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(erstellt: April 2013)

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Obed-Edom (עֹבֵד אֱדֹם ‘oved ’ädom) ist ein Personenname, doch ist nicht ganz klar, wie viele Träger dieses Namens es im Alten Testament gibt. Relativ klare Konturen zeigt ein Mann, bei dem → David die → Lade, bevor er sie nach Jerusalem überführte, für einige Zeit abstellte (2Sam 6,10f; 1Chr 13,13f; 1Chr 15,25). Daneben figuriert in der Davidzeit einer (ist es derselbe oder ein anderer, oder handelt es sich gar um zwei andere?) als Ahn einer Familie von Torhütern und / oder von Tempelsängern bzw. Tempelmusikern (1Chr 15,18.21.24; 1Chr 16,5.38; 1Chr 26,4.8.15). Ein weiterer wird als Hüter des Tempelschatzes unter König → Amazja erwähnt (2Chr 25,24). Die enge Verbindung dieser Männer zu David und zum Jerusalemer Tempel fällt umso mehr ins Auge, als ihr Name deutlich nicht-jahwistisch klingt.

1. Name

עֹבֵד ‛oved bedeutet der „Dienende“ (nicht einfach der “Diener”, das wäre עֶבֶד ‛ævæd), אֱדֹם ’ädom ist ein Eigenname, bekannt zunächst als Name des südöstlichen Nachbarvolkes Judas, Edom. Doch handelt es sich zugleich wohl um einen Gottesnamen. Das liegt schon deshalb nahe, weil eine Person – es gibt einen ‛bd-’dm übrigens auch in einer phönizischen Inschrift (Benz, 371) – leichter als Diener einer Gottheit als eines Volkes zu denken ist. In der Tat taucht in einem ägyptischen Papyrus (Leiden Magical Papyrus I,343 + I,345, rec. V 7) eine Göttin ’Itum als Parhedros des Gottes → Reschef auf, und einen Parallelbeleg scheint es in den Texten aus Ebla zu geben (3. Jt., vgl. Weippert, 50). Ihr Name mag identisch sein mit dem Volks- bzw. Landesnamen „Edom“, der etymologisch „rötlich“ bedeutet und von der Färbung der Erde in den betreffenden Gegenden Südostpalästinas herrührt. „Edom“ wäre dann auch der Name einer in dieser Region verehrten Erd- oder Muttergöttin, und Obed-Edom einer, der ihr „dient“. Denkbar ist indes auch, dass „Dienender Edoms“ die Abkürzung eines längeren Namens ist: „einer, der (Qaus, dem Gott) Edoms dient”.

In jedem Fall scheint einer, der Obed-Edom heißt, kein Jhwh-Verehrer zu sein. In der → Chronik ist dieser Makel dadurch behoben, dass den Trägern dieses Namens eine makellose levitische Abkunft verliehen wird (1Chr 15,17; 1Chr 16,4). Vielleicht ist so auch zu erklären, dass in der Septuaginta-Überlieferung (→ Septuaginta) neben der korrekten Wiedergabe des hebräischen Namens mit Αβδεδωμ auch die Umformung zu Αββεδαρα(μ) und bei Josephus die Namensform Ωβαδαδομος erscheinen. Vergleichbare Erwägungen waren es wohl, die zu der These führten, der Obed-Edom von 2Sam 6,10f müsse ein Konvertit gewesen sein – denn wie sonst habe die Lade in seinem Haus stehen und er dafür auch noch gesegnet werden können? Doch das ist pure Spekulation. David muss, als nach einem Unglücksfall die Lade irgendwo unterzubringen war, nicht eng konfessionell gedacht haben, und Jhwhs Segen kann nicht nur formellen Jhwh-Anhängern zuteilwerden.

