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Petrusbrief, Erster

Andere Schreibweise: Der Erste Petrusbrief / Der Erste Brief des Petrus / First Epistle of Peter (engl.)

(erstellt: Mai 2017)

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1. Ein Brief für Ausgegrenzte

Der 1. Petrusbrief (1Petr) wurde abgefasst, um Menschen im Glauben zu stärken, die aufgrund ihrer Zuwendung zum Christentum und der (Selbst-)Ausgrenzung aus ihrem bisherigen sozialen Umfeld unter den daraus resultierenden Repressalien der Mitbürger zu leiden hatten (vgl. Feldmeier, 1992; Feldmeier, 2003; Feldmeier, 2005, 1-12; Guttenberger, 2010; Vahrenhorst, 2013). Die in Teilen forensische Sprache weist darauf hin, dass sich Gemeindemitglieder auch vor Gericht für ihren Glauben verantworten mussten. In dieser Situation versucht der Text, Trost zu spenden, indem er das Christentum im Gewand alttestamentlicher Israeltopik als neue Sozialgemeinschaft beschreibt und das Leiden in Entsprechung zum Vorbild Christi als Gnade interpretiert, die bereits auf die künftige Teilhabe an der Doxa (→ Herrlichkeit, Glanz etc.) verweist.

Von bibelkundlichem Interesse sind unter anderem die facettenreiche Heilsmetaphorik in 1Petr 1,22-2,10, die Anweisungen für das Verhalten gegenüber Herrschenden und im paganen Haushalt ( 1Petr 2,13-3,7) sowie die Anweisungen für das Gemeindeleben in 1Petr 5,1-9.

2. Theologische Schwerpunkte

Der Erste Petrusbrief entwickelt seine Theologie vor dem Hintergrund von Leidenserfahrungen, die der Text insofern positiv wertet, als sie Ausweis der → Erwählung und der kommenden Doxa sind. Deshalb akzentuiert der Text das Vorbild Christi im Leiden, in zweiter Linie auch das Beispiel des zum Leiden bereiten Apostels. Darüber hinaus bietet der Erste Petrusbrief bemerkenswerte Beispiele für die Adaption der jüdischen Heilsgeschichte auf die christliche Heilsbotschaft – und zwar dezidiert im Hinblick auf Gemeinden paganer Provenienz –, die er mit Empfehlungen für den Umgang mit Andersdenkenden verknüpft. Im Kern ist der Text somit an der Vermittlung soteriologischer Einsichten interessiert. Theologiegeschichtlich fungierte der Erste Petrusbrief angesichts einer konkreten Leidenssituation als Katalysator für theologische Konzepte, die schon in den frühesten christlichen Dokumenten bei → Paulus grundgelegt sind und später breiter entfaltet wurden.

3. Konstruierte und reale Kommunikation

3.1. Autor und Erzähler des Textes

In der Forschung hat sich die Einstufung des Textes als pseudepigraphisches Schreiben weitgehend durchgesetzt (→ Pseudepigraphie), wenngleich es immer noch Bemühungen gibt, den Text auf → Petrus zurückzuführen (vgl. etwa Davids, 1990, 10-11, Davids, 2014, 120-121). Der Erste Petrusbrief ist kein Schreiben des Apostels Petrus, obwohl der Brief das in der superscriptio, der Absenderangabe, behauptet. Im Gegensatz zu den paulinischen Pseudepigraphen liegt in diesem Fall allerdings kein Text der historischen Person vor, um einen Abgleich durchzuführen: Auch der → 2. Petrusbrief oder apokryphe Petrusschriften wie das → Petrusevangelium stammen nicht vom Apostel. Aussagen zum Autor des Textes müssen sich daher auf das Schreiben selbst stützen.

In der Regel wird eine Kombination aus biographischen und intertextuellen Argumenten geltend gemacht, um zu erweisen, dass der Brief nicht vom historischen Petrus stammen kann. Das Griechisch des Schreibens ist zumindest von solcher Güte, dass es einem galiläischen Fischer oft nicht zugetraut wird, wenngleich die Sprachkompetenz des Apostels kaum zu bestimmen ist. Joh 1,44 zufolge stammte Petrus aus der hellenistisch geprägten Stadt → Betsaida. Während die Zuverlässigkeit dieser Angabe unsicher ist, hatten sich seine Eltern doch offenbar entschieden, seinem Bruder den griechischen Namen → Andreas zu geben (Mk 1,16), während Petrus selbst den hebräischen Namen שִׁמְעוֹן (Schimeon) trug, was in Apg 15,14 und 2Petr 1,1 angedeutet wird, wo die zu Σίμων (Simōn) alternative Gräzisierung Συμεών (Symeōn) erscheint. Eine gewisse Affinität zu zwei Sprachgruppen ist dem familiären Umfeld daher nicht abzusprechen.

