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(erstellt: Juni 2010)

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griech. Σαλώμη, von hebr. שלם

1. Salome Alexandra (134-67 v. Chr.)

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Im Gegensatz zu der grausamen Gewaltherrschaft Ataljas (2Kön 8,26; 2Kön 11) und der kurzen Regentschaft der Witwe Johannes Hyrkans I. (Bellum 1,71; Antiquitates 13,302; Text gr. und lat. Autoren) ist die relativ lange und gefestigte Herrschaft der Salome Alexandra die der einzigen jüdischen Frau, die eine rechtlich legitimierte Herrscherrolle einnahm. Wenn auch die Thronfolge gewöhnlich auf männliche Nachkommen ausgerichtet war (Antiquitates 13,400.407.417), liegen für das → hasmonäische Herrscherhaus – in Anlehnung an die Strukturen der → ptolemäischen Dynastie ab dem 2. Jh. v. Chr. – Belege für die legitime Regentschaft von Frauen vor (vgl. Sievers). Da die Ämter des Hohepriesters und des Strategen nicht von einer Regentin eingenommen werden konnten, war die Aufteilung der Machtpositionen nötig (vgl. 1Makk 14,41-45; vgl. dazu Baltrusch, 171). Obwohl sie zwei erwachsene Söhne hatte, Hyrkan II. und Aristobul II. (Bellum 1,109; Antiquitates 13,407), übernahm Salome Alexandra nach dem Tod ihres Mannes Alexander Jannaeus (76 v. Chr.) und gemäß dessen Wunsch (Bellum 1,107; Antiquitates 13,398ff.) die Regierungsmacht; ihren ältesten Sohn Hyrkan ernannte sie zum Hohepriester (Bellum 1,109; Antiquitates 13,408). Diese von den pharisäischen Strömungen favorisierte Trennung von politischem Herrschaftsamt und Hohepriesteramt bildete das Fundament der Herrschaft Salome Alexandras.

Bereits zu Lebzeiten des Alexander Jannaeus scheint Salome Alexandra in gewissem Umfang aktiven Einfluss auf politische Entscheidungen ausgewirkt (Antiquitates 14,10) und eine Vermittlerposition zwischen dem König und Simon ben Shetach, der laut rabbinischen Quellen mit ihrem Bruder identifiziert wird (Genesis Rabbah 91,3; Berakhot 48a), eingenommen zu haben. Nach dem Tod ihres Gatten stellte sich die für ihre Frömmigkeit gerühmte Herrscherin offen gegen die Gewaltpolitik des Alexander Jannaeus (Bellum 1,107f.).

Die Außenpolitik Salome Alexandras zeichnete sich v.a. durch ihre Friedensabsichten aus: nachdem die von Alexander Jannaeus zur Zeit seines Todes belagerte Stadt Ragaba eingenommen war (Antiquitates 13,398.400.405), wird lediglich von einem weiteren Feldzug berichtet, der von ihrem Sohn Aristobul angeführt wurde, um Damaskus vor den Ituräern zu schützen; allerdings verlief er erfolglos (Bellum 1,115; Antiquitates 13,418). Salome warb ein großes Söldnerheer an (Bellum 1,112; Antiquitates 13,409) und schloss einen Friedensvertrag mit Tigranes von Armenien (Bellum 1,116; Antiquitates 13,419-421); ihre Zahlungen an den König sowie die Tatsache, dass dessen Land von den Römern angegriffen wurde, konnten seine Expansionsbestrebungen gegenüber dem Hasmonäerreich stoppen.

Unter ihrer Regentschaft war die Innenpolitik des Landes gekennzeichnet durch eine umfassende Verfassungsreform, die die Pharisäer mit dem hasmonäischen Königtum aussöhnte (Antiquitates 13,401ff.408-417), da die von Hyrkan I. außer Kraft gesetzten halachischen Ordnungen wieder eingesetzt (Antiquitates 13,408) und die Pharisäer zum entscheidenden politischen Machtfaktor wurden (Bellum 1,110-112; Antiquitates 13,409). In dieser Hinsicht ist anzunehmen, dass der Sanhedrin einem Transformationsprozess unterlag, der nun nicht mehr nur ausschließlich Mitglieder des Adels und der Priesterschaft, sondern auch Pharisäer aufnahm. Letztere nutzten die Gelegenheit, aus Rache für Vergehen an den Pharisäern unter der Regierung Alexander Jannaeus‘, Maßnahmen gegen die Oppositionspartei der Sadduzäer zu ergreifen (Bellum 1,113f.; Antiquitates 13,410-417).

