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Redaktionskritik / Redaktionsgeschichte

Andere Schreibweise: Kompositionskritik; Redaction history; redaction criticism

(erstellt: Juli 2019)

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1. Definition

Redaktionsgeschichte (bzw. Redaktionskritik, Kompositionskritik, zu den Begriffen s.u. 3.) gehört zum „klassischen“ Methodenkanon der historisch-kritischen Exegese, ist aber – etwa gegenüber der mehr als 200jährigen Tradition der Literarkritik – noch relativ jung und wird erst seit wenigen Jahrzehnten als eigenständiger Methodenschritt angewendet.

Redaktionsgeschichte fragt nach dem Werden des biblischen Textes von seiner ersten schriftlichen Niederlegung bis zur letzten vorliegenden (textkritisch ermittelten) literarischen Gestalt. Sie stellt das Gegenstück bzw. die Weiterführung zu den literar-, form- und traditionskritischen Arbeitsschritten dar, insofern sie die Zusammenfügung der Einzelstücke / Einzeltraditionen bzw. die Erweiterungen durch Redaktoren betrachtet. Ziel ist aber nicht nur zu erklären, wann und warum einzelne mündliche oder schriftliche Vorstufen und Traditionen miteinander kombiniert oder durch neue Textstücke annotiert wurden, sondern auch die Eigenart eines Textes in seiner Endgestalt zu verstehen.

Durch Redaktion werden Texte in eine neue Kommunikationssituation gestellt und dem Verständnis der Redaktoren und ihrer Adressaten angepasst, was sowohl durch Veränderungen im Wortbestand geschehen kann, als auch indem das Textstück in einen bestimmten literarischen Kontext gesetzt wird. Aus den Veränderungen sollten sich die Intentionen der Redaktoren bei der Zusammenstellung und Überarbeitung erschließen lassen, wobei zu beachten ist, dass ein Text nur die impliziten Autoren / Adressaten erkennen lässt; der reale Autor ist mit seinen Intentionen im Dunkel der Geschichte verloren (auch wenn etwa Lk 1,1-4; Joh 21,24f den Autor selbst zu Wort kommen lassen).

Konsequent für alle biblischen Texte durchgeführt, mündet die Redaktionsgeschichte in eine Literaturgeschichte der Bibel, in der Entstehung und Bearbeitung der Texte durch die Zeiten nachverfolgt werden (für das AT vgl. etwa Schmid, 2008). Indem sie die jeweilige Absicht eines Redaktors und daraus die theologischen Fragen und Bedürfnisse der Adressaten ermittelt, verfolgt Redaktionsgeschichte im Grunde auch Theologiegeschichte, und darin besonders die ihr innewohnenden Konflikte und Auseinandersetzungen (vgl. Becker, 2005, 92).

Klassische Beispiele sind etwa die kunstvolle Verknüpfung zweier literarischer Stränge in der Fluterzählung Gen 6,5-9,6 oder die lukanische Bearbeitung der Darstellung der Kreuzigung nach Markus (Lk 23,26-49 par. Mk 15,20b-41).

2. Textverständnis

Dem Methodenschritt liegt ein bestimmtes historisches und pragmatisches Textverständnis zugrunde, demzufolge die biblischen Texte nicht nur historisch gewachsen sind, sondern dieses Wachstum darauf beruht, dass die Texte mit bestimmten Intentionen in bestimmten historischen Situationen für konkrete Adressaten verfasst und bei Bedarf neu ausgewählt, kombiniert, umgeschrieben, kommentiert, erweitert wurden (explizit thematisiert in Lk 1,1-4; Joh 20,30f). Der Aspekt der Selektion aus vorgegebenen Traditionen ist dabei besonders problematisch, da man von Weggelassenem naturgemäß keine Spuren mehr entdecken kann und eine Rekonstruktion nicht möglich ist (eine Ausnahme bilden das Matthäus- und Lukasevangelium, bei denen man im Rahmen der Zweiquellentheorie einen Vergleichspunkt im Markusevangelium hat); dennoch darf man die Möglichkeit, dass der Redaktor auch Stücke weggelassen oder durch neue Texte ersetzt hat, nicht ganz außer Acht lassen.

