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Name / Namensgebung (AT)

(erstellt: Juli 2018)

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1. Einführung

Innerhalb eines sprachlichen Systems gehören Namen zur Klasse der Substantive. Ein Eigenname (nomen proprium) erfüllt dabei die Funktion, eine konkrete Person, einen Ort oder einen Sachverhalt eindeutig zu benennen. Im Unterschied zu Gattungsnamen (nomina appellativa), die das damit bezeichnete Objekt (z.B. „Tisch“) mit bestimmten charakteristischen Eigenschaften in Verbindung bringen, funktionieren Eigennamen im Kontext einer konkreten sprachlichen Äußerung unabhängig von ihrer lexikalischen Bedeutung. Um einen Satz wie „Jonatan ist groß“ zu verstehen, spielt es keine Rolle, welche Bedeutung der Name → Jonatan hat.

Als wissenschaftliche Disziplin beschäftigt sich die Onomastik mit der Bildung von Namen und deren Bedeutung in ihrem jeweiligen soziokulturellen und religiösen Kontext. Mit Blick auf die hebräischen Personennamen des Alten Testaments geschieht das seit der (immer noch) grundlegenden Arbeit von → Martin Noth (1928) im größeren Horizont der vergleichenden Semitistik unter Einbeziehung der außerbiblischen Quellen. Dazu gehören neben den althebräischen Personennamen, die in Inschriften und Siegeln aus Israel, den Papyri aus der jüdischen Militärkolonie auf der ägyptischen Nilinsel → Elephantine sowie den aus babylonischen Geschäftsarchiven stammenden Keilschrifttafeln belegt sind, auch die Onomastika verwandter semitischer Sprachen (Aramäisch, Ugaritisch, Phönizisch-Punisch, Akkadisch, Arabisch, Eblaitisch, Amurritisch etc.).

Als Quelle für die althebräischen Personennamen unverzichtbar: J. Renz / W. Röllig (Hgg.), Handbuch der althebräischen Epigraphik, Darmstadt 1995-2003; einen knappen forschungsgeschichtlichen Überblick bietet Rechenmacher, 24-29, mit Verweis auf die einschlägige Fachliteratur.

Aus sprachhistorischer Perspektive zeigen sich Eigennamen tendenziell konservativ. Der Umstand, dass sie unabhängig von ihrer lexikalischen Bedeutung verwendet werden können, begünstigt, dass sich in ihnen – verglichen mit der zu einer bestimmten Zeit gesprochenen Sprache – Elemente älterer Sprachstufen erhalten und zwar sowohl in lexikalischer als auch in morphologischer Hinsicht. Die semitischen Personennamen im Allgemeinen und die alttestamentlichen hebräischen Eigennamen im Besonderen lassen hier ein Nebeneinander von archaischen und innovativen Elementen erkennen.

Was die Aussprache hebräischer Namen anbelangt, repräsentieren die aus dem frühen Mittelalter stammenden vokalisierten masoretischen Bibelhandschriften (→ Bibeltext / Textkritik) ein vergleichsweise spätes Sprachstadium. Für eine Rekonstruktion vormasoretischer Aussprachetraditionen ist man neben der Wiedergabe hebräischer Namen in syllabischer Keilschrift in erster Linie auf die griechischen Transkriptionen in der → Septuaginta und bei → Origenes angewiesen.

Neben hebräischen Namen finden sich im Alten Testament auch eine Reihe von Eigennamen, die nicht hebräischen Ursprungs sind und zum Teil in lautlich mehr oder weniger stark entstellter Form wiedergegeben werden.

Vgl. beispielhaft אָסְנַפַּר ’åsnappar („Asenappar“) als Wiedergabe des akkadischen Satznamens Aššur-bāni-apli („Assur ist der Erschaffer des Erbsohns“) und בֵּלְשַׁאצַּר belša’ṣṣar als Wiedergabe des ebenfalls akkadischen Namens Bel-šar[ra]-uṣur („Bel, bewahre den König“).

Vor dem Hintergrund des durch die epigraphischen Quellen als authentisch ausgewiesenen hebräischen Nameninventars lässt sich im Alten Testament eine Reihe „künstlich“ gebildeter Eigennamen abheben, die als Produkt schriftgelehrter Konstruktion bzw. schriftstellerischer Erfindung anzusprechen sind, auch wenn die Abgrenzung im Einzelfall schwierig ist (vgl. Noth, 9; Rechenmacher, 19f.). Neben den aus der prophetischen Überlieferung bekannten → Symbolnamen (vgl. Hos 1,4-9; Jes 7,3; Jes 7,14; Jes 8,1.3) gehören insbesondere sog. „sprechende“ Namen zur Gruppe der „künstlichen“ Personen im Alten Testament (vgl. ausführlich Mathys).

Beispielhaft sei hier nur auf zwei Namen aus dem → Rutbuch verwiesen. In Rut 1,2 werden die Söhne der Noomi mit den Namen מַחְלוֹן maḥlôn („Kränklicher“) und כִּלְיוֹן kiljôn („Schwächlicher“) eingeführt, nur um – wie anhand des Namens nicht anders zu erwarten – drei Verse später in Rut 1,5 schon wieder zu sterben.

2. Personennamen

Die alttestamentlichen hebräischen Personennamen lassen sich ihrer grammatikalischen Form nach in zwei große Gruppen unterteilen: Wortnamen und Satznamen (vgl. so schon Noth, 12; für das Folgende vgl. auch die kleinteilige Taxonomie bei Rechenmacher, 33-50.109-182).

2.1. Wortnamen

Zu den Wortnamen zählen:

a) Namen, die aus nur einem Nomen mit profaner Bedeutung bestehen (Einwortnamen) und

b) Namen, die mit zwei Nomina in Form einer Genitivverbindung oder – selten – mit einem Präpositionalausdruck gebildet werden (zweigliedrige Wortnamen).

2.1.1. Einwortnamen

Einwortnamen bestehen nur aus einem Nomen und haben stets profane Bedeutung ohne theophoren Bezug. Als Personennamen werden gebraucht (vgl. Noth, 221-232; Rechenmacher, 166-182):

Lallwörter, meist Bildungen mit Konsonantenreduplikation:

Beispiel: בֵּבַי bevaj („Bebai“).

