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Obadja / Obadjabuch

Andere Schreibweise: Obadiah (engl.); Abdias (griech.); Abdia (lat.)

(erstellt: April 2009)

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1. Name

Der Personenname Obadja ist belegt in den Namensformen עבדיה ‘ovadjāh und עבדיהו ‘ovadjāhû. Es handelt sich um einen im Alten Testament geläufigen Männernamen, der für zwölf verschiedene Personen verwendet wird. Grammatisch handelt es sich bei dem Namen um eine Konstruktusverbindung, gebildet aus dem Substantiv עֶבֶד ‘ævæd „Knecht / Diener / Verehrer“ und der Kurzform des Gottesnamens → Jahwe. Obadja bedeutet also „Knecht / Diener / Verehrer Jahwes“.

Als Person greifbar wird nur der Palastvorsteher Ahabs in 1Kön 18,3-16. Alle anderen Träger des Namens werden – außer in der Überschrift Ob 1 – nur in Aufzählungen oder Namenslisten erwähnt (1Chr 3,21; 1Chr 7,3; 1Chr 8,38 und 1 Chr 9,44; 1 Chr 9,16 [Lutherbibel: Abda; vgl. Neh 11,17]; 1Chr 12,10; 1Chr 27,19; 2Chr 17,7; 2Chr 34,12; Esr 8,9; Neh 10,6; Neh 12,25).

Der Name ist auch in außerbiblischen Quellen aus alttestamentlicher Zeit belegt, z.B. in den in → Samaria und → Arad gefundenen Ostraka (HAE II/1, 78; AHI, 454).

2. Obadja, der Palastvorsteher Ahabs

In 1Kön 18,3-16 wird von einer Begegnung Obadjas mit → Elia erzählt. Auf der Suche nach Viehfutter, vermutlich für die Tiere des Palastes, trifft er im dritten Jahr der Dürre den Propheten und geht dann im Auftrag Elias zurück zu → Ahab. Die in 1Kön 18,3 betonte Gottesfurcht des Palastvorstehers wird im Zuge der Erzählung dreifach entfaltet: Durch seinen Namen, durch seine Ergebenheit Elia gegenüber und durch sein mutiges Handeln, das 100 Propheten vor der Ermordung durch → Isebel schützt.

3. Obadja, der Prophet

Einer Person mit Namen Obadja wird die kürzeste Schrift des Alten Testaments zugeschrieben. Die Person wird allerdings nur in der knappen Überschrift „Schauung Obadjas“ (Ob 1) genannt. Weder der Name des Vaters noch der Herkunftsort noch eine zeitliche Einordnung werden angegeben. Auch der Titel „Prophet“ wird Obadja nicht ausdrücklich beigelegt. Alles, was man über die Person sagen kann, ist deshalb nur indirekt aus der ihr zugeschriebenen Schrift zu erschließen. Die jüdische Tradition hat den Verfasser der Obadjaschrift mit dem Palastvorsteher Ahabs identifiziert (Babylonischer Talmud, Traktat Sanhedrin 39b, Text Talmud; vgl. die Verbindung von Jon 1,1 mit 2Kö 14,25 und Mi 1,1f mit 1Kö 22,28). Nach Köckert (2003, 444), könnte der Name eine literarische Fiktion sein. Doch da der Name auch sonst häufig belegt ist, spricht nichts dagegen, von einer konkreten Person Obadja auszugehen. Wie man jedoch die Art von Obadjas Wirksamkeit bestimmt, ob er ein Kult- oder Heilsprophet war, der womöglich am Tempel aufgetreten ist, oder ob er ein „schriftgelehrter“ Autor, der zur Vervollständigung des Zwölfprophetenbuches eine Schrift verfasste, hängt ganz von der Auslegung des Buches ab.

4. Das Obadjabuch

4.1. Bibelkundlicher Überblick

Überschrift (Ob 1a)

Demütigung Edoms (Ob 1b-7)

Vernichtung Edoms (Ob 8-14)

Der „Tag Jahwes“ über Edom und alle Völker (Ob 15-21)

4.2. Inhalt, Komposition und Entstehung

Die Überschrift kennzeichnet die ganze Schrift durch die Gattungsbezeichnung „Schauung“ als Jahwe-Botschaft, gibt durch die Angabe des Namens dessen, der die Schauung erhalten und weiter gegeben hat, aber auch zu erkennen, dass die göttliche Botschaft nicht vom Visionär getrennt werden kann. Im ersten Teil wird geschildert, wie sich das göttliche Gericht an → Edom vor allem als Demütigung vollzieht. Im zweiten Teil steigert sich die Aussage zur Ansage der Vernichtung, die vor allem durch die Schuld Edoms gegenüber Juda begründet wird. Der dritte Teil zeichnet das Schicksal Edoms ein in das Völkergericht (→ Wallfahrt / Völkerkampf), das am nahe bevorstehenden → „Tag Jahwes“ erfolgen wird, nämlich dann, wenn Jahwes Königsherrschaft errichtet wird (→ Königtum Gottes).

