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Pfand / pfänden

(erstellt: Januar 2018)

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1. Der ökonomische Vorgang

Als Pfand im ökonomischen Sinn bezeichnet man die Sicherheit, die ein Schuldner einem Gläubiger bis zu dem Zeitpunkt stellen muss, an dem er die Schuld zurückbezahlt. Das in alttestamentlichen Texten am häufigsten genannte Pfand sind Kleidungsstücke, vor allem das ungenähte deckenartige Obergewand, das oft missverständlich als „Mantel“ eingedeutscht wird (so Luther 2017; Ex 22,25-26; Dtn 24,12-13.17; Am 2,8; → Kleidung / Textilherstellung). An Sachpfändern wird ausdrücklich noch der Mühlstein erwähnt, der für das tägliche Mahlen des Brotgetreides gebraucht wird (Dtn 24,6). Auch Arbeitstiere können als Pfand dienen (Hi 24,3), schließlich auch Menschen, vor allem Kinder (Hi 24,9), sowie Felder, Weinberge und Häuser (Neh 5,3).

Nicht immer ist eindeutig auszumachen, ob ein Pfand bereits zum Zeitpunkt der Vergabe des Darlehens in die Hand des Gläubigers kommt oder ob dies erst dann der Fall ist, wenn der Kredit nicht zurückbezahlt werden kann. Die wiederholte Forderung, das Obergewand noch am selben Tag zurückzugeben (Ex 22,25-26; Dtn 24,12-13; vgl. Ez 18), lässt vermuten, dass das Pfand bei der Vergabe des Kredits fällig wurde. Wenn dagegen ein Gläubiger dann die Kinder einer → Witwe pfänden will, wenn er aufgrund des Todes des Ehemannes mit dem Ausfall der Rückzahlung rechnet, hat er sie zum Zeitpunkt der Kreditvergabe noch nicht in seiner Verfügung gehabt (2Kön 4,1-7). Unwahrscheinlich ist die Vermutung von Lienhard Delekat, die Entscheidung darüber habe im Belieben des Gläubigers gelegen („Nach Fälligwerden der Schuld durfte der Gläubiger … ein beliebiges P. wählen … Wollte er schon bei Vertragsabschluß eins …“, Delekat, 1436). Roland de Vaux vermutet, dass Sachpfänder „zu dem Zeitpunkt genommen werden, da man über das Darlehen übereingekommen ist“, während „[p]ersönliche Verpfändung an den Gläubiger … nur nach der Verfallszeit und bei Nichterstattung der Schuld [erfolgte]“ (de Vaux, 276-277, Hervorhebung R.K.). Isac Leo Seeligmann schließlich nimmt eine diachrone Entwicklung an: In früheren Zeiten habe man erst gepfändet, wenn der Kredit fällig war und nicht (gleich) beglichen wurde, später habe man den Zeitpunkt der Pfandnahme vorverlegt, was aber nicht ausschließe, dass auch unterschiedliche Verfahren gleichzeitig praktiziert wurden (Seeligmann, 330-332).

Die Hebräische Bibel gebraucht hauptsächlich zwei Wurzeln für „pfänden“, nämlich חבל ḥbl I mit dem zugehörigen Nomen חֲבֹל ḥăvol „Pfand“ sowie das vom Nomen עֲבוֹט ‘ăvôṭ, ebenfalls „Pfand“, abgeleitete Verb עבט ‛bṭ „pfänden“. Beide Vokabeln sind wohl bedeutungsgleich (de Vaux, 276). Interessant ist, dass die Wurzel עבט ‛bṭ, die eigentlich „pfänden“ heißt, in Dtn 15,6.8 im Sinn von „leihen“ gebraucht wird; „leihen“ ist so untrennbar mit dem Pfänden verbunden, dass ein und dieselbe Vokabel für beides stehen kann. K.-M. Beyse schlägt deshalb als gemeinsame Bedeutung עבט ‛bṭ „in ein Pfandverhältnis treten“ vor (Beyse, 1014), Friedrich Horst betont, das Verb könne „primär überhaupt nicht das Darlehnsgeschäft als solches beschreiben wollen, sondern [müsse] auf die Pfandkonvention gehen“ (Horst, 92).