2. Obed-Edom, der Gatiter

Obed-Edom wird in 2Sam 6,10 als „Gatiter“ bezeichnet. Also kommt er aus der Philisterstadt → Gat (→ Philister). Diese war nach biblischem wie nach archäologischem Befund im 10. und 9. Jh. die führende Stadt der philistäischen → Pentapolis. Nachdem sie um 825 v. Chr. vom Aramäerkönig → Hasaël zerstört worden war (vgl. 2Kön 12,18), büßte sie diese Rolle vollkommen ein. Umso bedeutsamer ist es, dass sie in den → Samuelbüchern stark im Vordergrund steht: nicht erst in 2Sam 6,10, sondern schon in einem früheren Teil der sog. → Lade-Geschichte (1Sam 5,8f), vor allem aber in einigen David-Erzählungen: sei es als führende Feindmacht (1Sam 17; 2Sam 21,15-22), sei es als Davids Schutzmacht (1Sam 27; 1Sam 29). Im Krieg gegen seinen rebellischen Sohn → Absalom hatte David ein 600-Mann-Kontingent aus Gat zur Verfügung, dem er den Fortbestand seiner Herrschaft wesentlich zu verdanken hatte (2Sam 15,18-22; 2Sam 18,1-2).

In dieses Bild fügt sich bestens, dass David die Lade bei „Obed-Edom, dem Gatiter“ abstellte. Ein solcher Mann konnte sich sehr wohl am westlichen Stadtrand Jerusalems niedergelassen haben: sei es, weil er Söldner in Davids Armee oder mittlerweile Veteran oder sonst ein Zuzügler aus der Gegend von Gat war. Er muss übrigens nicht selbst und von Geburt ein Philister gewesen sein; womöglich war er oder waren seine Eltern aus dem Gebiet von Edom dorthin aus- und dann nach Juda weitergewandert. So oder so war er, nach heutiger Nomenklatur, eine Person mit Migrationshintergrund. Das hindert nicht daran, dass er in besonderer Weise das Vertrauen Davids genoss. Ob er nun dessen religiöse Vorstellungen in jedem Punkt teilte oder nicht: Es fiel ihm eine kleine Rolle in den religionspolitischen Bestrebungen des Königs zu. Nach dem heutigen Text geschah dies für alle überraschend. Man hat indes gemutmaßt, der Zwischenhalt der Lade bei Obed-Edom sei von vornherein geplant gewesen, um die jebusitische Bevölkerung Jerusalems für die Präsenz eines bedeutsamen religiösen (und einst ja auch kriegerischen!) Symbols Israels in ihrer Stadt zu gewinnen: Wenn ein Nichtisraelit um der Lade willen „Segen“ erfuhr (wohl ganz handfest als ökonomisches, berufliches oder familiäres Fortkommen zu deuten): warum nicht die ganze Stadt?

3. Obed-Edom, der Levit, und Obed-Edom, der Hüter des Tempelschatzes

Die Obed-Edoms der Chronik haben den Geruch der Fremdstämmigkeit und Fremdgläubigkeit völlig verloren. Sie sind fest in das (levitische) Kultpersonal des Jerusalemer Tempels integriert. Der Chronist postuliert dies für den ersten, den salomonischen und für ihn ja eigentlich schon davidischen Tempel. Ob es am zweiten, dem nachexilischen Tempel, den der Chronist vor Augen hat, tatsächlich Levitengruppen gegeben hat, die sich auf einen Ahnherrn mit einem so befremdlichen, fremdreligiösen Namen zurückführten, kann man mit einigem Grund bezweifeln; die fiktionale Kraft der Chronik sollte man nicht unterschätzen. Eher scheint es, als würde in dem Hin und Her, ob es Sänger oder Torhüter seien, die von Obed-Edom abstammten, ein Streit darüber ausgetragen, welche Personen oder Familien sich zu welcher dieser Gruppen rechnen durften; offenbar galten die Kultsänger als ranghöher, weshalb sie ihren Stand gegen das Aufrücken Niederrangiger verteidigten.

In allen Texten, den alten wie den jungen, steht der Name „Obed-Edom“ für die prinzipielle, freilich nur partielle Durchlässigkeit der Grenzen zwischen Jhwh-Gemeinde und Außenstehenden sowie zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb der Gemeinde.

Literaturverzeichnis

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  • Weippert, Manfred, Historisches Textbuch zum Alten Testament (GAT.E 10), Göttingen 2010

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