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Andere Schreibweise: Mikve; Mikva; Miqva

(erstellt: September 2014)

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1. Begriffserklärung

Mikwe 1

Das hebräische Wort „Mikwe“ (מִקְוֶה miqwæh bzw. מִקְוָה miqwāh, Plural מִקְוָוֹת miqwāôt) kommt von קוה qwh II „versammeln / ansammeln“ und bezeichnet zunächst allgemein eine Ansammlung von Wasser, im Weiteren ein Sammelbecken für Wasser, konkret ein jüdisches Ritualbad.

Statt „Ritualbad“ ist auch die Bezeichnung „Tauchbad“ im Gebrauch, nicht zu verwechseln mit „Taufbad“. Beides geht jedoch auf die gleiche Basis zurück, nämlich auf das hebräische Wort Tevila (טבילה) für das eigentliche Untertauchen im Ritualbad; davon leitet sich der jiddische Begriff „sich toivlen gehen“ ab, d.h. (in der Mikwe) untertauchen. Auch das griechische Wort für „taufen“, βαπτίζειν baptizein, kann ein- bzw. untertauchen bedeuten.

Wenn man von der homonymen Wurzel קוה qwh I „hoffen“ ausgeht, ergibt sich für „Mikwe“ eine zweite, unterschiedliche Bedeutung, nämlich „Hoffnung“, insbesondere als Bezeichnung für Gott als Gegenstand der Hoffnung.

2. Bauweise einer Mikwe

2.1. Das Becken

Mikwe 2

So wie das Wasser nicht einfach von überall her genommen werden kann (s.u.), so ist auch die Bauweise bzw. die Beschaffenheit des Mikwenbeckens bestimmten Anforderungen unterworfen. Insbesondere ist eine bestimmte Mindestgröße erforderlich, da es in der Tora heißt (Lev 14,9): „Und er bade seinen Leib“, bzw. im Talmud (Babylonischer Talmud, Traktat Eruvin 4b, Traktat Pessachim 109b): „seinen ganzen Leib“. Es wird daher die Größe des Bassins mit einem Fassungsvermögen von mindestens 40 Sea angegeben (Babylonischer Talmud, Traktat Eruvin 4b, Traktat Pessachim 109b, Mischna Mikvaot), wobei das Becken selbst auch größer sein kann, aber es müssen mindestens 40 Sea Wasser enthalten sein für ein koscheres, d.h. rituell gültiges Untertauchen. Für Quellen und Teiche etc. gelten keine Mindestmaße. Jedoch muss das Becken bzw. die Wasseransammlung, in der man untertaucht, so viel Wasser enthalten, dass man vollständig darin untertauchen kann. Wenn man für ein Sea ein Hohlmaß zwischen 7,3 und 13 Litern annimmt, so macht das für eine Mikwe eine Wassermenge zwischen 292 und 520 Litern erforderlich. In das Becken führen Stufen hinunter, in der Regel sind dies sieben Stufen, entsprechend der jüdischen Symbolik der Zahl Sieben als Sinnbild für Vollendung.

Mikwe 3

Das Untertauchen in der Mikwe ist ein substantieller Bestandteil des jüdischen Lebens. Daher wurde (und wird bis heute) von etlichen observanten Gemeinden zunächst eine Mikwe gebaut und dann erst die Synagoge errichtet, wenn beides nicht zur gleichen Zeit möglich war. Die Reinheitsvorschriften wurden stets auch unter widrigen Umständen aufrechterhalten. Sogar auf der Festung Masada, der in der Wüste Judäas befindlichen letzten Bastion der Zeloten, (an einem Ort also, wo jeder Tropfen Regenwasser besonders kostbar ist) stieß man auf zwei Mikwaot, die beide dem rituellen Standard entsprachen.

