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(erstellt: Mai 2015)

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1. Im Kolosserbrief: Onesimus

In Kol 4,9 erwähnter „treuer und geliebter Bruder“, der „aus euch“, also aus Kolossae stammt. Sein direktes oder indirektes Verhältnis zu → Paulus ist von daher zu beurteilen, ob man den → Kolosserbrief der Feder des Paulus selbst (protopaulinisch) oder eher seinem Schülerkreis (deuteropaulinisch) zuschreibt. Der knappen Beschreibung nach ist Onesimus zur Zeit der Abfassung des Kolosserbriefs eine dort bekannte Größe, der in der Gemeinde eine relativ hohe Bedeutung zukommt. Ob dabei an eine klar umrissene Funktion zu denken ist, bleibt unklar. Spekulationen reichen bis zur Vermutung, Onesimus sei der Gemeindeleiter (Episkopos) gewesen. Anhänger dieser Vermutung setzen ihn meist mit 2. gleich und deuten dies als Hinweis darauf, dass der → Sklave Philemons von seinem Herrn freigelassen wurde und zum Episkopos aufgestiegen sei. Derlei Annahmen entbehren aber eines gesicherten Hintergrundes: Weder die Ansiedlung der Gemeinde Philemons in → Kolossae ist gesichert (beachte Gielen, Balabanski) noch die Identifizierung der beiden Onesimus mit ein und derselben Person. Das häufige Vorkommen des Namens Onesimus in der griechisch-römischen Antike (Solin 465-468; Fragiadakis 52.54.364; Arzt-Grabner 2003, 86-87) lässt auch an zwei verschiedene Personen denken.

2. Im Philemonbrief: Der Sklave Philemons

Sklave Philemons, des Adressaten des Phlm (siehe → Philemonbrief). Wie Onesimus zum Sklaven wurde und ins Haus des Philemon kam (hausgeborener oder käuflich erworbener Sklave), ist unklar. Über seine Tätigkeit im Hausverband lässt sich aufgrund der (allerdings uneinheitlich diskutierten) Ausgangssituation des Phlm (siehe Philemonbrief 2.) vermuten, dass er von Philemon als → Bote eingesetzt wurde. Ob dies seine ausschließliche Verwendung war, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Größe das betriebliche Anwesen Philemons gehabt haben mag. Neben den riesigen Latifundien der Oberschicht Italiens mit bis zu mehreren tausend Sklavinnen und Sklaven, die aus der antiken ökonomischen Literatur bekannt sind (vgl. bes. Columella), können für den antiken Alltag aufgrund von Zensusdeklarationen aus Ägypten nur wenige Haushalte mit mehr als ein bis zwei Sklavinnen oder Sklaven nachgewiesen werden. Da über die Gemeinde Philemons keine eindeutigen Größenverhältnisse bekannt sind, lässt auch die Notiz, dass sich die Gemeinde in seinem Hause traf (vgl. Phlm 2), einen relativ großen Interpretationsrahmen offen, wie vermögend Philemon tatsächlich gewesen sein musste, um der Gemeinde einen Versammlungsraum in seinem Haus anbieten zu können. Die Tatsache, dass Onesimus bereits seit längerer Zeit von seinem Herrn als „unnütz“ angesehen wird (vgl. Phlm 11; siehe Philemonbrief 2.6), könnte darauf hinweisen, dass Philemon mangels einer größeren Anzahl von Sklavinnen und Sklaven weiterhin auf Botendienste des Onesimus – trotz dessen Unzuverlässigkeit – angewiesen war.

Dass Onesimus Paulus im → Gefängnis besucht hat und dass ihn Paulus mit dem Philemonbrief zu seinem Herrn zurückschickt, setzt voraus, dass Onesimus selbst nicht inhaftiert war.

Das erklärte Anliegen des Paulus nach Phlm 15-17 ist, dass Philemon seinen Sklaven Onesimus als „Bruder“ und wie Paulus, nämlich als „Partner“ (κοινωνός, Phlm 17) aufnimmt. Was dies genau implizierte und inwieweit Philemon diesem Appell Folge leistete, bleibt mangels näherer und weiterer Angaben unklar.

Literaturverzeichnis

  • Arzt-Grabner, P., 2003, Philemon (PKNT 1), Göttingen
  • Arzt-Grabner, P., 2004, Onesimus erro. Zur Vorgeschichte des Philemonbriefes, ZNW 95, 131-143
  • Arzt-Grabner, P., 2010, How to Deal with Onesimus?, in: Tolmie (Hg.), Philemon, 113-142
  • Balabanski, V., 2015, Where Is Philemon? The Case for a Logical Fallacy in the Correlation of the Data in Philemon and Colossians 1.1–2; 4.7–18, JSNT 38, 131-150
  • Callahan, A.D., 1997, Embassy of Onesimus. The Letter of Paul to Philemon (New Testament in Context), Valley Forge
  • Fragiadakis, Ch., 1986, Die attischen Sklavennamen von der spätarchaischen Epoche bis in die römische Kaiserzeit. Eine historische und soziologische Untersuchung (Diss.), Mannheim
  • Gielen, M., 2006 / 2007, Paulus – Gefangener in Ephesus? Teil 1, BN.NF 131 (2006), 79-103; Teil 2, BN.NF 133 (2007), 63-77
  • Solin, H., 1996, Die stadtrömischen Sklavennamen. Ein Namenbuch, 2. Teil: Griechische Namen (Forschungen zur antiken Sklaverei. Beiheft 2), Stuttgart
  • Tolmie, F. (Hg.), 2010, Philemon in Perspective. Interpreting a Pauline Letter (BZNW 169), Berlin u.a.

Weitere Literatur

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