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Sarai / Sara

(erstellt: April 2009)

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1. Der Name

Sarai (hebr. שׂרי śāraj) / Sara (hebr. שׂרה śārāh „Fürstin / vornehme Frau“ [vgl. Ri 5,29; Jes 49,23 u.ö.]) begegnet in der hebräischen Bibel ausschließlich als Name der ersten Erzmutter bzw. Ahnfrau Israels (→ Erzeltern). Deren Umbenennung von Sarai in Sara wird in Gen 17,15f parallel zur Umbenennung Abrams in → Abraham (vgl. Gen 17,5) erzählt, wobei die Erläuterung des Namens in Gen 17,16 ohne direkten etymologischen Zusammenhang bleibt.

Darüber hinaus trägt auch die weibliche Hauptperson im deuterokanonischen → Tobitbuch den Namen Sara (s.u. 3.).

2. Sara, die Erzmutter Israels

2.1. Sarai / Sara in der hebräischen Bibel

2.1.1. Die Erzählungen von Abraham und Sara in Gen 11,27-25,18

Sarai wird in Gen 11,29 als Ehefrau Abrams / Abrahams eingeführt. Ihre bereits in Gen 11,30 erwähnte Unfruchtbarkeit (vgl. Gen 16,2) bereitet die Sohnesverheißung vor (vgl. Gen 18,1-16a; Gen 17,15-19.21; Gen 15,1-6). Sarai begleitet Abraham beim Auszug aus → Ur über die Zwischenstation → Haran nach Kanaan (vgl. Gen 11,31; Gen 12,5). Eine tragende Rolle spielt Sarai erstmals in Gen 12,10-20, der ersten der sog. → Preisgabeerzählungen. Hier wird berichtet, dass Abraham mit seiner Sippe nach Ägypten zieht und die als außergewöhnlich schön vorgestellte Sarai (Gen 12,11.14) als seine Schwester ausgibt, weil er fürchtet, der Pharao könnte ihn töten, um sich seiner Frau zu bemächtigen. Nachdem der Betrug aufgedeckt worden ist, kehrt die Abrahamsippe nach Kanaan zurück.

In Gen 16 wird erzählt, wie die kinderlose Sarai Abraham dazu veranlasst, mit ihrer Magd → Hagar ein Kind zu zeugen. Als Hagar schwanger ist, kommt es zum Konflikt zwischen den beiden Frauen, und Hagar flieht in die Wüste, von wo sie jedoch durch einen Engel zur Rückkehr bewegt wird. Bald darauf wird → Ismael, Abrahams Sohn mit Hagar, geboren.

Gen 17,15f erzählt von der Umbenennung Sarais in Sara durch Gott (→ Priesterschrift). Der in Gen 17,16 genannte Kindersegen wird in der Folge konkretisiert, indem dem 100-jährigen Abraham und der schon 90-jährigen Sara ein gemeinsamer leiblicher Nachkomme, Isaak, verheißen wird (vgl. Gen 17,17-19.21).

Sara 2
Eine weitere, ältere Erzählung von der Verheißung Isaaks liegt in Gen 18,1-16a vor. Hier wird vom Besuch dreier Männer (bzw. Jhwhs in Begleitung zweier Engel) bei Abraham und Sara erzählt, die von den beiden gastfreundlich bewirtet werden und daraufhin die Verheißung eines Sohnes aussprechen. Diese Geburtsankündigung lässt Sara aufgrund des hohen Alters beider Eheleute in Lachen ausbrechen. Das in diesem Zusammenhang viermal erwähnte hebr. Verb für „lachen“ (צחק ṣāchaq) kann als deutliche Anspielung auf den Namen des verheißenen Sohnes, → Isaak (יצחק jiṣchāq), gelesen werden (vgl. auch Gen 17,17; Gen 21,6, dort allerdings mit jeweils anderer etymologischer Ableitung).

