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(erstellt: Januar 2006)

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1. Gesalbter

1.1. Titel

Der Titel „Messias“ entstammt dem Alten Testament. Es handelt sich um die gräzisierte Form des aramäischen Begriffs für „der Gesalbte“: מְשִׁיחָא məšîḥā’, hebräisch: הַמָּשִׁיחַ hammāšîaḥ (→ Salbung). Die griechische Transkription Μεσσίας Messias („Messias“) ist im Neuen Testament nur zweimal (Joh 1,41; Joh 4,25) belegt. Ansonsten verwendet das Neue Testament für Messias die durch die Septuaginta vorgegebene Übersetzung Χριστός Christos („Christus“).

Abgesehen von wenigen Ausnahmen ist der Titel „Gesalbter“ im Alten Testament Königen vorbehalten. Er findet sich für den ersten König Israels, Saul (1Sam 24,7.11; 1Sam 26,9.11.16.23; 2Sam 1,14.16), sowie für David und seine Nachkommen (1Sam 2,10.35; 1Sam 16,6; 2Sam 19,22; 2Sam 22,51 [par. Ps 18,51]; 2Sam 23,1; Hab 3,13; Ps 2,2; Ps 20,7; Ps 28,8; Ps 84,1; Ps 89,39.52; Ps 132,10.17; Klgl 4,20; 2Chr 6,42). In Jes 45,1 ist er für den Perserkönig Kyros belegt, und in Ps 105,15 (par. 1Chr 16,22) werden die Väter Israels mit diesem Titel bezeichnet. In nachexilischer Zeit kann der Begriff המשׁיח hammāšîaḥ dann auch attributiv zur Bezeichnung des Hohenpriesters verwendet werden (Lev 4,3.5.16; Lev 6,15), wobei unklar bleibt, inwieweit damit auf den königlichen Titel angespielt wird.

Die Belege für den König sind auf zwei Bereiche konzentriert, auf die Davidüberlieferung in 1 und 2Sam sowie auf die Psalmen. In den Psalmen stellt der Titel eine feste Bezugsgröße dar. Die einzelnen Aussagen in Form von Bitte, Dank und Klage zielen darauf, dass Jahwe Schutz und Hilfe seines Gesalbten ist (Ps 18,51 [par. 2Sam 22,51]; Ps 20,7; Ps 28,8; vgl. 1Sam 2,10; Hab 3,13), und um des Gesalbten willen kann Jahwe um Zuwendung und Hilfe für sein Volk angerufen werden (Ps 84,10; Ps 132,10). Die Verwendung des Titels in der Davidüberlieferung liegt insofern im Bedeutungsbereich der Psalmen, als der Gesalbte auch hier unter dem besonderen Schutz Jahwes steht und ungeachtet seines eigenen Verhaltens jeder menschlichen Macht entzogen ist. So schlägt David mehrfach den Rat, Saul aus dem Weg zu schaffen, mit der Begründung ab: „Denn der Gesalbte Jahwes ist er“ (1Sam 24,7.11; 1Sam 26,11.23; vgl. 2Sam 1,14).

1.2. Salbung

Die Einsetzung eines Königs durch Salbung ist nur im Alten Testament und nicht in Israels altorientalischer Umwelt belegt. Zwar kennen die Hethiter die Salbung eines Sklaven oder Gefangenen als „Ersatzkönig“ für den Fall, dass sich der amtierende Herrscher in Gefahr befindet (W. Beyerlin, Religionsgeschichtliches Textbuch zum Alten Testament [ATD.E 1], Göttingen 1975, 196-200), und aus Ägypten ist die Salbung von Beamten und Vasallen bezeugt (→ Amarna-Brief 51, 4-9; dazu Kutsch, 34f.). Aber historische Rückschlüsse lassen sich von daher kaum für die Königssalbung in Israel gewinnen. Allenfalls lässt sich vermuten, dass sich die ägyptische Vasallensalbung nach dem Verlust der Vorherrschaft Ägyptens über den syrisch-palästinischen Raum in der Wende vom zweiten zum ersten Jahrtausend v. Chr. weiterhin als Ritual der Königserhebung erhalten hat, wofür die „Jotamsfabel“ (Ri 9; → Jotam; → Fabel) einen Beleg bieten könnte. Dieser Hintergrund beleuchtet aber weder die alttestamentliche Vorstellung der Königssalbung noch den Titel Gesalbter, der schon gegenüber den alttestamentlichen Salbungsberichten als eigenständig zu betrachten ist.

