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Mumie / Mumifizierung

(erstellt: April 2008)

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1. Definition

Als Mumie bezeichnet man einen menschlichen oder tierischen Körper, der nach dem Tode nicht verwest. Dies kann seinen Grund zum einen in besonderen klimatischen Bedingungen der Umwelt haben – hier spricht man von Naturmumien –, zum anderen in einer angewandten Balsamierungstechnik, die den natürlichen Zerfall und die Zersetzung des Körpergewebes verhindert.

Naturmumien kommen im Vorderen Orient und Ägypten als Folge von Austrocknung des Körpers durch beständigen Windzug, Sonne und trockenen, heißen Sand vor. Besonders günstig dafür sind die klimatischen Bedingungen in Ägypten, aber auch in einigen Höhlen und Kirchengrüften Palästinas und Europas haben sich Naturmumien aus ganz unterschiedlichen Zeiten erhalten.

2. Quellen

Unser Wissen über die im pharaonischen Ägypten entwickelten Mumifizierungstechniken beruht zum einen auf dem Bericht Herodots (Historien II, 86-88; Text gr. und lat. Autoren), zum anderen – und das heute in immer größerem Umfang – auf den Ergebnissen moderner Mumienuntersuchungen. Die Ägypter selbst haben uns keine schriftlichen Quellen zur Technik der Mumifizierung hinterlassen. Zwei unvollständige Papyri der römischen Zeit beschreiben nur das Einwickeln der Mumie und nennen die dabei zu rezitierenden magischen Sprüche und nicht die anzuwendende Mumifizierungstechnik. Diese war ein Handwerk, das durch praktische Lehre weiter gegeben wurde.

3. Geistiger Hintergrund

Der geistige Hintergrund für die Entwicklung der Balsamierung in Ägypten lag in den religiösen Vorstellungen. Danach ist der Tod nicht das Ende des Lebens, sondern der Übergang in eine jenseitige Existenz. Diese ist jedoch an die Unversehrtheit des Körpers gebunden: Die Seele, die den Körper beim Tod verlassen hat, kehrt nach den Bestattungsritualen in ihn zurück. Für ein ewiges Leben im Jenseits war die Wiedervereinigung von Körper und Seele Voraussetzung. Durch das Ritual der Mundöffnung, das vor dem Grab an der aufgerichteten Mumie durchgeführt wurde, erhielt der Körper das Leben zurück, er konnte nun im Jenseits wieder seine Sinne benutzen und Gliedmaßen bewegen. Seine leiblichen Bedürfnisse in der jenseitigen Welt befriedigte die umfangreiche Grabausrüstung, die ihm mitgegeben wurde.

4. Entwicklung der Mumifizierung

4.1. Frühzeit

In Ägypten begann man aber bereits am Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. schrittweise Techniken zur Balsamierung menschlicher Körper zu entwickeln. Neuste Untersuchungen an Skeletten aus Hierakonpolis und → Abydos zeigen, dass allem Anschein nach zuerst mit harzigen Substanzen experimentiert wurde, deren botanische Quelle noch nicht erforscht ist. Vermutlich spielten aus Palästina eingeführte Koniferenharze eine wichtige Rolle.

4.2. Altes Reich

Um die Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. erkannten die Ägypter die konservierenden Eigenschaften von Natron, einem Gemisch von Natriumkarbonat und Natriumhydrogenkarbonat, das in Ägypten an mehreren Orten vorkommt. Natron entzieht dem Körpergewebe sehr schnell das Wasser, so dass es austrocknet, bevor die Verwesung einsetzen kann. Da die bakterielle Zersetzung eines Körpers im Innern beginnt, entfernten die Balsamierer folgerichtig die Organe vor der Natronbehandlung.

Doch die Entwicklung hin bis zur perfekten Mumie dauerte fast 1000 Jahre. In der Zeit der Pyramidenbauten um 2500 v. Chr. gelang es noch nicht, die Körper tatsächlich vollständig zu erhalten, unter den Bindenschichten dieser Mumien, die teilweise in kunstvoller Weise die Körperkonturen in Leinen modellieren, ist die Haut und das Muskelgewebe zum größten Teil zerfallen.

