, wobei gleich mehrere, nämlich Bronze, Zinn, Eisen, Blei und Silber, erwähnt werden (Ez 22,18). Im engen Anschluss an Jes 1,22 wird der Verfall des Hauses Israel so beschrieben, dass es „zu Schlacke geworden“ sei (Ez 22,18.19). Im Unterschied zum Jesaja-Text bleibt Ezechiel jedoch bei der Schilderung des Einschmelzens stehen, ohne zu erwähnen, dass das Ziel ja eigentlich die Gewinnung eines reinen Produktes ist. Dies erzeugt einen trostlosen Eindruck. Das kann so gewollt sein, vermutlich soll die Leserschaft aber doch, nach dem Vorbild von Jes 1,21-28, daran denken, dass das Einschmelzen nur ein Durchgangsstadium hin zu größerer Reinheit ist.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Dalman, G., 1928, Arbeit und Sitte in Palästina Bd. 1. Gütersloh (im Internet).
  • Ben-Yosef, E. u.a., 2012, A New Chronological Framework for Iron Age Copper Production at Timna (Israel), Bulletin of the American Schools of Oriental Research 367, 31-71.
  • Köhler, L., Sīg, sīgīm = Bleiglätte, Theologische Zeitschrift 3 (1947), 232-234.
  • Moesta, H., 1983, Erze und Metalle – ihre Kulturgeschichte im Experiment, Berlin.
  • Rothenberg, B., 1980, Die Verhüttungsverfahren von Site 30. In: Vereinigung der Freunde von Kunst und Kultur im Bergbau e.V., Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Institute of Mining and Metals in the Biblical World (Hgg.), Antikes Kupfer im Timna-Tal, Bochum, 215-236.
  • Sapir-Hen, L. / Ben-Yosef, E., 2014, The Socioeconomic Status of Iron Age Metalworkers: Animal Economy in the „Slaves’ Hill“, Timna, Israel, Antiquity 88, 775-790.
  • Wildberger, H., 1972, Jesaja, Jes 1-12 (Biblischer Kommentar Altes Testament X/1), Neukirchen-Vluyn.
  • Internet: Central Timna Valley Projekt http://archaeology.tau.ac.il/ben-yosef/CTV/field/index.html.

3. Videos

Abbildungsverzeichnis

  • Abkippen von flüssiger Schlacke im modernen Verhüttungsprozess. Aus: Wikimedia Commons; © Javier Rubilar, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative Commons-Lizenz, Attribution-Share Alike 2.0 generic; Zugriff 5.9.2019
  • Erkaltete Schlacke aus einem Ofen zur Eisenverhüttung nach antiker Art. Aus: Wikimedia Commons; © Lokilech, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative Commons-Lizenz, Attribution-Share Alike 3.0 unported; Zugriff 5.9.2019
  • Stätte zur Kupfergewinnung aus dem 14.-12. Jh. v. Chr. in Timna. Man findet dort noch heute Schlacke aus der Spätbronzezeit. © public domain; Foto: Klaus Koenen, 2015
  • Nachbau eines spätbronzezeitlichen Verhüttungsofens. Im Hintergrund die Stätte zur Kupfergewinnung von Abb. 3. © public domain; Foto: Klaus Koenen, 2015

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