Bereits innerbiblisch werden demnach Texte auf neue Situationen und Fragestellungen übertragen und angepasst; man nennt dies insgesamt Fortschreibung. Ähnliche Vorgänge finden sich auch für altorientalische und antike Literatur, etwa das Gilgamesch-Epos, assyrische Königsinschriften etc. (vgl. Kratz, TRE 28, 1997, 367f.; Becker, 2005, 78; 83). Wie diese sind auch biblische Texte als antike Quellen zu untersuchen, auch wenn – und gerade weil – sie in ihrer Eigenart keinen historischen Bericht darstellen wollen, sondern als Glaubenszeugnis zu verstehen sind (Schmid, 2008, 25f.). Als solches spiegeln die durch Redaktionskritik zu ermittelnden Fortschreibungsprozesse Rezeptionsvorgänge durch die die Texte gebrauchende Glaubensgemeinschaft. Veränderung ist ein fundamentaler Aspekt der biblischen Texte, die im Grunde keinen „originalen“, „ursprünglichen“ Zustand und keinen abgeschlossenen „Endtext“ kennen (vgl. Breed, 2014, 202f.; Becker, 2005, 85); der Übergang von Redaktionskritik zu Textkritik ist dementsprechend fließend.

Das hat Auswirkungen auf ihr heutiges Verständnis, insofern sie je neu auf konkrete Situationen aktualisierbar sind. Im Unterschied zur altorientalischen Literatur besaßen zumindest die alttestamentlichen Texte allerdings bereits im Entstehungsprozess theologische Dignität, so dass ein Weglassen vorgegebener Traditionen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr möglich war (vgl. sog. Kanonformel Dtn 4,2). Änderungen der Textaussage mussten durch Hinzufügungen vorgenommen werden, was sich u.a. in Kohärenz- und Kohäsionsstörungen abzeichnet. Nur dadurch entstanden im Text Phänomene, die es ermöglichen, an der jetzt vorliegenden Textgestalt Wachstum wahrzunehmen.

3. Aufgabe und Begrifflichkeiten

Als exegetische Methode hat Redaktionskritik die Aufgabe, neu hinzugekommene Aussagen (Redaktion) von den bereits vorgegebenen (Tradition) zu unterscheiden, indem sie Beobachtungen auswertet, die auf ein Wachstum hindeuten (Berührungspunkte zur Literarkritik), und die dahinterliegenden Bearbeitungsprinzipien ermittelt (das Projekt einer Redaktionstheorie, d.h. der Ermittlung der Regeln, nach denen Redaktoren bei der Bearbeitung von Vorlagen zu Werke gehen, verfolgt Wonneberger, 1992). Daraus ergeben sich Rückschlüsse auf die Intention des Redaktors, der Veränderungen ja mit einer bestimmten Aussageabsicht vornimmt. Indem dabei in der Regel bestimmte Adressaten in ihren konkreten historischen Orten und Zeiten im Blick sind, können diese Größen im Idealfall ebenfalls erschlossen werden. Inwieweit dies tatsächlich möglich ist oder Spekulation bleibt, hat jedoch in den letzten Jahrzehnten in der Bibelwissenschaft zu Diskussionen geführt.

Im NT versteht man unter Redaktion oft die Verarbeitung vorausliegenden (meist mündlichen) Materials durch die Evangelisten zu einer völlig neuen Komposition (dem Evangelium); von daher ist auch die Bezeichnung Kompositionskritik gebräuchlich. Doch ist Redaktionskritik, wie es in der alttestamentlichen Exegese gegenüber dem NT noch stärker hervortritt, nicht nur auf die erste, sondern auf alle Redaktionsstufen eines Textes anzuwenden. Dies kann bei manchen Texten eine kurze, bei anderen eine lange Abfolge mit mehreren aufeinanderfolgenden Bearbeitungen betreffen. Auf den Nachvollzug dieses Textwachstums im Laufe der Zeit bezieht sich die Bezeichnung Redaktionsgeschichte.