Nach der alttestamentlichen Überlieferung kann der König durch Vertreter des Volkes (2Sam 2,4; 2Sam 5,3; 2Kön 23,30), durch einen „Propheten“ im Auftrag Jahwes (1Sam 10,1; 1Sam 16,13; 2Kön 9,6) oder durch einen Priester (1Kön 1,39 [„Nathan, der Prophet“ ist an dieser Stelle späterer Zusatz]; 2Kön 11,12) gesalbt werden. Dabei dürfte die Salbung durch einen Priester die Regel für die Jerusalemer Könige gewesen sein. Da der Titel stets in Verbindung mit Jahwe gebraucht wird, entweder in einer Konstruktusverbindung („Gesalbter Jahwes“) oder mit einem auf Jahwe verweisenden Suffix („mein“ bzw. „dein Gesalbter“), kann er sprachlich nur mit der im Auftrag Jahwes vollzogenen Salbung in Verbindung gebracht werden. Zwischen beiden besteht allerdings ein gewichtiger Unterschied. Bei der Salbung im Auftrag Jahwes liegt die Betonung darauf, dass der König durch die Salbung der Herrschaft und dem Willen Jahwes unterstellt ist, so dass er als von Gott Erwählter auch wieder verworfen werden kann (vgl. 1Sam 16,1). Demgegenüber verbindet sich mit dem Titel „Gesalbter Jahwes“ nicht nur die Aussage des uneingeschränkten Schutzes Gottes für den König, sondern im Kontext der Psalmen werden mit dem Titel auch die wesentlichen königstheologischen Aussagen wie die der Gottessohnschaft (Ps 2,7; Ps 89,27), die von Gott verliehene Weltherrschaft (Ps 2,8-9; Ps 89,26.28) und die Verheißung einer „ewigen Dynastie“ (Ps 89,30.37-38; Ps 132,11-12.17; vgl. auch 2Sam 23,5) zur Sprache gebracht. Entsprechend beklagt Ps 89 nicht nur den Verlust des Königs, sondern der Beter klagt Jahwe an, dass er den Eid (ברית bərît; → Bund) gegenüber seinem Gesalbten gebrochen hat (V. 35-40).

2. Messiaserwartungen

2.1. Problemstellung

Die Frage, inwieweit im Alten Testament überhaupt von messianischen Erwartungen gesprochen werden kann, ist umstritten. Kein Text, in dem der Titel Messias belegt ist, hat einen zukünftigen Herrscher im Blick. Demgegenüber findet sich die Hoffnung auf Erneuerung oder Wiederherstellung des Jerusalemer Königtums in Texten, in denen der Titel fehlt. Hierzu gehören die traditionell als „messianische Weissagungen“ bezeichneten Texte der prophetischen Überlieferung (Jes 7,14-16; Jes 9,1-6; Jes 11,1-10; Mi 5,1-5; Sach 9,9-10) wie auch jene Textstellen (Gen 49,8-10; Num 24,17-18), die in der späteren Wirkungsgeschichte messianisch aufgefasst worden sind. Das Bemühen der älteren Forschung, diese Texte in weitgehender Übereinstimmung mit den messianischen Auffassungen des Frühjudentums oder des Neuen Testaments zu lesen (Hühn, König, Rehm), lässt sich unter historisch-kritischer Sicht nicht halten. Zum einen spielt das Königtum in den alttestamentlichen Heilserwartungen insgesamt eine untergeordnete Rolle, und zum anderen lässt sich selbst bei den in prophetischen Texten formulierten Erwartungen nicht ausschließen, dass es sich teilweise um rückprojizierte Verheißungen (vaticinia ex eventu) handelt, die ursprünglich auf einen historischen und nicht auf einen zukünftigen König zu beziehen sind. So sind vor allem die Jesajastellen (Jes 7,14; Jes 9,5; Jes 11,1), je nach Datierung und Zuordnung, auf Hiskia oder Josia gedeutet worden (vgl. Kilian, 16ff).

Auch wenn der Aspekt der Erwartung strittig bleibt, sind doch die wesentlichen Grundlagen der späteren messianischen Hoffnungen schon im Alten Testament gelegt (Heilserwartung, → Eschatologie). Sie bestehen in der allgemeinen Hochschätzung Davids als des idealen Herrschers und als Maßstab für die Bewertung aller weiteren judäischen Könige sowie in der an ihn ergangenen göttlichen Verheißung einer „ewigen Dynastie“. Dabei handelt es sich noch nicht um eine geschlossene Konzeption, sondern um verschiedene Perspektiven, unter denen die Bedeutung des davidischen Königtums reflektiert wird.