Dennoch dürfte der uns vorliegende Brief nicht von Petrus stammen. Denn auch jenseits der rein philologischen Kompetenz kann der Text seine Herkunft aus hellenistisch-römischen Bildungstraditionen nicht verleugnen. Die Empfehlungen für das Verhalten der Frau in 1Petr 3,1-6 etwa ähneln stoischen Vorstellungen, wie wir sie auch etwa bei Seneca finden (z.B. Seneca, Helv. 16,4; 19,2; → Stoa). Fraglos kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Petrus entsprechende Bildungskontexte aneignete. Entgegen dem Zeugnis der → Apostelgeschichte verließ er nachweislich Israel (Gal 2,14) und gelangte wahrscheinlich bis Rom (vgl. 1Petr 5,13), weil keine andere Nachricht dem unsicheren Zeugnis der Apokryphen entgegensteht (vgl. ActPe; ApcPe [P.Vindob.G 39756 f. 2]; zur Debatte vgl. etwa Heid [Hg.], 2011). Über den Intellekt des Apostels können wir auf Basis seiner sozialen Herkunft keine Aussage machen. Man darf allerdings annehmen, dass sich seine Bedeutung in der Gemeinde nicht allein der Stellung im Kreis der Jünger und der Erstbezeugung der Epiphanie verdankte.

Die biographischen Angaben bieten folglich keine sichere Basis, um den Text dem Apostel abzusprechen, sie liefern aber erste Indizien. Bisweilen versucht man die Spannungen zwischen der Briefform und dem Bild, das wir uns vom Apostel machen, durch die Einbindung eines Sekretärs in den Abfassungsprozess zu lösen. Für diese Sekretärsarbeit sollte man unter den im Brief genannten Personen allerdings allenfalls auf → Markus (1Petr 5,13), nicht aber auf → Silvanus zurückgreifen (vgl. aber etwa Söding, 2009, 13-17), weil die Angabe in 1Petr 5,12 (διὰ Σιλουανοῦ / dia Silouanou) sehr wahrscheinlich den angeblichen Überbringer des Schreibens kennzeichnet. Das Bemühen, die biographischen Voraussetzungen und die Textgestalt durch das Postulat eines Sekretärs miteinander in Einklang zu bringen, verlagert die Frage der Verfasserschaft auch lediglich. Denn wenn dieser Sekretär maßgeblich auf die rhetorisch durchdachte Anlage und Ausformulierung des Briefes Einfluss nahm und nicht nur als Schreiber wie Tertius (Röm 16,22) diente, verantwortete er und nicht Petrus zu großen Teilen den Text.

Gegen dessen Abfassung zu Lebzeiten des Apostels sprechen jedoch die mutmaßlich verwendeten Quellen (s.u.). Doch auch unabhängig von den dem Ersten Petrusbrief vorausliegenden Schriften stellt zuletzt ein intertextuelles Moment die petrinische Verfasserschaft infrage. Am Ende des Briefes grüßt die in Babylon Mitauserwählte (ἀσπάζεται ὑμᾶς ἡ ἐν Βαβυλῶνι συνεκλεκτή / aspazetai hymas hē en Babylōni syneklektē; 1Petr 5,13). Die so angesprochene Gemeinde kann sich nicht im historischen → Babylon befunden haben, weil es dort zu dieser Zeit keine christlichen Gemeinden gab. Der Ausdruck beschreibt aber auch nicht metaphorisch jeglichen Ort des sozialen Exils oder der Ausgrenzung, weil er verbunden mit dem Grußformular gerade eine konkrete Gemeinde bezeichnen soll. „Babylon“ dient daher als Chiffre für → Rom. Diese Bezeichnung kam aber erst nach der Tempelzerstörung 70 n. Chr. in jüdisch-christlichen Kreisen auf, als die beiden Reiche, die den Jerusalemer Tempel zerstört hatten, und ihre Hauptstädte parallelisiert wurden (vgl. etwa Baum, 2011; Durst, 2011). Wir haben zwar keine sicheren Nachrichten über den Todeszeitpunkt des Apostels, es gibt aber keinerlei Hinweise, die sein Ableben nach dem Ende des Jüdischen Krieges andeuten würden. Die Bezeichnung Roms als „Babylon“ ist demnach ein Anachronismus, der den Text als Pseudepigraph entlarvt.

Über den realen Autor, der sich hinter der Maske des Petrus verbirgt, wissen wir nichts, was sein von hellenistisch-römischer Bildung und guter Kenntnis der → Septuaginta geprägter Text nicht über ihn verrät. Möglicherweise ist er im Kreis der realen Leserinnen und Leser des Briefes zu suchen.

Der angegebene Verfasser ist zweifellos der Apostel Simon Petrus, weil zur Zeit der Abfassung er allein in christlichen Kreisen den Beinamen Petrus trug. Der Rückgriff auf einen verstorbenen Verfasser gewährte dem realen Autor sicherlich einen gewissen Schutz angesichts der brisanten Thematik, die der Text aufgriff, indem er eine Stellungnahme zu den Christenprozessen formulierte. Verstorbene waren nicht mehr zu belangen. Dieses Moment dürfte allerdings kaum das einzige Motiv für die Wahl des Verfassernamens gewesen sein. Abgesehen davon, dass mit dem → Epheserbrief und dem → Jakobusbrief mindestens zwei angebliche Schreiben von Führungspersönlichkeiten der frühen Gemeindegeschichte bekannt waren, konnte Petrus als ideales Vorbild in einer Situation der Verfolgung vor Gericht dienen, zumindest, wenn man das Petrusbild der Apostelgeschichte voraussetzte.