Eine dritte Wurzel, die in Neh 5,3 eindeutig „verpfänden“ bedeutet, nämlich ערב ‛rb I, hat dagegen ein breiteres Spektrum. Sie wird auch für das Stellen einer Bürgschaft verwendet. Nach H.A. Hoffner ist dies sogar die ursprüngliche Bedeutung der Wurzel, nach E. Lipiński ist sie dagegen mit den beiden anderen synonym. Wegen der überwiegenden Verknüpfung der Wurzel mit dem Institut der Bürgschaft denkt Isac Leo Seeligmann beim „Verpfänden“ von Neh 5,3 an so etwas wie „Selbstbürgschaft“ (Seeligmann, 327). Die Wurzel ערב ‛rb I wird auch für Tauschgeschäfte allgemein gebraucht. Von ihr sind die unten (Punkt 3) zu erwähnenden erweiterten Verwendungen abgeleitet.

2. Soziale Folgen

Das Stellen von Pfändern ist nur ein Teil, wenn auch ein wesentlicher, des Kreditwesens. Dieses ist in allen antiken Gesellschaften und so auch in Israel die entscheidende Triebkraft zur Spaltung der Gesellschaft. Propheten kritisieren immer wieder, dass sich die Häuser der Reichen mit Schätzen füllen (→ Sozialkritik), die sie offenbar als Pfänder legal in ihren Besitz bringen, wenn die Schuldner zahlungsunfähig sind. „Was den Elenden geraubt ist, ist in euren Häusern“, klagt → Jesaja an (Jes 3,14). → Jeremia gebraucht das Bild des Korbes, der voller Vögel ist, für die Häuser der Reichen, die „voll mit Betrug“ sind (Jer 5,27). Und → Amos spricht davon, dass sich „Gewalt und Bedrückung“, d.h. mit Gewalt und Bedrückung erworbene Sachen, in den Palästen → Samarias aufhäufen (Am 3,10).

Pfand / pfänden 01

Aus dem 7. Jh. v. Chr. ist eine Tonscherbe mit der Petition eines Erntearbeiters erhalten, der die in seinen Augen unrechtmäßige Pfändung seines Kleides beklagt und vom Kommandanten der Festung, bei der er eingesetzt war, die Herausgabe erbittet. Hintergrund ist hier keine Kreditschuld, sondern der Verdacht, er sei seine Arbeitsleistung schuldig geblieben, was der Mann heftig bestreitet (Handbuch der Althebräischen Epigraphik, hg. v. J. Renz / W. Röllig, Band I, Darmstadt 1998, 315-330).

Noch dramatischer als das Einbehalten von Sachpfändern ist die Pfändung der Lebens- und Produktionsgrundlagen, also von Häusern, Feldern, Weinbergen, Ölbaumpflanzungen usw. Direkt erwähnt wird sie nur in Neh 5,3. Aber es gibt Prophetensprüche, die den Umstand geißeln, dass die Reichen Felder und Häuser in ihren Händen konzentrieren (Jes 5,8; Mi 2,1-2). Fragt man, wie sie das bewerkstelligen, kommt man auf das Pfandwesen. Es gibt den reichen Gläubigern den Rechtstitel an die Hand, um sich die Produktionsgrundlagen der Verschuldeten aneignen zu können.

Wie schon erwähnt, werden auch Menschen gepfändet. Sie geraten dann in Schuldsklaverei (→ Sklaverei). Nach Jes 10,1-2 werden Schriftstücke – entweder staatliche Verordnungen oder private Verträge – mit dem Ziel verfasst, „Witwen zur Beute“ zu machen. Jer 5,26 beschuldigt die „Frevler“ oder „Gottlosen“ metaphorisch, sie stellten Fallen, um sogleich zu erklären, was damit gemeint ist: „Menschen fangen sie“, und zwar als Schuldsklaven und Schuldsklavinnen. Nach Am 8,4-6 werden Kredite mit dem ausdrücklichen Ziel vergeben, um Niedrige und Arme in die eigene Gewalt zu bekommen (zur Interpretation vgl. Kessler).