● Substantive konkreten und abstrakten Inhalts:

Beispiel: נַעֲַרָה na‘ărāh (n.pr.f. „Mädchen“); חֶבֶר ḥævær (n.pr.m. „Gefährte“); פְּנִנָּה pəninnāh (n.pr.f. „Koralle“); שֹׁהַם šoham (n.pr.m. „Onyx“); מִבְחָר mivḥār (n.pr.m. „Bestes“).

Hierher gehören auch verschiedene Tier- und Pflanzennamen:

Beispiele: שָׁפָן šāpān (n.pr.m. „Klippdachs“); יוֹנָה jônāh (n.pr.m. „Taube“); יָעֵל jā‘el (n.pr.f. „Steinbock“); חֻלְדָּה ḥuldāh (n.pr.f. „Stumpfschnauzenmull“); תָּמָר tāmār (n.pr.f. „Dattelpalme“); אֵלוֹן ’elôn (n.pr.m. „großer Baum“).

● Adjektive und Partizipien, zur Bezeichnung von körperlichen oder geistigen Eigenschaften des Namenträgers bzw. anderweitiger bemerkenswerter Umstände in Bezug auf die Geburt oder die Herkunft:

Beispiele: קָרֵחַ qāreaḥ (n.pr.m. „Kahlköpfiger“); עֵר ‘er (n.pr.m. „Wachsamer“); עֵינָן ‘ênān (n.pr.m. „Großäugiger“); חַגַּי ḥaggaj (n.pr.m. „der am Fest geborene“); חַגִּית ḥaggit (n.pr.f. „die am Fest geborene“); יְהוּדִי jəhûdî (n.pr.m. „Judäer“); יְהוּדִית jəhûdît (n.pr.mf. „Judäerin“); שָׁאוּל šā’ûl (n.pr.m. „der Erbetene“).

2.1.2. Theophore Elemente

Abgesehen von den Einwortnamen haben nahezu alle alttestamentlichen Personennamen theophoren Bezug. Als Bestandteil zweigliedriger Namen nimmt das theophore Element bei Wortnamen die Position des nomen rectum einer Constructusverbindung ein, bei Satznamen fungiert es als Subjekt.

Eindeutig als theophores Element zu erkennen sind die aus dem Gottesnamen יהוה JHWH (→ Jahwe) verkürzten Namensbestandteile, die je nach Position die folgenden Formen annehmen:

● In Erstposition: -יְהוֹ jəhô oder יוֹ [Defektivschreibung: -יֹ jo-],

● In Endposition: יָהוּ jāhû oder יָה jāh,

Als theophore Elemente begegnen in israelitischen Personennamen außerdem:

● die Gottesbezeichnungen אֵל ’el „Gott“ (→ El),

● die Verwandtschaftsbezeichnungen אָב ’āv „Vater“, אָח ’āḥ „Bruder“ und עַם ‘am „Vaterbruder“,

● die Hoheitsbezeichnungen אָדוֹן ’ādôn „Herr“, בַּעַל ba‘al „Herr“ (→ Baal) und מֶלֶךְ mælækh „König“ sowie

● metaphorische Ausdrücke wie צוּר ṣûr „Fels“, עֶזֶר ‘æzær „Hilfe“ und שֵׁם šem „Name“.

Ein Problem ist, dass – abgesehen von den aus dem Gottesnamen Jahwe verkürzten eindeutig theophoren Elementen – die anderen eben genannten Bezeichnungen neben ihrer theophoren grundsätzlich auch konkret-substantivische Bedeutung haben können, אֵל ’el also sowohl den Gottesnamen El als auch die Gattungsbezeichnung „Gott“ meinen kann. Daraus resultieren Unsicherheiten bei der Namensinterpretation, insbesondere bei Nominalsatznamen, die aus zwei Substantiven mit potentiell theophorer Bedeutung gebildet sind (vgl. dazu unten 2.2.1.).

Für die theophoren Elemente folgender mitunter nicht sicher zu deutender Namen lässt sich im Einzelfall nicht immer eindeutig entscheiden, ob ein Göttername oder ein Epitheton vorliegt (vgl. Rechenmacher, 107f.): עֹבֵד־אֱדוֹם ‘oved-’ädôm („Diener des Edom“); עַזְגָּד ‘azgād („Stark ist Gad“); הֲדוֹרָם hǎdôrām („Hadad ist erhaben“); חֵנָדָד ḥenādād („Gnade Hadads“); יְמוּאֵל jəmû’el (? „Jamm[u] ist Gott“); אֲבִיָּם ’ǎvîjām (? „[Mein] Vater ist Jamm[u]“); עַזְמַוֶת ‘azmawæt („Stark ist Mot“); צְלָפְחָד ṣəlåfḥād (? „[im] Schatten Pachads“); בֶּן־עֲנָת bæn-‘ǎnāt (? „Sohn der Anat“); שְׁדֵיאוּר šədê’ûr („Schaddaj ist Licht“); צוּרִישַׁדַּי ṣûrîšaddaj („Fels ist Schaddaj“) / עַמִּישַׁדַּי ‘ammîšaddaj („Vaterbruder ist Schaddaj“).

2.1.3. Zweigliedrige Wortnamen

Bei der zweiten Art der Wortnamen handelt es sich zumeist um Genitivverbindungen (Constructusverbindung), in denen ein Nomen (nomen regens) durch ein zweites Nomen im Genitiv (nomen rectum) näher bestimmt wird. Solche Genitivverbindungen als Wortnamen sind im Alten Testament zwar gut belegt, aber nicht besonders häufig.

Als nomen regens im status constructus begegnen typischerweise Nomina, die ein Verhältnis der Verwandtschaft, Zugehörigkeit bzw. Abhängigkeit oder Zuneigung ausdrücken: z.B. Verwandtschaft / Zugehörigkeit: בֶּן־ ben „Sohn des …“; בַּת־ bat „Tochter des …“; Zugehörigkeit und Abhängigkeit: עֶבֶד־ ‘ævæd „Diener des …“; אִישׁ־ ’îš „Mann des …“; נְעַר־ nə‘ar „Knappe des …“; מַתַּן־ mattan „Gabe des …“; Zuneigung: יְדִיד־ jədîd „Geliebt von …“).