3.2. Zeiten und Orte

Wie bei allen pseudepigraphischen Texten wird die Bestimmung der Entstehungszeit dadurch erschwert, dass biographische und geschichtliche Angaben hinsichtlich der konstruierten Kommunikationssituation und der realen Abfassungssituation differenziert werden müssen und die mit Blick auf die konstruierte Kommunikationssituation eingebundenen Informationen in der Regel nur sehr eingeschränkt verwertbar sind.

Zur konstruierten Abfassungszeit macht der Erste Petrusbrief allerdings nicht einmal nähere Angaben. Sie ist auch deswegen schwer zu bestimmen, weil unsicher bleiben muss, ob 1Petr 5,1 den Tod des Apostels voraussetzt. Dann wäre eine konkrete zeitliche Einordnung der Konstruktion möglicherweise gar nicht angezielt. Was wir der skizzierten Abfassungssituation entnehmen können, ist, dass sich Petrus in der Gemeinde von Rom befindet, wo sich der als Sohn bezeichnete Markus und Silvanus bei ihm aufhalten, wobei Letzterer den Brief offenbar besorgen soll. Leider fehlen uns hinsichtlich der Wirksamkeit des Petrus Informationen, die es erlauben würden, diese Daten mit einer bestimmten Situation im Leben des Petrus abzugleichen.

Die divergierenden zeitlichen Ansetzungen des Textes decken eine große Bandbreite ab. Extreme Frühdatierungen sind vorrangig mit der Annahme einer petrinischen Verfasserschaft verbunden (s.o.). Auf der anderen Seite des Spektrums hat Marlis Gielen versucht, eine Abhängigkeit des Ersten Petrusbriefes vom → Polykarpbrief zu erweisen, was sie zu einer entsprechenden Spätdatierung (120-138 n. Chr.) veranlasst hat (Gielen, 2013c, vgl. auch Gielen, 2013a).

Unter Voraussetzung der unten angeführten intertextuellen Beziehungen scheint es nicht angeraten, den Ersten Petrusbrief vor Beginn des 2. Jh. n. Chr. zu datieren. Setzt man wegen der engen thematischen Parallele zum von Plinius dem Jüngeren in seinem Christenbrief (Plinius, Epistulae X 96) umrissenen Problem und der damit korrespondierenden Adressatenangabe des Ersten Petrusbrief voraus, dass der Text unmittelbar auf die in der Provinz Bithynia et Pontus durchgeführten Prozesse reagierte (vgl. etwa Downing, 1988; 106; Guttenberger, 2010, 92-93; Reichert, 2002, 248-250, Reichert, 2013, 293-296; Pilhofer, 2010, 463), ist das Schreiben am ehesten im zweiten Jahrzehnt des 2. Jh. n. Chr. entstanden. In den Einleitungswerken wird der Text aber auch innerhalb der Regentschaft → Domitians angesetzt (vgl. etwa Feldmeier, 2011; Schnelle, 2013).

Plinius kam am 17. September des Jahres 111 n. Chr. in die Provinz am Schwarzen Meer (Plinius, Epistulae X 17a,2; 17b,1) und hatte dort schon eine Weile gewirkt, als er sich offenbar gegen Ende des Jahres 112 n. Chr. mit den Christen befasste, sodass der Erste Petrusbrief frühestens 112 n. Chr. anzusetzen ist, wenn er auf die Prozesse reagierte. Der Legat zeigte sich in seiner Korrespondenz mit dem Kaiser daran interessiert, das Problem nicht weiter zu eskalieren. Wir haben allerdings keine Informationen darüber, ob zu Beginn des 2. Jh. n. Chr. auch in anderen kleinasiatischen Provinzen Christenprozesse geführt wurden und welcher Usus in der Provinz am Schwarzen Meer nach Plinius gepflegt wurde. Mindestens literarisch gewannen vor allem Plinius’ Brief und die dort dokumentierte Praxis Bedeutung. Aber aus der Rezeption lässt sich nicht auf die Rechtsprechung in späterer Zeit oder in benachbarten Provinzen schließen, zumal das Reskript → Hadrians (Eusebius, Historia ecclesiastica IV 9 Justin, Apologia I 68,6-10) auch gut zehn Jahre später Anklagen gegen Christen in der Provinz Asia erwähnt.

Ein Terminus ad quem lässt sich daher nur mit Blick auf die Verwendung des Ersten Petrusbriefes in anderen frühchristlichen Texten gewinnen. Demnach muss der Erste Petrusbrief vor dem Zweiten Petrusbrief und vermutlich auch vor dem → Judasbrief entstanden sein, weshalb man bei der Datierung des Schreibens nicht zu weit über 112 n. Chr. hinausgehen sollte.

Werden im Text keine Angaben zur Provenienz gemacht, kann man die Herkunft des Dokuments nur aus den diesem zu entnehmenden Informationen bestimmen. Dabei lassen sich der Abstammungs- oder Wohnort des Autors, der Abfassungsort und der geographische Kontext der intendierten Leser oft schwer gegeneinander abgrenzen. Im Fall der pseudepigraphischen Briefe kommt erschwerend hinzu, dass Autor und Leser des Briefes geographisch nicht voneinander getrennt sein müssen, weil es sich bei den Schreiben nicht um Teile einer realen Briefkommunikation handelt.

