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Andere Schreibweise: Phoinix

(erstellt: April 2009)

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1. Der bnw-Vogel („Phönix“) in Ägypten

1.1. Etymologie des Wortes

Im 3. Jt. v. Chr. ist eine ägyptische Vogelbezeichnung bn belegt, die einen kleinen Vogel (Bachstelze?) bezeichnet. Doch seit dem 2. Jt. v. Chr. tritt ein Wort bnw (eigentlich binw) an seine Stelle, das den Graureiher (Ardea cinerea) und den Purpurreiher (Ardea purpurea) oder eine noch andere Reiherart meint. In der griechisch-römischen Zeit kommt es in der ägyptischen Hieroglyphenschrift zur Vermischung mit dem Waldrapp („Schopfibis“, Gerenticus eremita). Unabhängig davon gibt es die Hieroglyphe eines auf einer Stange sitzender Reihers mit der Bedeutung „überschwemmt sein“.

1.2. Der bnw-Vogel in der ägyptischen Religion

1.2.1. Verbindung mit Göttern

Die meisten ägyptischen Quellen beziehen sich nicht in einem zoologischen Sinne auf den bnw-Vogel, sondern in einem religiösen: Der bnw ist eine Gottheit und wird besonders häufig „großer bnw“, „göttlicher bnw“ oder „prächtiger bnw“ genannt. Er steht vor allem mit dem Sonnengott → Re in Verbindung, als dessen → Ba-Seele oder Abbild der bnw galt. Auch konnten Re und bnw gleichgesetzt werden. Atum, die Nachtform des Sonnengottes und Schöpfergott, erschien im „Phönixhaus“ in → Heliopolis und ist „der große bnw in Heliopolis“.

Doch auch mit → Osiris, der u.a. als die in der Unterwelt ruhende Phase des Sonnengottes gedeutet werden konnte, wurde der bnw in Zusammenhang gebracht: Er ist Ba des Osiris, der Gott konnte die Gestalt des bnw annehmen, der Phönix erscheint auf einem Baum neben dem Grab des Osiris.

Seltener kommen Verbindungen des bnw zu anderen Gottheiten vor.

1.2.2. Ikonographie

Dargestellt wurde der bnw als Reiher (vgl. Abb. 1), als Reiher mit verschiedenen Kronen, menschengestaltig mit Reiherkopf, menschengestaltig mit Falkenkopf, in anthropomorpher Mumiengestalt oder noch anders. Seit der römischen Zeit wird der bnw wie in der klassisch antiken Kunst auch in Ägypten mit einem Strahlennimbus abgebildet.

1.2.3. Kultorte

Angesichts der Verbindung des bnw mit den zentralen ägyptischen Gottheiten Re und Osiris verwundert es nicht, dass der bnw an mehreren Orten in Ägypten verehrt wurde, besonders in Heliopolis und seinem „Phönixhaus“, aber auch in Diospolis Parva im 7. oberägyptischen Gau, in Hut-benu im 18. oberägyptischen Gau, in Herakleopolis, in → Edfu und → Sais.

1.2.4. Mythologie

Ägyptische mythologische Elemente zum bnw umfassen u.a. seine Geburt auf einem Weidenbaum in Heliopolis und seine Funktion als Ur- und Schöpfergott, als der er „von selbst entstanden ist“. Der bnw hat die vier Teile des Himmels durchzogen, er ist eine Form des Gottes Horus von Edfu und Vater der Göttin → Hathor, ist aber auch als toter bnw in Edfu bestattet gedacht worden.

Der bnw konnte überdies eine Form des Planeten Venus sein.

Einmal erscheint der bnw auch als „Herr der Sedfeste (= Regierungsjubiläen)“ und wurde somit mit einer langen Lebenszeit verbunden.

1.2.5. Der bnw-Vogel im Totenglauben

Auch im Totenglauben spielte der bnw-Vogel eine wichtige Rolle. war er doch mit Atum, Re und Osiris verbunden und zeigte eine gewisse Verwandtschaft mit dem Ba-Seelen-Vogel. So erhoffte man sich im Jenseits vom bnw die ungehinderte Fortbewegung. Der → Totenbuch-Spruch 83 sollte die Verwandlung in einen bnw ermöglichen. In Totenbuch-Spruch 125 ist der bnw ein Symbol der Reinheit, in Totenbuch-Spruch 17 und 64 erscheint er als „Revisor“ der Unterwelt, bzw. man unterrichtet ihn über den Zustand der Unterwelt.

Zum Schutz der Eingeweide des Toten legte man während der 21. Dynastie auch einen bnw aus Wachs in die Mumienbinden. Außerdem konnten die Herzskarabäen mit einem Reiher versehen werden.

1.2.6. Der bnw-Vogel in der Magie

Ein religiös so „aufgeladenes“ Tier wie der bnw war natürlich auch in der Magie von Bedeutung, sei es als Zaubermittel, sei es als bedrohte oder als helfende Gottheit.

2. Der Phönix in der griechisch-römischen Antike

2.1. Etymologie des Wortes

Das griechische Wort phoinix „Phönix“ geht vielleicht auf die ägyptische Vogelbezeichnung binw > *bóin zurück – aber sicher ist das keineswegs. Der Anklang an griech. phoinix „Dattelpalme“ scheint in der griechisch-römischen Antike sowohl auf die Wortform als auch auf die ikonographische Verbindung des Phönix-Vogels mit der Palme eingewirkt zu haben.