2.2. Deuteronomistisches Geschichtswerk

Schon für die deuteronomistische Theologie stellt David das königliche Vorbild schlechthin dar (→ deuteronomistisches Geschichtswerk). Während von den meisten seiner Nachfolger gesagt wird, dass ihr „Herz nicht ungeteilt mit Gott war“ (1Kön 15,3), ist er der Mann nach Jahwes Herzen (1Sam 13,14). Dabei bildet er nicht nur den Maßstab für die Beurteilung seiner Nachfolger, sondern um seines „Knechtes David willen“ hat Jahwe Juda und Jerusalem trotz ständiger Missachtung des „Gesetzes“ so lange verschont (1Kön 11,13.34; 2Kön 8,19; 2Kön 19,34; 2Kön 20,6). Es ist das Bild „von dem urbildlich, theokratischen und dem vorbildlich gehorsamen David“ (von Rad, 201), das durch die deuteronomistische Redaktion der Samuel- und Königebücher entworfen und später in der Chronik noch weiter ausgeformt worden ist. Die hohe Wertschätzung Davids ist in diesem Kontext durch sein Wirken für Jerusalem, für die Lade und den Tempel begründet, weshalb die göttliche Verheißung einer „ewigen Dynastie“ (2Sam 7) auch im Zentrum des deuteronomistischen Davidbildes steht. Es mag in diesen Kreisen in exilisch-frühnachexilischer Zeit restaurative Erwartungen gegeben haben, was durch den Bericht über die Begnadigung → Jojachins am babylonischen Hof (2Kön 25,27-30) als letzte Mitteilung der deuteronomistischen Geschichtsdarstellung angezeigt sein könnte. Aber insgesamt richten sich die Erwartungen der deuteronomistischen Kreise weniger auf die Restauration des Königtums, als vielmehr auf die Wiederherstellung Israels. Die Verheißungen an David gelten in der zurückliegenden Geschichte, nicht zuletzt durch den Aufschub des Gerichts, als erfüllt. Die Zerstörung Jerusalems und der Untergang Judas werden allein mit der Schuld des Volkes und seiner Könige begründet (2Kön 17,7ff) und nicht damit, dass Gott seine Verheißungen nicht eingehalten hätte. Erst wenn Israel zu Jahwe umkehrt, dann werden auch die früheren Verheißungen neu in Kraft gesetzt. Das Königtum gehört dabei allerdings nicht mehr zu den Institutionen, mit denen das Heil Israels ursächlich verbunden ist. Der König ist Teil des Volkes und gilt nicht wie in der Jerusalemer Königstheologie als Repräsentant der heilvollen Gegenwart Gottes (vgl. Klgl 4,20). Vielmehr steht er in der Pflicht, ein Vorbild der Frömmigkeit zu sein, wie es im deuteronomistischen Königsgesetz (Dtn 17,14-20; vgl. auch 1Kön 2,2-4) formuliert ist.

2.3. Prophetische Texte

In den Prophetenbüchern finden sich vereinzelt Texte, in denen die Erneuerung des Königtums verheißen wird. Neben den traditionell als „messianische Weissagungen“ bezeichneten Texten (Jes 7,14-16; Jes 9,1-6; Jes 11,1-10; Mi 5,1-5; Sach 9,9-10) gehören dazu auch Jes 32,1-8; Jer 23,5-6; Jer 33,14-26; Ez 17,22-24; Ez 34,23-24; Ez 37,21-25; Am 9,11-12; Hag 2,20-23; Sach 4,6-10; Sach 6,9-14; sowie die Zusätze von Jes 16,4bf; Jer 30,8-9; Hos 2,1-3; Hos 3,5; Sach 3,8.