Salome Alexandras Herrschaft zeichnete sich durch Frieden und Wohlstand aus (Antiquitates 13,419.429), sie war bestrebt, die sozialen und religiösen Spaltungen des Landes zu beheben und bescherte dem Land einen wirtschaftlichen Aufschwung. Nach Salome Alexandras Tod im Alter von 73 Jahren brach zwischen ihren beiden Söhnen ein Krieg um die Erbfolge aus: als Salome Alexandra im Sterben lag, unternahm ihr Sohn Aristobul einen Usurpationsversuch (Bellum 1,117f.; Antiquitates 13,422-429), den sie jedoch aufzuhalten wusste, indem sie seine Familie als Geiseln nahm (Bellum 1,118.121; Antiquitates 13,426) und ihren Sohn Hyrkan als Nachfolger nominierte.

Die Quellen, die von Salome Alexandras Herrschaft berichten, sind allesamt tendenziös: Informationen zu ihrem Charakter und ihrer Herrschaft finden sich in den Antiquitates Judaicae (13,[398-404.]405-432) und dem Bellum Judaicum (1,107-119) des Flavius Josephus, sowie in der rabbinischen Literatur (Sifre Deut. 42; Leviticus Rabbah 35,10; bSotah 22b; bShabbath 16a; Taanith 22b-23a) und den Texten von Qumran (z.B. 4Q332 2,4; 4Q324b 1,2,5-7; 4Q169 3-4,2,7-11; 4Q166 2,1-16). Während Josephus die Herrschaft Salome Alexandras in Bellum Judaicum durchwegs positiv darstellt und ihre Frömmigkeit lobt (Bellum 1,108-111) und auch die rabbinische Literatur vorwiegend positiv auf die fruchtbaren Zeiten unter der Königin rekurriert (bTaanith 23a), zeichnet Josephus in den Antiquitates hingegen ein negatives Bild und betont die Anmaßung ihrer Machtergreifung trotz der Herrschaftsfähigkeit ihrer Söhne (Antiquitates 13,417) sowie den Aspekt, dass eine Frau nicht zum Herrschen geschaffen sei (Antiquitates 13,430-432). Die Texte aus Qumran teilen diese Tendenz. Allein in Antiquitates 13,433 revidiert er dieses Urteil und erwähnt die Friedenszeit unter Salome (vgl. Ilan, 1996, 237-242 zu den Einflüssen von Josephus‘ Quelle, Nikolaus von Damaskus).

Auch das Leben der Salome Alexandra ist in der Forschung umstritten: laut der Mehrheitsmeinung war Salome Alexandra zunächst mit dem Hasmonäer Aristobul I. verheiratet und an der Ermordung ihres Schwagers Antigonos (Bellum 1,76; Antiquitates 13,308) beteiligt. Als Aristobul 103 v.Chr. starb, befreite sie seine von ihm gefangen gehaltenen Brüder und setzte Alexander Jannaeus zum Herrscher ein (Bellum 1,85; Antiquitates 13,320), der mit ihr eine Leviratsehe einging (so z.B. Schürer, Baltrusch). Jedoch bieten die Quellen kaum ausreichend eindeutige Belege für diese Eheschließung, die eine Identifizierung und Gleichsetzung der Gemahlinnen des Aristobul I. und des Alexander Jannaeus rechtfertigen würde. Gegen diese Mehrheitsmeinung in der Forschung steht daher der Ansatz von Tal Ilan, die aufgrund chronologischer, onomastischer und quellenkritischer Überlegungen die beiden Königinnen als zwei Individuen betrachtet (Ilan, 2006, 48ff.)

