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Reis / Schössling

(erstellt: Januar 2021)

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1. Bezeichnungen

Ein Reis ist ein junger Trieb, dünner Zweig, Wurzelschössling oder auch Spross einer Pflanze (→ Spross). Häufig dient er deren Vermehrung. Das Hebräische kennt verschiedene Bezeichnungen für solche Triebe: צֶמַח ṣæmaḥ „Spross / Sprössling“, יוֺנֵק jôneq (Jes 53,2) / יוֺנֶקֶת jônæqæt „Sprössling“, נֵצֶר neṣær „Spross / Zweig / Schössling“, חֹטֵר ḥoṭer „Zweig / Reis“ (Jes 11,1) und גֶּזַע gæza‘ „Schössling / Trieb“ (Jes 40,24).

2. Reis als junger Trieb einer Pflanze

Der Reis als junger Trieb einer Pflanze ist anschaulich in Hi 14,7 im Blick: Dort heißt es vom Baum, dem „eine Hoffnung bleibt“: „Wird er gefällt, so schlägt er wieder aus, und von ihm bleibt ein Schössling gar nicht fort“. Hier sind alt gewordene Nutzbäume im Blick, deren Stamm man fällte, damit aus ihrem Wurzelstock neue Schösslinge aufwachsen können (vgl. Jes 11,1; Jes 53,2; vgl. Dalman, 174f). Solche Triebe segnet Gott (Ps 65,11), kann sie aber auch durch Schwefelregen vernichten (Gen 19,25). Der – ursprünglich an den Wurzelstümpfen wachsende – Steckreis, den man um des schnelleren Wachstums willen in die Erde pflanzt, wo er Wurzeln schlägt, ist dagegen in Jes 40,24 im Blick (vgl. Beuken 2003, 307; Berges 2008, 151).

3. Metaphorik

In der Königsmetaphorik wird Reis / Spross zu einem Titel für einen legitimen davidischen Thronfolger (צֶמַח ṣæmaḥ: Jer 23,5; Jer 33,15; Sach 3,8; Sach 6,12-13). Als „gerechter Spross“ (Jer 23,5, vgl. zu diesem Titel auch die phönizische Inschrift KAÌ 43,11) soll er Recht und Gerechtigkeit verwirklichen, was sich auch in seinem Namen „JHWH – unsere Gerechtigkeit“ widerspiegelt. Der ersehnte Herrscher aus → Davids Haus wird in einem Heilswort als Zeichen des Neuanfangs innerhalb dieser Dynastie als „Reis aus der Wurzel Isai“ (→ Isai) und als Schössling, der aus seiner Wurzel Frucht bringt“, bezeichnet (Jes 11,1: נֵצֶר neṣær // חֹטֵר ḥoṭer; → Messias; vgl. ähnlich auch die Inschrift von Deir ‘Alla II 5.14 und bildlich bezogen auf Ptolemäus III. Dan 11,7). Nach Ez 17 bricht ein → Geier ein Reis (יוֺנֶקֶת jônæqæt) vom obersten Zweig einer Zeder ab und bringt diesen ins „Krämerland“ Babylon, Bild für die Deportation des Königs → Jojachin in die Gefangenschaft in Babylon, Die Wiedereinpflanzung dieses Zweigs in Jerusalem steht für die Restitution Israels (Ez 17,22). Die Pflanzenbilder zeigen: Was vorher zerstört war, erhält eine neue Chance. Aber auch der → Knecht Gottes wird nach Gottes Plan wie ein Reis bzw. Schössling aufgehen (Jes 53,2).

In der Endzeit wird der Spross (צֶמַח ṣæmaḥ) JHWHs zur Zierde und zur Herrlichkeit. Hier umschreibt Spross „die gottesfürchtige Bevölkerung, die JHWH zusammen mit ihren Früchten im Land heranwachsen lässt“ (Jes 4,2; vgl. Beuken 2003, 126). Das Austreiben von Wurzeltrieben (יוֺנֶקֶת jônæqæt) umschreibt auch im Heilswort Hos 14,7 das herrliche Wiederaufleben Israels nach der Katastrophe des Untergangs des Nordreiches. Und die Bezeichnung „Spross der Anpflanzungen JHWHs“ wird zu einem Inbegriff der heilvollen Zukunft des Volkes (Jes 60,21).

Leben (Hi 8,16) und Verderben (Hi 15,30) des Frevlers können im Bild der Reiser gezeichnet werden: Sie erstrecken sich kraftvoll wachsend ím Garten, werden letztlich aber durch die Flamme verdorrt.

4. Reisig

Reisig (gr. φρύγανον phryganon), als dürres, trockenes Holz wird zum Feuermachen verwendet (Apg 28,3; ZusDan 3,22). Im Feuer entzündet sich Reisig (hebr. הֳמָסִים hǎmāsîm) schnell (vgl. Jes 64,1).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., München / Zürich 2004
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006

2. Weitere Literatur

  • Beuken, W.A., Jesaja 1-12 (HThKAT), Freiburg 2003
  • Berges, U., Jesaja 40-48 (HThKAT), Freiburg 2008
  • Rüthy, A.E., Die Pflanze und ihre Teile im biblisch-hebräischen Sprachgebrauch, Diss. Bern 1942, 46-49.54

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