Auch ein Bestreichen der äußersten Leinenumhüllung mit einer Gipsschicht am Ende des Alten Reiches, in die das Gesicht aber auch die Geschlechtsmerkmale wir Brüste und Penis modelliert sind, konnte diesen Zerfall noch nicht verhindern.

4.3. Neues Reich

Erst in Gräbern des Neuen Reiches, von der Mitte des 2. Jahrtausends an, nach einer längeren Zeit des Experimentierens, finden sich vollständig konservierte Mumien-Körper. Sie zeigen jetzt die über Jahrhunderte entwickelte Balsamierungstechnik, wie sie Herodot später beschreibt. Auf diese Methode der Leichenbehandlung, die um die 40 Tage dauerte, bezieht sich auch Gen 50,2-3: → Josef befielt, den Körper seines in Ägypten verstorbenen Vaters → Jakob zu balsamieren. Auch Josef wird nach seinem Tod in Ägypten nach ägyptischer Sitte, die in Israel nicht praktiziert wurde, einbalsamiert (Gen 50,26; → Bestattung).

Eine Balsamierung verlief wie folgt:

Das Gehirn holten die Balsamierer mit einem Bronzehaken meist durch die Nase oder das Hinterhauptsloch aus dem Schädel. Es hatte für die Ägypter keine religiöse Bedeutung und wurde beseitigt.

Die Organe Lunge, Leber, Magen und Gedärm hingegen, durch einen seitlichen Einschnitt in die Bauchdecke aus dem Bauchraum entnommen, wickelte man in Leinen und steckte die Eingeweidepakete in spezielle Gefäße, die Kanopenkrüge, die mit im Grab beigesetzt wurden. Die Kanopen unterstanden dem magischen Schutz von vier Gottheiten, den Horussöhnen Hapi, Amset, Duamutef und Kebehsenuef.

Mumie 3

Das Herz, als Sitz des Denkens und Fühlens angesehen, verblieb manchmal im Körper oder wurde durch einen Herzskarabäus ersetzt. Dieser trägt auf seiner Unterseite meist den Totenbuch-Spruch 125, das negative Sündenbekenntnis, in dem bekundet wird, keine der vielen möglichen Verfehlungen begangen zu haben (→ Totenbuch; → Jenseitsvorstellungen in Ägypten 2.2.3. und 6.2.; → Unterweltvorstellungen und Jenseitsliteratur in Ägypten 2.3.1.). Diesen Text musste der Verstorbene vor dem Totenrichter Osiris sprechen und dadurch ein sündenfreies Leben dokumentieren. Im Verlauf dieser Prüfung wird auch sein Herz gegen die → Maat, Göttin der Wahrheit, in Form einer Feder dargestellt, auf einer Standwaage gewogen. Um sicher zu gehen, dass der Tote den Text im entscheidenden Moment auch richtig zitiert, ist dieser auf die Unterseite eines Skarabäus geschrieben und von den Balsamierern im Körper in die Position des Herzens gelegt.

Nach dem Austrocknen des Körpers mit Hilfe festen Natronsalzes, das in den Körper eingefüllt und um ihn herum aufgeschichtet wurde, füllte man Salböle, die einen hohen Anteil an Koniferenharzen enthielten, in den Körper ein oder bestrich die Mumie damit. Mit ihrer antibakteriellen und fungiziden Wirkung unterstützten die Koniferenharze die Erhaltung des Leichnams. Neben ihrer konservierenden Funktion waren Salböle auch ein wichtiger Bestandteil des Bestattungsrituals, oftmals sind sogar Kartonagen und Särge damit begossen.

Nach den konservierenden Behandlungen wickelte man den Leichnam in eine große Menge von Leinentüchern und Leinenstreifen, die aus alten Haushaltstextilien oder Kleidungsstücken gerissen wurden, nun war er fertig für die Bestattung.

