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Sabbat (AT)

Andere Schreibweise: Sabbath

(erstellt: Mai 2008)

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1. Biblische Grundlagen

Der Sabbat ist Thema einer Vielzahl alttestamentlicher Texte, vom → Pentateuch über die Propheten (→ Prophetenbücher) bis hin zur Chronik (→ Chronikbücher). Er ist Höhepunkt der Schöpfungswoche, höchster Feiertag Israels und seine Nichteinhaltung ist Gegenstand schärfster prophetischer Kritik. Sein hervorragendstes Merkmal ist das Gebot der Arbeitsruhe, einzuhalten an jedem siebten Tag.

Bei näherem Hinsehen ergeben sich jedoch zahlreiche Fragen, die besonders die Geschichte des Sabbattages betreffen, ehe er sich in exilisch-nachexilischer Zeit zu einem wichtigen Merkmal der Identität Israels, zum „Zeichen zwischen mir und euch“ (Ex 31,13; vgl. auch Ez 20,20) entwickeln konnte. Gegenstand der Diskussion ist der Sechs / Sieben-Rhythmus, der Brache und Arbeitsruhe (ûbajjôm haššəbî‘î tišbot) regelt, ohne den Sabbat zu nennen (vgl. Ex 23,10-12; Ex 34,21). Zudem setzt nicht jeder Beleg für den Sabbat die Heiligung des siebten Tages durch Arbeitsruhe voraus (vgl. 2Kön 4,8ff.).

In der Forschung stehen sich in der Hauptsache zwei Positionen gegenüber, die die Zusammengehörigkeit bzw. Unabhängigkeit von Ruhetag und Sabbat in vorexilischer Zeit vertreten. Für die Diskussion ist die Herleitung des Nomens šabbāt und des Verbes šbt von Bedeutung.

1.1. Das Nomen šabbāt – der Sabbattag

Das Nomen šabbāt kommt im Alten Testament 111-mal vor. Es steht philologisch und sachlich in Zusammenhang mit dem akkadischen šapattu, der Bezeichnung für den 15. Tag eines Monats, den babylonischen Vollmondtag, der besonderer kultischer Handlungen bedurfte (zum keilschriftlichen Material s.u.a. Robinson, 159-166). Von dem Verb šbt „aufhören / zu Ende kommen“ ist das Nomen šabbāt nicht abzuleiten (s. Rechenmacher und seine Kritik an Haag). Erst in nachexilischer Zeit kam es zu einer Verschmelzung von šabbāt und wöchentlichem Ruhetag – einem herausgehobenen, vom Mondzyklus jedoch unabhängigen Tag (vgl. grundlegend Meinhold 1905; Kritik daran u.a. Hallo; Kutsch; Wagner).

1.2. Das Verb šbt – die „Ruhe“ des siebten Tages

Das Verb šbt begegnet im Qal, Nif. und Hif. Seine stets gleiche Grundbedeutung weist nur die den einzelnen Stämmen entsprechenden Abwandlungen auf. šbt bedeutet „aufhören / zu Ende kommen“. Es wird im Kontext des Festtages jedoch häufig mit „feiern“ wiedergegeben. Auch eine Ableitung des Verbs vom Nomen šabbāt lässt sich nicht erkennen.

Für die Geschichte des Sabbats sind vor allem die Passagen von Interesse, die das Verb šbt im Kontext des Sechs / Sieben-Rhythmus nennen (vgl. Ex 23,10-12; Ex 34,21). Sie verweisen auf eine Arbeitsunterbrechung, ohne die theologische Untermauerung durch den Sabbat. Auch scheint es nicht zwingend, dass sich dieser Ruhetag entsprechend der Woche durch das ganze Jahr zieht. Parallelen finden sich in Schutzbestimmungen altbabylonischer Arbeitsverträge, die allerdings den 10. Tag hervorheben.

2. Der Sabbat als Vollmondfest in vorexilischer Zeit

Der Sabbat wird in den alttestamentlichen Texten mehrfach in Verbindung mit den → Neumondtagen (chodæš) genannt. Dies lässt auf eine Korrespondenz der beiden Tage schließen, die an den Mondzyklus geknüpft ist. Danach erscheint der Sabbat als ein monatlich zu begehender Vollmondtag (vgl. Jes 1,13; Hos 2,13). Den Unterschied zu den jüngeren Vorgaben zur Feier von Neumondtag und Sabbattag macht vor allem die prophetische Kritik in Hos 2 deutlich. Die hier gewählte Formulierung „eure Neumonde und Sabbate“ weist darauf hin, dass der Bezug zu Jhwh als Geber der Früchte des Landes in der Feier des Festes gerade nicht gegeben ist (Hos 2,10). Es sind „eure Sabbate“ und nicht der „Sabbat für Jhwh“, wie er u.a. in Ex 16,23.25; Ex 20,10 oder Dtn 5,14 genannt wird, die im Zentrum der Anklage stehen.