2.2. Das Wasser

Das → Wasser gilt als Sinnbild für den Beginn der Schöpfung, für den Urzustand der Welt. Das Untertauchen in der Mikwe entspricht damit einer Rückkehr zum Ursprung, es kann auch als eine Art „Neugeburt“ betrachtet werden, in vollkommener Reinheit. Erforderlich ist hierfür, dass das Wasser aus einer natürlichen Quelle stammt und fließendem, „lebendigem“ Wasser entspricht. Diesen Anforderungen genügen Quellwasser, Regenwasser, auch Grundwasser. Jedoch darf das Wasser nicht über Leitungen herbeigebracht werden, die aus Materialien bestehen, welche der Mensch gemacht hat, wie z.B. Plastik- oder Metallrohre. „Fließendes Wasser“ aus dem Wasserhahn ist damit also nicht geeignet. Das Wasser darf auch nicht durch künstliche Zusätze verunreinigt werden, wohl aber darf eine geringe Menge an normalem (Leitungs-)Wasser zugesetzt werden, z.B. um das Wasser im Becken aufzuwärmen.

3. Vorschriften für die Benutzung der Mikwe

3.1. Anlässe für die Benutzung

Die grundsätzliche Idee, die dem Untertauchen in der Mikwe zugrunde liegt, ist die der → Reinigung. Hierbei geht es jedoch nicht um eine körperliche Reinigung im Sinn von „sich waschen“, sondern um die Erlangung spiritueller Reinheit.

Wohl schließt dies auch die Reinigung von Sünde und Übertretung ein, jedoch erlangt man eine Vergebung von Sünde und Übertretung vor Gott und vor den Menschen nicht allein durch das bloße Untertauchen. Erst wenn eine entsprechende Wiedergutmachung, in den Zeiten des Tempels auch ein entsprechendes Opfer, erfolgt ist, komplettiert die Benutzung der Mikwe sozusagen den Entsühnungsvorgang. Im weiteren Sinne beseitigt das Untertauchen in der Mikwe einen trennenden Zustand. Ein solcher Zustand trennt Sünde von Reinheit, rituelle Unreinheit von ritueller Reinheit, Profanes von Heiligem, und er bedeutet letztlich auch die Trennung des Menschen von Gott.

In biblischen Zeiten war auch eine Reinigung nach der Heilung von Aussatz (→ Krankheit und Heilung) erforderlich, da der Aussatz als Strafe für Sünde betrachtet wurde. In gleicher Weise musste ein → Nasiräer, d.h. eine Person, die ein (zeitlich begrenztes) Enthaltsamkeitsgelübde abgelegt hatte, nach Ablauf der Zeit ein Entsühnungsopfer bringen; hier liegt der Gedanke zugrunde, dass das Gelübde der Enthaltsamkeit kein gottgewollter Zustand sei.

Auch die Priester im Tempel, insbesondere der Hohepriester, bedurften eines entsprechenden Reinigungsrituals, bevor sie den Tempel betraten, also von der profanen Umgebung in den heiligen Bezirk eintraten.

Rituelle Unreinheit tritt, sowohl in den Zeiten des Tempels als auch nach seiner Zerstörung, ebenfalls ein durch Berühren eines Toten, auch eines toten Tieres, durch Teilnahme an einer Beerdigung und durch den Besuch eines Friedhofs. Heutzutage dient der Besuch der Mikwe zum einen der Vorbereitung auf das Gebet bzw. den Besuch des Gottesdienstes in der Synagoge; zum anderen ist er, damals wie heute, zentraler Bestandteil der Taharat ha-mischpacha, der Reinheit des Familien-, insbesondere des Ehelebens. Hierunter fällt die Verunreinigung des Mannes durch eine Pollution von Samenflüssigkeit, und auch der Zustand der rituellen Unreinheit einer Frau durch die Menstruation bzw. durch eine Entbindung. Diesen Zustand der Unreinheit einer Frau bezeichnet man mit „Nidda“, Abgesondert-Sein. In dieser Zeit ist einem Ehepaar jegliche gegenseitige körperliche Berührung, auch in nicht-sexueller Absicht, verboten, was erst wieder durch den zeitgerechten Besuch der Mikwe aufgehoben wird.