Für die Beschreibung der Komposition des Buches ist zunächst die Zuordnung von Ob 15 entscheidend. In der Regel wird 15b als Abschluss des ersten (älteren) Teiles angesprochen, der dann gemeinsam mit der verschränkenden Einfügung von 15a um Ob 16f. erweitert wurde (vgl. etwa Barton, 2001, 118f). Das spezifische Gerichtswort über Edom wäre so in späterer Zeit generalisiert und eschatologisiert worden. Demgegenüber lehnt Jeremias (2006) die Aufteilung von Ob 15 auf zwei unterschiedliche literarische Schichten ab und geht von der ursprünglichen Zusammengehörigkeit der Gerichtsansage gegen Edom und der Ankündigung des Tages Jahwes aus: „Edoms Geschick ist für Obadja kein isoliertes Thema, sondern Teil jenes bevorstehendes Weltgerichtes, das die älteren Propheten längst in Gestalt des ‚Tages Jahwes’ geweissagt haben, und dessen ‚Nähe’ (V. 15) in Obadjas Tagen endgültig erkennbar wird …“ (S. 278). Ähnlich wie im Joelbuch werden in dieser Deutung auch bei Obadja konkrete geschichtliche Erfahrungen und noch ausstehende endzeitliche Erwartungen miteinander verbunden.

Insgesamt wird die Entstehung des Buches in der Literatur sehr unterschiedlich rekonstruiert. In der Regel geht man von mehreren Wachstumsstufen aus. Zenger (2006, 545f) etwa nimmt einen in drei Phasen verlaufenden Fortschreibungsprozess an (Ob 2-14; Ob 15a.16-18; Ob 19-21; Ob 1 könnte Elemente aus allen drei Phasen enthalten), der in der 1. Hälfte des 6. Jh.s begann und erst im 4./3. Jh. v. Chr. abgeschlossen wurde. Nach Wöhrle (2008, 209-218) ist das Obadjabuch dagegen bis auf Ob 17a ein einheitlicher Text, dessen Entstehung er in frühhellenistische Zeit datiert (Anfang 3. Jh.).

4.3. Das Verhältnis zu Jer 49,7-16

Für das Verständnis des Obadjabuches ist die Klärung des Verhältnisses zu Jer 49,7-16 wesentlich. Eindeutig ist, dass zwischen Jer 49 und Obadja eine literarische Beziehung besteht. Nach Wolff (1977, 21) gehen Jer 49,14-16 und Ob 1-4 „auf einen und denselben mündlich verkündigten Text zurück“. Auch nach Barton (2001, 125f) wurde hier ein anonymer Text unabhängig voneinander sowohl in das Jeremia- als auch in das Obadjabuch aufgenommen. Für Rudolph (1971, 297) und Dietrich (1994, 718) hat dagegen die Textfassung des Obadjabuches Priorität. Raabe (1996, 22-31) und Jeremias (2007, 63-65) wiederum gehen von einer Priorität des Jeremiatextes aus. Nach Jeremias ist letztlich das gesamte Obadjabuch eine Auslegung von Jer 49,7-16 (2007, 65).

4.4. Geschichtlicher Hintergrund

Die meisten Ausleger beziehen Ob 11-14 auf das Verhalten der Edomiter bei der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier (587 v. Chr.), vgl. Ez 35,15 und Ps 137,7. In Verbindung mit der Priorität von Obadja gegenüber Jer 49 schließt z.B. Wolff (1977, 24) daraus auf eine Entstehung des Grundbestandes recht bald nach diesen Ereignissen. Auch Jeremias (2007, 57f) bezieht Ob 11-14 auf die Eroberung Jerusalems, verweist aber zusätzlich auf Ob 6-7. Diese Verse setzen seiner Ansicht nach das bereits erkennbare Gericht über Edom voraus, das sich durch das Eindringen der arabischen Stämme vollzog. Die Entstehung des Buches wäre demnach erst im 5. Jh. anzusetzen.

Da Wöhrle (2008, 209-218) das Buch erst in frühhellenistische Zeit datiert (Anfang 3. Jh.), bezieht er Ob 11-14 auf die Eroberung Jerusalems durch Ptolemaios I. (vermutlich 302 v. Chr.).

4.5. Botschaft

Kennzeichnend für das Buch ist, dass trotz seiner Kürze mehrere zentrale Themen alttestamentlicher Theologie angesprochen und miteinander verbunden werden: Das Verhältnis zu Edom und den Völkern, die Talionsformel und die Entsprechung zwischen Schuld und Ergehen (→ Tun-Ergehen-Zusammenhang), der → Tag Jahwes und die Rettung für → Zion an diesem Tag, der Besitz des → Landes, die Königsherrschaft Jahwes (→ Königtum Gottes).