Als nomen rectum finden sich dann zumeist theophore Elemente (Götternamen oder entsprechende Appellativa). Der Gottesname Jahwe wird (→ Jahwe) dabei – wie immer in Endposition – verkürzt wiedergegeben, entweder als יָהוּ jāhû oder יָה jāh.

Beispiele für zweigliedrige Wortnamen: בִּנְיָמִין binjāmîn (n.pr.m. „Sohn des Süden“, in Gen 35,18 im Gegensatz zu בֶּן־אוֹנִי bæn-’ônî „Sohn meines Unglücks“ als „Sohn des Glücks“ etymologisiert); בַּת־שֶׁבַע bat-šæva‘ (n.pr.f. „Tochter der Fülle / Üppige“); עֹבַדְיָהוּ ‘ovadjāhû / עֹבַדְיָה ‘ovadjāh (n.pr.m. „Diener Jahwes“); עַבְדְּאֵל ‘avdə’el (n.pr.m. „Diener Els / Gottes“); עֶבֶד־מֶלֶךְ ‘ævæd-mælækh (n.pr.m. „Diener des [göttl.] Königs“); נְעַרְיָה nə‘arjāh (n.pr.m. „Knappe Jahwes“); מַתַּנְיָהוּ mattanjāhû / מַתַּנְיָה mattanjāh (n.pr.m. „Gabe Jahwes“); יְדִידְיָה jədîdjāh (n.pr.m. „Geliebt von Jahwe“); אֶשְׁבַּעַל ’ešba‘al (n.pr.m. „Mann Baals“).

Die Abgrenzung der zweigliedrigen Wortnamen zu den Nominalsatznamen (s.u.) ist nicht immer sicher, besonders dann nicht, wenn sich beim nomen regens der status constructus morphologisch vom status absolutus nicht unterscheidet. In solchen Fällen ist man auf formale Indizien und semantische Erwägungen angewiesen (vgl. dazu Rechenmacher, 42-43).

So wird man den o.g. Namen עֶבֶד־מֶלֶךְ ‘ævæd-mælækh nur schwerlich als Nominalsatz „Ein Knecht ist der [göttl.] König“ interpretieren, vor allem dann nicht, wenn in מֶלֶךְ mælækh ein theophores Element vorliegt. Als positives Kriterium, das die Interpretation eines Namens als Nominalsatz nahelegt, dienen Rechenmacher (42) Belege, in denen ein und dasselbe Element sowohl in Erst- als auch in Zweitposition steht. Als Beispiel nennt er das epigraphisch belegte Gbryhw (HAE II/1 63), für das eine Interpretation als Constructusverbindung („Held Jahwes“) oder als Nominalsatz („Jahwe ist [mein] Held“) möglich wäre. Da gbr im edomitischen Namen Qwsgbr auch in Zweitposition nach dem Götternamen Qws stehen kann, spricht Rechenmacher sich auch im Fall von Gbrjhw für eine Deutung als Nominalsatz aus.

Auffällig ist, dass im Vergleich zu Namen wie בֶּן־הֲדַד bæn-Hădad (n.pr.m. „Sohn des Hadad“) Bildungen wie בֶּן־יָהוּ bæn-jāhû* („Sohn Jahwes“) oder בַּת־יָהוּ bat-jāhû* („Tochter von Jahwe“) mit Jahwe als theophorem Element fehlen (vgl. Liwak, 750; Rechenmacher, 161).

Zu den zweigliedrigen Wortnamen gehören neben den Constructusverbindungen auch einige wenige Namen, in denen die Beziehung zur Gottheit durch eine Präpositionalphrase ausgedrückt wird, als deren Subjekt der im Namen selbst nicht erwähnte Namenträger zu denken ist, z.B. בְּצַלְאֵל bəzal’el n.pr.m. („Im Schatten / Schutz von El“). Weitere Beispiele bei Rechenmacher, 166.

2.2. Satznamen

Satznamen bilden verglichen mit den Wortnamen die bei weitem umfangreichere Gruppe der alttestamentlichen Personennamen. Im Unterschied zu Wortnamen (z.B. „Diener des XY“), bei denen stärker die Person des Namenträgers im Blick ist, liegt der Fokus in Satznamen (z.B. „Jahwe ist Heil“) zumeist auf dem göttlichen Subjekt (vgl. Rechenmacher, 34). In grammatikalischer Hinsicht wird bei Satznamen zwischen Nominalsatznamen und Verbalsatznamen unterschieden. Das hebräische Nameninventar kennt für beide Typen meist nur einfache Konstruktionen mit zwei Satzgliedern: Subjekt (S) und Prädikat (P).

Die Stellung der beiden Satzglieder ist dabei grundsätzlich nicht festgelegt, sodass die beiden folgenden Grundschemata möglich sind:

a) S—P: z.B. יוֹאָב jô’āv, n.pr.m. „Jahwe ist Vater“ (Nominalsatz); יְהוֹנָתָן jəhônātān / יוֹנָתָן jônātān, n.pr.m. „Jahwe hat gegeben“ (Verbalsatz);

b) P—S: z.B. אֲבִיָּהוּ ’ǎvîjāhû / אֲבִיָּה ’ǎvîjāh, n.pr.m. „[Mein] Vater ist Jahwe“ (Nominalsatz); נְתַנְיָהוּ nətanjāhû / נְתַנְיָה nətanjāh, n.pr.m. „Gegeben hat Jahwe“ (Verbalsatz).

In anderen semitischen Sprachen begegnen hier durchaus komplexere Bildungstypen mit mehreren Satzgliedern. Vgl. etwa akkadische Namen wie dSin-apla-iqīša (Stamm 1939, 139) „Sin schenkte mir einen Erben“ oder dAššur-bāni-apli (Stamm 1939, 217) „Assur ist der Erschaffer des Erbsohns“.

