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(erstellt: Mai 2008)

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Reschef ist ein syrisch-palästinischer Gott mit ambivalenten Zügen: Er ist Gott der Seuchen, aber auch positiv ein Schutzgott gegen → Krankheit sowie ein Königsgott und ein Kriegsgott (Ikonographie). Er zählt nicht zu den → Wettergöttern oder Fruchtbarkeitsgöttern. In Verbindung gebracht wurde er mit dem mesopotamischen Pest- und Unterweltgott → Nergal und dem griechischen Apollon, einem Pestgott, der als Krieger wie Reschef Pfeil und Bogen tragen kann.

1. Name

Hebr. Ræšæf, ugaritisch Rašap wird in Ebla Ra-sa-ap geschrieben und in Hieroglyphen Ršp(w) (s. Abb. 1-3). Die Etymologie des Namens ist unsicher. Er kann mit dem akkadischen rašbu „ehrfurchtgebietend” verwandt sein oder „der, welcher brennt” (Uehlinger, 2001, 347) bedeuten (vgl. hebr. „Flamme”).

2. Reschef im 3./2. Jt. v. Chr.

2.1. Syrien-Palästina

Der Gott Reschef ist schon im 3. Jt. v. Chr. in der nordsyrischen Handelstadt Ebla (Tell Mardīch) bekannt. Ihm wird geopfert, und er ist als theophores Element in Personennamen belegt. Eines der vier Tore ist nach ihm benannt bzw. ein Viertel der Stadt ist ihm zugewiesen. Seine Partnerin heißt Adamma.

In Namen begegnet der Gott auch in Texten aus → Mari, Terqa, Chana und → Emar. Mit dem Obeliskentempel in → Byblos wird er in der Forschung nicht mehr verbunden. In den → Amarnabriefen (EA 35) berichtet der König Alaschiyas (→ Zypern) dem Pharao von einer Seuche in seinem Land: „Die Hand des Reschefs (auch als Nergal gelesen) ist jetzt in meinem Land und hat alle Menschen meines Landes getötet“ (Z. 13-15; vgl. Z. 35-39).

2.2. Ugarit

Reschef ist in Ugarit nicht unwichtig. Er ist nicht nur ein Unheilsgott. Er wurde auch positiv als Schutz gegen Pest und Seuchen verehrt, weshalb er auf Darstellungen (vgl. Abb. 1) einen Schild trägt.

In den Götterlisten (RS 20.024; KTU 1.118; 1.47 = Pardee, 2002, 14) aus → Ugarit steht Reschef auf dem 26./27. Platz und wird mit dem mesopotamischen Unterweltgott → Nergal identifiziert. Er ist nicht nur Unterweltgott, sondern auch Gott der Seuchen. In den Baal-Mythen (KTU 1-6; → Baal) spielt er keine Rolle, aber im Keret-Epos KTU 1.14,I,18-19 ist er verantwortlich für den Tod des 5. Sohnes. In KTU 1.15,II,6 wird er zum Bankett für die Gottheiten eingeladen.

Reschef kommt sehr häufig als theophores Element in Personennamen vor, was darauf hindeutet, dass er sehr populär war. Sein Sitz ist in Bibitu in Anatolien gelegen (KTU 100,31). Ein Rhyton in Form eines Löwenkopfes aus dem Haus eines Priesters trägt die Inschrift (Cornelius / Niehr, 2004, Abb. 117; KTU 6.62): „Löwenkopf, den NRN, Sohn des Agipṯarri, dem Rešep-gn dargebracht hat.“ Rešep-gn bedeutet „Reschef des Gartens“ (auch in Ebla) und steht in Zusammenhang mit der königlichen Nekropole (Niehr, 2003, 88).

Reschef ist der Pförtner der Sonnengottheit und bewacht den westlichen Eingang zur Unterwelt in KTU 1.78,3-4, wo eine Sonnenfinsternis beschrieben wird. In KTU 1.82,3 wird → Baal gebeten, die Pfeile Reschefs abzuwehren. In einer Beschwörung wird Reschef gegen Schlangengift angerufen (KTU 1.100,31; vgl. 1.107,40). In einem „Trinkritual” (KTU 1.108,15) wird er zusammen mit anderen Gottheiten genannt. Noch interessanter ist, dass er als Unheilsgott auch um Heil (šlm) gebeten wird (KTU 1.123,28ff).

