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Pije / Pianchi

Andere Schreibweise: Piye; Pianchy; Piankhi; Piankhy

(erstellt: September 2006)

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1. Einleitung

Pi(anch)i regierte als zweiter Pharao der kuschitischen 25. Dynastie Ägyptens von 746 bis 715 bzw. 713 v. Chr. (→ Kuschitenzeit). Er war Nachfolger des nubischen Königs Kaschta, der den Machtbereich der Kuschiten erstmals auf ägyptisches Gebiet (Assuan) ausgedehnt und eine ägyptische Titulatur angenommen hatte. Nach dem Ende der ägyptischen Herrschaft über Nubien hatte sich seit dem 10. Jh. v. Chr. ein einheimisches Königreich um den Ǧebel Barkal (Napata) entwickelt, das weiterhin ägyptische Traditionen pflegte (Hieroglyphenschrift, Religion).

2. Name

Der Name des Pharaos ist in seiner Interpretation und Lesung umstritten (Überblick: Breyer), was damit zusammenhängt, dass Schreibungen mit und solche ohne <‘nch>-Zeichen vorkommen:

1. P3(j)-‘nch.j „Der Lebende“ (Vittmann) [ägyptisch: Artikel p3 + ‘nch „Leben“]

2. Pije „Der Lebende ist er“ (Priese) [meroitisch pi/pe „Leben“ + „kopulatives / deiktisches Element“ je; ‘nch-Zeichen als Determinativ]

3. <P-j-‘nch> „Herrscher“ (Rilly) [meroitisch b‘(n)che „Herrscher“ o.ä.]

In seinen beiden ägyptischen Thonnamen „Mit bleibender Gestalt, ein Re“ (Mn-m‘3.t-R‘[.w]) und „Reich an Maat, ein Re“ (Wsr-m‘3.t-R‘[.w]) lehnt sich Pianchi an Thutmosis III. und Ramses II. an.

3. Familie

Die Verwandtschaftsverhältnisse Pi(anch)is (vgl. Lohwasser) sind ebenfalls nicht ganz klar, v.a. weil die Regeln der Thronsukzession bei den Kuschiten nicht bekannt sind (Morkot). Wahrscheinlich war er ein Sohn seines Vorgängers Kaschta und Bruder seines Nachfolgers → Schabaqa, sowie der Amenirdis I., die er in Theben als Gottesgemahlin des Amun einsetzte (Adoption durch Schepenupet I.).

Mit Fragezeichen versehene Beziehungen sind rekonstruiert und unsicher, mit (?) gekennzeichnete sind zwar rekonstruiert, jedoch relativ wahrscheinlich.

Eltern:

  • König Kaschta(?) (Bruder des Alara)
  • Pabatma(?) (Mutter der Amenirdis I.; Gemahlin Kaschtas?, Schwester des Alara?)

Gemahlinnen:

  • Tabiry (Tochter des Alara)
  • Pekereslo („Peksater“, Tochter des Kaschta; gibt es zwei Pekereslos?)
  • Chensa
  • Abalo(?) („Abar“; Mutter Taharqos; Tochter Kaschtas oder Tochter/Nichte Alaras?)
  • Neferukakaschta(?)

Geschwister:

  • Pharao Schabaqa
  • Gottesgemahlin des Amun Amenirdis I.
  • General Pekartror

Söhne:

  • Pharao Schebitqo („Schabataka“)
  • Pharao Taharqo („Taharka“)
  • Chaliut
  • Piye-Har

Töchter:

  • Gottesgemahlin des Amun Schepenupet II.
  • Arty (Gemahlin des Schebitqo)
  • Naparaye(?) (Gemahlin des Taharqo?)
  • Tekahatamani (Gemahlin des Taharqo)
  • Tabakenamun(?) (Gemahlin des Taharqo? oder des Harmachis [Sohn Schabaqas]? )
  • Qalhata (Gemahlin Schabaqas? und wohl Mutter Tanutamanis)
  • Mutirdis.