2. Salome, die Tochter der Herodias (ca. 10-ca. 64 n. Chr.)

2.1. Zur Person

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Aufgrund der schwierigen genealogischen Relationen der herodianischen Dynastie ist eine eindeutige Identifizierung der Salome nicht möglich. Laut der mehrheitlich vertretenen Rekonstruktion der genealogischen Verhältnisse, wurde Salome ca. 10 n. Chr. als Tochter des Herodes Boethos und der Herodias geboren, die in zweiter Ehe den Halbbruder ihre Mannes, Herodes Antipas, heiratete. Herodias war deshalb zugleich Enkelin und zweifache Schwiegertochter des Herodes des Großen, ein Schicksal das auch Salome beschert sein sollte, indem sie den Tetrarchen Philippus († 34 n. Chr.), einen weiteren Sohn Herodes des Großen heiratete. Nach dessen Tod ging sie eine zweite Ehe mit Aristobul, dem Sohn von Herodes von Chalkis, einem Bruder ihrer Mutter, ein (Antiquitates 18,136f.; Text gr. und lat. Autoren). Aristobul wurde 54 n. Chr. von Nero zum König von Kleinarmenien ernannt. Dass Salome ab 64 n. Chr. nicht mehr gemeinsam mit Aristobul auf Münzen abgebildet wurde, mag als ein Hinweis darauf gesehen werden, dass ihr Tod in die Zeit vor 64 n. Chr. fiel (vgl. Metzner, 39).

Die Perikope Mk 6,17-29 par. berichtet von einem Mädchen aus der Familie des Herodes, die vor Herodes Antipas tanzt und als Belohnung – auf Anstiftung der Gattin des Antipas, Herodias, hin – das Haupt Johannes des Täufers fordert. Nach Mk 6,17 par. hatte Johannes der Täufer die Eheschließung des Herodes Antipas mit der Frau seines Halbbruders Philippos (laut der mehrheitlich vertretenen Rekonstruktion der herodianischen Genealogie handelt es sich hier jedoch um Herodes Boethos) kritisiert und war daraufhin inhaftiert worden. Die Evangelien führen das Ende des Täufers daher auf dessen ethische Forderungen und seine Kritik an Herodes Eheschließung mit Herodias zurück (Mk 6,17-20). Josephus hingegen nennt ein politisches Motiv, die Furcht des Herodes vor einem durch den Täufer hervorgerufenen Aufruhr (Antiquitates 18,109-119). Daher wird die in V.24 erwähnte Mutter des tanzenden Mädchens, die im Neuen Testament ohne Namensnennung eingeführt wird, aus dem Kontext üblicherweise mit Herodias, der zweiten Frau des Antipas, identifiziert.

Während die Tänzerin im Neuen Testament ebenfalls nicht namentlich genannt wird, wurde sie sekundär aufgrund der Lesart der Majuskeln א, C, Θ, der Textfamilie f13, den Minuskeln 33 und 2427 sowie dem Mehrheitstext und der Harklensis (syh) über ihre Mutter Herodias mit der in Antiquitates 18,136f. genannten Salome gleichgesetzt (τῆς θυγατρός αὐτῆς τῆς Ἡηρῳδιάδος).

Eine weitere, seit der 26. Auflage des Nestle-Aland bevorzugte, Lesart zu V.22, die αὐτοῦ statt αὐτῆς liest und von den Handschriften a, B, D, L, Δ, der Minuskel 565 sowie einigen weiteren Handschriften gelesen wird, identifiziert das Mädchen als Tochter des Herodes, so dass Ἡηρῳδιάδος zum Subjektsgenitiv und damit zur Namensnennung wird: „seine Tochter Herodias“ (τῆς θυγατρός αὐτῆς τῆς Ἡηρῳδιάδος). Da keine Kinder aus der Ehe zwischen Herodes Antipas und Herodias bekannt sind, wird die Tanzende aufgrund numismatischer Evidenzen, jedoch ohne Anhalt in den literarischen Zeugnissen, als Iulia Herodias Salome, eine Tochter des Herodes Antipas aus erster Ehe und somit als Stieftochter der Herodias gedeutet (vgl. Kokkinos).

2.2. Rezeption in Literatur, Kunst, Film und Musik

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In der Literatur wurde die Figur der Salome von Anfang an – so etwa in frühchristlichen Apokryphen – rezipiert: Der im Kontext der Pilatusakten situierte Briefwechsel zwischen Pilatus und Herodes (6. / 7. Jh.; Text auf: http://www.oxfordscholarship.com/oso/public/content/religion/9780198261 827/toc.html) gibt die Beschreibung ihres Todes, der dem Grundsatz der talio identica entspricht. Die Tochter der Herodias spielt auf einem zugefrorenen Gewässer, bricht ein, und die Eisplatten trennen den Kopf vom restlichen Körper. Der beistehenden Mutter bleibt nur der Kopf ihres Kindes zum Begräbnis. Flaubert schrieb 1876/77 seine Erzählung Hérodias, die auf der Festung Machaerus spielt und einige zusätzliche Figuren einführt, im Allgemeinen aber nahe an den Evangelienberichten bleibt. Oscar Wildes Drama Salomé. A Tragedy in One Act (1896) präsentiert eine Salome, deren unerwiderte Liebe zum Täufer sie dazu bringt, durch einen Tanz vor Herodes den Kopf des Johannes zu verlangen. Salome wird hier, als sie ihr Ziel erreicht und endlich den bitteren Geschmack auf den Lippen des Toten schmeckt, als Monster dargestellt, das den Tod durch Herodes verdient hat.