Aus christlicher Perspektive wurde häufig die Schärfe der gegen Edom gerichteten Aussagen kritisiert. Allerdings betont besonders Ob 15b, dass die Strafe genau dem entspricht, was die Edomiter zunächst selbst ausgeübt haben. Da dieser Vers an einer zentralen Stelle im Buch steht, ist es also mehr die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, die den Gedankengang des Buches bestimmt, nicht so sehr der Hass gegen die Edomiter. Außerdem wird in Ob 3-4 das Gericht über Edom auch unabhängig von seiner Schuld gegenüber den Judäern durch seinen Hochmut begründet (vgl. Jes 14,12-15). Und schließlich zeigt der letzte Vers des Buches, dass es in Obadja insgesamt auch um eine universale und nicht nur um eine judäisch-nationale Perspektive geht. Nach Rudolph (1971, 318) war es gerade diese „Glaubenskraft, die sich selbst durch den gegenteiligen Anschein nicht irremachen ließ und darauf beharrte, dass Jahwe trotz allem die Welt regiere und das in Bälde beweisen werde“, die der „Miniaturprophetie des Obadja“ zur Aufnahme in das Zwölfprophetenbuch verhalf.

4.6. Stellung im Zwölfprophetenbuch

In der Hebräischen Bibel steht Obadja an vierter Stelle des → Zwölfprophetenbuchs, zwischen → Amos und → Jona. Die engen, wörtlichen Bezüge von Obadja auf Am 9 hat bes. Nogalski herausgestellt (61-74). Dies dürfte signalisieren, dass Obadja die Amos-Visionen vom Untergang Israels um eine weitere ergänzen will, die den Untergang Edoms darstellt. Das unmittelbar folgende Jonabuch wiederum zeigt, dass auch die Völker dem göttlichen Gericht entgehen können.

In der → Septuaginta kommt Obadja erst an fünfter Stelle, nach Hosea, Amos, Micha und Joel, wiederum gefolgt von Jona. Bei dieser Buchfolge wird besonders das Joel und Obadja gemeinsame Thema des „Tages Jahwes“ hervorgehoben (vgl. Jones, 194-199, 239-242; Sweeney). Obwohl die Septuaginta-Abfolge gelegentlich für ursprünglich gehalten wird, spricht alles dafür, dass der griechische Übersetzer die ihm vorliegende hebräische Abfolge änderte, um die Propheten Hosea, Amos und Micha zu einem geschlossenen Block zusammenzufügen, die zum einen auf Grund der Datierung und zum anderen deshalb auf das Engste zusammengehören, weil sie primär das Nordreich Israel adressieren (Schart, → Zwölfprophetenbuch 2.2.).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Herders Neues Bibellexikon, Freiburg u.a. 2008
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (im Internet)

2. Kommentare

  • Barton, J., 2001, Joel and Obadiah (OTL), Louisville u.a.
  • Jeremias, Jörg, 2007, Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha (ATD 24,3), Göttingen
  • Raabe, P. R., 1996, Obadiah (AB 14D), New York u.a.
  • Rudolph, W., 1971, Joel – Amos – Obadja – Jona (KAT XIII,2), Gütersloh
  • Wolff, H. W., 1977, Dodekapropheton: Obadja und Jona (BK XIV,3), Neukirchen-Vluyn

3. Weitere Literatur

  • Dietrich, W., 1994, Art. Obadja, Obadjabuch, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 24, Berlin / New York, 715-720
  • Jeremias, Jörg, 2006, Zur Theologie Obadjas, in: R. Lux u.a. (Hg.), Die unwiderstehliche Wahrheit (FS A. Meinhold), Leipzig, 269-282
  • Jones, B. A., 1995, The Formation of the Book of the Twelve: A Study in Text and Canon (SBL.DS 149), Atlanta, GA
  • Köckert, M., 2003, Art. Obadja / Obadjabuch, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Bd. 6, Tübingen, 442-444
  • Lescow, Th., 1999, Die Komposition des Buches Obadja, ZAW 111, 380-398
  • Nogalski, J. D., 1993, Redactional Processes in the Book of the Twelve (BZAW 218), Berlin / New York
  • Schart, A., 2008, Art. Zwölfprophetenbuch, in: Wissenschaftliches Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de) (Zugriff: 15.2.2009)
  • Sweeney, M. A., 2000, Sequence and Interpretation in the Book of the Twelve, in: Nogalski, J. / Sweeney, M. A. (Hgg.), Reading and Hearing the Book of the Twelve (SBL Symposium Series 15), Atlanta, 49-64
  • Wöhrle, J., 2008, Der Abschluss des Zwölfprophetenbuches (BZAW 389), Berlin u.a.
  • Zenger, E., 2006, Das Zwölfprophetenbuch, in: ders. u.a., Einleitung in das Alte Testament, 6. Auflage, Stuttgart

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