4. Chronologie seiner Regierungszeit

Im Allgemeinen rechnet man mit einer Regierungszeit von maximal 31 Jahren. Ausgangspunkt ist eine Hochrechung anhand von angenommenen Ketten-Synchronismen mit den Königen von Sais, was zu einem Zeitraum von 10 Jahren zwischen dem Ägyptenfeldzug Pi(anch)is und dem Regierungsantritt seines Nachfolgers Schabaqa führt:

Jahr 21 Pi(anch)i – Jahr 1 Tefnachtes

Jahr 8 Tefnachtes – Jahr 1 Bocchoris

Jahr 5 Bocchoris – Jahr 1 Schabaqas

Sicher belegt sind die Regierungsjahre 21 („Siegesstele“; Texte aus Ägypten), 22 (pVatikan 10574) und 24 (Dachla-Stele). Unklar ist der Beleg für ein Jahr 4 (?), der von einer Stele (Berlin 1068) stammt, deren Zuweisung an Pi(anch)i nicht gesichert ist. Auf den Mumienbinden British Museum 6640 ist die Jahresangabe nicht vollständig erhalten (Jahr 20+x).

In der Forschung werden verschiedene Ansätze für die absolutchronologische Einordnung Pi(anch)is vertreten:

K.A. Kitchen: 747-716 v. Chr.

L. Depuydt: 728-706 v. Chr.

J. von Beckerath: 746-715 bzw. 713 v. Chr.

5. Die Eroberung Ägyptens

Pi(anch)i eroberte in einem Feldzug in seinem 21. Jahr ganz Ägypten, was auf seiner berühmten „Siegesstele“ (Grimal, Kausen) – eine der längsten und bedeutendsten ägyptischen Texte – ausführlich und sehr lebendig geschildert wird. Berühmt sind v.a. drei Episoden aus der Siegesstele (Texte aus Ägypten), die Pi(anch)i den Ruf eines besonders frommen und traditionsverbundenen Herrschers und Pferdeliebhabers eingebracht haben:

1. Trotz Feldzug feiert Pi(anch)i in Theben das Opet-Fest; in Memphis opfert er Ptah, in Heliopolis Atum.

2. Nach der Eroberung von Hermopolis würdigt der Sieger Pi(anch)i die Schätze und Frauen des unterworfenen Namilt („Nimlot“) keines Blickes, gerät jedoch ob dessen schlechter Behandlung seiner Pferde in Rage. Auf der Lunette der Siegesstele ist dann auch abgebildet, wie Nimlot ein Pferd als besänftigendes Geschenk vor Pi(anch)i führt, dessen Lieblingspferde in der Nähe seiner Pyramide in el-Kurru (bei Napata) in den Gräbern Ku 221 & 222 bestattet wurden.

3. Bei der Unterwerfung der Könige Iupet II., Osorkon IV., Paieftjauem’auibastet und Namilts im Palast Pi(anch)is wird nur Letzterer als rituell rein vorgelassen.

Nach einem Angriff der unterägyptischen Fürsten Tefnacht von Sais (24. Dynastie, 740-727 v. Chr. Fürst, 727-720 König), Osorkon IV. von Tanis und Bubastis (22. Dynastie, 730-715/3 v. Chr.?) und Iupet II. von Leontopolis (754-720? bzw. 752-718? v. Chr.) auf Herakleopolis schickt Pi(anch)i seine Generäle Pawerem und Rumersekeni nach Norden. Sie treffen dabei auf Namilt III. von Hermopolis (754-725 v. Chr.), der nach dem Bericht der Stele zwar erst zur Nordallianz übergelaufen, jedoch wahrscheinlich tatsächlich schon von Anfang an ein Verbündeter Tefnachtes gewesen war. Tefnachtes Allianz kann trotz kuschitischer Erfolge bei einer Schlacht auf dem Nil, zwei Schlachten bei Herakleopolis und Per-Pega und die Erstürmung dreier Festungen nicht wesentlich geschwächt werden.