Neben den Darstellungen in der Literatur kommt der Interpretation der Salome in den bildenden Künsten eine hohe Bedeutung zu. Die wichtigsten literarischen Vorlagen für ikonographische Darstellungen der Erzählung sind die Evangelientexte, die Legenda Aurea sowie die Bemerkung zur Schändung des Hauptes des Täufers bei Hieronymus (Apologie adversus Rufinum 3,42,31).

Eine der ältesten erhaltenen Salome-Darstellungen findet sich im Sinope-Evangeliar in Paris (6. Jh.). Obgleich sich die frühen Darstellungen durch eine gewisse ikonographische Variationsbreite auszeichnen, ist die enge Orientierung an den textlichen Vorlagen charakteristisch.

In Italien finden sich seit dem 12. Jh. ikonographische Darstellungen der Salome-Erzählung, die im Zusammenhang des Johanneszyklus stehen, so z.B. auf den Bronzetüren von S. Zeno in Verona oder im Kuppelmosaik des Baptisteriums in Florenz. In den folgenden Jahrhunderten entwickelt sich die Darstellung der Salome zum eigenständigen Motiv – typische Darstellungen zeigen das Festmahl des Herodes, die Übergabe des Johanneshauptes an Salome, die Darbringung des Hauptes durch Salome an Herodias und den Tanz der Salome. Meist folgen die Werke bestimmten Darstellungstraditionen, sind in der Detailgestaltung aber individuell für die Zeit und die Rezipienten adaptiert.

Die Künstler orientierten sich vor allem an den vorliegenden bildlichen Darstellungen, erst im 17. Jh. finden sich Werke, die eine eigenständige Auseinandersetzung mit den literarischen Quellen erkennen lassen. So lässt z.B. die Darstellung des Gastmahls bei Rubens auf die Kenntnis der Apologia contra Rufinum des Hieronymus schließen.

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Tizian stellt Salome – vielleicht in Aufnahme der literarischen Tradition des Nivardus von Ghent – betrübt oder nachdenklich dar.

Zudem lassen sich unterschiedlich motivierte Neuschöpfungen der ikonographischen Motivik aufzeigen: ausgehend von dem Befund an der Johannesreliquie in Amiens, die im Stirnbereich eine Schramme aufwies, häufen sich seit dem 14. Jh. Darstellungen der den Johannesschädel durchstechenden Herodias. Seit dem 16. Jh., als im Zuge der Gegenreformation die Märtyrerverehrung gesteigert wurde, mehren sich ferner Darstellungen der Hinrichtung des Täufers. Ab dem späten 14. und im 15. Jh. findet die Motivik der Salome mit dem Täuferhaupt auch als Andachtsbild große Verbreitung: in Analogie zu Mariendarstellungen nimmt die Reliquie des Täufers auf der Silberplatte in den Händen Salomes die zentrale Stellung im Bild ein. Daneben gibt es auch sog. Johannes-Schüsseln, die das Haupt des Täufers auf einem Tablett zeigen und als „Andachtsbilder“ angesprochen werden können.

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Z.T. wurden ungewöhnliche Darstellungen, wie z.B. die simultane Darstellung Salomes bei Giotto (Fresken in der Peruzzikapelle von S. Croce in Florenz, 14. Jh.), auf in der Ikonographie bereits belegte Traditionen hin umgedeutet (Salome wird mit bittend – oder tanzend – erhoben Händen dargestellt).

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Von der traditionellen Ikonographie abweichende, innovative Darstellungen finden sich häufig ab dem 16. Jh., so z.B. Caravaggios Darstellung der Enthauptung des Täufers in S. Giovanni in La Valletta auf Malta (1608).

