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Raub / Räuber

(erstellt: August 2014)

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1. Begriff und Wortfeld

Unter Raub versteht man die unrechtmäßige Entwendung einer Sache, normalerweise eines materiellen Gutes, unter Einsatz von Gewalt gegen die Person des Besitzers (→ Besitz). Das hebräische Äquivalent für den Rechtssachverhalt des Raubes ist das Lexem גזל gzl „wegreißen / rauben“. Das geraubte Gut ist גְּזֵלָה gəzelāh (Lev 5,23; Jes 3,14; Ez 33,15; Ez 18,7.16.12). Die Masoreten unterscheiden durch unterschiedliche Vokalisation derselben Konsonanten noch גָּזֶל gāzel (Jes 61,8; Ps 62,11; Ez 22,29), was vermutlich den Raub als abstraktes Phänomen bezeichnen soll, und גֵּזֶל gezӕl (Pred 5,7), was wohl die Tätigkeit des Raubens bedeuten soll (so Gesenius, 18. Aufl.). Wird der Besitzer gezwungen, die Sache herauszugeben, handelt es sich um Erpressung (עשׁק ‘šq „erpressen“). Ohne Einsatz von Gewalt gegen den Besitzer handelt es sich um einen → Diebstahl (גנב gnb „stehlen“).

Ist der Raub, z.B. im Rahmen des Kriegsrechts, von einer dazu legitimierten Instanz befohlen oder zumindest zugelassen, so handelt es sich um legales Beutemachen (בזז bzz „erbeuten“). Geschieht die widerrechtliche Aneignung von Gütern anderer Völker ohne Legitimation durch das Kriegsrecht, so handelt es sich um Plünderung (שׁסה šsh „plündern“). Typischerweise werden solche Plünderungen durch Gruppen vorgenommen (שֹׁסִים šosîm „Plünderer“ Ri 2,14.16; 1Sam 23,1; 2Kön 17,20; Jes 17,14) und betreffen kollektive Größen, z.B. ganze Städte oder Landstriche.

Verschafft sich jemand Unbefugtes mit Gewalt Zugang in ein Gebäude, so handelt es sich um einen Einbrecher פָרִיץ pārîṣ (was auch als „Räuber“ oder „violent man“, so Harland, übersetzt wird).

In deutschen Übersetzungen wird oft auch das Wort טרף ṭrp „zerreißen / Beute machen“ mit „Raub“ übersetzt (z.B. Lutherbibel 1984 in Am 3,4; Ps 104,21 von der Beute eines Löwen), was aber zu falschen Assoziationen führt. So reißt z.B. ein Löwe zwar sein Beutetier, aber er nimmt es niemandem weg. Wie in der modernen Biologie gibt es schon im Hebräischen keine „Raub“-Tiere.

Auch בגד bgd „betrügen“ wird gelegentlich mit „rauben“ übersetzt. Ferner wird für נצל nṣl Piel in Ex 3,22; Ex 12,36 „rauben“ oder „plündern“ als Bedeutung angenommen, das passt aber kaum in den Kontext, weil die Ägypter den Israeliten deren Bitte um ein Abschiedsgeschenk freiwillig erfüllen.

2. Bedeutungsebenen von גזל

2.1. Physisches „Abreißen“

Die Grundbedeutung von גזל gzl ist „abreißen“, d.h. etwas, das mit etwas anderem fest verbunden ist, unter Einsatz von Kraft von diesem entfernen. Am deutlichsten ist diese Bedeutung in Mi 3,2 greifbar, wo der Prophet den Angeredeten vorwirft, sie würden Menschen die Haut abreißen und danach noch das Fleisch von den Knochen (mit der Präposition מִן min „von / weg“). In 2Sam 23,21 (= 1Chr 11,23) wird von → Benaja berichtet, dass er im → Zweikampf mit einem ägyptischen Gegner diesem den Speer aus der Hand riss. In diesem Fall handelt es sich nicht um eine von Natur aus bestehende Verbindung, wie im ersten Fall. Trotzdem wird der Ägypter seinen Speer fest umklammert haben. In Hi 24,9 wird einer stillenden Mutter ihr Kind von der Brust weggerissen, an das sie sich – auch wenn das nicht im Text steht, kann man es mühelos imaginieren – mit aller Kraft klammert. In allen Fällen geht es darum, dass man etwas von etwas anderem wegreißt, um den weggerissenen Teil in den eigenen Besitz zu überführen.