Daraufhin entschließt sich Pi(anch)i, selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Bei dieser Passage muss allerdings in Rechnung gestellt werden, dass es sich hier um ein altägyptischer Topos handelt, die sog. „Königsnovelle“, die dazu dient, die persönlichen Erfolge des Herrschers im Kontrast zu seinen „unfähigen“ Untergebenen in umso besserem Licht erscheinen zu lassen. Nach den Feierlichkeiten des Opet-Festes in Theben belagert Pi(anch)i Hermopolis. Schließlich ergibt sich jedoch Namilt und unterwirft sich dem Kuschiten, was zur oben erwähnten Episode führt.

Der durch Tefnachtes Allianz bedrohte Pajeftjauem‘auibastet kann das belagerte Herakleopolis durch diesen Sieg Pi(anch)is noch halten, ohne sich jedoch vorerst dem kuschitischen Lager zuzuwenden. Nach der Kapitulation der Städte Persechemcheperre‘, Mer-Atum (Medum) und Itjitaui (Lischt) leistet das Tefnachte loyale Memphis mit 8000 Mann Besatzung zwar anfangs noch Widerstand, muss diesen jedoch aufgeben. Als Folge davon unterwerfen sich Iupet II. von Leontopolis, der Großfürst der Meschwesch-Libyer Iukanesch von Sebennytos (740-720 v. Chr.) und Padiiset von Athribis und Heliopolis. Nach einem Reinigungsritual und Opfer im Tempel des Ptah (Memphis) bzw. des Atum (Heliopolis) unterwerfen sich auch Osorkon IV. von Tanis und Bubastis, sowie in Athribis eine ganze Reihe von meist libyschen Lokalfürsten. Erst nachdem an der Stadt Mesed/Mostai bei Athribis ein Exempel statuiert wird, entschließt sich zuletzt auch Tefnacht zu Friedensverhandlungen. Allerdings unterwirft er sich Pi(anch)i nicht persönlich, sondern lässt sich durch dessen Bevollmächtigte den Treueeid abnehmen und schickt Tribute. Den Abschluss der militärischen Unternehmungen bildet die Kapitulation der Städte Hut-Sobek (Krokodilopolis) und Metenu (Atfih).

Als eine Art Epilog wird nun in einer wohl rein literarischen Episode geschildert, wie sich – symbolisch für ganz Ägypten – je zwei namentlich nicht genannte oberägyptische (wohl Namilt und Pajeftjauem‘auibastet) und zwei unterägyptische Herrscher (wohl Iupet und Osorkon) zu Pi(anch)i begeben, jedoch als unrein (unbeschnitten; „Fischesser“) mit Ausnahme Namilts nicht vorgelassen werden. In diesem Zusammenhang muss jedoch bemerkt werden, dass die Bedeutung des hapax legomenon ‘m‘ (Wb. I, 185:13) im Sinne von „unbeschnitten“ lediglich aus dem Kontext und anhand des Determinativs erschlossen ist.

Die betonte Frömmigkeit und Unnahbarkeit des Königs ist ein Kennzeichen der kuschitischen Königsinschriften (Parallelen in den Inschriften Taharqos und der Traumstele Tanutamanis). Dabei findet der Topos der „Königsnovelle“ Verwendung. Charakteristisch sind ferner die detaillierten Schilderungen von Belagerungen mit Rampen und Maschinen. Die explizite Erwähnung von Opfern und Ritualen selbst während des Feldzuges sind in der Tradition der späteren napatanischen und meroitischen Königsideologie zu sehen, nach der ein neu erwählter König eine Krönungsreise zu den Hauptkultorten seines Reiches zu machen hatte. Die angeblich besondere Frömmigkeit Pi(anch)is ist demnach lediglich eine Fiktion der frühen ägyptologischen Forschung. Ein weiterer Aspekt ist wohl auch eine Art Übereifer eines „Neugläubigen“ bzw. das Legitimationsbedürfnis des Fremden, der sich mehr noch als ein Einheimischer als Ägypter propagieren muss.