Aufgrund ihrer außergewöhnlichen Perspektive oder z.T. auch ihrer Unzugänglichkeit in Privaträumen – die Entstehung wird z.T. in den Zusammenhang mit privaten Auftragswerken gebracht – blieb diesen Werken nicht selten eine weitere Wirkungsgeschichte verwehrt. Gut zugängliche Darstellungen wie z.B. Dürers Motive der Herodias mit der Johannesschüssel oder seine Enthauptungsdarstellung (1510) wurden in späteren Werken rezipiert. So wird z.B. der Wandel der Ikonographie von der Darstellung der tanzenden Salome zum Kontext der Hinrichtung bzw. der Darbringung des Täuferhauptes beim Gastmahl auf die Wirkung des Werkes Dürers zurückgeführt.

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Zu Ende des 15. Jhs. wird Salome zunehmend häufiger mit Begleiterinnen unterschiedlichen Alters (Mädchen – Frau – Alte) dargestellt, die einen festen Platz in der Ikonographie einnehmen und entweder als ergebene Dienerin, als Herodias oder als die Kupplerin gedeutet werden können.

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Der weitere Verlauf der Rezeption des Motivs lässt eine Säkularisierung sowie Profanisierung erkennen.

In der Oper wurde die Figur der Salome z.B. in Aufnahme von Flauberts Erzählung durch Jules Massenet in Hérodiade (1881) verarbeitet. Hier wird der Tötungsgrund darauf zurückgeführt, dass Salome sich in den Täufer verliebt, der jedoch aufgrund der ethischen Vergehen ihrer Eltern nur teilweise auf dieses Begehren eingeht. Herodes lässt ihn aufgrund politischer Bedrohung hinrichten, was Salome vergeblich zu verhindern sucht. Sowohl dieser Verlust als auch die zerbrochene Beziehung zu ihrer Mutter Herodias treiben sie zum Selbstmord. Oscar Wildes Drama wurde durch Richard Strauß in die Oper Salome (1905) übernommen (vgl. Vander Stichele).

Die Rezeption des Motivs im Film gestaltet sich unterschiedlich: Sehr nahe an der biblischen Vorlage bleibt Pier Paolo Pasolinis Verfilmung Il Vangelo secondo Matteo (1964). Im Stummfilm wurde die Figur der Salome aber bereits in Salome (Regie J. Gordon Edwards, USA 1918) mit Theda Bara in der Hauptrolle sowie in Salome (Regie Charles Bryant/Alla Nazimova, USA 1922) mit Alla Nazimova als Salome inszeniert. Weitere Rezeption fand das Motiv in erotischen und pornographischen Kontexten, z.B. in Salome’s Last Dance (GB 1988, Regie Ken Russell), Salome 2000 (Regie David Aaron Clark, USA 1997) und Salome (Regie Luca Damiano, Italien 1997). Salome stellt in diesen Verfilmungen die Personifikation von Eros und Thanatos sowie von Lust und Grausamkeit dar. Im Gegenzug dazu entstanden in den 1950er Jahren Filme, die Salome zur Heiligen stilisierten, wie z.B. Salome (Regie William Dieterle, USA 1953) (vgl. Fischer, 387ff.; Lit!).

Das Motivrepertoire variiert in allen Bereichen der Rezeption und unterliegt im Laufe der Zeit einem Wandel. Bestimmte Aspekte, wie die Mutter-Tochter-Beziehung, die Beziehung zwischen Salome und Johannes sowie die Betonung des sexuellen Aspektes und der politischen Aspirationen, werden unterschiedlich gewichtet und gewertet. Dabei werden nach Bedarf neue Figuren eingeführt oder den antiken Quellen zu entnehmende Details vernachlässigt und umgeformt. Besonders zum fin de siècle überwiegt die Deutung der Frauenfiguren im Sinne der femme fatale über den religiösen Charakter der Erzählung.

Neben Einzeldarstellungen finden sich Handlungsbilder, die z.B. nach der Enthauptung Salome, den Henker und meist eine dritte Person aus der Nähe zeigen. Dieser Typus der halbfigurigen Darstellung, dessen Blüte in der ersten Hälfte des 17. Jhs. zu verorten ist, bot dem Künstler die Möglichkeit, die zentralen Personen einer subtilen Charakterisierung zu unterziehen (vgl. z.B. die beiden Darstellungen Salomes durch Caravaggio).