2.2. „Wegreißen“ von Besitz

Auch wenn zwischen dem weggerissenen Teil und dem Objekt, zu dem es ursprünglich gehörte, keine physische Verbindung bestand, sondern er nur zum Besitz gehörte, kann die Handlung als „wegreißen“ verstanden werden. So befürchtet → Jakob, dass sein Schwiegervater ihm seine Frauen „entreißt“, sie also wieder heimholt (Gen 31,31). Nach Hi 24,2 wird eine Herde geraubt. Kann man diese beweglichen Größen immerhin noch fortnehmen, so wechselt bei Immobilien nur der Besitztitel: In Gen 21,25 geht es um einen Brunnen, in Hi 20,9 um ein Haus.

2.3. Metaphorisches „rauben“

Rein metaphorisch wird die Verwendung, wenn auch keine Besitzrelation mehr gegeben ist: In Hi 24,19 rauben Dürre und Hitze das Schmelzwasser und das Totenreich die Sünder, in Spr 4,16 wird der Schlaf geraubt, in Jes 10,2 das Recht der Elenden und in Pred 5,7 Recht und Gerechtigkeit generell.

3. Rechtskontext

In den meisten Fällen, wird גזל gzl in rechtlichen Zusammenhängen verwendet und bezeichnet den Raub.

3.1. Verbot von Raub

Der Raub ist in Lev 19,13, neben der Erpressung (עשׁק ‘šq), explizit untersagt. Als schwere Form von Diebstahl dürfte der Raub auch im Verbot des → Diebstahls im → Dekalog enthalten sein (Ex 20,15 // Dtn 5,19 גנב gnb).

3.2. Ahndung von Raub

In Lev 5,21-26 ist Raub in einer Reihe mit Verbrechen wie Erpressung, Einbehaltung von anvertrautem Gut (→ Leihrecht), Nichtrückgabe von gefundenem fremden Eigentum und Meineid genannt (→ Eid). In diesen Fällen soll das entwendete Gut zurückgegeben (vgl. Ps 69,5; Ez 33,15) und noch ein Fünftel hinzugefügt werden. Hinzu kommt noch, dass ein makelloser Widder als Schuldopfer dargebracht werden muss, mit dem der Priester das Verbrechen vor JHWH sühnen kann. Durch den kriminellen Akt wurde also auch JHWH getroffen.

3.3. Verschärfte Formen von Raub

Besonders schlimm ist es, wenn Leute ausgeraubt werden, die gar nichts Wertvolles mehr haben, denen man aber das Letzte auch noch nimmt, einfach deshalb, weil sie wehrlos sind (nach Ps 35,10 werden sogar die Armen und Elenden ausgeraubt; vgl. Spr 22,22). In Ps 62,11 werden die Angeredeten davor gewarnt, auf Raub „eitle Hoffnung“ (Lutherbibel) zu setzen. Damit dürfte gemeint sein, dass sie nicht damit rechnen sollen, dass sie ihre kriminellen Machenschaften nach Bedarf durchführen können, ohne signifikante Gegenwehr ihrer Opfer und ohne Strafen befürchten zu müssen, denn Gott wird ihr Tun vergelten (Ps 62,13). Eine besonders zugespitzte Situation ist es vermutlich, wenn Raub innerhalb der Familie vorkommt (in Spr 28,24 werden Vater und Mutter, in Ez 18,18 der Bruder beraubt).

3.4. Räuberbanden

Raub wurde auch gemeinschaftlich begangen. Nach Ri 9,25 haben die Herren von → Sichem harmlose und unbewaffnete Passanten ausgeraubt. Nach Ri 21,23 hat sich der Stamm Benjamin mit einem Überfall auf einen Festzug von Frauen der Stadt → Silo, die anlässlich eines Festes ohne männliche Begleiter tanzend durch die Weinberge zogen, Frauen geraubt, die dann verheiratet wurden.

Tun sich Leute zusammen und bilden eine stabile, auf Dauer angelegte geschlossene Gruppe, ohne dazu im Sinne der Gemeinschaft legitimiert oder gar beauftragt zu sein, so bilden sie eine Bande (גְּדוּד gədûd, auch mit „Schar“ oder „Streifschar“ übersetzt). Ihr Anführer heißt שַׂר־גְּדוּד śar gədûd „Bandenführer“ (1Kön 11,24). In der Regel haben solche Gruppen kriminelle Ziele. Sie können die Straßen einer Stadt unsicher machen (Hos 7,1). Da neben anderen kriminellen Akten auch Raub zu ihrem Repertoire gehört, wird גְּדוּד gədûd als „Räuberbande“ oder „Räuberschar“ übersetzt. Im Rahmen von Kriegshandlungen können Banden auch neben dem regulären Heer eingesetzt werden; sie kämpfen dann nicht gegen Soldaten, sondern gegen die Zivilbevölkerung, um diese zu terrorisieren (2Kön 5,2; vgl. 2Kön 13,21; Hi 19,12).