Der Begriff relecture zeigt, dass der Redaktor eines Textes immer auch Leser der ihm vorangehenden Textstufen bzw. Traditionen ist, die von ihm neu gelesen, auf die neue Situation angepasst und verändert werden. Dabei schwingt Zustimmung zu den vorgegebenen Traditionen mit, aber auch Veränderungsbedarf und Innovation, ja eine Kette von Innovationen, aus denen die Absicht des Redaktors und seine Theologie zu erschließen sind. Nie ist nur die Hinzufügung hierfür relevant, sondern immer das aus Vorlage und Redaktion entstandene Ganze, das ein Gesamtkonzept aus Überlieferung, eigener theologischer Überzeugung, Intention und Situation der Zielgruppe darstellt (Erlemann/Wagner, 2013, 108).

Die Redaktionskritik hat demnach zwei Aufgaben: Sie soll erkennen, an welchen Stellen Bearbeitung (Redaktion) vorliegt, und sie soll klären, wann und warum die Bearbeitung durchgeführt wurde (Intention), wobei nicht nur die einzelne Stelle, sondern der Kontext des ganzen Werks zu berücksichtigen ist. Für die erste Aufgabe werden die Ergebnisse der literar-, form- und traditionskritischen Fragestellungen herangezogen, um die von diesen herausgearbeiteten „kleinen Einheiten“ und Textstücke den verschiedenen Redaktionsstufen zuzuordnen. Dabei orientiert man sich z.B. für die Evangelien am typischen Sprachgebrauch, an thematischen Akzenten, der Auswahl, Anordnung und Verknüpfung der Stücke und Hinweisen auf den historischen und sozialen Ort der Redaktion. Was wird an welcher Stelle auf welche Weise ergänzt bzw. zusammengestellt? Neben der Analyse der Perikope ist immer der Aufriss des ganzen Buches in den Blick zu nehmen und das Verhältnis des Einzeltextes zu seinem Kontext zu erkunden. Ähnlich verfährt die Untersuchung in alttestamentlichen und den übrigen neutestamentlichen Texten. Die grundlegende Frage ist jeweils: Welche Kommunikationssituation und welches Interesse liegen der redaktionellen Arbeit zugrunde? Die Wirkabsichten des Textes sind daher ebenfalls Teil der in der Redaktionskritik ermittelten Daten, wodurch sie in die Nähe literaturwissenschaftlicher Methoden (Leserlenkung, Rezeptionssteuerung, Autor-/Textintention) rückt.

Mögliche Formen der Redaktion umfassen die Kompilation vorhandener Quellen, die Ergänzung vorgegebener Texte um neue, literarisch nicht eigenständige Texte (Bearbeitung) und die punktuelle Fortschreibung vorhandener Texte (vgl. Erlemann / Wagner, 2013, 108). Die Redaktion kann dementsprechend mehr oder weniger umfangreich ausfallen. Die Bandbreite umfasst kurze interpretierende Zusätze (AT: Glossen; NT: Erzählerkommentar), Überleitungen und Rahmungen, Zusammenfügungen vorgegebener Texte, Umstellungen, kleinere oder größere Einschübe. Durch wiederholte Bearbeitung der Texte ergeben sich oft ganze Fortschreibungsketten, wie v.a. in den Prophetenbüchern beobachtet werden kann. Das NT kennt dagegen überwiegend eine kürzere Redaktionsgeschichte, in der neben der Komposition eines Werkes nur wenige Bearbeitungen erkennbar sind.