Noch vor der Geburtserzählung Isaaks in Gen 21,1-7 ist mit Gen 20 eine zweite Fassung der → Preisgabeerzählung eingeschoben. Wiederum gibt Abraham hier seine Frau als seine Schwester aus, diesmal allerdings gegenüber → Abimelech, dem König von → Gerar. Außerdem wird Sara in dieser Erzählung tatsächlich als Halbschwester charakterisiert (Gen 20,12), was offensichtlich nicht als anstößig empfunden wurde (vgl. aber Lev 18,9; Lev 20,17 u.ö.)

Als Isaak geboren ist, kommt es nun endgültig zum Bruch mit Hagar und Ismael, die Abraham auf Veranlassung Saras (Gen 21,9f) und mit göttlicher Legitimation (Gen 21,11-13) wegschickt. In der Erzählung von der Bindung Isaaks (Gen 22,1-19) wird Sara nicht erwähnt (vgl. aber Bereschit Rabba 23,2; Midrasch Tanchuma, wo Saras Tod mit dem Erschrecken über die beinahe vollzogene Opferung ihres Sohnes begründet wird). Nach Saras Tod im Alter von 127 Jahren erfolgt ihre Bestattung in der bei → Hebron lokalisierten Höhle Machpela (Gen 23). Nach der Darstellung der Genesis handelt es sich dabei um ein Erbbegräbnis in einer von Abraham gekauften Höhle, die von da an (mit Ausnahme → Rahels, Gen 35,19) als Grablege für die → Erzeltern dient; vgl. Abraham (Gen 25,8-10), Isaak und → Rebekka (Gen 49,31), → Jakob (vgl. Gen 49,29ff; Gen 50,13) und → Lea (Gen 49,31).

In der nachträglich eingeschobenen Erzählung von der Brautwerbung für Isaak in Gen 24 wird die Erzmutter Sara noch zweimal rückblickend genannt (vgl. Gen 24,36.67).

2.1.2. Sara in der hebräischen Bibel außerhalb der Genesis

Außerhalb der Genesis wird Sara in der hebräischen Bibel nur einmal erwähnt, und zwar zusammen mit Abraham in Jes 51,2. Hier werden die Adressaten im Rahmen einer nachexilischen Heilsankündigung für Israel (Jes 51,1-8) in positiver Weise an die identitätskonstituierende Abstammung von den → Erzeltern Abraham und Sara erinnert, die hier nicht nur als Vorfahren einer bestimmten Gruppe gelten, sondern Gesamtisrael integrieren (Köckert, 110). Den Adressaten werden mit Abraham und Sara konkrete Gestalten vor Augen geführt, die ihnen aus der Tradition bekannt sind und die exemplarisch für den Empfang der Heilsgaben stehen. Die explizite Erwähnung Saras in Jes 51,2 ist angesichts der ansonsten vorherrschenden androzentrischen Erzväter-Bezüge bemerkenswert.

Inwiefern sich die in Jes 51,1 gebrauchten Metaphern des „Felsens“ bzw. des „Brunnenschachtes“ tatsächlich auf Abraham bzw. Sara in Jes 51,2 beziehen, ist umstritten. Jes 51,1 könnte metaphorisch als Anspielung auf die Unfruchtbarkeit Saras zu verstehen sein (vgl. Römer, 21). Hardmeier (38) hingegen hebt das Vertrauen stiftende Moment der gebrauchten Bilder hervor: „Vater, starker unbeugsamer Fels uranfänglicher Abstammung; Mutter, bergende Höhlung, in Stein gehauener Mutterschoß, dem die Angesprochenen entsprungen sind.“

2.2. Sara in außerkanonischen Schriften

Die Erzählungen von Abraham und Sara werden in der jüdischen Literatur aus hellenistisch-römischer Zeit (→ Pseudepigraphen) mehrfach aufgegriffen und zum Teil in spezifischer Weise ausgestaltet.