3.5. Kriegsbeute

Vom Raub deutlich zu unterscheiden ist die Kriegsbeute (→ Krieg). Nach dem Kriegsrecht ist es erlaubt, im Kampf Beute zu machen (Dtn 20,14; Num 31,9; vgl. Dtn 2,35). Nach Dtn 20,14 ist die Beute eine Gabe JHWHs an Israel, weil JHWH dem israelitischen Heer den Sieg verschafft hat. Für die Kriegsbeute gibt es im Hebräischen zwei Begriffe: שָׁלָל šālāl und בַּז baz. Die Bedeutungsdifferenz zwischen beiden Begriffen, die einige Male nebeneinander vorkommen (z.B. Jes 8,1; Jes 10,6; Jes 33,23; Jer 49,32; Ez 7,21; Ez 29,19; Ez 38,12-13), ist nicht ganz klar. בַּז baz ist in der Grundbedeutung die Beute von Tieren (Ez 34,8). Nur von שָׁלָל šālāl wird berichtet, dass die Beute geteilt wird (חלק ḥlq, z.B. Gen 49,27; Ex 15,9; Jos 22,8; Ri 5,30; 1Sam 30,24; Ps 68,13; Spr 16,19; Jes 9,2; Jes 33,23; Jes 53,12; Sach 14,1). Eine idealisierte ausführliche Darstellung einer Beuteteilung findet sich in Num 31,25-54. Demnach dürfte שָׁלָל šālāl die durch gemeinsame Anstrengung des Heeres erworbene Beute sein, die allen Soldaten zusammen gehört, und zwar nach 1Sam 30,20-25 (vgl. Num 31,27) auch denen, die nicht aktiv am Kampf beteiligt waren, und die nach Rechtsgrundsätzen verteilt werden muss. Im Unterschied dazu könnte בַּז baz dann eine Beute sein, die die Soldaten sich individuell aneignen durften, also erlaubtes Plündergut. Solche individuelle Beute scheint Num 31,53 anzusprechen: „Die Krieger hatten jeder für sich Beute gemacht (בזז bzz)“. Zur Beute gehören nicht nur Sachen und Vieh, sondern auch Menschen (z.B. Dtn 20,14; Num 31,11).

Da die Propheten die Strafe JHWHs oft als kriegerischen Akt gegen Israel erwartet haben, haben sie im Zusammenhang der Niederlage auch davon gesprochen, dass Israel ausgeplündert würde (z.B. Jes 10,6; Jer 20,5; Ez 7,21). Auch der Name des Jesajasohnes מַהֵר שָׁלָל חָשׁ בַּז maher šālāl ḥāš baz „schnelle Kriegsbeute, rasches Plündergut“ (Jes 8,1; → Raubebald-Eilebeute) gehört in den Kontext des Krieges. Er weist symbolisch daraufhin, dass die assyrische Armee in naher Zukunft → Damaskus und → Samaria erobern und diese Hauptstädte ausplündern wird.

In manchen Heilsschilderungen wird dann vor Augen gestellt, dass Israel seinerseits seine Plünderer ausplündern wird (Jer 30,16; Ez 39,10).

4. Prophetische Verwendung

4.1. Anwachsen von Kriminalität

In der prophetischen Literatur werden unter den Verbrechen, die zeigen sollen, dass die Beziehung Israels zu JHWH nicht mehr in Ordnung ist, unter anderem Diebstahl und Raub genannt (z.B. Hos 4,2; Hos 7,1; Jes 3,14; Ez 22,29). Hinter den Anklagen der Propheten stehen dabei in der Regel besonders schlimme Einzeltaten (vgl. 1Kön 21) oder die massenhafte Zunahme von kriminellen Akten, vermutlich verbunden mit einem geringen oder gar keinem Unrechtsbewusstsein der Täter.

In der Schilderung des exemplarischen Gerechten kommt unter anderem auch vor, dass „er nicht raubt“ (Ez 18,7.12.16.18; vgl. Ez 33,15).

