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Saiten / Saitenzeit

(erstellt: Mai 2010)

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Als Saitenzeit wird in der Ägyptologie die 26. Dynastie (664-525 v. Chr.) bezeichnet, deren Könige nach Herodot und Manetho in der Stadt → Sais im westlichen Nildelta residierten und dort auch bestattet wurden. Die Familie des Dynastiegründers, Psammetich I., war sicher libyscher Herkunft (→ Libyer, Libyerherrschaft). Die Könige der 26. Dynastie sahen sich wohl als Nachfolger der 24. Dynastie, deren Könige ebenfalls in Sais residierten (Quack 2009). Das Andenken an die vorangegangene 25. Dynastie (→ Kuschitenzeit) versuchten die Saiten zu tilgen.

Pharaonen:Psammetich I. (664-610 v. Chr.); → Necho II. (610-595 v. Chr.); → Psammetich II. (595-589 v. Chr.); → Apries (589-570 v. Chr.); → Amasis (570-526 v. Chr.).

1. Historischer Abriss

Nachdem → Assurbanipal, der König von → Assyrien, 664 v. Chr. den letzten Kuschitenkönig Tanwetamani (→ Kuschitenzeit) aus Ägypten vertrieben hatte, setzte er in Unterägypten Vasallenkönige ein; darunter Psammetich I. als König von Sais und Memphis.

Psammetich I. (664-610 v. Chr.) gelang es die Fürstentümer im Nildelta zu erobern, während die Assyrer in Kämpfe mit Babylonien und Elam verwickelt waren. 656 v. Chr. band er auch Oberägypten an sein Reich an, indem er seine Tochter Nitokris als Gottesgemahlin des → Amun von → Theben einsetzen ließ. 654 v. Chr. zog er gegen libysche Stämme und nach Libyen geflohene Fürsten aus dem Nildelta.

In der Folgezeit dehnte Psammetich I. den Einfluss Ägyptens auf Syrien-Palästina aus. Schließlich kämpften ägyptische Truppen 616 und 610 v. Chr. mit den Assyrern gegen die Babylonier, konnten den bevorstehenden Untergang Assyriens jedoch nicht verhindern. Am Ende seiner Regierungszeit schickte Psammetich I. Kronprinz Necho mit einem Heer nach → Haran, um den assyrischen König Assuruballit II. (→ Assyrer) gegen die → Babylonier zu unterstützen. Als das babylonische Heer 610 v. Chr. heranrückte, zog sich Necho jedoch zurück.

Necho II. (610-595 v. Chr.) zog im darauffolgenden Jahr nochmals nach Syrien. Der König von Juda, → Josia, stellte sich ihm bei → Megiddo entgegen. Entweder fiel Josia in einer Schlacht mit den Ägyptern (2Chr 35,20-25) oder Necho II. tötete ihn bei einer Zusammenkunft (2Kön 23,29). → Joahas, ein Sohn Josias, wurde daraufhin zu seinem Nachfolger ernannt (609 v. Chr.; 2Kön 23,30-32). Doch schon nach drei Monaten ließ Necho II. ihn ins Gefängnis werfen und setzte dessen älteren, bei der Thronfolge übergangenen Bruder → Jojakim (609-598 v. Chr.) als König ein (2Kön 23,33-34). Im selben Jahr eroberte Necho mit den Assyrern Haran.

Als → Nabopolassar 606 v. Chr. Kumuchu bei → Karkemisch besetzen ließ, gelang es den Ägyptern jedoch die Stadt zurückzuerobern. Im darauffolgenden Jahr schlug Kronprinz Nebukadnezar (→ Nebukadnezar II.) das ägyptische Heer bei Karkemisch und rieb das Heer bei → Hamat endgültig auf. 601 v. Chr. versuchte Nebukadnezar II. Ägypten zu erobern, wurde jedoch bei Migdol geschlagen (Herodot II, 159; Text gr. und lat. Autoren).