Der Autor des Ersten Petrusbriefes, der die Situation der intendierten Leser offenbar gut kennt, könnte demnach aus der Lesegemeinde stammen, wo der Brief dann auch verfasst sein dürfte. Das würde vermutlich nach Kleinasien und evtl. in den Pontus weisen. Denkbar ist aber auch, dass der Erste Petrusbrief aus Rom, dem angegebenen Abfassungsort, oder einer anderen Stadt stammt. Denn das in Kleinasien virulent gewordene Problem betraf als bedrohliches Szenario am Horizont nicht nur diese Region; und Nachrichten über Christenprozesse wurden zwischen den Gemeinden ausgetauscht.

3.3. Adressaten und Leser des Textes

Die Angaben in der adscriptio, der Briefadresse, müssen dem realen Lesekreis so wenig entsprochen haben wie die Verfasserangabe dem Autor. Sollte der Text seinen pragmatischen Zweck erfüllen, musste er jedoch die Situation der realen Lesegemeinde treffen. Folglich griff die Ansprache der Adressierten als „erwählte Fremde in der Diaspora“ (ἐκλεκτοῖς παρεπιδήμοις διασπορᾶς / eklektois parepidēmois diasporas; 1Petr 1,1) die Situation der realen Gemeinde auf.

Das muss nicht in gleicher Weise für die geographischen Angaben gelten. Da es sich bei den in 1Petr 1,1 angeführten Territorien überwiegend um Provinzbezeichnungen handeln dürfte, umfasst das beschriebene Gebiet fast ganz Kleinasien. Die Größe des adressierten Gebietes begründet auch die Aufnahme des Schreibens in das Korpus der → Katholischen Briefe. Von einer Wirksamkeit des Apostels in der Gegend wissen wir nichts.

Eine gewisse Schwierigkeit besteht darin, dass die getrennte Auflistung von Bithynien und Pontus in Beziehung zur seit 64 v. Chr. bestehenden Provinz Bithynia et Pontus gesetzt werden muss (vgl. etwa Guttenberger, 2010, 72-77). Mit „Pontus“ könnte innerhalb der konstruierten Abfassungssituation das auf den östlichen Pontus zusammengeschrumpfte Königreich Pontus gemeint sein, das zu Lebzeiten des Apostels Petrus noch bestand und erst unter → Nero in das römische Provinzialsystem integriert wurde. Da das Königreich zur Abfassungszeit dagegen nicht mehr bestand und die Adressierung in dieser Hinsicht folglich nicht mehr der Situation der realen Gemeinde entsprach, muss der Brief nicht an die gesamte in der adscriptio umrissene Region gerichtet gewesen sein.

Setzt man voraus, dass der Text auf die Christenprozesse unter Plinius reagierte, kann man allerdings auch an den westlichen Pontus denken, der zur Provinz Bithynia et Pontus gehörte. Denn da die Briefe im zehnten Buch der Epistulae zumindest weitgehend chronologisch angeordnet sind, dürften die Christen in Amisus (Plinius, Epistulae X 92; 93) selbst oder seiner näheren Umgebung, also im Provinzteil Pontus, angeklagt worden sein. Dann könnte sich der Text des Ersten Petrusbriefes vorrangig an pontische Gemeinden gerichtet haben. Sucht man die realen Leser nämlich im westlichen Pontus, dürfte es kaum ein Zufall sein, dass der Pontus die Liste der Regionen anführt, während Bithynien, mit dem Teile des Königreiches Pontus innerhalb einer Provinz in einer Zwangsehe vereint worden waren, das Schlusslicht bildet. Die Einbindung der solchermaßen zerrissenen Provinz durch die Nennung der zwei Provinzteile spricht nicht dagegen, dass die übrigen Namen Provinzen bezeichnen. Zuletzt gilt für die intendierten Leser jedoch, dass sie nicht einmal notwendig in Kleinasien ansässig gewesen sein müssen.

4. Ein Stück frühchristliche Literatur

Teilungshypothesen, die eine Kompilation unterschiedlicher Brieffragmente voraussetzen, werden durch den Text des Ersten Petrusbriefes nicht gestützt. Die Integrität des Briefes ist unzweifelhaft.

4.1. Die Gattung des Textes: Fiktion oder Täuschung?

Der Erste Petrusbrief wurde in Entsprechung zum antiken → Briefformular abgefasst und stellt damit zuvorderst einen Brief dar. Unsicher ist dagegen, ob der Text als angeblich reales, innerhalb einer längst vergangenen Kommunikationssituation entstandenes und tatsächlich gefälschtes Schreiben konzipiert wurde oder als literarischer Brief verstanden werden sollte.

In jedem Fall ist ein uns unbekannter Christ der reale Autor oder eine Christin die reale Autorin des Textes, während Petrus innerhalb des Textes der Erzähler ist. Geht man davon aus, dass der Erste Petrusbrief als Täuschung konzipiert wurde, fungiert Petrus auch als impliziter Autor. Ist der Text dagegen als transparente Fiktion entstanden, gilt Petrus gerade nicht als impliziter Autor des Textes. Worum es sich im Fall des Ersten Petrusbriefes handelt, muss hier offenbleiben, im gegebenen Rahmen kann es nur um die Implikationen des Textes gehen.

Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Kommunikationssituation eines pseudepigraphischen Textes bestehen nämlich darin, dass sich die Angaben des Textes zu seiner Abfassungssituation nicht immer eindeutig Autor, implizitem Autor oder Erzähler zuordnen lassen. Wenn der Text als Täuschung konzipiert wurde, müssen alle Angaben im Kontext der konstruierten Abfassungssituation plausibel sein. Das schließt nicht aus, dass sie die Situation des realen Autors treffen können. Bei einer für den Leser transparenten Fiktion können sich Informationen des Textes innerhalb der Kommunikation mit den Leserinnen und Lesern dagegen vorrangig auf die reale Kommunikationssituation beziehen, wenngleich sie notwendig auch Implikationen für die konstruierte Kommunikationssituation haben.

Relevanz gewinnt die Frage nach der Kommunikationssituation nicht zuletzt in 1Petr 5,1. Impliziert die Selbstvorstellung des Erzählers als Zeuge der Leiden Jesu Christi, dass er den Tod gesehen hat? Dann wäre die Formulierung durchlässig hinsichtlich der Abfassungsumstände und würde zu erkennen geben, dass Petrus selbst den vermeintlich von ihm stammenden Brief gar nicht mehr abfassen konnte. Durfte die Lesegemeinde davon ausgehen, dass es zur Zeit des Apostels → Presbyter in Kleinasien gab, sodass sich der angebliche Verfasser als Mitältester vorstellen konnte, oder scheint in dieser Selbstvorstellung des Erzählers ein weiterer Anachronismus auf?

Ob der Text als echter Brief des Apostels verstanden werden sollte oder als späteres Werk eines Dritten, der sich mit der Petrusgestalt literarisch auseinandersetzte, ist nicht zuletzt für den Rückgriff auf vorausliegende Quellen von Relevanz. Denn im Fall der Fiktion konnte jegliche Quelle literarisch konstruktiv adaptiert werden. Im Fall der Täuschung war ein Rückgriff auf ältere Texte nur plausibel zu machen, wo dieser Rückgriff keinen Anachronismus zufolge hatte und eine Verwendung des Textes durch den Apostel nicht abwegig erschien.

4.2. Quellen und intertextuelle Adaptionen des Textes

Der Erste Petrusbrief zitiert die Heilige Schrift Israels (vgl. dazu etwa Müller, 2007), aber keine frühchristlichen Texte. Die Antwort auf die Frage, ob der Autor des Briefes ihm vorausliegende ntl Schriften verwendete bzw. ob innerhalb des Textes gar Anspielungen auf diese Schriften vorliegen und diese folglich in die Kommunikation mit dem Leser eingebunden wurden, hängt stark von den vorausgesetzten Bedingungen der frühchristlichen Literaturproduktion ab. Entweder führt man Berührungen zwischen zwei Texten, die über eine zufällige Ähnlichkeit hinausgehen, darauf zurück, dass der jeweils ältere Text bei der Abfassung des jüngeren bekannt war, oder man setzt die Kenntnis gemeinsamer Quellen voraus, was die Annahme einer unmittelbaren Abhängigkeit entbehrlich macht. Beide Hypothesen lassen sich schwer falsifizieren. Einzelne Parallelen zwischen frühchristlichen Texten können daher immer sowohl auf gemeinsame Quellen oder unbestimmte Überlieferungen als auch auf einen unmittelbaren Rückgriff zurückgeführt werden. Dabei wird die Entscheidung davon abhängen, welche Implikationen man mit der Annahme einer Kenntnis verbindet. Ein Konsens ist daher oft nur schwer zu erzielen.

Hinsichtlich des Ersten Petrusbriefes wurden Hypothesen zu einer unmittelbaren Kenntnis ntl Texte in der Forschung zuletzt meist zurückgewiesen: „Verschiedentliche Bemühungen, literarische Abhängigkeit des Ersten Petrusbriefes von schriftlich fixierten Quellen nachzuweisen, haben zu keinen überzeugenden und konsensfähigen Ergebnissen geführt“ (Gielen, 2013b, 518).

Für den Ersten Petrusbrief wurde die Kenntnis des → Matthäusevangeliums angenommen (Metzner, 1995) und die Apostelgeschichte als Vorlage des Briefes in Erwägung gezogen (Herzer, 1998, 64-73.160-165.177-181.190-195.262-264). Bei einem Rückgriff auf das Matthäusevangelium wäre der Erste Petrusbrief gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. verfasst, bei Verwendung der Apostelgeschichte sogar eher zu Beginn des 2. Jh. n. Chr. Beides lässt sich mit der Lebenszeit des Apostels kaum vereinbaren. Während beim Vergleich der Apostelgeschichte mit dem Ersten Petrusbrief vorrangig thematische und einzelne formale Parallelen zu berücksichtigen sind (Apg 6,1-4 / 1Petr 4,9-11; Apg 10,34-35 / 1Petr 1,17, vgl. Röm 2,6.11, sowie Apg 20,17-35 / 1Petr 5,1-10 und Apg 15,22-23 / 1Petr 5,12), stützen einen Zusammenhang zwischen dem Matthäusevangelium und der Erste Petrusbrief einzelne enge formale Berührungen (Mt 5,10 / 1Petr 3,14; Mt 5,11-12 / 1Petr 4,13-14; Mt 5,16 / 1Petr 2,12).