Im → Genesisapokryphon wird v.a. die → Preisgabeerzählung breiter entfaltet und um eine Traumerzählung sowie ein ausführliches Lob auf die außergewöhnliche Schönheit der Erzmutter erweitert (zur Schönheit Saras vgl. auch Bereschit Rabba 40,5).

Im → Jubiläenbuch wird die Verwandtschaft von Abraham und Sara, anders als in der Genesis (vgl. Gen 12,9; Gen 20,12), bereits bei der Eheschließung der beiden betont, was die „Notlüge“ des Erzvaters bei der Preisgabeerzählung legitimiert und außerdem darauf schließen lässt, dass dem Verfasser des Jubiläenbuchs die endogame Verbindung des Erzelternpaares besonders wichtig war.

Bei → Josephus gelten Sara und Abrahams Neffe → Lot als Geschwister. Damit ist in der Darstellung des Josephus die Verwandtschaft der beiden und somit eine endogame Verbindung gewährleistet, ohne dass ihm Sara und Abraham selbst wie in Gen 20,12 und im Jubiläenbuch als Halbgeschwister gelten müssen.

In De Abrahamo stellt Philo bei der Erzählung über den Tod Saras diese rückblickend als vorbildliche Ehefrau dar (§245-261; Text Philo), was er überraschenderweise an ihrem Verhalten gegenüber Hagar (Gen 16) veranschaulicht.

In der rabbinischen Auslegung spielt die Erzmutter Sara eine bedeutende Rolle. Sie gilt als Prophetin und wird in der haggadischen Tradition neben Abraham gleichberechtigt für die Begründung der Konversion zum Judentum in Anspruch genommen (vgl. Safrai).

2.3. Sara im Neuen Testament

Im Neuen Testament wird mehrfach auf die Erzmutter Sara zurückgegriffen. Neben der Typologie in Gal 4,22f, wo sie allerdings nicht namentlich genannt wird, ist zunächst der Römerbrief mit zwei Belegen der Erzmutter zu nennen: In Röm 4,19-22 stellt Paulus den Glauben Abrahams an die nach menschlichem Ermessen unmögliche Erfüllung der göttlichen Verheißung heraus, indem er neben dem hohen Alter Abrahams auch Sara erwähnt, die eigentlich nicht mehr gebärfähig war. In Röm 9,9 wird auf die Sohnesverheißung an Sara Bezug genommen (vgl. Gen 17,21; Gen 18,10; Gen 21,2).

Außerdem wird Sara im Rahmen einer Haustafel in 1Petr 3,6 genannt, wo sie als Vorbild des rechten Verhaltens von Frauen gegenüber ihren Ehemännern angeführt wird. Unter Rückgriff auf Gen 18,12, wo Sara Abraham als ihren „Herrn“ bezeichnet, wird die eheliche Unterordnung der Frau im ersten Petrusbrief zur Tugend erhoben.

Innerhalb der „Wolke der Glaubenszeugen“ in Hebr 11 wird Sara als einzige der Erzmütter Israels ausdrücklich erwähnt (Hebr 11,11), wobei ihr Vertrauen auf die göttliche Verheißung als Grund für die späte Geburt Isaaks angeführt wird.

2.4. Die Bedeutung Saras als Erzmutter Israels

Hat man in der Auslegungstradition lange Zeit nur die Erzväter als konstitutiv für die Heilsgeschichte angesehen, während die Erzmütter und mit ihnen Sara nur als Randfiguren galten (exemplarisch Gunkel; Noth), so wird in der neueren Forschung, v.a. in feministisch-exegetischen Ansätzen, stärker auf die Bedeutung der Frauen in den Erzelternerzählungen hingewiesen (vgl. Fischer 1994 und 2001).