Psammetich II. (595-589 v. Chr.) unternahm 593 v. Chr. einen Feldzug nach Nubien (Herodot II, 161,1) und gelangte mit seinem Heer bis zum dritten Nilkatarakt. Im darauffolgenden Jahr unternahm er eine Expedition nach Syrien-Palästina, bei dem es sich wohl um einen weiteren Feldzug handelte. Möglicherweise unterstützte er den Abfall → Zedekias von den Babyloniern (Ez 17; 2Kön 24,20-25,7). In Ägypten ließ er die Namen kuschitischer Könige, aber auch den seines Vorgängers, Necho II., tilgen.

Apries (589-570 v. Chr.) schickte 588 v. Chr. ein ägyptisches Heer dem aufständischen → Jerusalem, das von einem Heer Nebukadnezars II. belagert wurde (Jer 37,5.7.11), zu Hilfe und veranlasste die ägyptische Flotte → Sidon und → Tyrus anzugreifen (Herodot II, 161; Diodor I, 68). Nebukadnezar unterbrach die Belagerung und versuchte Tyrus zurückzuerobern (Ez 29,18). Im darauffolgenden Jahr zog sich das ägyptische Heer jedoch zurück, sodass es Nebukadnezar 586 v. Chr. gelang, Jerusalem zu erobern (→ Eroberung Jerusalems; → Exil / Exilszeit).

Später sandte Apries ein ägyptisches Heer dem libyschen Fürsten Adikran zu Hilfe gegen Kyrene (Herodot II, 161-163, 169; siehe auch Diodor I, 68). Dieses meuterte nach einer Niederlage und Apries schickte General Amasis, der sich jedoch zum Gegenkönig erhob. Apries wird wohl in mehreren Schlachten 570 und 567 v. Chr. besiegt. Möglicherweise floh er an den assyrischen Hof, kehrte mit einem Heer zurück und kam in der darauffolgenden Schlacht ums Leben.

Amasis (570-526 v. Chr.) eroberte Zypern und schloss ein Bündnis mit Kyrene (Herodot II, 181-182). Unter dem Eindruck der wachsenden Bedrohung durch die Perser verbündete er sich mit Kroisos von Lydien. 530 v. Chr. unternahm er wohl einen Feldzug nach Nubien. Sein Nachfolger Psammetich III. regierte nur sechs Monate bis zur Eroberung Ägyptens unter dem Perserkönig → Kambyses II.

2. Innenpolitische Veränderungen

Die Außenpolitik der Saiten stand vor allem unter dem Eindruck der Bedrohung durch das neubabylonische Reich und des Kampfes um die Vorherrschaft über Syrien-Palästina. Die Saiten befestigten die Grenzen im Osten, aber auch im Westen und Süden Ägyptens (Herodot II.30) und siedelten fremde Söldner in Ägypten an (Herodot II.152, 154). Darüber hinaus bauten sie eine Mittelmeer-Flotte auf (Herodot II.158-159).

Die Verwaltung Ägyptens erfuhr im Laufe der Saitenzeit zahlreiche Veränderungen, die sich bisher nur in ihren Grundzügen nachvollziehen lassen (Vittmann 1978; Chevereau 1985). Nachdem Psammetich I. den Süden Ägyptens an sein Reich gebunden hatte, setzte er in Theben Beamte aus dem Norden ein. Dennoch blieben lokale Machthaber wie Monthemhet, der Bürgermeister von Theben, unter Psammetich I. weiterhin im Amt und konnten erst im Laufe der Saitenzeit entmachtet werden. Zahlreiche neue Ämter wurden eingeführt, während alte verschwanden. Im Zuge der Reform der Verwaltung und des Gerichtswesens wurde eine neue Kursivschrift, das Demotische, als Kanzleischrift etabliert (Vleeming 1981).