Reschef wird in verschiedenen Ritualen erwähnt, und es wird ihm geopfert (Pardee, 2002; vgl. KTU 1.39; 1.41; 1.87; 1.90; 1.102; 1.105-106; 1.109; 1.126; 1.148; 1.168; 1.79), so z.B. passenderweise ein Pfeil (KTU 1.90,5). An anderer Stelle wird er zusammen mit → Astarte mit Pferden in Verbindung gebracht (KTU 1.86:6). Als Teil der Königsopfer werden Statuen („Reschefs”) in den Palast überführt (1.91,11). Der Text (Z. 15) spricht auch vom „Reschef der Armee“, einem Kriegsgott. Das deutet auf die offizielle Verehrung des Gottes Reschefs hin.

2.3. Ägypten

Syro-palästinische Gottheiten waren im → Neuen Reich populär (ca. 1500-1100 v. Chr.), so auch Reschef. Er wird schon in einer Inschrift aus der 12. Dynastie genannt (ANET, 553). Reschef wurde als Kriegsgott verehrt und war Schutzgott des Pharao Amenophis II. (18. Dynastie). Auf einem Siegelabdruck findet sich die Beischrift „geliebt von Reschef”, und auf einer Sphinx-Stele wird gesagt, dass der Prinz gut mit Pferden umgehen kann sowie dass „Reschef und Astarte sich darüber freuen”. Der Pharao überquert als Krieger den → Orontes „wie Reschef”. Ein Relief aus Karnak mit einer Inschrift „Monthu-Reschef“ (Monthu ist der ägyptische Kriegsgott) zeigt leider keinen Reiter, sondern nur Teile von Pferden und einem Streitwagen. Ein Bruchstück aus Sais zeigt „Reschef” nicht als Reiter, sondern nur einen Pferdekopf und den Teil eines Schildes. Bei → Ramses II. sind die Streitwagenfahrer „mächtig wie Reschef“ (ANET, 250). In der 19. Dynastie ist Reschef ein Gott der „kleinen Leute” und wird auf nicht-königlichen Stelen abgebildet. Er war populär bei den Arbeitern von Dēr el-Medīne [Der el-Medine] wie auf kleinen Stelen aus dem Privatkult (vgl. Abb. 2). Er ist hier ein Schutzgott der Arbeiter und kein Fruchtbarkeitsgott.

Inschriften auf den Stelen geben seine Titel wieder und zeigen seine Funktion. Er ist ein großer Gott, groß an Kraft, aber auch ein Heilsgott, der Leben gibt. Ein Relief aus Sais bezeugt die Inschrift „Reschef, wenn er brennt“.

Im magischen Papyrus Leiden und in den Zaubertexten wird von dem Gift Reschefs und seiner Schutzfunktion gegenüber Krankheitsdämonen gesprochen (→ Dämonen).

3. Reschef im 1. Jt. v. Chr.

Phönizische Inschriften aus verschiedenen Orten nennen den Gott Reschef, aber geben nur knappe Informationen. König Bodaschtart (5. Jh. v. Chr.) spricht von Sidon als dem „Land der Reschefs” (KAI 15), womit wahrscheinlich ein Stadtteil und ein Tempel für verschiedene Reschef-Götter gemeint sind. KAI 26 (II,10-12) aus Karatepe in Anatolien (8. Jh. v. Chr.) nennt „Reschef der Ziegenböcke” gemeinsam mit Baal und im Kontext des Baus einer Stadt durch einen König. „Reschef des Pfeiles” bezeugt KAI 32 aus Kition auf Zypern. Er war hier wahrscheinlich der Schutzgott der Metallarbeiter. Der Gott war auch populär in Karthago. Reschef lebt weiter in der Welt des Mittelmeers, wie es in der Weihinschrift KAI 72 aus Ibiza (5./4. Jh.) bezeugt wird. In Idalion auf Zypern ist Apollon mit Reschef identifiziert worden (KAI 39; 41, vgl. für KAI 39 Reschef-Mekal auch KAI 38; 40; → Mekal).