Die Pfandnahme als Teil des Kreditsystems ist ein wesentliches Mittel, die Bereicherung der Reichen auf Kosten der Armen voranzutreiben und die Gesellschaft sozial zu spalten.

3. Gesetzliche Regelungen

Um die vom Pfandrecht ausgehende Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung zu vermindern, sind früh in die Gesetze Israels Bestimmungen aufgenommen worden, die die Folgen von Pfändungen abmildern sollen. Schon das → Bundesbuch (vermutlich Ende des 8. Jh.s v. Chr.) legt fest, dass ein gepfändetes Obergewand noch vor Sonnenuntergang zurückzugeben ist, damit der Gepfändete eine Decke für die Nacht hat (Ex 22,25-26). Das deuteronomische Gesetz (wahrscheinlich Ende des 7. Jh.s v. Chr.; → Deuteronomium) nimmt die Bestimmung auf und ergänzt sie. So darf der Gläubiger das Haus des Schuldners nicht betreten, sondern muss als Pfand akzeptieren, was dieser herausbringt. Grundsätzlich von der Pfändung ausgeschlossen werden die Handmühle und der obere Mühlstein (bei fest im Boden verankertem unteren Stein) sowie das Kleid der Witwe (Dtn 24,6.10-13.17). Faktisch setzt das Deuteronomium dadurch „für den Armen das Pfandrecht außer Kraft. Die Pfandnahme wird zu einer nur symbolischen Handlung, die den Anspruch des Kreditgebers auf Rückzahlung des Darlehens augenfällig bestätigt. Das Darlehen soll … dem Armen auch ohne Sicherung durch ein Pfand gegeben werden“ (Otto, 189).

Theologisch werden diese Bestimmungen mit einer starken Begründung versehen. Im Bundesbuch wird die Aufforderung, das gepfändete Obergewand dem Bedürftigen vor Sonnenuntergang zurückzugeben, mit einem Satz in Gottesrede abgeschlossen: „Wenn er zu mir schreit, höre ich ihn; denn ich bin gnädig“ (Ex 22,26). Im Deuteronomium steht an dieser Stelle der Hinweis darauf, dass derjenige, dem sein Obergewand zurückgegeben wird, den Gläubiger segnen wird und dies ihm dann als „Gerechtigkeit vor Jhwh, deinem Gott“, gilt (Dtn 24,13). Das Verbot, das Kleid der Witwe zu pfänden, wird mit dem Hinweis auf die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei untermauert (Dtn 24,17-18).

Diese starke theologische Begründung legt dann auch der Text von Ez 18 zugrunde. Er definiert durch Aufzählung exemplarischer Taten, wer als gerecht vor Jhwh gelten kann. Dazu zählt die Rückgabe von Pfändern (Ez 18,7.12.16; vgl. Ez 33,15). Der Umgang mit Pfändern ist nach diesem Denken keine Nebensächlichkeit.

4. Erweitertes Verständnis

Ein Artikel zum Stichwort „Pfand/Pfänden“ wäre nicht vollständig, würde nicht darauf hingewiesen, dass die Vorstellung vom Pfand auch über den rein ökonomisch-rechtlichen Bereich hinaus Verwendung findet. Im Deutschen spricht man dann (laut Duden: „veraltet“) gerne von „Unterpfand“. So heißt es in der deutschen Nationalhymne: „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand.“ Im Hebräischen wird für diesen erweiterten Gebrauch ausschließlich die Wurzel ערב ‛rb I verwendet. Von ihr leitet sich das Nomen עֵרָבוֹן ‘erāvôn ab, das in der Erzählung von → Juda und → Tamar das „Unterpfand“ bezeichnet, das die vermeintliche Prostituierte Tamar von ihrem Freier, ihrem Schwiegervater Juda, verlangt, bis er den vereinbarten Lohn in Gestalt eines Zickleins schickt (Gen 38,17-18.20). Das von derselben Wurzel abgeleitete Nomen עֲרֻבׇּה ‘ărubbāh meint in 1Sam 17,18 so etwas wie eine „Bestätigung“ für Sachen, die David seinen Brüdern abliefert (so die Übersetzung von Dietrich, 297).