Die Saitenkönige ließen im ganzen Land Tempel bauen oder restaurieren. Ihre Bautätigkeit konzentrierte sich besonders auf die Residenz → Sais (Herodot II, 169-170, 175). Darüber hinaus wurden die Tierkulte erweitert (Kessler 1989). Nach dem Bürgerkrieg im Zuge des Kampfes zwischen Apries und Amasis um die Krone ließ Letzterer Beamte zu den verlassenen Tempeln schicken, um diese wieder in Funktion zu setzen (Jelinkova-Reymond 1957).

Die Kunst der Saitenzeit war geprägt durch Rückgriffe auf vergangene Epochen (Der Manuelian 1994). In der Ägyptologie wurde dafür der Begriff des „Archaismus“ bzw. der „Saitischen Renaissance“ etabliert. Man erforschte sogar Denkmäler älterer Epochen und kopierte deren Reliefs und Inschriften. Hohe Beamte ließen sich sowohl in Theben (Eigner 1984) als auch in den Nekropolen von Memphis, Saqqara und Abusir monumentale Grabanlagen errichten (Bareš 1999, 21-29).

Literaturverzeichnis

  • Bareš, L., 1999, Abusir IV. The shaft tomb of Udjahorresnet at Abusir, Prag
  • Bothmer, B.V. / H. De Meulenaere / H.W. Müller, 1960, Egyptian Sculpture of the Late Period, 700 B.C. to A.D. 100, Brooklyn
  • Chevereau, P.-M., 1985, Prosopographie des Cadres Militaires Égyptiens de la Basse Époque. Carrières Militaires et Carrières Sacerdotales en Egypte du XIe au IIe siècle avant J.C., o. O.
  • Der Manuelian, P., 1994, Living in the Past: Studies in Archaism of the Egyptian Twenty-Sixth Dynasty, London / New York
  • Eigner, Diethelm, 1984, Die monumentalen Grabbauten der Spätzeit in der thebanischen Nekropole (Untersuchungen der Zweigstelle Kairo des Österreichischen Archäologischen Institutes 6), Wien
  • Jansen-Winkeln, K., 2000, Die Fremdherrschaften in Ägypten im 1. Jahrtausend v. Chr., Orientalia 69, 1-20
  • Jelinkova-Reymond, E., 1957, Quelques recherches sur les reformes d'Amasis, Annales du Service des antiquités de l’Egypte 54, 251-287
  • Kessler, D., 1989, Die heiligen Tiere und der König, Teil I: Beiträge zu Organisation, Kult und Theologie der spätzeitlichen Tierfriedhöfe (Ägypten und Altes Testament 16), Wiesbaden
  • Kienitz, F.K., 1953, Die politische Geschichte Ägyptens vom 7. bis 4. Jahrhundert vor der Zeitwende, Berlin
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  • Meulenaere, H. de, 1951, Herodotos over de 26ste Dynastie, Leuven
  • Mysliwiec, K., 1988, Royal Portraiture of the Dynasties XXI-XXX, Mainz, 46-66
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  • Quack, J.F., 2009, Papyrus CtYBR 2885 rt. Reste einer demotischen Königsliste auf Papyrus, Journal of Egyptian History 2, 107-113
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  • Schipper, B.U., 2001, Kultur und Kontext – zum Kulturtransfer zwischen Ägypten und Israel/Juda in der 25. und 26. Dynastie, Studien zur Altägyptischen Kultur 29, 307-318
  • Spalinger, A.J., 1977, Egypt and Babylonia. A Survey (c. 620 B.C.-550 B.C.), Studien zur Altägyptischen Kultur 5, 221-224
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  • Otto, E., 1954, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, Leiden
  • Vittmann, G., 1978, Priester und Beamte im Theben der Spätzeit (Veröffentlichungen der Institute für Afrikanistik und Ägyptologie der Universität Wien 3, Beiträge zur Ägyptologie Bd. 1), Wien
  • Vittmann, G., 2003, Ägypten und die Fremden im ersten vorchristlichen Jahrtausend, Mainz, 1-20
  • Vleeming, S.P., 1981, La phase initiale du démotique ancien, Chronique d’Égypte 56, 31-48

Abbildungsverzeichnis

  • Karte zur Lage von Sais. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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