3. Weitere Frauen mit dem Namen Salome im Neuen Testament

3.1. Der Name Salome

Laut einer Untersuchung aller bekannten jüdischen Frauennamen von ca. 300 v. Chr. bis 200 n. Chr. fanden sich bei 247 Namensnennungen 68 verschiedene Namen. 61 Frauen mit dem Namen Salome sind belegt, 58 mit dem Namen Maria (oder Variationen dieses Namens), d.h. laut dieser Untersuchung trug jede zweite Frau zu dieser Zeit entweder den Namen Salome oder Maria (vgl. Ilan). Es verwundert daher wenig, dass im Umfeld Jesu mindestens drei Frauen mit dem Namen Salome auftauchen, deren Relation zueinander bzw. deren Ineinssetzung seit der frühen Kirche und bis in die neueste Forschungsliteratur hinein kontrovers diskutiert wird. Bei den drei Frauen handelt es sich um eine Jüngerin Jesu, eine Schwester Jesu und die Salome, die die Jungfrauengeburt anzweifelt. Aufgrund der Beliebtheit des Namens kann davon ausgegangen werden, dass es sich um verschiedene Personen gleichen Namens handelt, deren Überlieferung auf verschiedene Traditionen zurückgeht.

3.2. Salome, die Jüngerin Jesu

Salome ist eine der galiläischen Anhängerinnen Jesu, deren Name nur im Mk genannt wird: Sie wird als eine der Frauen genannt, die bei der Kreuzigung (Mk 15,40) und am leeren Grab (Mk 16,1) anwesend war. Durch Referenzen zu anderen Evangelientraditionen wurde Salome mit der Mutter der Zebedaiden identifiziert (Mt 27,56 berichtet anstatt von einer Salome von der Mutter der Zebedaiden unter dem Kreuz) sowie mit der Schwester der Mutter Jesu, der Frau des Klopas (Joh 19,25). In der apokryphen Literatur wird Salome in der syrischen Überlieferung, z.B. im Thomas-Evangelium 61, in der Ersten Jakobusapokalypse (40,25f.) und in einigen manichäischen Psalmen erwähnt, in der ägyptischen Überlieferungstradition findet sie Erwähnung im Geheimen Markus-Evangelium (2), in der Pistis Sophia (Kap. 54, 58, 132, 145) sowie in den Zitaten des Clemens von Alexandrien aus dem Ägypter-Evangelium (Strom. 3,6,45; 3,9,63ff.; 3,13,92; Excerpta Theodoti 67). Salome erscheint v.a. in den Traditionen syrischen Ursprungs. Ihr wird eine besondere Bedeutung zugeschrieben – in der apokryphen Literatur tritt sie zweimal als Dialogpartnerin Jesu in Erscheinung und wird ausdrücklich als seine Jüngerin genannt (EvThom und EvÄg; Text Christliche Apokryphen). Die apokryphen Texte propagieren eine radikale Askese und die Aufhebung der Geschlechterdifferenz (vgl. Petersen, 299ff.). Weiterhin berufen sich laut Origenes (Contra Celsum 5,62; Text Kirchenväter) einige gnostische Gruppierungen auf die Jüngerinnen Jesu, so auf Salome z.B. die Karpokratianer.

3.3. Salome, die Schwester Jesu

Die Schwestern Jesu werden nach Epiphanius (Pan. 78,8,1; 78,9,6; Bibliothek der Kirchenväter) als Maria und Salome angegeben und als zwei Töchter Josephs von seiner ersten Frau identifiziert (laut Anastasius Sinaita, Quaest. 153 heißt diese erste Frau Josephs ebenfalls Salome; laut Epiphanius, Ancoratus 60,1 sind die Namen der Schwestern Anna und Salome; Bibliothek der Kirchenväter). Diese Namen werden auch in einigen weiteren, wahrscheinlich aber von Epiphanius abhängigen Quellen gebraucht (so Bauckham, 246f). Angesichts der oben erwähnten Untersuchung von Frauennamen konstatiert Bauckham: „In the light of this statistical finding, it seems that the tradition which gives the names of Mary and Salome to Jesus‘ sisters has a 50% chance of being correct, even if it was not based on historical memory“ (Bauckham, 254). Ob Salome, die Schwester Jesu mit der Zeugin der Jungfrauengeburt identisch ist, bleibt umstritten.