Zu den am besten erhaltenen altägyptischen Mumien gehören die Königsmumien der 18. bis 20. Dynastie. Sie wurden 1881 und 1889 in zwei Sammelverstecken gefunden, in denen sie Priester um 1000 v. Chr. zusammengetragen hatten, da eine sicherer Verwahrung in den bereits mehrfach aufgebrochenen Gräbern nicht mehr gewährleistet werden konnte. Insgesamt wurden dabei 18 Königsmumien geborgen, die sich heute im Museum von Kairo befinden. Nur → Tutanchamun, dessen Mumie wegen der starken Salbdurchtränkungen beim Herausholen aus dem Goldsarg stark beschädigt wurde, verblieb bis heute in seinem Grab im Tal der Könige.

4.4. Spätere Zeiten

Die Balsamierungstechnik mit Natron und harzigen Salbölen wurde mit nur geringen Abweichungen in Bezug auf einzubringende Füllmaterialien wie Leinen oder Sägespäne bis in die römische Zeit beibehalten. Besonders in der 21. Dynastie und Spätzeit stopften die Balsamierer die von den Eingeweiden entleerten Körper sehr stark mit Sägespänen aromatisch duftender Hölzer aus, um ein möglichst lebensgetreues Aussehen der Mumien zu erreichen. Dies geschah auch im Mundbereich, damit das eingefallene Gesicht fülliger und damit lebendiger aussah. Dem gleichen Zweck diente das Auflegen von Augen aus Fayence auf die Lider, damit der Verstorbene im Jenseits wieder sehen konnte. Aromatisch duftende Substanzen unterstützen die Wiederbelebung des Toten, und so finden wir Wacholderbeeren, duftende Flechten oder auch Zwiebeln an Mumien.

Die Sitte, Verstorbene zu balsamieren, erlosch in Ägypten langsam im 3. und 4. Jh. n. Chr. mit dem Einzug des Christentums, nach dessen Lehre die Seele nach dem Tode keinen Körper mehr benötigte.

5. „Verpackung“ des Mumienkörpers

Im Gegensatz zur Körperbehandlung zeigen sich im Laufe der Zeit starke Veränderungen in der Art der „Verpackung“ des Mumienkörpers. Viele Dinge, die zuerst der Bestattung des Königs und seiner Familie vorbehalten waren, erscheinen dann im Laufe der Zeit im Zuge einer „religiösen Demokratisierung“ auch bei Privatpersonen. Das zeigt sich zum einen an den Texten auf den Särgen. Finden sich im Alten Reich die → Pyramidentexte (→ Jenseitsvorstellungen in Ägypten 2.2.1.; → Unterweltvorstellungen und Jenseitsliteratur in Ägypten 2.1.) in den Grabkammern der Könige, so sind im Mittleren Reich die Särge von Privatpersonen damit beschriftet (→ SargtexteJenseitsvorstellungen in Ägypten 2.2.2.; → Unterweltvorstellungen und Jenseitsliteratur in Ägypten 2.2.1.). Auch die Verwendung von Gold für Mumienmasken war zuerst dem königlichen Bereich vorbehalten, jedoch in der Spätzeit sind die Gesichter der Masken von hohen Beamten reichlich vergoldet. Auch die Mitgabe von Amuletten nimmt in dieser Zeit extrem zu. Wie in die Mumienwicklung Tutanchamuns 143 Schmuckstücke eingewickelt waren, legte man nun ganze Reihen von Amuletten auf die Mumie, die aufgrund von Form, Material und Position spezielle Schutzfunktionen hatten.

In römischer Zeit verändert sich die Ausführung der Mumienumhüllung sehr stark: Die Leinenbinden werden in kunstvolle Muster einer Kassettenwicklung gelegt, in deren Mitte ein vergoldeter Gipsknopf sitzt. Die Kopfpartien von Mumien werden regional unterschiedlich behandelt. Neben der klassischen ägyptischen Form, die den Verstorbenen idealisiert als Osiris zeigt, gibt es Kartonagemasken, die den Verstorbenen mit aufwendiger modischer Frisur und reichlich Schmuck als lebende Person darstellen, sowie vergleichbare Stuckmasken, vor allem in Mittelägypten, und unter Einfluss römischer Porträtkunst besonders im Bereich des Fayum auf Holz oder Leinen gemalte Mumienporträts.