Da es sich dabei im Unterschied zu den ebenfalls mit zwei Nomina gebildeten Genitivverbindungen grammatikalisch um eigenständige Sätze handelt, geben Satznamen keine Auskunft über das Geschlecht der mit ihr benannten Person (vgl. den Namen אֲבִיָּה ’ǎvîjāh „[Mein] Vater ist Jahwe“, der im Alten Testament als männlicher und weiblicher Personenname gebraucht wird (vgl. z.B. 1Chr 3,10 für den Sohn Rehabeams und 2Chr 29,1 für Hiskias Mutter).

Ungeachtet ihrer grammatikalischen Konstruktion als Satz werden sie syntaktisch als Nomen behandelt, wobei das erste Element – und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Nomen oder ein Verb handelt – in der tiberiensischen Vokalisationstradition regelhaft dieselben lautlichen Veränderungen erfährt wie das nomen regens einer Constructusverbindung.

Durch ihren theophoren Charakter präsentieren sich die Satznamen generell als religiöse Äußerungen. Im Horizont der mit der Geburt eines Kindes verbundenen Wünsche, Hoffnungen, Ängste und Probleme lassen ihre Aussagen ganz allgemein die Absicht zu erkennen, dass man sich der Macht der Gottheit, ihrer Nähe und Hilfe, ihres Wohlwollens, Beistandes und Schutzes vergewissern wollte. Die in den einzelnen Formen der Satznamen belegten nominalen wie verbalen Prädikate lassen sich im Wesentlichen den damit angesprochenen Wortfeldern zuordnen.

2.2.1. Nominalsatznamen

In der hebräischen Grammatik werden Nominalsätze üblicherweise als Sätze ohne finites Verb definiert. Dementsprechend bestehen Nominalsatznamen in ihrer einfachsten Form aus zwei Nomina: neben ein theophores Element (ein Göttername oder entsprechendes Appellativum) als Subjekt tritt als Prädikat ein zweites Nomen in Form eines Substantivs oder eines diesem äquivalenten Vertreters (Pronomen, Adjektiv, Partizip, Präpositionalphrase). Hinsichtlich der Wortstellung sind sowohl die Stellung SP als auch PS belegt.

Als Besonderheit hinsichtlich der Bildung auffällig ist das weitestgehende Fehlen des Artikels sowie das häufig zwischen den beiden Namenselementen anzutreffende /-î-/ (z.B. אֵלִיָּהוּ ’elîjāhû, → Elia). Bei Letzterem handelt es sich vermutlich um einen Fugenvokal und nicht um das Pronominalsuffix der 1. Person im Singular (vgl. Rechenmacher, 57-60 und zuletzt ausführlich Golinets). Es ist aber keineswegs auszuschließen, dass im Laufe der Textgeschichte der Fugenvokal in Namen wie אֵלִיָּהוּ ’elîjāhû nicht doch als Suffix im Sinne von „Mein Gott ist Jahwe“ verstanden wurde.

In den Prädikationen der Nominalsatznamen (Typ 1: „S ist P“ oder Typ 2: „P ist S“) finden zunächst dieselben Gottes-, Verwandtschafts- und Hoheitsbezeichnungen Verwendung, die auch als theophore Elemente fungieren können. Als Beispiele seien genannt:

● Mit Prädikat in Erststellung: אֵלִיָּהוּ ’elîjāhû / אֵלִיָּה ’elîjāh („[Mein] Gott ist Jahwe“); אֲבִיּהוּ ’āvîjāhû / אֲבִיּה ’āvîjāh („[Mein] Vater ist Jahwe“); אֲחִיָּהוּ ’ǎḥîjāhû / אֲחִיָּה ’ǎḥîjāh („[Mein] Bruder ist Jahwe“); אֲדֹנִיָּהוּ ’ǎdonîjāhû / אֲדֹנִיָּה ’ǎdonîjāh („[Mein] Herr ist Jahwe“); בְּעַלְיָה bə‘aljāh („Herr ist Jahwe“); מַלְכִּיָּהוּ malkîjāhû / מַלְכִּיָּה malkîjāh („[Mein] König ist Jahwe“); עַמִּישַׁדַּי ‘ammîšaddaj („[Mein] Vaterbruder ist Schaddaj“).

● Mit Prädikat in Zweitstellung: יוֹאֵל jô’el („Jahwe ist Gott“); יוֹאָב jô’āv („Jahwe ist Vater“); יוֹאָח jô’āḥ („Jahwe ist Bruder“); אֱלִיעָם ’älî‘ām („El ist Vaterbruder“); אֱלִימֶלֶךְ ’älîmælækh („El ist König“).

Für weitere Beispiele vgl. Rechenmacher, 109-112.

Während bei den jahwehaltigen Namen üblicherweise angenommen wird, dass Jahwe das Subjekt ist, lässt sich bei den nicht-jahwehaltigen Beispielen nicht eindeutig bestimmen, welches der beiden Elemente Subjekt und damit theopor zu deuten ist. Üblicherweise wird diese Frage im Anschluss an Noth (20) über die Erststellung entschieden. Da die Wortstellung jedoch grundsätzlich frei ist (vgl. die Beispiele mit Jahwe), lässt sich hier keine Sicherheit erreichen. Grundsätzlich ließen sich Nominalsatznamen mit zwei theophoren Elementen auch im Sinne einer „Gleichsetzungstheologie“ (z.B. „Jahwe = El“, oder „Jahwe = Baal“) interpretieren (so Schüle, 236-238).

Daneben begegnen in den Namen noch weitere Substantive, die bestimmte Qualitäten der Gottheit hervorheben bzw. auf konkrete oder metaphorische Weise die Nähe der Gottheit, den (bereits erfahrenen oder erhofften) göttlichen Schutz und das von der Gottheit ausgehende Wohlergehen zum Ausdruck bringen. Folgende Namen mögen als Beispiel dienen:

● Mit Prädikat in Erststellung: אוּרִיָּהוּ ’ûrîjāhû („Licht ist Jahwe“); עֻזִּיָּהוּ ‘uzzîjāhû („[Meine] Stärke ist Jahwe“); מַעַזְיָהוּ ma‘azjāhû / מַעַזְיָה ma‘azjāh („Zufluchtsort ist Jahwe“).