Man unterscheidet auch die Reichweite einer Bearbeitung innerhalb des Werkes: Kurze Glossen bzw. Erzählerkommentare, die eine Aktualisierung oder eine Erläuterung einer bestimmten Stelle einbringen, beziehen sich in der Regel auf den unmittelbaren Kontext (Nahkontext; z.B. erklärt 1 Sam 9,9, dass ein Prophet früher „Seher“ genannt wurde; Joh 1,41 erläutert den aramäischen Begriff „Messias“ mit dem griechischen „Christus“). Größere Abschnitte von Büchern werden hingegen durch Überschriften (z.B. Am 3,1; Am 5,1), formelartige Wendungen („und es geschah, als Jesus geendet hatte…“, Mt 7,28; Mt 11,1; Mt 13,53; Mt 19,1; Mt 26,1), Rahmungen (z.B. Apg 8,4; Apg 11,19) und Überleitungen (z.B. Jes 35; Lk 10,29) strukturiert. Stehen mehrere übergreifende Bearbeitungen miteinander in Bezug, v.a. Rahmungen und Verknüpfungen, deren Zusammengehörigkeit sich an gemeinsamen Formulierungen und Intentionen erkennen lässt, kann sich die Redaktion auf ein ganzes Buch oder darüber hinaus erstrecken (z.B. die synoptischen Evangelien; im AT spricht man von einer „Schicht“, vgl. etwa das deuteronomistische Geschichtswerk mit seinen verschiedenen Redaktionsschichten).

Da Fokus und Terminologie in alt- und neutestamentlicher Exegese zum Teil voneinander abweichen, dient das hier Gesagte nur als Orientierung; für Einzelheiten und weitere Beispiele vgl. die jeweiligen Methodenbücher.

4. Geschichte

Die Redaktionsgeschichte ist Mitte des 20. Jh. im Gefolge der Formkritik aufgekommen, die wiederum eine Reaktion auf eine überbordende Quellenscheidung im Rahmen literarkritischer Untersuchungen war. Der Sache nach ist die Pentateuchforschung als Vorläufer anzusehen, auch wenn die Methode dort noch nicht unter dem Begriff Redaktionsgeschichte firmierte. Dieser wurde erstmals von W. Marxsen im Untertitel seiner Habilitationsschrift zum Evangelisten Markus (1956) verwendet (für Vorläufer und Etappen auf dem Weg zur Redaktionsgeschichte vgl. Rohde,1966, 7-22; Strecker, 1979, 9-20; Wharton, IDBSup, 1979, 729f.; Schmithals, TRE 10, 1982, 609-612; Becker, 2005, 79f.).

Erster Anwendungsbereich war die Forschung an den synoptischen Evangelien, für die sich im Bereich der Literarkritik die Zweiquellentheorie als konsensfähig herauskristallisiert hatte. Die Formgeschichte widmete sich Anfang des 20. Jh. den vor den Evangelien liegenden, im Rahmen der Gemeinde (Kerygma) weitergegebenen kleinen Einheiten („Formen“: etwa Gleichnisse, Wundergeschichten, Logien etc.) und deren „Sitz im Leben“. Die Evangelien (und in entsprechender Übertragung auch alttestamentliche Schriften) wurden dabei als Sammlungen von Traditionen angesehen, die durch einen Redaktor lediglich in ein Rahmenwerk eingepasst wurden. Die Aufmerksamkeit galt jedoch nicht dem Prozess des Sammelns und der dahinterstehenden Persönlichkeit, sondern den durch die Literar- und Formkritik abgegrenzten kleinen Einheiten, auf der Suche nach dem „Ursprünglichen“, „Echten“. Das in der schriftlichen Fassung vorliegende Werk blieb dagegen weitgehend außer Acht. Insbesondere in der Evangelienforschung wurde den Evangelisten nur geringer Anteil an ihrem Werk zugeschrieben; sie galten als bloße Kompilatoren, die aus den bereits gestalteten Einheiten nur auswählten, nebeneinanderstellten und einen Rahmen hinzufügten. Auch in der alttestamentlichen Forschung hatten Redaktoren ein denkbar schlechtes Image als Epigonen, deren Ergänzungen qualitativ unter dem Niveau der inspirierten, „echten“ Worte blieben (so etwa B. Duhm in seinem Jeremiakommentar von 1901), die einem „genialen“ Autor, etwa einem Propheten, zugeschrieben wurden. Wenn Bearbeitungen von Texten bisweilen noch heute als „sekundär“ bezeichnet werden, kann diese negative Tendenz immer noch nachwirken.