2.2. Mythologie

Für die griechisch-römische Antike war der Phönix ein Wundervogel, der aus Indien oder Arabien kommt und sich durch eine sehr lange Lebenszeit auszeichnet. Herodot 2,73 (Text gr. und lat. Autoren) berichtet, der Phönix fliege mit einem großen Ei, das die Reste seines Vaters enthalte, nach Heliopolis, wo er sie bestatte. Seit der römischen Kaiserzeit gibt es eine andere Erzählung, wonach der Phönix sich selbst verbrenne und aus seiner Asche wieder neu entstehe.

Diese Vorstellungen wurden teilweise explizit ägyptischen Traditionen zugeschrieben. Sie sind aber in dieser Form in ägyptischen Quellen nicht belegbar. Gleichwohl gibt es Anknüpfungspunkte: Der bnw war ein Sonnenvogel und mit Heliopolis verbunden. Er war von selbst entstanden. Es gab aber auch die Vorstellung von seinem Tod. Zugleich war der bnw im Totenglauben ein Symbol der Überwindung des Todes und der Verjüngung. Schließlich war der bnw auch ein Symbol einer langen Regierungszeit.

2.3. Symbolische Bedeutung

In der römischen Kaiserzeit kommt der Phönix vor allem auf Münzen und Särgen als Symbol für die Ewigkeit Roms oder die Erneuerung des Zeitalters vor, auch als Zeichen für die Welt selbst.

2.4. Ikonographie

Der Phönix erscheint meist mit siebenstrahligem Nimbus, alleinstehend oder in der Hand von Personifikationen.

3. Der Phönix im Christentum

3.1. Symbolische Bedeutung

Im Christentum wird der Phönix weiterhin als Symbol der Auferstehung verstanden und auf die christliche Auferstehung der Toten bezogen. Der Phönix steht daher auch für Christus (Tod und Auferstehung!) bzw. seine Geburt. Außerdem kann er als Keuschheitssymbol auf Maria übertragen werden.

3.2. Ikonographie

In der christlichen Kunst ist die Ikongraphie des Phönix nicht festgelegt. Meist wird er jedoch stelzvogelartig dargestellt. Gewöhnlich steht er auf einer Palme. Am häufigsten erscheint der Phoinix in Traditio-Legis-Szenen, aber auch in Paradiesdarstellungen. Im Mittelalter, das durch den Physiologus Kenntnis von der antiken Phönix-Vorstellung erhalten hatte, wird er gelegentlich zusammen mit dem Pelikan dargestellt. Schließlich ist der Phönix seit dem Mittelalter auch als Attribut von Tugenden (Castitas, Constantia, Spes) belegt.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Paulys Realencyclopädie, Stuttgart 1893-1978
  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Aufl., Freiburg i.Br. 1957-1968 (Taschenbuchausgabe, Freiburg i.Br. 1986)
  • Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
  • Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg i.Br. 1968-1976 (Taschenbuchausgabe, Rom u.a. 1994)
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Lexikon des Mittelalters, München / Zürich (später München) 1980-1998
  • Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC), Zürich / München (später Düsseldorf) 1981-1999
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007

2. Weitere Literatur

  • Amad, G., 1988, Recherches sur le mythe du phénix dans la mosaïque antique, Montevideo
  • Bartel, H.-G., 2007, „Ich bin dieser große Phönix.“ Zu den Inschriften in den Kapellen des Memorialtempels Sethos’ I. in Abydos (Über den „Spruch beim Fortziehen der Riegel“ in Sanktuaren des Tempels Sethos’ I. in Abydos, Teil II), in: B. Haring / A. Klug (Hgg.), 6. Ägyptologische Tempeltagung. Funktion und Gebrauch altägyptischer Tempelräume. Leiden, 4.-7. September 2002 (Königtum, Staat und Gesellschaft früher Hochkulturen 3,1, Akten der ägyptologischen Tempeltagungen Teil 1), Caen, 35-52
  • Belluccio, A, 1993, Le mythe du Phénix à la lumière de la consubstantialité royale du père et du fils, in: Sesto Congresso Internazionale di Egittologia, II, 21-39
  • Clark, R. T. R. (1949-50), The Origin of the Phoenix. A Study in Egyptian religious Symbolism, UBHJ 2, 1-29 und 105-140
  • Hubaux, J. / Leroy, M., 1939, Le mythe du Phénix dans les littératures grecque et latine (BFPUL 82), Liège / Paris
  • Lecocq, F., 2005, Les sources égyptiennes du mythe du phénix, in: Leclant, J. (Hg.), L'Égypte à Rome. Actes du Colloque de Caen. Des 28-30 septembre 2002 (Cahier de la MRSH 41), 211-264 (non vidi)
  • Spiegelberg, W., 1909, Zu dem Namen des Phönix, ZÄS 46, 142
  • van den Broek, R., 1972, The Myth of the Phoenix according to Classical and Early Christian Tradition (EPRO 24), Leiden
  • Verstegen, H. H., 1950, Het Phönix-Motief. Bijdrage tot de studie van de humanistische visie op de vorst, Nijmegen

Abbildungsverzeichnis

  • bnw-Vogel. Aus: H. Gressmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Abb. 545

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