Zu den Texten, die aufgrund formaler und inhaltlicher Parallelen einen intertextuellen Zusammenhang plausibel erscheinen lassen, gehören außerdem der → Römerbrief, der Epheserbrief und der Jakobusbrief. Hinsichtlich des Römerbriefs ist unter Einbindung der alttestamentlichen Vorgaben (Jes 8,14; Jes 28,16) insbesondere der Zusammenhang von 1Petr 2,6-8 vor der Folie von Röm 9,32-33 zu deuten. Allerdings machen weder solche Anklänge noch begriffliche Übernahmen oder Gemeinsamkeiten der Präskripte den Ersten Petrusbrief schon zu einem „paulinischen Brief“ (vgl. auch Herzer, 1998). Der Text steht vielmehr in einer sich ausbildenden frühchristlichen epistolographischen Praxis, die durch Paulus̕ Usus geprägt, aber nicht bestimmt wurde. Das zeigen die Varianzen, die neben Kontinuitäten zu beobachten sind.

Die Rede von den Charismen etwa geht zwar auf eine paulinische Begriffsprägung zurück, erinnert inhaltlich aber eher an die Dienste in Apg 6,1-4. Die salutatio (der Eingangsgruß) in 1Petr 1,2 unterscheidet sich deutlich von jener der Paulusbriefe; und die Eulogie in 1Petr 1,3 bildet gerade keinen typischen Prologanfang. Sie stimmt wörtlich mit jener in 2Kor 1,3 und Eph 1,3 überein. Als im frühen Christentum geläufige Formel zur Einleitung eines Prologs kann sie gleichwohl nur sehr bedingt gelten. Denn für Paulus ist sie untypisch. In 2Kor 1,3 verdankt sie sich der besonderen Abfassungssituation. Von dort dürfte sie in Eph 1,3 eingedrungen sein. Da der Erste Petrusbrief mit dem → 2. Korintherbrief keine weiteren Gemeinsamkeiten zeigt, die Anweisungen zur Unterordnung in Eph 5,21-22 und 1Petr 2,18 sowie 1Petr 3,1.5 aber Ähnlichkeiten aufweisen, ist die wortwörtliche Übereinstimmung zwischen Eph 1,3 und 1Petr 1,3 erklärungsbedürftig, zumal einzelne weitere Parallelen zu beobachten sind (etwa Eph 6,14 / 1Petr 1,13; 1Petr 5,12, vgl. Ex 12,11).

Der Prolog des Ersten Petrusbriefes erinnert punktuell aber nicht nur an den Epheserbrief, sondern auch an den Jakobusbrief, ein Schreiben, das seine paulinische Prägung erst auf den zweiten Blick verrät. Aufnahmen aus Jak 1,2-3 in 1Petr 1,6-7 erscheinen nicht zuletzt deswegen denkbar, weil man zugleich fragen kann, ob das Stichwort „Diaspora“ (1Petr 1,1) nicht nur den jüdischen Diasporabrief anklingen ließ (vgl. etwa Horn, 2013, 14-18), sondern schon in der adscriptio ausdrücklich bei Jak 1,1 anknüpfte. Gegen Ende des Textes lassen sich wiederum Vergleichspunkte benennen. So wird Spr 3,34 in 1Petr 5,5 wie zuvor in Jak 4,6 zitiert, beide Texte fordern zudem in ähnlicher sprachlicher Realisierung den Widerstand gegen den Teufel ein (Jak 4,7; 1Petr 5,8-9). Darüber hinaus fällt die Parallele zwischen Jak 4,8 und 1Petr 5,20 ins Auge.

5. Gliederung und Argumentationsverlauf

5.1. Ein Gliederungsvorschlag

Der Aufbau des Schreibens verdankt seine Grundstruktur dem Briefformular. Zwischen dem Briefeingang, der durch Präskript und Prolog gebildet wird, und dem Briefschluss, bestehend aus Epilog und Postskript, ist das Korpus eingelassen, das den Kern der Argumentation enthält. Die Abgrenzung dieser Briefteile fällt allerdings nicht ganz leicht, weil der Text mit verschiedenen formalen Wiederholungen aufwartet, die als Gliederungsmerkmale aufgefasst werden können.

Der hier favorisierte Aufriss setzt voraus, dass die Anrede ἀγαπητοί / agapētoi („Geliebte“) in 1Petr 2,11 und 1Petr 4,12 nicht dazu dient, zwei parallele Abschnitte einzuleiten, und die Doxologie in 1Petr 4,11 nicht das Korpus beschließt. Stattdessen dürfte sich der zweite Korpusteil (1Petr 2,11-5,9) noch einmal in zwei Abschnitte gliedern, die jeweils mit παρακαλῶ / parakalō („ich ermuntere“; 1Petr 2,11; 1Petr 5,1) eingeleitet werden. Im ersten Unterabschnitt wird das Verhalten in der paganen Umwelt verhandelt, im zweiten das innerhalb der Gemeinde (gegen Schmidt, 2003, 158-165).