● Mit Prädikat in Zweitstellung: אֱלִיעֶזֶר ’älî‘æzær („El ist Hilfe“); יוֹעֶזֶר jô‘æzær („Jahwe ist Hilfe“); אֱלִיפֶלֶט ’älîfælæt („El ist Rettung“); יְהוֹשׁוּעַ jəhôšûa‘ („Jahwe ist Rettung“).

Für weitere nach semantischen Klassen geordnete Beispiele vgl. Rechenmacher, 114-120.

Zu den vergleichsweise wenigen alttestamentlich belegten Nominalsatznamen, in denen eine Präpositionalverbindung prädikative Funktion hat, zählen neben dem Symbolnamen עִמָּנוּ אֵל ‘immānû ’el („Gott ist mit uns“) Namen wie אִיתִיאֵל ’îtî’el („El / Gott ist mit mir“) oder אֶליְהוֹעֵינַי ’äljəhô‘ênaj („Zu Jahwe hin sind meine Augen“). Erwähnung verdienen auch die in Form rhetorischer Fragen formulierten Namen wie מִיכָאֵל mîkhā’el bzw. מִיכָיָהוּ mîkhājāhû / מִיכָיָה mîkhājāh („Wer ist wie El / Jahwe“). Hier wird die Unvergleichlichkeit der Gottheit herausgestellt. Ähnliches gilt für Namen wie אִיכָבוֹד ’ikhāvôd („Wo ist Ehre?“).

Sehr selten und eher spät anzusetzen sind Nominalsatzamen mit prädikativen Partizipien, wie sie in Namen wie מְשֵׁיזַבְאֵל məšêzav’el („Ein Retter ist El / Gott“), מְהֵיטַבְאֵל məhêṭav’el („Ein Wohltäter ist El / Gott“) oder מְשֶׁלֶמְיָהוּ məšælæmjāhû / מְשֶׁלֶמְיָה məšælæmjāh („Ein Ersetzender ist Jahwe“) belegt sind (vgl. Noth, 31; Stamm 1971, 805); die Partizipien der ersten beiden zeigen dabei aramäischen Einfluss. Ebenfalls sehr selten sind Namen mit prädikativem Adjektiv bzw. lassen sie sich aufgrund der Formenübereinstimmung mit finiten Verbformen der 3.sg.m. Perfekt nicht mit Sicherheit nachweisen (Rechenmacher, 123, nennt als einzigen sicheren Beleg יְהוֹעַדָּן jəhô‘addān „Jahwe ist wonnevoll“).

2.2.2. Verbalsatznamen

Die Masse der alttestamentlich belegten Verbalsatznamen besteht nur aus einem theophoren Element als nominalem Subjekt und einer finiten Verbform der 3.sg.m. im Perfekt (auch: Suffixkonjugation) oder Imperfekt (auch: Präformativkonjugation) als Prädikat, in der Regel im Grundstamm und ohne Objektsuffixe. Von diesem Grundmuster abweichende Bildungstypen bleiben in ihrer Analyse unsicher (vgl. dazu Rechenmacher, 49f. mit Beispielen).

Die Wortstellung in den Verbalsatznamen ist wie bei den Nominalsatznamen grundsätzlich frei, es findet sich sowohl Verbanfangsstellung als auch Verbendstellung. Demnach ergeben sich folgende vier Grundtypen:

(a) {Perfekt} — {Nomen} (P—S) שְׁמַעְיָהוּ šəma‘–jāhû / שְׁמַעְיָה šəma‘–jāh „Erhört hat Jahwe“,

(b) {Nomen} — {Perfekt} (S—P) אֱלִישָׁמָע ’älî–šāmā‘ „El hat erhört“,

(c) {Imperfekt} — {Nomen} (P—S) יִשְׁמָעֵאל jišmā‘–’el „Erhört hat El“,

(d) {Nomen} — {Imperfekt} (S—P) יְהוֹיָקִים jǝhô–jāqîm „Jahwe hat aufgerichtet“.

Am häufigsten sind die mit Perfektformen gebildeten Namen, wobei im Alten Testament Typ (a): {Perfekt}—{Nomen} etwas häufiger belegt ist als der umgekehrte Typ (b): {Nomen}—{Perfekt}. Das entspricht im Wesentlichen auch dem Befund, der sich aus dem althebräischen epigraphischen Material erheben lässt (vgl. die Übersicht bei Schüle, 243-245).

Insgesamt weniger zahlreich als die Namen mit Perfekt sind die mit Imperfekt gebildeten Satznamen. Aus sprachhistorisch vergleichender Perspektive findet sich die Wortstellung von Typ (c): {Imperfekt}–{Nomen} in den westsemitischen onomastischen Quellen des 2. Jt.s am häufigsten. Auch im althebräischen epigraphischen Material sind die Satznamen mit der Reihenfolge {Imperfekt}—{Nomen} neben der Formation mit Verbendstellung gut belegt (vgl. die Übersicht bei Schüle, 240-242). Demgegenüber fällt auf, dass Personennamen vom Typ (d): {Nomen}–{Imperfekt} im Alten Testament sehr selten sind und in der alttestamentlichen Darstellung in der Mehrzahl auf die späte Königszeit und die nachexilische Epoche beschränkt bleiben.

Was die Übersetzung der Verbalsatznamen anbelangt, kann es als unstrittig gelten, dass Perfektformen bei Aktionsverben einen vergangenen Sachverhalt darstellen, bei Zustandsverben kann Perfekt auch einen generellen Sachverhalt bezeichnen. Im Blick auf die mit Imperfekt gebildeten Namen hat sich – entgegen der von Noth 1928 vertretenen Auffassung, der diese generell als Wunschnamen interpretiert hatte –, im Anschluss an die Arbeiten von J.J. Stamm mittlerweile die Auffassung durchgesetzt, dass diese ebenfalls präterital zu übersetzen sind (vgl. Stamm, 63): Die Namen אֱלִישָׁמָע ’älî-šāmā‘ und יִשְׁמָעֵאל jišmā‘-’el sind also beide mit „El hat gehört“ zu übersetzen.