In der Tat kommt Sara als Empfängerin göttlicher Verheißung und Erzmutter der über Isaak verlaufenden Hauptverheißungslinie in diesen Erzählungen eine bedeutende Rolle zu. Die Namensgebung für Isaak, mit der sowohl Abraham als auch Sara in Verbindung gebracht werden (Gen 17,17; Gen 18,12.13.15; Gen 21,6), ist nur ein Punkt, an dem die Erzeltern Abraham und Sara gleichrangig behandelt werden (vgl. außerdem die Verheißung an beide in Gen 17,6.16 [nach dem Masoretischen Text] sowie den Bericht über den Tod in Verbindung mit dem erreichten Lebensalter in Gen 23,1f und Gen 25,7f), was angesichts der üblichen patrilinearen und androzentrischen Struktur von genealogischen Erzählungen doch überrascht (Hieke, 141f).

3. Sara, die Frau des Tobias

Eine weitere Hauptperson mit dem Namen Sara begegnet im deuterokanonischen → Tobitbuch: Eine Frau aus Medien namens Sara verliert sieben Ehemänner durch einen bösen → Dämon (→ Aschmodai), bevor Gott durch den Engel → Rafael helfend eingreift und sie mit Tobias, dem Sohn Tobits, zusammenführt. Tobias, der entfernt mit Sara verwandt ist, nimmt sie zur Frau und kann durch ein wundersames Heilmittel den todbringenden Dämon unschädlich machen. Die Betonung der endogamen Verbindung von Tobias und Sara im Buch Tobit stellt eine Parallele zu Abraham und Sara in der Genesis dar (vgl. Gen 20,12; vgl. auch → Isaak und → Rebekka in Gen 24).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (im Internet)

2. Weitere Literatur

  • Fischer, I., 1994, Die Erzeltern Israels. Feministisch-theologische Studien zu Genesis 12-36 (BZAW 222), Berlin / New York
  • Fischer, I., 2001, Das Geschlecht als exegetisches Kriterium. Zu einer gender-fairen Interpretation der Erzeltern-Erzählungen, in: A. Wénin (Hg.), Studies in the Book of Genesis. Literature, Redaction and History (BEThL CLV), Leuven, 135-152
  • Gunkel, H., 1977, Genesis (HKAT I/1), Göttingen, 9. Aufl.
  • Hardmeier, C., Erzählen-Erzählung-Erzählgemeinschaft. Zur Rezeption von Abrahamserzählungen in der Exilsprophetie (1981), in: ders., Erzähldiskurs und Redepragmatik im Alten Testament. Unterwegs zu einer performativen Theologie der Bibel (FAT 46), Tübingen 2005, 35-55
  • Hieke, T., 2003, Die Genealogien der Genesis (HBS 39), Freiburg u.a.
  • Köckert, M., 2006, Die Geschichte der Abrahamüberlieferung, in: A. Lemaire (Hg.), Congress Volume Leiden 2004, (VT.S 109), Leiden, 103-128
  • Noth, M., 1948, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, Stuttgart (Reprint Darmstadt, 3. Aufl. 1966)
  • Römer, T., 1997, Qui est Abraham? Les différentes figures du patriarche dans la bible hébraique, in: Ders. (Hg.), Abraham. Nouvelle jeunesse d´un ancêtre, Essais bibliques 28, Labor et fides, Genf, 13-33
  • Safrai, C.,2002, Abraham und Sara – Spender des Lebens, in: Evangelische Theologie 62/5, 348-362
  • Schorn, U., 2003, Und Sara lachte. Kommunikation als Theologie am Beispiel von Genesis 18, in: K. Greschat / H. Omerzu (Hgg.), Körper und Kommunikation. Beiträge aus der theologischen Genderforschung, Leipzig, 13-33

Abbildungsverzeichnis

  • Abraham, Sara und Hagar (Adriaen van der Werff; 1699).
  • Göttlicher Besuch bei Abraham und Sara (Mosaik in San Vitale in Ravenna; 6. Jh.).
  • Abraham und Sara bei Abimelech (Wandteppich Freiburger Münster; 17. Jh.).
  • Sara und Abraham verstoßen Hagar und Ismael (Pieter Jozef Verhaghen; 1781).

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