Erst als die Forschung anerkannte, dass die Evangelien von den Evangelisten konzeptionell hochwertig gestaltete Werke sind, wurden diese schließlich als eigenständige Schriftsteller wahr- und ernstgenommen. Grundlage dafür ist auch die Erkenntnis, dass die Evangelien nicht im heutigen Sinne „historische“ Nacherzählung bzw. Biografie des Lebens Jesu darstellen, sondern eine theologische Aussage für die Gemeinde als Adressat der Botschaft in sich bergen. In den Evangelien nach Matthäus und Lukas ließen sich durch synoptischen Vergleich Abweichungen erheben, aus denen die theologische Tendenz des jeweiligen Textes erschlossen werden konnte. Nach Vorarbeiten (u.a. J. Wellhausen; E. Lohmeyer; M. Dibelius; R. Bultmann) wandte zuerst H. Conzelmann („Die Mitte der Zeit“, 1954) die neue Methode an, ohne allerdings den Begriff zu verwenden. Er versteht das Lukas-Evangelium als heilsgeschichtlichen Entwurf, der der Verunsicherung durch das Schwinden der Parusieerwartung eine Periodisierung der Zeiten entgegensetzt (Israel – Zeit Jesu – Zeit der Kirche). Damit begann in den 1950er Jahren eine Hoch-Zeit der redaktionsgeschichtlichen Forschung.

Auch die alttestamentliche Exegese hatte zu dieser Zeit bereits mit redaktionsgeschichtlichen Untersuchungen eingesetzt, wobei eine wichtige Linie von M. Noth ausging, der mit seinen „Überlieferungsgeschichtlichen Studien“ (1943) das deuteronomistische und das chronistische Werk als Ergebnis absichtsvoller redaktioneller Gestaltung mit spezifischen Anliegen und Ausdrucksformen vorstellte und die Forschung auf Jahrzehnte beeinflusste. Besonders prägend war die redaktionsgeschichtliche Methode für die Prophetenforschung ab den 1970er Jahren. In zahlreichen und grundlegenden Arbeiten zu Prophetenbüchern (v.a. Jes, Jer, Ez) weitete sich der Fokus von der Suche nach den „echten“, ursprünglichen Prophetenworten auf die redaktionelle Gestaltung der Bücher, ihrer Anlage und Aussage.

In den Anfängen versuchte man, auch in den Prophetenbüchern, durchgehende, ja sogar buchübergreifende Redaktionsschichten herauszuarbeiten (DtrG; allerdings schon bald aufgespalten in DtrH, DtrP usw.) und neigte dazu, kleinere Ergänzungen zu vernachlässigen. Zimmerli fasste (in seinem Ezechiel-Kommentar von 1969) die Eigenart dieses inneralttestamentlichen Redaktionsvorgangs, in dem die Aussage durch kleinere Zusätze über lange Zeiträume immer weiter ausgelegt wird, mit dem Begriff Fortschreibung zusammen. Demgegenüber kennt das Neue Testament deutlich kürzere und weniger komplexe Redaktions- und Fortschreibungsvorgänge.

Nachdem anfangs in der neutestamentlichen Forschung vor allem die Synoptiker Gegenstand der Redaktionskritik waren, gilt das Interesse nun auch Joh, Apg, Offb und der Briefliteratur. Im Alten Testament kann neben Geschichts- und Prophetenbüchern inzwischen jeder Text redaktionsgeschichtlich analysiert werden; selbst die Psalterexegese greift auf redaktionsgeschichtliche Erkenntnisse zurück (vgl. die Forschungen von Hossfeld / Zenger; Barbiero; Millard u.a.).