Sprachgeschichtlich gesehen ist die präteritale Funktion des Imperfekts ein archaisches, aus dem Altwestsemitischen ererbtes Element, das sich in den Personennamen erhalten hat (vgl. Schüle, 239f., Rechenmacher, 88f.). Auch die bereits von Noth gemachte Beobachtung, dass sich in den Personennamen bisweilen Verbwurzeln im Grundstamm finden, wo man nach dem sonst üblichen Gebrauch Dopplungs- oder Kausativstamm erwarten würde, lässt sich als archaischer Zug interpretieren (vgl. Noth, 36; Rechenmacher, 89-98).

Inhaltlich bringen die Verbwurzeln, die in den Verbalsatznamen das Prädikat bilden, das gesamte Spektrum der mit der Situation der Geburt zusammenhängenden Themen zur Sprache.

Die Gottheit wird u.a. als „zuverlässig“ (אמן ’mn), „stark“ (אמץ ’mṣ, גבר gbr, חזק ḥzq, עזז ‘zz), „edel“ (נדב ndb), „groß“ (גדל gdl, רבב rbb), „erhaben“ (עתל ‘tl, רום rûm), „gerecht“ (ישׁר jšr, צדק ṣdq) bezeichnet; sie hat sich als Herrscher erwiesen (מלך mlk, יכל jkl), sie hat „sich gefreut“ (גיל gîl), ist „aufgestrahlt“ (זרח zrḥ), „erschienen“ (ענן ‘nn), hat „gescherzt“ (צחק ṣḥq) oder „sich beruhigt“ (שׁבח šbḥ); es finden sich Aussagen, dass sie „gekommen ist“ (אתה ’tw), „aufgestanden ist“ (קום qûm), „umgekehrt ist“ (שׁוב šûb), „Wohnung genommen hat“ (שׁכן škn).

Beispiele: אֲמַצְיָּהוּ ’ǎmaṣjāhû / אֲמַצְיָּה ’ǎmaṣjāh („Stark ist Jahwe“); גְּדַלְיָהוּ gǝdaljāhû / גְּדַלְיָה gǝdaljāh („Jahwe ist groß“); יְחֶזְקֵאל jǝḥæzqe’l („Gott ist stark“); יְרֻבַּעַל jǝrubba‘al („Baal ist groß“); יְהוֹצָדָק jǝhôṣādāq („Jahwe ist gerecht“).

Verschiedene Verben setzen dabei ein Objekt voraus, das in den hebräischen Personennamen allerdings nie expliziert wird. Als implizite Objekte sind anzunehmen:

das Kind, bei Verben, die das göttliche Schöpfungshandeln thematisieren (z.B. mit Verbwurzeln בנה bnj, ברא br’, זרע zr‘, כון kûn, עשׂה ‘śj), ebenso bei Verben des Gebens und Schenkens (נתן ntn, יאשׁ j’š),

Beispiele: בְּנָיָהוּ bǝnājāhû / בְּנָיָה bǝnājāh („Jahwe hat [scil. das Kind] gebaut“); נְתַנְיָהוּ nǝtanjāhû / נְתַנְיָה nǝtanjāh („Jahwe hat [scil. das Kind] gegeben“); als indirektes Objekt sind die Eltern zu denken.

● der Mutterschoß (פתח ptḥ) bezogen auf die göttliche Hilfe bei der Geburt,

Beispiele: פְּתַחְיָה pǝtaḥja („Jahwe hat [scil. den Mutterleib] geöffnet“).

● die Klagen / Bitten bzw. Not der Kinderlosen, in Verben, die davon sprechen, dass die Gottheit „gehört“ (אזן ’zn, שׁמע šm‘), „gesehen“ (חזה ḥzj, נבט nbṭ, פקח pqḥ, ראה r’j), „erkannt“ (בין bîn, ידע jd‘, זכר zkr) und darauf reagiert hat, indem sie „antwortet“ (ענה ‘nj) oder die Bitte „erfüllt“ (גמר gmr, מלא ml’),

Beispiele: שְׁמַעְיָהוּ šəmā‘jāhû / שְׁמַעְיָה šəmā‘jāh („Jahwe hat [scil. die Klage / Bitte] erhört“); יְהוֹיָדָע jǝhôjādā‘ („Jahwe hat [scil. die Klage / Not] erkannt“).

● das verstorbene Familienmitglied, für das die Gottheit durch die Geburt eines Kindes „Ersatz“ (שׁלם šlm, סלא sl’, שׁוב šûb Hif., קום qûm Hif.) geschaffen hat (sog. „Ersatznamen“),

Beispiele: שֶׁלֶמְיָה šælæmjāh („Jahwe hat [scil. den Verstorbenen] ersetzt“); אֱלְיָשִׁיב ’æljāšîv („El hat [scil. den Verstorbenen] zurückgebracht“).

● die Eltern / Familie bzw. Einzelpersonen aus dem Kreis der Familie in der großen Masse von Namen, deren Verben die heilvolle göttliche Zuwendung auf unterschiedliche Weise thematisieren. Sie sprechen u.a. davon, dass die Gottheit „gesegnet“ (ברך brk), „bewahrt“ (שׁמר šmr), „gerettet“ (פלט plṭ), „geholfen“ (עזר ‘zr) oder „geheilt“ (רפא rp’) hat; sie hat „Erbarmen erwiesen“ (חנן ḥnn) und „Recht verschafft“ (שׁפט špṭ), indem die Geburt als „Freispruch“ von der als Strafe empfundenen Kinderlosigkeit verstanden wurde (vgl. Gen 30,1-6).

Beispiele: שְׁמַרְיָהוּ šǝmarjāhû / שְׁמַרְיָה šǝmarjāh („Jahwe hat [scil. die Familie] behütet“); חֲנַנְיָהוּ ḥǎnanjāhû / חֲנַנְיָה ḥǎnanjāh („Jahwe hat sich [scil. der Familie] erbarmt“).

Für weitere Beispiele siehe die kleinteilig nach Verbvalenz und Semantik organisierten Listen bei Rechenmacher, 125-161.