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5.2. Der Argumentationsverlauf

Der oben vorgeschlagenen Gliederung des Schreibens liegt die Annahme zugrunde, dass sich das Korpus aus zwei Hauptteilen zusammensetzt, die sich zueinander verhalten wie die zwei Seiten einer Medaille: Die Gläubigen sind zwar ein γένος ἐκλεκτόν / genos eklekton („ein erwähltes Geschlecht“; 1Petr 2,9), aber gerade deshalb sieht man sie in ihrer bisherigen sozialen Heimat als παροίκους καὶ παρεπιδήμους / paroikous kai parepidēmous („Randbewohner und Zugezogene“; 1Petr 2,11) an. Diese beiden Aspekte, Erwählung und Entfremdung, werden bereits im Präskript benannt – das Schreiben gilt den ἐκλεκτοῖς παρεπιδήμοις διασπορᾶς / eklektois parepidēmois diasporas („den Erwählten Zugezogenen der Diaspora“; 1Petr 1,1) – und ziehen sich wie eine Doppelhelix durch den gesamten Brief. Abschließend werden sie im Postskript aufgenommen, wo ἡ ἐν Βαβυλῶνι συνεκλεκτή / hē en Babylōni syneklektē („die in Babylon Mitberufene“; 1Petr 5,13) grüßt.

Innerhalb des Korpus wird die janusköpfige Situation der Gläubigen in Bildern entfaltet, die der Geschichte Israels entlehnt sind. Während der erste Teil des Korpus zunächst den sozialen Exodus (1Petr 1,13-21) und sodann die Volkwerdung der paganen Christusgläubigen fernab des → Sinai beschreibt (1Petr 1,22-2,10), schildert der zweite Teil des Korpus (1Petr 2,11-5,9) gerade nicht jenes Ziel, das im Dreischritt von Exodus, Bundesschluss und Landnahme zu erwarten wäre, sondern die Existenz der sozialen Ausgrenzung in der → Diaspora. Das ist insofern konsequent, als das Erbteil der Gläubigen bereits in 1Petr 1,4 als im Himmel verwahrtes Erbteil beschrieben wird, dessen Erreichen noch aussteht. Die vorausgesetzte Situation ist folglich gleichsam eine Wüstenerfahrung.

Wenn der Autor des Textes diese Metaphorik entgegen der Exodus- und Sinaimotivik nicht aufnimmt, hängt das zum einen damit zusammen, dass er bei der Beschreibung der aktuellen Situation konkrete Empfehlungen zum Verhalten in der Fremde gibt, zum anderen damit, dass er die Fremdheitserfahrung in Begriffe der Exilserinnerung kleidet, wo er von den Zugereisten der Diaspora spricht (παρεπιδήμοις διασπορᾶς / parepidēmois diasporas; 1Petr 1,1). Mittels der Exils- wie der Exodustopik wird eine topographische Bewegung auf eine soziale Dynamik übertragen: Statt eines Lebens im gelobten Land, findet man sich in der Fremde wieder, allerdings an seinem angestammten Platz, in der einst vertrauten Gesellschaft.

Die konkreten Empfehlungen für das Leben in der paganen und inzwischen fremd gewordenen Umwelt (1Petr 2,11-4,19) zielen darauf ab, durch ein vorbildliches Verhalten Anfeindungen zu entgehen. Für den Fall, dass diese Bemühungen nicht fruchten und man wegen des Christseins vor Gericht angeklagt wird, ruft der Text zur Bekenntnistreue auf. Um die aus dem Bekenntnis resultierenden Repressalien, die bis zum Verlust des Lebens führen können, besser ertragbar zu machen, entwickelt der Text seine eigene Konzeption einer Gnadentheologie. Die Leiden sind eine Gnade, weil sie die Teilhabe am Schicksal Christi und damit die Teilhabe an der Herrlichkeit begründen (1Petr 4,13).

Die Möglichkeit einer Verurteilung zum Tod aufgrund des Bekenntnisses wird in 1Petr 4,12-19 angesprochen. Der deutlichste Hinweis auf Prozesse, in denen sich Gläubige wegen ihres Bekenntnisses verantworten mussten, findet sich in 1Petr 4,15-16. Denn wie Plinius (Plinius, Epistulae X 96,2) unterscheidet der Erste Petrusbrief zwischen einer Bestrafung wegen begangener Verbrechen und einer Verurteilung wegen des Namens Christi. In unmittelbarer Folge spricht 1Petr 4,17 davon, dass das Gericht bei den Gläubigen auf Erden beginne. Bereits 1Petr 2,14 erinnert daran, dass es den vom Kaiser entsandten Statthaltern (ἡγεμόσιν / hēgemosin) zufällt, ein Gericht nach den Werken vorzunehmen. Ein solcher legatus pro praetore war Plinius als legatus pro praetore provinciae Ponti et Bithyniae consulari potestate für die Provinz am Schwarzen Meer.

