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Schimpfworte (AT)

(erstellt: Juni 2008)

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1. Terminologie

Schimpfworte oder Invektive zielen auf Abwertung und Herabsetzung und werden meist in Bezug auf Personen verwendet. Schimpfworte sollen beleidigend wirken, indem sie den Beschimpften als den kulturell gesetzten ästhetischen, ethischen, hygienischen, intellektuellen, physischen oder religiösen Normen nicht genügend und mithin als subnormal bezeichnen, um damit kulturell oder persönlich sensible Bereiche zu verletzen.

2. Schimpfworte im Alten Testament

Während einige Texte des Alten Testaments den Gebrauch von Schimpfworten kritisieren (Ps 15,3; Ps 34,14; Sir 23,12-15; Lutherbibel: Sir 23,15-20) oder sogar mit der Anwendung von körperlicher Gewalt vergleichen (Ps 140,12), sind Schimpfworte in anderen alttestamentlichen Texten breit belegt. Dabei kommen ihnen verschiedene Funktionen zu, wie etwa diejenige der religiösen Polemik in Beschimpfungen fremder Götter („Gräuel der Verwüstung“: Dan 11,12; 1Makk 1,54 [Lutherbibel: 1Makk 1,57]; „Nichtsnutze“: Ps 96,5). Selbstbeschimpfungen erscheinen als Mittel der captatio benevolentiae (2Sam 9,8; 2Kön 8,13; Jes 64,5; Hi 25,6; Ps 22,7). Indes folgte die Verwendung von Schimpfworten im Hebräischen nicht nur den stilistischen Bedürfnissen konkreter literarischer Kontexte, sondern stand auch vor dem Hintergrund einer langen Tradition, wie die bereits in den kanaanäischen → Amarnabriefen belegte Selbstbeschimpfung als „Hund“ in 2Kön 8,13 zeigt.

Zahl und Streuung der alttestamentlichen Referenzen beweisen, dass „Hund“, bisweilen mit zusätzlichen beleidigenden Attributen versehen, ein im Hebräischen sehr beliebtes Schimpfwort war (Sir 26,25; „toter Hund“: 1Sam 24,15; 2Sam 9,8; 2Sam 16,9; „stummer Hund“: Jes 56,10). Daneben dient eine ganze Reihe weiterer Tiernamen der schimpflichen Bezeichnung als subnormal: „Floh“ (1Sam 24,15), „Kuh“ (Am 4,1), „Löwe“ (Zef 3,3), „Pferd“ (Jer 5,8), „Skorpion“ (Ez 2,6; Sir 26,7), „Wolf“ (Zef 3,3), „Wurm“ (Hi 25,6; Ps 22,7) oder auch unspezifisch „wildes Tier“ (Jes 56,9). Zudem werden auch Körperteile von Tieren zur Bildung von Schimpfworten herangezogen („Hundekopf“: 2Sam 3,8; „Eselsglied“: Ez 23,20).

Mehrere hebräische Schimpfworte belegen die Bedeutung der Sexualität als Angriffsfläche für Beleidigungen („Eselsglied“ und „Eselserguß“ in Ez 23,20). In einem besonders prominenten Beleg wird → Jonatan von seinem Vater → Saul als „Sohn einer Widerspenstigen“ und „Schande des Schamteils seiner Mutter“ bezeichnet (1Sam 20,30).

Der Fäkalsprache entnommen sind „Wandpisser“ für „Mann“ (1Sam 25,22; 1Kön 14,10) sowie die Beleidigungen als Kotbeschmutzter (Spr 30,12; vgl. Mal 2,3) oder Exkrementverzehrer (2Kön 18,27 par. Jes 36,12, die Formulierung ist im Qere euphemistisch abgemildert; Ez 4,12).

Auf Defizite im Bereich religiöser Normen verweisen die Schimpfworte „Unreiner“ (Klgl 4,15) und „Sünder“ (Ez 33,8) ebenso wie die schimpflichen Vergleiche mit → Sodom und Gomorra (Dtn 32,32; Jes 1,10; Jer 23,14) oder die Bezeichnung als „untreu von Mutterleib an“ (Jes 48,8). Auf das Unterschreiten ethischer Normen bezieht sich die Beschimpfung als „Wegelagerer“ (Jer 3,2) oder der Vorwurf der Trunkenheit (Jes 28,1).

Mehrfach werden Beschimpften intellektuelle Mängel vorgeworfen („töricht“: 1Sam 25,25; Ez 13,3; „unverständig“: Dtn 32,6; Hos 4,14), wohingegen andere Schimpfworte auf körperliche Mängel zielen („Glatzkopf“: 2Kön 2,23; Verfettung: Dtn 32,15; Schwäche: Neh 3,34) oder gar → Behinderungen im Blick haben (Lahmheit: 1Kön 18,21.26; Stummheit: Jes 56,10; Taub- und Blindheit: Jes 42,18).

Der Vorwurf, sozial vorgegebenen Rollenbildern nicht zu genügen, steht hinter der Beschimpfung als „nutzlos“ (Ri 20,13; 1Sam 25,25; vgl. auch Ez 29,6 sowie Jes 1,25; Jes 57,20; Ez 22,19), wohingegen die Bezeichnung „Feind“ (1Kön 21,20, Est 7,6) auf der Aufkündigung der sozialen und persönlichen Beziehungen beruht.

In einigen Fällen operieren Schimpfworte mit Hilfe einer wortspielerischen Entstellung des Namens (Nabal: 1Sam 25,25; šomem „Verwüster“ für [ba‘al] šāmem „Herr des Himmels“: Dan 9,27; ’älîlîm „Schwache“ für ’älohîm „Gott“: Jes 2,8 u.ö.). Die auf ein Demonstrativpronomen beschränkte Bezeichnung (z.B. 2Sam 13,17: „die da“) wirkt insofern beleidigend, als sie dem Bezeichneten eine namentliche Nennung vorenthält.

Literaturverzeichnis

  • Hutton, J.M., 2002 / 2003, „Abdi-Asirta, the slave, the dog“: self-abasement and invective in the Amarna Letters, the Lachish Letters, and 2 Sam 3:8, ZAH 15-16, 2-18
  • Schorch, S., 2000, Euphemismen in der Hebräischen Bibel (OBC 12), Wiesbaden
  • Wissemann, M., 1992, Schimpfworte in der Bibelübersetzung des Hieronymus (Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften, Reihe 2; N.F. 86), Heidelberg

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