Im aramäischen Raum findet man Reschef ebenfalls. In Sam’al wird Reschef an dritter Stelle auf der Hadad-Statue (→ Adad) König Panamuwas (8. Jh. v. Chr.) nach Hadad und El erwähnt (KAI 214,2-3; auch als Arq-Reschef in Z. 11 bezeichnet und mit dem arabischen Kriegsgott Ruda verbunden). Er schützt den König, wird aber auch mit dem Krieg verbunden. Im Tempel des Bel in Palmyra (genannt „das Haus der Götter”) wird Reschef im Jahre 6 v. Chr. neben anderen Gottheiten verehrt.

In der Perserzeit gab es in der Nähe von Jaffa den Hafen Apollonia, dessen arabischer Name Arsūf (hebr. Tel Arschaf) auf Reschef zurückgeht, der mit Apollo identifiziert wurde.

4. Reschef im Alten Testament

Reschef kommt nur 6-mal im Alten Testament vor: Hab 3,5; Dtn 32,23-24; Ps 76,4; Ps 78,48; Hi 41,20; Hhld 8,6 (ausführlich → Dämonen 3.4.). Einen Personennamen Reschef gibt es in 1Chr 7,25, allerdings ist der Text wahrscheinlich korrupt. Im Gegensatz zu dem positiven Bild Reschefs z.B. in Ugarit und Ägypten wird Reschef im Alten Testament eher „dämonisiert“ (Niehr, 2003, 95). Er ist nirgendwo ein selbstständiger Gott, sondern untersteht → Jahwe. Darum ist Reschef Teil der Entourage Jahwes in der → Theophanie Hab 3,3ff: „Pest (dævær) ging vor ihm her, und Seuche (ræšæf) folgte.“ Statt Reschef (s. Abb. 1) trägt Jahwe hier (V. 9) die Waffen.

In vielen Texten wird Reschef parallel zu Plage und Pest (→ Krankheit) im personifizierten Sinne benutzt wie in Dtn 32,23-24 und Ps 78,48. In Ps 76,4 haben wir „die Reschefs des Bogens”, womit wohl Pfeile gemeint sind. Die fliegende „Söhne Reschefs” in Hi 5,7 könnten Dämonen sein, aber es handelt sich wohl eher um Pfeile wie in Hi 41,20. In Hhld 8,6 ist das „Feuer“ Reschefs eine Metapher der Liebe. Pfeile und Pest in Ps 91,5-6 sowie die „Erstgeborene(n) des Todes” in Hi 18,13-14 sieht Day auch als Anspielung an den Gott Reschef an (2000, 206-208).

5. Ikonographie

Die Ikonographie Reschefs ist aufgrund ägyptischer Darstellungen, die auch seinen Namen bieten, gesichert, und seine Reichweite weist bis in den Sudan (Cornelius, 1994). Meistens wird Reschef wie auf einer Stele aus Athribis (Abb. 1) als schreitender Krieger mit erhobener Waffe dargestellt, nicht nur in schlagendem Gestus („smiting”), da ein Feind fehlt, sondern auch drohend („menacing”). Er trägt verschiedene → Waffen, besonders eine Keule oder eine Axt, einen Speer und, um vor Unheil zu schützen, einen Schild. Auf seinem Kopf befindet sich eine weiße Krone, manchmal mit einem Gazellenkopf, dem Symbol der Wüste. Er trägt auch einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen (Cornelius, 1994, Pls. 13, C). Reschef wird auch sitzend mit erhobener Waffe und Schild gezeigt und als friedliche Gottheit mit Gotteszepter zusammen mit dem ägyptischen Gott → Amun-Re.

Eine interessante Gruppe von Stelen stammt aus Dēr el-Medīne [Der el-Medine]. Hier ist Reschef bewaffnet – jedoch nicht in Drohgebärde – in einer Triade zusammen mit dem ägyptischen Fruchtbarkeitsgott Min und der nackten Göttin Qedeschet / Qudschu dargestellt.

Auf einer neuen Stele vom Sinai ist er zum ersten Mal zusammen mit der Göttin → Astarte zu sehen. Die Inschrift lautet „Reschef, der Stallmeister”. Die Ikonographie des reitenden Reschef (Pferd oder Wagen) ist nicht eindeutig. Es kann sich auch um die Göttin Astarte handeln.