6. Mumifizierung von Tieren

Die Ägypter balsamierten nicht nur Menschen, sondern auch Tiere, vom großen Apisstier (→ Apis) bis hin zur kleinen Spitzmaus. Dabei handelte es sich zum einen, wie beim Apisstier, um Individualtiere, in denen sich eine Gottheit manifestiert hatte. Nach dem Tode des Apis wurde dieser wie ein Mensch balsamiert, seine Eingeweide in große Kanopengefäße gelegt und die von umfangreichen Bindenschichten umhüllte Mumie, in die Amulette und Schmuckstücke eingebunden waren, in einem großen Steinsarkophag beigesetzt. In dem Serapeum in Sakkara mit seinen riesigen unterirdischen Galerien wurden die Apisstiere bestattet.

Vor allem in ptolemäisch-römischer Zeit spielten daneben aber auch die Mumien einer ganzen als heilig angesehenen Tierart eine große Rolle im Tempelkult und vermutlich als Votivgaben von Gläubigen. In den an die Tempel angegliederten großen Grabgalerien stapelten die Priester die mumifizierten Tiere zu Hunderttausenden. Besonders zahlreich waren die dem Gott Thot geweihten Ibis- und Pavianmumien in → Hermopolis vertreten, der Göttin Bastet zugeordnete Katzen in Bubastis sowie Krokodile in Kom Ombo und dem Fayum, wo der Gott Sobek verehrt wurde.

Literaturverzeichnis

  • Germer, R., 1991, Mumien – Zeugen des Pharaonenreiches, Zürich / München
  • Germer, R., 1997, Das Geheimnis der Mumien, München / New York
  • Jones, J., 2002, Towards mummification: New evidence for early Developments, Egyptian Archaeology 21, 5-7

Abbildungsverzeichnis

  • Mundöffnungsritual an der vor dem Grab aufgerichteten Mumie (Totenpapyrus des Hunefer; 19. Dynastie). Aus: Germer, 1997, 39
  • Das aus Leinenbinden modellierte Gesicht einer Mumie des Alten Reichs (Grab des Nefer, Sakkara; 5. Dynastie). © Albrecht Germer
  • Totengericht vor Osiris (ptolemäisch). Anubis und Horus wiegen das Herz des Verstorbenen, der von zwei Göttinnen geleitet wird, gegen die Feder der Maat; Thot verzeichnet das Ergebnis. Aus: Description de l´Égypte, Paris 1809-28, Vol. II, Pl. 60 http://descegy.bibalex.org
  • Mumie Ramses’ V. (1145-1142 v. Chr.). Am Gesicht zeigt sich deutlich eine Hautkrankheit, deren Ursache bisher noch nicht diagnostiziert werden konnte. Aus: G. Elliot Smith, Catalogue Général des Antiquités Égyptiennes du Musée du Caire, The Royal Mummies, Kairo 1912, Pl. LV
  • Computertomographie-Aufnahme vom Schädel der Mumie des Chonsu-maa-cheru (22. Dynastie), an der die Auffüllung des Mundraumes und der Wangen mit feinen Sägespänen deutlich zu erkennen ist. Aufnahme: Neuroradiologie UKE Hamburg
  • Reicher Amulettschmuck aus Fayence in der Bindenwicklung einer Mumie (Spätzeit, um 600 v. Chr.). St. Annen Museum, Lübeck; Aufnahme: Radiologische Abteilung der Medizinischen Universität Lübeck
  • Drei Darstellungsarten des Verstorbenen in römischer Zeit, als verklärter Osiris, in der reichen Tracht der Lebenden und auf einem Mumienporträt. Aus: W.M. Flinders Petrie Hawara, Biahmu, and Arsinoe, London 1889, pl. IX

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