2.3. Kurzformen

Wie in anderen Sprachen gibt es auch im Alten Testament eine Reihe abgekürzter Namen. Sie lassen sich auf die mehrgliedrigen Namensformen (also zweigliedrige Wortnamen, Nominal- und Verbalsatznamen) zurückführen, wobei im einfachsten Fall nur das theophore Element weggelassen wird (z.B. שָׁמָע šāmā‘). Daneben kann es auch zu Veränderungen im Bildungstyp (z.B. שָׁמוּעַ šāmûa‘) kommen oder an die Kurzformen treten sog. hypokoristische Endungen (vgl. Rechenmacher, 37f.63-70). Die häufiger anzutreffenden hypokoristischen Endungen sind:

-āh / ’, z.B. שִׁמְעָא šim‘ā’,

, z.B. שִׁמְעִי šim‘î,

-aj, z.B. שַׁמַּי šammaj,

-ān / -ōn, z.B. שִׁמְעוֹן šim‘ôn.

Als hypokoristische Endungen seltener belegt und in ihrer Funktion teilweise umstritten sind: ō, at, ōt, al, ajl, ām / ōm sowie auch Kombinationen wie ān ī und at-aj (Näheres bei Rechenmacher, 66).

šāmā‘

šāmûa‘

šim‘ā’

šim‘î und

šim‘ôn

šm‘ gebildete

šəma‘jāhû

’älîšāmā‘

šammaj oder

šammôt

3. Ortsnamen

Die hebräischen Ortsnamen unterscheiden sich in ihrer Bildung nicht grundsätzlich von den Personennamen (vgl. zum Folgenden immer noch grundlegend Borée). In formaler Hinsicht lassen sich die alttestamentlichen hebräischen Ortsnamen unterteilen in:

a) Einwortnamen und

b) Namen, die aus zwei (gelegentlich mehr) Wörtern zusammengesetzt sind.

Innerhalb der zweiten Gruppe am häufigsten sind die Ortsnamen, in denen zwei (gelegentlich drei) Nomina in einer Genitivverbindung stehen. Daneben gibt es auch sehr selten adjektivische Fügungen (z.B. חָצוֹר חֲדַתָּה ḥāṣôr ḥǎdattāh „Neue Stadt“). Wie bei den Personennamen sind auch bei den Ortsnamen Verbalsatznamen belegt, allerdings nur vom Typ {Imperfekt}–{Nomen} (z.B. יִפְתַּח־אֵל jiftaḥ-’el „El / Gott öffnete“).

Bei den Genitivverbindungen dominieren mit בֵּית bêt (st.cs. zu בַּיִת bajit „Haus“) zusammengesetzte Ortsnamen (z.B. בֵּית־אֵל bêt-’el „Haus El / Gottes“, בֵּית־דָּגוֹן bêt-dāgôn „Haus Dagons“, בֵּית הָרָם bêt hārām „Haus der Höhe“). Die mit Götternamen verbundenen Ortsnamen lassen sich als Hinweis auf ursprüngliche Kultstätten deuten. Neben den mit בֵּית bêt gebildeten Ortsnamen begegnen als nomen regens aber auch andere Nomina, die oft mit der Geländestruktur bzw. Bodenschaffenheit zu tun haben; relativ häufig ist beispielsweise עַיִן ‘ajin „Quelle“ (z.B. in עֵין־גֶּדִי ‘ên-gædî „Böckchenquelle“; für weitere Beispiele vgl. Borée, 81-90). Selten finden sich Stammesnamen bei Toponymen (z.B. בְּנֵי־בְרַק bənê-vəraq „Söhne des Beraq“). Wie bei den Personennamen sind auch Kurzformen belegt (z.B. יַבְנֵה javneh als Kurzform zu יַבְנְאֵל javnǝ’el „El / Gott baute“).

Bei den Ortsnamen lässt sich generell feststellen, dass sie Aussagen zu topographischen Auffälligkeiten, sichtbaren Landmarken, zur Bodenbeschaffenheit, Flora und Fauna, zu Wasservorkommen, Befestigungsanlagen und dergl. enthalten.

Beispiele: רָמָה rāmāh („Höhe“); מִצְפָּה miṣpāh („Warte“); שְׁכֶם šəkhæm („[Gebirgs]schulter“, → Sichem); בֵּית־הַכֶּרֶם bêt-hakkæræm („Weinbergshausen“); גַּת רִמּוֹן gat-rimmôn („Kelter am Granatapfelbaum“); גִּלְגָּל gilgāl („Steinkreis“).

Für weitere Beispiele s. Übersicht bei Borée, 105-111.

4. Zur Namengebung im Alten Testament

Primärer Ort der Personennamengebung ist auch im Alten Testament die Geburt eines Kindes im Kontext der Familie. Nach biblischer Darstellung kann sowohl der Vater (vgl. Gen 4,26; Gen 5,3.28-29; Gen 16,15; Gen 38,3-4; Gen 41,51; Ex 2,22; Ri 8,31; 2Sam 12,24; Hi 42,14; 1Chr 7,23) als auch die Mutter (vgl. Gen 4,25; Gen 16,11; Gen 19,37-38; Gen 29,31-30,24; Gen 38,4-5, Ri 13,24; 1Sam 1,10; 1Sam 4,21; 1Chr 4,9; 1Chr 7,16) das Kind nach der Geburt benennen; das Geschlecht des Kindes spielt dabei anscheinend keine Rolle. Die meisten Benennungen durch die Mutter begegnen in den Geburtserzählungen, deren Interesse der Schwangerschaft, den Umständen der Geburt und der Namensätiologie gilt (→ Ätiologie), während in den Genealogien die väterliche Abstammung im Zentrum steht (vgl. Kessler). Von daher ist naheliegend, dass im alten Israel die Benennung durch die Mutter zumindest nichts Ungewöhnliches war.

In der Erzählung von der Geburt Benjamins gibt jeder Elternteil dem Kind einen eigenen Namen, der jeweiligen Gemütslage des Namengebers entsprechend (Gen 35,18): Die sterbende Rahel gibt dem Knaben den Namen בֶּן־אוֹנִי bæn-’ônî („Sohn meines Unglücks“), während Jakob ihn בִּנְיָמִין binjāmîn nennt, was in diesem Zusammenhang wohl als „Sohn des Glücks“ verstanden werden will.