Des Weiteren ist das Untertauchen in der Mikwe auch ein Übergangsritus, wie zum Beispiel der Brautleute vor der Trauung, aber auch bei einem Übertritt zum Judentum. Hier symbolisiert das Wasser der Mikwe den Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt, ja, in ein neues Leben, im wörtlichen, physischen wie auch im übertragenen, spirituellen Sinn.

Das Untertauchen in der Mikwe ist nicht nur für Menschen üblich, sondern man taucht z.B. auch neu gekauftes Geschirr und Besteck dort unter, um es für die koschere Küche brauchbar zu machen.

3.2. Vorbereitung

Die Mikwe hat einen Vorraum mit Toilette; diese benutzt man zunächst. Anschließend badet oder duscht man gründlich im Waschraum, der ebenfalls zur Mikwe gehört, wäscht die Haare, reinigt Ohren und Fingernägel, und putzt sich die Zähne. Alles, was nicht am Körper selbst festgewachsen ist, muss entfernt werden, da es sonst eine Trennung zwischen dem Körper und dem Wasser der Mikwe verursachen würde. Zu diesen trennenden Dingen gehört, neben sämtlichen Kleidungsstücken, jede Art von Make-up, Schmuck (auch Eheringe) und Piercings sowie Prothesen einschließlich Kontaktlinsen, herausnehmbarem Zahnersatz und Haarteilen. Geflochtene Haare werden geöffnet und nach dem Waschen sorgfältig gekämmt, denn auch ein loses Haar auf dem Körper wäre ein trennender Gegenstand, der das Untertauchen in der Mikwe ungültig machen würde. Auch Pflaster müssen von der Haut entfernt werden. Sowohl für Hilfe bei der Vorbereitung für das Untertauchen als auch für das Untertauchen selbst steht eine Mikwenbetreuerin (für Frauen) bzw. ein Mikwenbetreuer (für Männer) bereit.

3.3. Das eigentliche Untertauchen

Nach der entsprechenden Vorbereitung betritt man den Raum der eigentlichen Mikwe. Unbekleidet geht man die sieben Stufen in das Mikwenbecken hinunter und taucht vollständig unter, einschließlich des Kopfes mit dem ganzem Haar, mit leicht gespreizten Fingern und leicht geöffneten Armen und Beinen, so dass das Wasser den Körper überall berührt, Man nimmt auch die Füße vom Boden, so dass der Körper quasi im Wasser schwebt. Dann taucht man wieder auf; die Mikwenbetreuerin bzw. der Mikwenbetreuer teilt mit, ob das Untertauchen koscher, d.h. gültig war; war es das nicht, weil z.B. die Haare nicht vollständig unter Wasser waren beim Untertauchen, dann wiederholt man das Untertauchen, bis es für gültig erklärt wird. Nach dem koscheren Untertauchen spricht man, noch im Wasser stehend, auf Hebräisch die B‘racha (den Segensspruch):

„Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch Seine Gebote geheiligt hat, und der uns das Untertauchen befohlen hat.“

Anschließend taucht man noch einmal vollständig unter, wie beim ersten Mal. Damit ist die Vorschrift des Untertauchens und Sich-Reinigens in der Mikwe entsprechend der Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz erfüllt.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Ozar Dinim u-Minhagim, New York 1938
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992

2. Weitere Literatur

  • Correns, Dietrich, Die Mischna, Wiesbaden 2005
  • Donin, Chajim Halevi, Jüdisches Leben, Jerusalem 1987
  • Ganzfried, Schelomo, Kizzur Schulchan Aruch, Band I und II, Basel 1988
  • Lau, Israel M., Wie Juden leben. Glaube, Alltag, Feste, Gütersloh o.J.
  • Sefer Hachinuch, Band I und II, Basel 1998
  • Slonim, Rivkah, Total Immersion, Jerusalem 2006
  • Yadin, Yigael, Masada, Hamburg 1967

Abbildungsverzeichnis

  • Die historische Mikwe in der Altstadt von Köln (um 1170 erbaut). Aus: Wikimedia Commons; © Willy Horsch, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 26.1.2015.
  • Die Mikwe der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg. © A.Y. Deusel, 2014
  • Mikwe in Qumran. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)

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