3.4. Salome, die Zeugin der Jungfrauengeburt

Im Protevangelium des Jakobus (Text Christliche Apokryphen) wird die Geschichte der Geburt Jesu erzählt: Als Joseph kurz vor der Geburt losgeht, um eine Hebamme zu holen, lässt er Maria in der Obhut seiner Söhne zurück (18,1). Nach Jesu Geburt begegnet die Hebamme, die die Bedeutung der Geburtsereignisse erkannt hat (19,2), außerhalb der Höhle Salome (19,3), die hier ohne weitere Erklärung und ohne Identifizierung eingeführt wird. Salome weigert sich, an die Jungfrauengeburt zu glauben, bis sie sich selbst von Marias Zustand überzeugen kann (19,3). Als sie den Test durchführt, verbrennt sie ihre Hand (20,1) und wird erst geheilt, als sie – wie geheißen – das Kind berührt (20,4). Salomes Rolle in der Geschichte ist die der Zeugin der Jungfrauengeburt, die Erzählung ist deutlich an der des ungläubigen Thomas (Joh 20,24-29) orientiert.

Die abrupte Einführung der Salome lässt darauf schließen, dass der Autor annahm, die Adressaten wüssten, um wen es sich bei dieser Figur handelt. Während Petersen von drei unterschiedlichen Personen mit dem Namen Salome ausgeht (der Jüngerin, der Schwester, der Zeugin, vgl. Petersen, 186), schließt Bauckham aus dem Kontext (z.B. der Anwesenheit der Brüder Jesu bei der Geburt oder der ebenso abrupten Einführung des Jakobus, des Bruders Jesu in 25,1) darauf, dass es sich bei der genannten Salome wahrscheinlich um die Schwester Jesu gehandelt haben müsse (Bauckham, 250).

Bereits die Geschichte der Texttradition des Protevangelium erweist, dass die Figur Salome mit der Hebamme oder als weitere Hebamme identifiziert wurde. In späteren, vom Protevangelium abhängigen Geburtsgeschichten, wie z.B. dem Kindheitsevangelium des Ps.-Mt, wird im Kontext einer ähnlichen Geburtserzählung Salome als zweite Hebamme genannt. Die koptische Tradition verknüpft ab dem 4. Jh. die Zeugin Salome mit der Hebamme und mit der Jüngerin Jesu (vgl. Bauckham, 252). Die Ineinssetzung von Menschen gleicher Namen war über lange Zeit eine nicht seltene exegetische Vorgehensweise. So assoziierten Theologen der Alten Kirche, wie z.B. Theophylakt u.a., Salome, die Mutter der Söhne des Zebedäus in Mk 15,40, mit der Schwester Jesu (Blinzler, Brüder, 36).

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Abbildungsverzeichnis

  • Stammbaum der Hasmonäer. Grafik: Susanne Luther
  • Stammbaum der herodianischen Dynastie. Grafik: Susanne Luther
  • Rubens, Das Gastmahl (1633). Quelle: http://www.biblical-art.com/artwork.asp?id_artwork=22445&showmode=Full
  • Tizian, Salome (1560 / 70). Quelle: http://www.arthistoryarchive.com/arthistory/christian/images/Titian-Salome-1515.jpg
  • Giotto, Szene aus dem Leben des Täufers: das Gastmahl des Herodes, aus dem Freskenzyklus der Peruzzi-Kapelle (vor 1328). Quelle: http://www.biblical-art.com/artwork.asp?id_artwork=905&Showmode=Fullartwork
  • Caravaggio, Die Enthauptung des Täufers (1608). Quelle: http://www.wga.hu/art/c/caravagg/10/62behead.jpg
  • Albrecht Dürer, Gastmahl (1511). Quelle: http://www.biblical-art.com/artwork.asp?id_artwork=904&showmode=Fullartwork
  • Albrecht Dürer, Enthauptung (1510). Quelle: http://www.biblical-art.com/artwork.asp?id_artwork=903&Showmode=Fullartwork
  • Caravaggio, Salome mit dem Haupt des Täufers (1604 / 05 oder 1609/10). Quelle: http://www.biblical-art.com/artwork.asp?id_artwork=897&showmode=Fullartwork
  • Caravaggio, Salome mit dem Haupt des Täufers (1604 oder 1609 / 10). Quelle: http://www.biblical-art.com/artwork.asp?id_artwork=898&showmode=Fullartwork

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