Vor diesem Hintergrund dürften sich auch 1Petr 3,15-17 und die dort angesprochene ἀπολογία / apologia („Verteidigung“) sowie der Logos (1Petr 3,15) auf die Situation vor Gericht beziehen. Die existenzielle Gefährdung eines solchen Prozesses deutet sich am Ende des Abschnitts 1Petr 4,12-19 an: Die Gläubigen sollen bereit sein, Gott im Namen Christi Doxa zu erweisen (1Petr 4,16) und ihre Seelen dem Schöpfer darzureichen (1Petr 4,19). Der Erste Petrusbrief mahnt eine Bekenntnistreue auch in äußerster Gefahr an, formuliert seine Martyriumstheologie aber aus, ohne einer Verherrlichung des → Martyriums das Wort zu reden. Das Leid ist nicht unabänderliche Voraussetzung des Heils.

Der erste Hauptteil des Korpus endet somit mit einem Ausblick auf die Möglichkeit des gewaltsamen Todes aufgrund eines Prozessurteils. Für einen solchen Moment der Entscheidung, in dem es nahelag, Christus zu verleugnen, führt der Text Petrus als Vorbild für die geforderte Standhaftigkeit an. In der imaginierten Prozesssituation tritt der Apostel gleichsam als Zeuge für die Leiden Jesu auf, allerdings nicht, indem er schlicht an das Kreuz erinnert, sondern insofern er selbst das Schicksal Christi teilte. Denn Petrus hatte sich die Mahnung aus 1Petr 4,13 zu eigen gemacht, er hatte gelitten wie Jesus und sollte folglich auch an der kommenden Herrlichkeit teilhaben (1Petr 5,1). Vorausgesetzt ist offenbar ein Petrusbild, dass nicht nur die Verleugnung in der Nacht der Passion, sondern auch das spätere Einstehen für Christus vor dem → Sanhedrin umfasst (Apg 4,5-13).

Petrus konnte insbesondere dann als unmittelbares Vorbild in einem römischen Gerichtsprozess dienen, wenn er selbst von Römern wegen seines Glaubens verurteilt worden war. 1Petr 5,1 dient jedoch nicht als Abschluss des Vorausgehenden, sondern leitet den zweiten Hauptteil ein, der Empfehlungen für das Leben in der Gemeinde enthält. Diese zielen vorrangig auf eine geordnete Einigkeit in der Situation der Bedrohung, die in 1Petr 5,8-9 noch einmal aufscheint. Angesichts der Ausgrenzungserfahrung und der Repressalien kam der Geschlossenheit der Gemeinde eine umso größere Bedeutung zu.

6. Rezeption

Eindeutig zitiert wird der Erste Petrusbrief, wenngleich ohne entsprechende Kennzeichnung, erstmalig im Polykarpbrief (1Petr 1,8 / Polyc 1,3; 1Petr 1,13.21 / Polyc 2,1; 1Petr 2,21-24 / Polyc 8,1-2; 1Petr 2,12 / Polyc 10,2 [lat.], vgl. aber Gielen, 2013c). Sofern man einen Einfluss auf den → 1. Clemensbrief geltend macht, sollte man dessen gänzlich ungesicherte Datierung um 95 n. Chr. nicht zur zeitlichen Ansetzung des Ersten Petrusbriefes heranziehen (so aber etwa Elliott, 2000, 135, Davids, 2014, 120).

2Petr 3,1 setzt offenbar den uns bekannten Text voraus, weil der Brief sich in seinem Präskript (2Petr 1,1-2) nicht nur an das Präskript in Jud 1-2, sondern auch an 1Petr 1,1-2 anlehnt. Doch schon Jud 1-2 dürfte sich seinerseits nicht nur auf Jak 1,1, sondern auch auf 1Petr 1,2 beziehen. Während diese ersten beiden uns bekannten Rezipienten den Text möglicherweise noch als Pseudepigraph verstanden, verlor sich dieses Wissen im Laufe des zweiten Jahrhunderts bald. Der Erste Petrusbrief wurde als echtes Schreiben des Apostels anerkannt, seine Kanonisierung verlief im Gegensatz zu der des Zweiten Petrusbriefes deswegen weitgehend widerstandslos (vgl. etwa Eusebius, Historia ecclesiastica II 15,2, außerdem Merkt, 2015, 15-22).

Literaturverzeichnis

1. Verwendete Literatur

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  • Davids, P.H., 1990, The First Epistle of Peter (NICNT), Grand Rapids
  • Davids, P.H., 2014, A Theology of James, Peter, and Jude (Biblical Theology of the New Testament 6), Grand Rapids
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2. Literaturempfehlungen

  • Elliott, J.H., 2000, 1 Peter. A New Translation with Introduction and Commentary (AYB 37B), New Haven
  • Feldmeier, R., 2005, Der erste Brief des Petrus (ThHK 15/I), Leipzig
  • Schmeller, T. / Ebner, M. / Hoppe, R. (Hgg.), 2010, Neutestamentliche Ämtermodelle im Kontext (QD 239), Freiburg i. Br.
  • du Toit, D.S. (Hg.), 2013, Bedrängnis und Identität. Studien zu Situation, Kommunikation und Theologie des 1. Petrusbriefes (BZNW 200), Berlin
  • Vahrenhorst, M., 2016, Der erste Brief des Petrus (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 19), Stuttgart

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