In jüngster Zeit wird die historische Exegese oft zugunsten synchroner, am vorliegenden Text orientierter Auslegungen zurückgestellt. Die Stärke diachroner Exegese, die genaue Erklärung eines Textes und seiner Brüche, kann bei überbordender Zergliederung des Textes zur Schwäche werden. Für eine umfassende Analyse biblischer Texte bleibt insbesondere die Redaktionsgeschichte jedoch von großer Bedeutung, da sie der „geschichtlichen Tiefendimension“ (Becker, 2005, 86) und damit einem Textverständnis Rechnung trägt, das auch für die heutige Beschäftigung mit den Texten grundlegend ist und die je neue Aktualisierung und Interpretation der Texte ermöglicht, die durch moderne Redaktionsvorgänge (Auswahl der Texte in Lektionaren, Einbettung in neue Kontexte durch Verwendung im Gottesdienst usw.) erfolgt.

Literaturverzeichnis

1. Zitierte Literatur

  • Becker, U., 2005, Exegese des Alten Testaments (UTB 2664), Tübingen
  • Breed, B.W., 2014, Nomadic Text. A Theory of Biblical Reception History, Bloomington, IN
  • Erlemann, K./Wagner, T., 2013, Leitfaden Exegese. Eine Einführung in die exegetischen Methoden für das BA- und Lehramtsstudium, Tübingen
  • Kratz, R.G./Merk, O., 1997, Art. Redaktionsgeschichte/Redaktionskritik, TRE 28, 367-384
  • Rohde, J., 1966, Die redaktionsgeschichtliche Methode, Hamburg
  • Schmid, K., 2008, Literaturgeschichte des Alten Testaments. Eine Einführung. Darmstadt
  • Schmithals, W., 1982, Art. Evangelien, TRE 10, 570-626
  • Strecker, G., 1979, Redaktionsgeschichte als Aufgabe der Synoptikerexegese, in: ders., Eschaton und Historie, Göttingen, 9-32
  • Wharton, J.A./Fortna, R.T., 1976, Art. Redaction Criticism, OT/NT, IDBSup, New York, NY, 729-735
  • Wonneberger, R., 1992, Redaktion. Studien zur Textfortschreibung im Alten Testament, entwickelt am Beispiel der Samuel-Überlieferung (FRLANT 156), Göttingen

2. Literaturempfehlungen

  • Becker, U., 2005, Exegese des Alten Testaments (UTB 2664), Tübingen
  • Ebner, M./Heininger, B., 22007, Exegese des Neuen Testaments (UTB 2677), Paderborn
  • Erlemann, K./Wagner, T., 2013, Leitfaden Exegese. Eine Einführung in die exegetischen Methoden für das BA- und Lehramtsstudium, Tübingen
  • Richter, W., 1971, Exegese als Literaturwissenschaft, Göttingen
  • Schnelle, U., 2008, Einführung in die neutestamentliche Exegese (UTB 1253). 7. Aufl. Göttingen

3. Weiterführende Literatur

  • Conzelmann, H., 1954 (21960), Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas (BHTh 17), Tübingen
  • Donner, H., 1994, Der Redaktor. Überlegungen zum vorkritischen Umgang mit der Heiligen Schrift, in: ders., Aufsätze zum Alten Testament aus vier Jahrzehnten (BZAW 224), Berlin/New York, 259-285
  • Hahn, F. (Hg.), 1985, Der Erzähler des Evangeliums. Methodische Neuansätze in der Markusforschung (SBS 188/119), Stuttgart
  • Kratz, R.G., 2004, Innerbiblische Exegese und Redaktionsgeschichte im Lichte empirischer Evidenz, in: ders., Das Judentum im Zeitalter des Zweiten Tempels (FAT 42), Tübingen, 126-156
  • Marxsen, W., 1956 (21959), Der Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums (FRLANT 49), Göttingen
  • Noth, M., 1943, Überlieferungsgeschichtliche Studien. Halle (Darmstadt 1963)
  • Perrin, N., 1970, What is Redaction Criticism?, London

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