Geht es an den beiden genannten Stellen noch um materielle „Pfänder“ – im Fall von Tamar und Juda um Siegel, Schnur und Stab (Gen 38,18.25), im Fall von David und seinen Brüdern um einen nicht genannten Gegenstand, der als Pfand oder Bestätigung dient –, so kann das Verb ערב ‛rb I auch rein metaphorisch gebraucht werden. In diesem Sinn bietet in der → Josefsgeschichte Juda an, sich für seinen Bruder Benjamin zu verpfänden, sowohl vor Josef als auch vor seinem Vater (Gen 43,9; Gen 44,32). Singulär ist die Wendung „sein Herz verpfänden“ (Jer 30,21). Sie „besagt das Einstehen mit der ganzen Existenz, für die das Herz Zentrum und treibende Kraft ist“ (Fischer, 137-138, i.O. Hervorhebungen). Der Ausdruck steht im Kontext einer Aussage über den künftigen Heilsherrscher, der sein Herz dafür verpfändet, d.h. „das Leben wagt“ (Bibel in gerechter Sprache) oder „sein Leben dafür einsetzt“ (Zürcher Bibel 2007), sich Gott zu nähern. Nur wer sein Leben einsetzt, kann eine so vertraute Gottesbeziehung haben, wie sie für den Herrscher der Zukunft erwartet wird.

Wie andere Begriffe aus dem Bereich der Ökonomie – vergleiche Schulden und Schuld, Freikauf und Erlösung, das Bild vom Haushalter u.a. – kann auch der Vorgang des Pfändens Vorstellungsinhalte und Sprache für religiöse Gegebenheiten bereitstellen.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015 (Art. חָבַל ḥāḇal II; עָבַט ‛āḇaṭ; עָרַב ‛āraḇ I)
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001

2. Weitere Literatur

  • Beyse, Karl-Martin, Art. עָבַט ‛āḇaṭ, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. V, Stuttgart u.a. 1986, 1013-1015
  • Delekat, Lienhard, Art. Pfand, in: Biblisch-historisches Handwörterbuch, Bd. 3, Göttingen 1969, 1436.
  • Dietrich, Walter, Samuel. Teilband 2. 1Sam 13-26 (BK VIII/2), Neukirchen-Vluyn 2015.
  • Fischer, Georg, Jeremia 26-52 (HThKAT), Freiburg u.a. 2005.
  • Hoffner, Harry A., Art. חָבַל ḥāḇal II, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. II, Stuttgart u.a. 1977, 707-712
  • Horst, Friedrich, Das Privilegrecht Jahwes. Rechtsgeschichtliche Untersuchungen zum Deuteronomium, in: ders., Gottes Recht. Gesammelte Studien zum Recht im Alten Testament (ThB 12), München 1961, 17-154.
  • Kessler, Rainer, Die angeblichen Kornhändler von Amos 8,4-7, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels (SBAB 46), Stuttgart 2009, 267-275.
  • Lipiński, Edward, Art. עָרַב ‛āraḇ I, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. VI, Stuttgart u.a. 1989, 349-355
  • Otto, Eckart, Theologische Ethik des Alten Testaments (Theologische Wissenschaft 3,2), Stuttgart u.a. 1994.
  • Seeligmann, Isac Leo, Darlehen, Bürgschaft und Zins in Recht und Gedankenwelt der Hebräischen Bibel; in: ders., Gesammelte Studien zur Hebräischen Bibel, hg. v. E. Blum (FAT 41), Tübingen 2004, 319-348.
  • de Vaux O.P., Roland, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen I. Fortleben des Nomadentums – Gestalt des Familienlebens – Einrichtungen und Gesetze des Volkes, übers. Hollerbach, Freiburg u.a. 2. Aufl. 1964, 276-278.

Abbildungsverzeichnis

  • Ostrakon aus Meṣad Hāšavjāhu (Koordinaten: 1207.1461; N 31° 54' 27'', E 34° 41' 20'') mit der Petition eines Erntearbeiters (7. Jh.). Aus: Wikimedia Commons; © Hanny, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0 unported; Zugriff 22.1.2018

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