In der Moseerzählung erfolgt die Namensgebung etwas verspätet durch die Tochter Pharaos (vgl. Ex 2,10), im Rutbuch sind es die Nachbarinnen, die Obed den Namen geben (Rut 4,17).

Das Alte Testament spricht auch davon, dass Jahwe Eltern die Benennung von Kindern befiehlt (vgl. Gen 16,11; Gen 17,19; und die Symbolnamen in Jes 8,3; Hos 1,4.6.9); bei Abram / Abraham (Gen 17,5), Saraj / Sara (Gen 17,15), Jakob / Israel (Gen 32,29; Gen 35,10) ist Gott auch für Umbenennung Erwachsener verantwortlich. Neben Jahwe können auch Herrscher im Alten Testament Menschen einen anderen Namen geben: In Gen 41,45 gibt der Pharao Josef einen ägyptischen Namen, 2Kön 23,34 ändert Pharao Necho den Namen des judäischen Königs Eljakim in Jojakim; 2Kön 24,17 ist es der babylonische König Nebukadnezar, der Mattanja zum König einsetzt und dabei seinen Namen in → Zedekia ändert. Dan 1,7 ist es ein hoher Beamter, der Daniel, Hananja und Mischael umbenennt.

Einen neuen Namen erhält auch → Gideon (Ri 6,32), wobei sein neuer Name Jerubbaal vor dem Hintergrund der Erzählung aus gedeutet wird. Ebenso erklärt sich der Name Jedidja, den → Nathan in 2Sam 12,25 Davids Sohn → Salomo gibt, aus dem vorhergehend Vers.

Umbenannt werden auch Orte nach der Eroberung (vgl. z.B. Dtn 3,14; Ri 18,29; 2Kön 14,7), was wohl Reflex herrschaftlicher Praxis sein dürfte. Gen 28,29 erfährt man, dass Jakob nach seiner Vision von der Himmelsleiter den Namen von Lus in Bethel ändert (vgl. Gen 28,29), und die Trauerfeier (’evæl), die die Israeliten für ihn veranstalten, motiviert die Zuschauer zur wortspielerischen Namensänderung des Ortes in Abel-Mizrajim.

Insgesamt lässt der alttestamentliche Befund ein Wissen um die grundsätzliche (grammatikalisch-lexikalische) Bedeutsamkeit von Eigennamen erkennen und zeigt ein ausgeprägtes Interesse an der Erklärung resp. Deutung von Personen- (z.B. Gen 16,11; Gen 25,25; Gen 29,31-30,24; Gen 38,29; Gen 41,51-52; Ri 6,23; 1Chr 4,9) und Ortsnamen (z.B. Gen 26,20-22; Gen 32,31; Gen 33,17; Gen 50,11; Ex 15,23; Ex 17,7; Num 11,3; Num 11,34; Num 21,2; 1Sam 7,12; 2Sam 5,20; 1Kön 16,24), die auch auf (nicht immer schmeichelhafte) Wortspiele zurückgreifen können (z.B. 1Sam 25,25). Begegnen in einigen Fällen auch etymologisch weitgehend korrekte Interpretationen (z.B. im Fall von יִשְׂמָעֵאל jišmā‘el; → Jismael), handelt es sich bei der Mehrzahl der Fälle um Volksetymologien (vgl. z.B. die Deutungen von יַעֲקֹב ja‘ǎqov; → Jakob). Letztere sind zwar aus etymologischer Perspektive als fehlerhaft zu beurteilen, dennoch darf ihr kultur- und wirkungsgeschichtlicher Wert nicht unterschätzt werden, sowohl was die darin erkennbare Hermeneutik anbelangt als auch im Blick auf die Wirkungsgeschichte (vgl. für den mesopotamischen Bereich das hermeneutische Konzept des „Babilismus“, Selz).

Literaturverzeichnis

Datenbank: Onomasticon.net

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999
  • Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, Leuven 2002-2003
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006

2. Weitere Literatur

  • Borée, Wilhelm, 1930, Die alten Ortsnamen Palästinas, Leipzig (2. Aufl. 1968)
  • Golinets, Viktor, 2016, Der Bindevokal /ĭ/ in den biblisch-hebräischen Eigennamen, in: Hans Rechenmacher (Hg.), In Memoriam Wolfgang Richter (ATSAT 100), St. Ottilien, 91-111
  • Kessler, Rainer, 1987, Benennung des Kindes durch die israelitische Mutter, WuD 19, 25-35
  • Liwak, Rüdiger, 1994, Art. Name / Namengebung III, in: TRE 23, Berlin u.a., 749-754
  • Mathys, Hans-Peter, 2007, „Künstliche“ Personennamen im Alten Testament, in: Jürg Luchsinger / Hans-Peter Mathys / Markus Saur (Hgg.): „… der seine Lust hat am Wort des Herrn!“ (FS E. Jenni; AOAT 336), Münster, 218-249
  • Noth, Martin, 1928, Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung (BWANT 46), Stuttgart
  • Rechenmacher, Hans, 2012, Althebräische Personennamen (LOS II: Canaanite 1), Münster
  • Schüle, Andreas, 2000, Die Syntax der althebräischen Inschriften. Ein Beitrag zur historischen Grammatik des Hebräischen (AOAT 270), Münster
  • Selz, Gebhard, 2002, ‚Babilismus‘ und die Gottheit dnindagar, in: Oswald Loretz / Kai Alexander Metzler / Hanspeter Schaudig (Hgg.), Ex Mesopotamia et Syria lux (FS M. Dietrich; AOAT 281), Münster, 647-684
  • Stamm, Johann Jakob, 1939, Die akkadische Namengebung (MVAeG 44), Leipzig
  • Stamm, Johann Jakob 1971, Art. Name, in: EJ 12, Jerusalem, 803-806
  • Stamm, Johann Jakob 1980, Beiträge zur hebräischen und altorientalischen Namenkunde (OBO 30), Freiburg (Schweiz) / Göttingen

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