Obwohl Inschriften fehlen, könnten Stelen aus → Ugarit (z.B. Cornelius / Niehr, 2004, Abb. 95), die einen Krieger mit Waffen (Bogen, Köcher und Schild) zeigen, auf der Basis des Vergleichs mit beschriftetem ägyptischen Material mit Reschef verbunden werden. Reschef hat nichts mit dem sitzenden bewaffneten Mekal auf einer Stele aus → Bet-Schean zu tun (→ Mekal Abb.1). Er hat auch keine Flügel, kann jedoch auf einem Horntier stehen.

Reschef 4

Bronzefigürchen zeigen einen drohenden Gott mit einem Schild, einem typischen Attribut auf den beschrifteten ägyptischen Reliefs Reschefs. Andere Bronzefigurinen eines drohenden Gottes ohne Waffen werden manchmal mit dem Gott Baal verbunden (z.B. → Baal Abb. 1). Diese könnten auch als Reschef-Darstellungen interpretiert worden, aber es ist schwierig, sich ohne Inschriften und besondere Attribute zwischen den beiden Möglichkeiten zu entscheiden. Die schlagende / drohende Ikonographie wurde in phönizisch beeinflussten Regionen wie Zypern lange imitiert. In Sam’al ist Reschefs Symbol der fünfstrahlige Stern.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Götter und Mythen im Vorderen Orient: Wörterbuch der Mythologie, Stuttgart 1965
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Lexikon iconographicum mythologiae classicae, Zürich 1981ff
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Dictionnaire de la civilisation phénicienne et punique, Turnhout 1992
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
  • Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999
  • Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, Leuven 2002-2003
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Iconography of Deities and Demons in the Biblical World, Electronic Prepublications, Download

2. Weitere Literatur

  • Cornelius, I., 1994, The Iconography of the Canaanite Gods Reshef and Ba‛al (OBO 140), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
  • Cornelius, I. / Niehr, H., 2004, Götter und Kulte in Ugarit. Kultur und Religion einer nordsyrischen Königsstadt in der Spätbronzezeit, Mainz
  • Day, J., 2000, Yahweh and the Gods and Goddesses of Canaan, Sheffield
  • Fulco, W.J., 1976, The Canaanite God Rešep, New Haven
  • Keel, O. / Uehlinger, C., 1992, Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen (QD 134), Freiburg
  • Lipiński, É., 1995, Dieux et Déesses de l’univers Phénicien et Punique (OLA 64), Leuven
  • Niehr, H., 1998, Religionen in Israels Umwelt. Einführung in die nordwestsemitischen Religionen Syrien – Palästinas (NEB Erg. Reihe 5), Würzburg
  • Niehr, H., 2003, Zur Entstehung von Dämonen in der Religionsgeschichte Israels. Überlegungen zum Weg des Rešep durch die nordwestsemitische Religionsgeschichte, in: A. Lange / H. Lichtenberger / K.F.D. Römheld (Hgg.), Die Dämonen. Demons, Tübingen 84-107
  • Pardee, D., 2002, Ritual and Cult at Ugarit (Writings from the Ancient World Society of Biblical Literature 10), Leiden
  • Stadelmann, R., 1967, Syrisch-Palästinische Gottheiten in Ägypten (PdÄ 5), Leiden
  • Uehlinger, C., 2001, Art. Reschef, NBL III, 346-348

Abbildungsverzeichnis

  • Reschef als Krieger auf einer Stele aus Athribis. Aus: Cornelius, 1994, pl. 5, RR7
  • Reschef mit Qudschu und Min auf einer Stele aus Dēr el-Medīne. Aus: Wikimedia Commons; © Rama, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-2.0 France; Zugriff 3.9.2007
  • Reschef und Astarte auf einer Stele aus Tell el-Borg (Sinai). © Zeichnung Lyla Pinch-Brock mit freundlicher Genehmigung von James K. Hoffmeier nach einem Photo von Jessica Hoffmeier Lim
  • Gott mit Schild (Bronzefigurine aus Megiddo). Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg, 5. Aufl. 2001, Abb. 57; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz

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