4.2. Ausweitung der Rechtsnormen

Nach Mi 2,1-2 gibt es Männer, die in der Nacht Verbrechen planen und diese dann bei Tag ausführen. Zu den Verbrechen gehört auch, dass sie Felder rauben. Mit dieser Art von Raub dürfte kein unmittelbarer körperlicher Zwang verbunden sein, vielmehr dürfte die Macht, fremde Grundstücke in Besitz zu nehmen, in der ökonomischen Überlegenheit der Täter begründet sein. Meistens wird angenommen, dass wirtschaftlich erfolgreiche Personen Kredite vergeben konnten. Für den Fall, dass die Schuldner die Kredite nicht zurückzahlen konnten, wurden die Schuldner zunächst in Schuldknechtschaft genommen und, falls das nicht reichte, um der Schuldenfalle zu entkommen, schließlich deren Familienbesitz zur Tilgung der Schulden eingesetzt (z.B. Kessler, 119-122). Kam das oft vor, so verarmten ganze Bevölkerungskreise. Die prophetische Kritik zielte demnach nicht nur auf rechtlich klar definierte kriminelle Akte, sondern weitete das Verständnis anerkannter Rechtsnormen auf soziale Missstände aus, die mit völlig legalen Mitteln zustande gekommen waren. Aus der Sicht der Propheten wurden von bestimmten Kreisen bestehende Rechtsinstitute systematisch missbraucht, um eigenen Reichtum auf Kosten des gemeinschaftlichen Miteinanders zu erzielen (Jes 5,8; Mi 2,2). Der Zwang, der dabei auf wirtschaftlich Abhängige ausgeübt wurde, ist kein körperlicher, sondern wurde als עֹשֶׁק ‘ošæq „Erpressung / Unterdrückung“ bezeichnet. Es geht also um das Phänomen der Ausbeutung. Wenn Raub im Zusammenhang mit „Unterdrückung“ genannt wird, kann man im prophetischen Kontext davon ausgehen, dass – äußerlich gesehen legale – Ausbeutung gemeint ist (Jer 21,12; Jer 22,3; Ez 18,18; Ez 22,29; Mi 2,2; auch Ps 62,11; vgl. aber auch die Rechtstexte Lev 5,21.23; Lev 19,13; Dtn 28,29).

4.3. Mahnung zur Rettung der Opfer und Raub

In den prophetischen Mahnungen, die regelmäßig eine Rechtspflege einfordern, die dem Rechtswillen JHWHs entspricht, wird neben anderen Verbrechen gelegentlich auch der Raub erwähnt. Speziell wird dazu aufgerufen, sich für die Opfer von Raub und Unterdrückung einzusetzen (Jer 21,12; Jer 22,3).

4.4. Raub und Kult

Besonders schlimm ist es in den Augen der Propheten, wenn am Tempel in Jerusalem, dem organisatorischen und spirituellen Zentrum des JHWH-Glaubens, die Verbrechen im wirtschaftlichen Alltag auch noch verschleiert anstatt offen zur Sprache gebracht werden und die Täter im Rahmen des Kultes keinerlei Sanktionen hinnehmen müssen. Scharf und pointiert bringt das die Tempelrede Jeremias zum Ausdruck. In Jer 7,11 bezeichnet Jeremia den Tempel mit der Phrase מְעָרַת פָּרִצִים mə‘ārat pāriṣîm (eigentlich „Höhle der Einbrecher“), was die Lutherübersetzung mit „Räuberhöhle“ wiedergibt („Räuberhöhle“ passt besser als Äquivalent zur griechischen Übersetzung der Phrase mit σπήλαιον λῃστῶν spēlaion lēstōn). Der Tempel ist demnach zu einem Rückzugsort für Verbrecher geworden, die sich am Ort der Präsenz des Gerechtigkeit schaffenden Gottes auch noch besonders sicher fühlen!

Im Neuen Testament ist der griechische Ausdruck in Mt 21,13; Mk 11,17; Lk 19,46 aufgenommen, um den herodianischen Tempel zu kritisieren. Wahrscheinlich hat bereits der historische Jesus den Begriff aus Jer 7,11 in hebräischem, oder, was eher wahrscheinlich ist, in aramäischem Wortlaut verwendet (Evans). Mit „Einbrecher“ oder „Räuber“ scheinen bei Markus wohl vor allem die Geldwechsler und Taubenverkäufer gemeint zu sein (Mk 11,15). Die Ersteren tauschten die verschiedenen Münzen, die Tempelbesucher aus aller Welt mitbrachten, in die am Tempel akzeptierte Währung um, wobei sie wohl kräftige Gewinne gemacht haben werden. Damit ergibt sich eine Sinnverschiebung gegenüber Jeremias Begriffsgebrauch, der die Besucher des Tempels als „Einbrecher, Räuber“ verstand.