In 2Kön 4,8ff. (insb. 2Kön 4,23) wird ein weiterer Aspekt des Charakters des vorexilischen Vollmondsabbats genannt. Es handelt sich um einen Tag, der für die erfolgreiche Durchführung kultischer Vorhaben besonders günstig ist.

3. Der Sabbat als Teil des nachexilischen Festkalenders

Die beiden Traditionen, die eines Vollmondsabbats und die eines Sechs / Sieben-Tage-Rhythmus zur Arbeitsruhe, werden in exilisch-nachexilischer Zeit zusammengeführt. Nun ist von einem wöchentlich zu feiernden Ruhetag, Sabbat genannt, auszugehen.

Entscheidend für diese Entwicklung ist wohl die Konfrontation mit der vierzehntägigen Sabbatobservanz durch die Babylonier. In Abgrenzung zu deren Feier des Vollmondsabbats und ganz unter den Vorzeichen von Fremdgötter- und Bilderverbot verbindet der Dekalog in Dtn 5,12-15 das Sabbatgebot mit dem Ruhetagsgebot für den siebten Tag. Gemeinsame Elemente sind die Arbeitsruhe (sie gilt für den Vollmondsabbat nur in begrenztem Rahmen; s. Am 8,4-7 mit einem partiellen Handelsverbot; die Datierung ist umstritten), die Festfreude, die sich auch aus der Arbeitsruhe ergibt, und die relative Unabhängigkeit vom Tempelkult, die für den Vollmondsabbat wie für den Ruhetag gleichermaßen gilt (vgl. Hartenstein, 2003, 118f.). Während die Gebotsformulierungen noch keine kultische Anwendung des Sabbatgebotes erkennen lassen, erfolgt dennoch schließlich dessen konsequente Umsetzung im nachexilischen Festkalender.

Mit Lev 23 findet der Sabbat Aufnahme in den Festkalender Israels (→ Fest in Israel). Diese Tatsache ist schon deshalb hervorzuheben, weil damit der wöchentliche Feiertag den jährlich zu begehenden Festen vorangestellt wird. Der Sabbat ist nun unzweifelhaft der höchste unter den Festtagen und sein wesentliches Merkmal, die Arbeitsruhe (kål məlā’khāh lo’ ta‘ǎśû – „keine Arbeit sollt ihr tun“; Lev 23,3.31) wird auf die anderen Festtage (bei den mehrtägigen Festen sind es der erste und der letzte Tag) übertragen. Besonders die Anordnungen zum Tag des Lärmblasens (das spätere → Neujahrsfest) und zum Versöhnungstag (→ Jom Kippur), die mit dem Sabbat in den Festkalender aufgenommen wurden, zeugen von der Bedeutung der Sabbatobservanz. Beide Festtage werden als šabbātôn zikhrôn (hoher Sabbat der Erinnerung; Lev 23,24) bzw. als šabbat šabbātôn (hoher Sabbat; Lev 23,32) bezeichnet. Im Falle des Tages des Lärmblasens wird, parallel zum siebten Tag der Woche, nun der erste Tag des siebten Monats des Jahres hervorgehoben. Was für die Woche gilt wird somit auf das Jahr übertragen. Im Falle des Versöhnungstages stellt das scharfe Arbeitsverbot die Nähe zur Sabbatobservanz her. Die Nichteinhaltung des Arbeitsverbotes ist mit der Ausrottung aus dem Volk belegt (Lev 23,29-31; s.a. Ex 31,15).

Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang die Anordnungen zu Omer und → Wochenfest in Lev 23,9-22. Während die Festdaten von → Passa / Mazzot und → Sukkot (Laubhüttenfest) an den Frühlings- und Herbstvollmond geknüpft sind, ist das Festdatum des dritten großen Wallfahrtsfestes allein durch die Zählung „von Tagen nach dem Sabbat“ (Lev 23,11.15f.) festgelegt. Sieben mal sieben Tage müssen vergehen, dann kann es gefeiert werden.

Der Opferkalender aus Num 28-29 und diverse Passagen im → Heiligkeitsgesetz führen das oben beschriebene weiter aus (vgl. Lev 19,3.30; Lev 24,8; Lev 26,2.34f.; Lev 26,43), indem sie die Einhaltung des Sabbats fordern und Opfer für den Sabbat vorsehen (s.a. 1Chr 9,32; 1Chr 23,31; 2Chr 2,3; 2Chr 8,13; 2Chr 31,3; Neh 10,34). Mit Ps 92,1 liegt einer der seltenen Fälle vor, dass ein Psalm einem Festtag, in diesem Falle dem Sabbat, zugeordnet wird. Erweiterungen der Sabbatobservanz bieten Ex 35,1-3 mit dem Verbot des Entzündens von Feuer oder in Num 15,32-36 mit dem Verbot, Holz zu sammeln. Die Einforderung der Heiligung des Sabbats durch das Arbeits- und durch ein Lastentrageverbot, wird in Jer 17,19ff. ausgeführt (s.a. Jes 58,13 – Ehrung des Sabbats durch den Verzicht auf Geschäfte und das „Zurückhalten des Fußes“). Die Dominanz des Sabbats über den Festkalender Israels, d.h. in letzter Konsequenz über die Zeit, zeigt sich schließlich in der Institution des → Jobeljahres (Lev 25) und im später in → Qumran anzutreffenden 364-Tage-Kalender, der eine „Kollision“ des Sabbats mit den Jahresfesten ausschließt.