6. Denkmäler

Der bedeutendste Bau Pi(anch)is (Liste bei Török) ist die Restaurierung des Amun-Tempels B 500 in Napata vor der Eroberung Ägyptens und dessen Erweiterung danach (Dunham). Restauriert wurde v.a. das Sanktuar, dessen Umfassungsmauer er erneuern lies. Dazu wurde ein Hypostylensaal, sowie der Zweite Pylon errichtet. Später kamen der äußere Hof und der Erste Pylon hinzu. Daneben ist Bautätigkeit unter Pi(anch)i am Tempel B 900 und am Palast B 1200 belegt. Im sog. „Schatzhaus“ von Sanam wurde ein Silberfragment mit dem Namen des Namert gefunden, das offenbar aus Pi(anch)is Kriegsbeute stammte und nahelegt, dass das Gebäude bereits unter seiner Regierung errichtet wurde.

Des Weiteren sind von ihm erhalten:

  • ein Barkenuntersatz,
  • das Fragment einer von von Pi(anch)i usurpierten Hathorstatue aus Sanam (außerhalb des von Taharqo erbauten Tempels),
  • sowie das Bruchstück eines Obelisken aus Kadakol.

In Ägypten ist Pi(anch)i selten bezeugt (Eide u.a.):

  • zwei Urkunden aus Theben (Jahr 21 und Jahr 22),
  • Schenkungsstele aus Dachla (Jahr 24),
  • Gefäße aus Theben,
  • Mumienbinden aus Theben (Jahr 20+x),
  • Menat-Gewicht aus Theben.

7. Grabanlage

Pi(anch)i lies sich in der Nekropole von el-Kurru in Nubien eine Pyramide errichten (Nr. Ku 17), aus deren später beraubten Bestattung Uschebtis und ein Libationsständer erhalten sind.

Literaturverzeichnis

  • Breyer, F., Tanutamani. Die Traumstele und ihr Umfeld (ÄAT 57), Wiesbaden 2003, 26ff.
  • Depuydt, L., The Date of Piye’s Egyptian Campaign and the Chronology of the Twenty-Fifth Dynasty, Journal of Egyptian Archaeology 79, 1993, 269-274.
  • Dunham, D., The Barkal Temples, Boston 1970, 77-81.
  • Eide, T. u.a. (Hgg.), Fontes Historiae Nubiorum I, Bergen 1994, 47-119.
  • Grimal, N.C., La stèle triomphale de Pi(ankh)i au Musée du Caire (PIFAO 105), Kairo 1981.
  • Jansen-Winkeln, K., Alara und Kaschta: zur Geschichte des nubischen Königshauses, Orientalia 72, 2003, 141-158.
  • Kausen, E., Die Siegesstele des Pije, in: TUAT I.6, Gütersloh 1985, 557-585.
  • Kitchen, K.A., The Third Intermediate Period in Egypt (1100-650 B.C.), Warminster 2. Aufl. 1986, 462-468 und Tabelle 4*.
  • Leclant, J., in: LÄ IV, 1047ff.
  • Lohwasser, A., Die königlichen Frauen im antiken Reich von Kusch, Meroitica 19, Wiesbaden 2001 Kapitel II.3 „Prosopographie“.
  • Morkot, R., Kingship and Kinship in the Empire of Kush, in: Meroitica 15, Wiesbaden 1999, 179-229.
  • Schneider, T., Lexikon der Pharaonen, Zürich 1994, 197f. s.v. „Pije“.
  • Török, L., The Kingdom of Kush (HdO I.31), Leiden 1997, 136f.
  • von Beckerath, J., Chronologie des pharaonischen Ägypten, Münchner Ägyptologische Studien 47, Mainz 1997., bei 728-706 v. Chr.

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