Innerhalb einer kultkritischen Passage wird Priestern in Mal 1,13a vom Propheten vorgeworfen, sie würden גָזוּל gāzûl „Geraubtes“ im Tempel darbringen. Da sich die anderen Vorwürfe dieser Passage nur auf die Opferung von mit Makeln (z.B. blind oder lahm) behafteten Tieren beziehen, ist die moralische Kategorie, wonach JHWH auch daran Anstoß nimmt, wenn „geraubte“ Opfer dargebracht werden, auffällig. Die Begründung der Kultkritik mit dem moralischen Fehlverhalten der Kultteilnehmer, und nicht mit der Qualität der Opfertiere, liegt aber ganz auf der Linie sonstiger prophetischer Kultkritik.

5. Das Verhältnis JHWHs zum Raub

Das auf dem Boden des JHWH-Glaubens formulierte Recht verbietet den Raub sowie andere Maßnahmen, das Eigentum anderer ohne deren freie Zustimmung an sich zu bringen (Diebstahl, Erpressung, Einbehaltung anvertrauten oder gefundenen Gutes). Für den Raub sind keine drastischen Strafen vorgesehen. Im Wesentlichen geht es um die Rückgabe des Geraubten und einen gewissen Aufpreis für den Ausgleich des erlittenen Schadens und den Aufwand der Wiederbeschaffung. Wo das Eigentumsrecht verletzt wird, ist aber JHWH tangiert. Insbesondere wenn ein Raub, wie auch manch anderes Verbrechen, unentdeckt oder ungeahndet bleibt, schaltet sich JHWH ein und straft den Übeltäter.

In Jes 61,8 ist eindeutig festgehalten, dass JHWH das Recht (מִשְׁפָּט mišpāṭ) liebt, aber das Verbrechen des Raubes und das Unrecht (עוֹלָה ‘ôlāh) „hasst“. Bemerkenswert ist, dass neben den globalen Begriffen „Recht“ und „Unrecht“ nur der „Raub“ als konkretes Verbrechen genannt wird. Dadurch erscheint der Raub als ein Verbrechen, das JHWHs Emotionen besonders tangiert. Auch in Mal 1,13 wird, neben körperlichen Makeln der Opfertiere, allein der Raub als ein moralisches Kriterium genannt, das Opfer für JHWH so sehr verunreinigt, dass deren Darbringung zu einer Beleidung für JHWHs Ehre und Namen wird.

Die Propheten betrachteten (s.o.) den Raub, oft zusammen mit der Erpressung, insbesondere wenn er gemeinschaftlich und systematisch begangen wurde, und selbst wenn er unter dem Schein des Rechts geschah, als Indikator für den Verfall der religiösen Grundlagen der Gemeinschaft und kündigten solchen Räubern die Bestrafung durch JHWH an (Mi 2,3; Jes 5,9-10; Jer 21,12).

In dem Kapitel Dtn 28, das den Fluch, der Israel im Falle des Bundesbruches treffen wird, ausgiebig und eindringlich vor Augen malt, ist eines der angedrohten Übel, dass das Volk unterdrückt und ausgeraubt werden wird (Dtn 28,29.31). Es muss damit selbst erleiden, was es anderen angetan hat.

In den Zukunftsaussagen des Alten Testaments nimmt die vollkommene Verwirklichung von Recht und Gerechtigkeit einen zentralen Platz ein: Dass es, wenn Gottes Herrschaft vollkommen realisiert werden wird (→ Eschatologie), auch keinen Raub mehr geben wird, ist implizit vorausgesetzt.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003

2. Weitere Literatur

  • Harland, P.J., 1996, Robber or violent man? A note on the word parîṣ, VT 46, 530-534
  • Kessler, R., 2006, Sozialgeschichte des alten Israel. Eine Einführung, Darmstadt
  • Stoebe, H.J., 1967, Raub und Beute, in: B. Hartmann (Hg.), Hebräische Wortforschung (VT.S 16; FS W. Baumgartner), Leiden, 340-354

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