4. Sabbat und Schöpfungsordnung

Der priesterliche Schöpfungsbericht gipfelt in Gottes Ruhen (šbt) am siebten Tag. Er ist das Ziel Gottes schöpferischen Handelns und er wird geheiligt. Wenn er auch in Gen 2,1-3 noch nicht Sabbat genannt wird, dies geschieht nach der Priesterschrift erst mit der Gabe der kultischen Ordnung am Sinai, so ist der Sabbat dennoch elementarer Bestandteil göttlicher Schöpfungsordnung. Gottes Herrschaft über Zeit und Festzeit wird an jedem siebten Tag neu gefeiert. Schließlich ist der Sabbattag auch Ausdruck der Hinwendung Gottes zum Menschen, der an der göttlichen Ruhe teilhaben und Atem schöpfen soll.

Wie die durch den Sabbat vorgegebene schöpferische Ordnung Raum greift, zeigt die Sinaiperikope anhand verschiedener Erzählstränge. Am siebten Tag „ruht“ die Gabe des → Manna (Ex 16,29f.); doch der Schöpfergott hat sein Volk bereits am sechsten Tag ausreichend versorgt. Nach Ex 24,16 verkündet der Herr dem Mose die Pläne für den Heiligtumsbau am siebten Tag. Auf diese Weise schafft die Priesterschrift durch den Sabbat einen Rückbezug auf die Schöpfungsordnung. Damit gipfelt die Sinaiperikope in der Einheit von Weltschöpfung und Tempelbau. Der Sabbat selbst wird durch diese Verbindung zum Heiligtum in der Zeit.

So ist es nicht zuletzt die Dekalogfassung von Ex 20, die den Sabbat mit der Schöpfung verbindet und dem Sabbatgebot eine Begründung gibt (vgl. auch Ex 31,12-17). Was im Schöpfungsbericht angedeutet wird, findet hier seinen Abschluss. Die Arbeitsruhe des siebten Tages (hier wird die Ruhe Gottes, wie es auch für die Ruhe innerhalb des Sechs / Sieben-Rhythmus in Ex 23,12 gilt, mit nûach wiedergegeben), der Sabbat und der Schöpfungssegen werden zusammengefasst.

5. Der Sabbat und die Völker

Ist der Sabbat zunächst noch ein Zeichen zwischen Gott und Israel und ist die Sabbatobservanz Israels in nachexilischer Zeit zum Bekenntnisakt geworden, so zeigen sich doch besonders in den prophetischen Schriften Zeichen der Öffnung. Denjenigen, die den Sabbat heiligen, soll über die Grenzen Israels hinaus ein ewiger Name gegeben werden (Jes 56,1-7). Die Sabbatobservanz allen Fleisches wird schließlich zum Merkmal einer zukünftigen Heilszeit (Jes 66,23; → Tritojesaja; → Eschatologie).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
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  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., München / Zürich 2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

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  • Doering, L., 1999, Schabbat. Sabbathalacha und -praxis im antiken Judentum und Urchristentum (TSAJ 78), Tübingen
  • Grünwaldt, K., 1992, Exil und Identität. Beschneidung, Passa und Sabbat in der Priesterschrift (BBB 85), Frankfurt am Main, 122-219
  • Haag, E., 1991, Vom Sabbat zum Sonntag. Eine bibeltheologische Studie (TThSt 52), Trier
  • Hallo, W.W., 1977, New Moons and Sabbaths. A Case-study in the Contrastive Approach, HUCA 48, 1-18
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  • Janowski, B., 1990, Tempel und Schöpfung. Schöpfungstheologische Aspekte der priesterschriftlichen Heiligtumskonzeption, in: Baldermann, I. / Dassmann, E. u.a. (Hgg.), Schöpfung und Neuschöpfung (JBTh 5), Neukirchen-Vluyn, 37-69, bes. 46ff.
  • Köckert, M., 2004, Leben in Gottes Gegenwart (FAT 43), Tübingen, 96-102; 109-151
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  • Weyde, K.W., 2004, The Appointed Festivals of YHWH (FAT II/4), Tübingen
  • Willi-Plein, I., 1997, Anmerkungen zu Wortform und Semantik des Sabbat, ZAH 10, 201-206

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