Während einige Texte den zukünftigen Herrscher namentlich aus dem davidischen Geschlecht erwarten (Jes 9,5-6; Jer 23,5-6; Ez 34,23-24), zum Teil in Rückbezug auf die Anfänge der Dynastie (Mi 5,1: Bethlehem; Jes 11,1: Spross Isais), lässt sich dies auch für die anderen Verheißungen voraussetzen. Erwartet werden von dem neuen König bzw. der neuen Herrschaft die Wiederaufrichtung von Recht und Gerechtigkeit im Inneren sowie die Aufrichtung von Schutz und Sicherheit gegenüber äußeren Bedrohungen. Am weitesten ist diese Vorstellung in Jes 11 ausgezeichnet, wo das angesagte Heil sich nicht wie in Jes 9,5-6 auf das davidische Reich beschränkt, sondern die gesamte Kreatur in einem universalen Friedensreich mit einschließt (Jes 11,6-8).

Die in der älteren Forschung, aber auch heute noch vertretene Meinung, dass in manchen Texten schon die provokanten Hoffnungen der vorexilischen Propheten angesichts der miserablen Zustände des Königtums ihrer Zeit zum Ausdruck kommen, lässt sich weder beweisen noch ausschließen. Wichtiger für die Entwicklung der messianischen Erwartungen ist allerdings die Beobachtung, dass die meisten Texte am Schluss kleinerer und größerer Spruchsammlungen stehen (Jes 9,1-6; Jes 11,1-10; Jer 23,5-6; Am 9,11-12; Mi 5,1-5; Sach 9,9-10) und offensichtlich redaktionell eingetragen worden sind.

Dabei sind unterschiedliche Tendenzen wahrnehmbar. Im Jesajabuch etwa stehen jene Verheißungen, die sowohl an der Dynastie Davids (Jes 7,14-16; Jes 9,1-6; Jes 11,1-10) als auch – mit der Proklamation der Thronnamen „Wunderplaner, Gottheld, Ewigvater, Friedefürst“ (Jes 9,5) – an der Jerusalemer Königstheologie orientiert sind, am Anfang. Demgegenüber werden am Ende der protojesajanischen Sammlungen (Jes 32,1-5) die Erwartungen sehr viel allgemeiner formuliert, und in Jes 55,1-5 können die Verheißungen an David (ברית עולם bərît ‘ôlām) dann auf Israel selbst übertragen werden. Die gleiche Tendenz verraten auch die Zusätze Jes 11,10ff. und Jes 32,15ff. So lässt sich vermuten, dass in der Fortschreibung der Prophetenbücher die Hoffnung auf eine Erneuerung des davidischen Königtums immer mehr an politischer Kraft verliert und der König zur reinen Symbolgestalt einer zukünftigen Heilszeit wird (Ez 34,23-24; Ez 37,21-25). Dennoch haben sich innerhalb dieses Kontextes auch restaurative Hoffnungen erhalten. Das zeigen nicht nur die Erwartungen Haggais und Sacharjas im Blick auf Serubbabel (Hag 2,20-23; Sach 4,6-10; Sach 6,9-14), sondern dies lässt auch die wahrscheinlich jüngste Verheißung von Sach 9,9-10 erkennen, die in der griechischen Übersetzung der Septuaginta dahingehend ausgelegt wird, dass die Heilszeit nicht wie im hebräischen Text durch Jahwe, sondern durch einen König machtvoll heraufgeführt wird.

2.4. Königspsalmen

In den Königspsalmen (Ps 2; 18; 20; 21; 45; 72; 89; 101; 110; 132; 144,1-11) haben sich Aussagen der Jerusalemer Königstheologie am deutlichsten erhalten. Der König gilt als Gottes Sohn, von ihm gezeugt (Ps 2,7; Ps 110,3). Gott ist sein Vater (Ps 89,27), zwar nicht der Physis nach, aber per Adoption im Vollzug seiner Inthronisation. Als höchster irdischer Repräsentant sitzt er zu Gottes rechter Hand (Ps 110,1). Ihm ist die Welt übereignet (Ps 2,9; Ps 72,8; Ps 89,26), die Völker und Nationen gelten als das ihm von Gott verliehene Erbe (Ps 2,8). Deshalb erbittet und erwartet man von seiner Herrschaft den Sieg (Ps 20,10) und einen alles umfassenden Heilszustand, so dass nicht nur das gesellschaftliche Gefüge, sondern die ganze Natur befriedet werden. In seiner Herrschaft, in der sich die Herrschaft Gottes widerspiegelt, ist der Segen der Völkerwelt begründet (Ps 72). Allseitiges Wohlergehen, Heil und der Bestand seines Thrones sind Wünsche, die ihm gleichermaßen auch als göttliche Zusagen zugesprochen werden (Ps 89,29-30.37-38).

Keiner dieser Psalmen hat ursprünglich einen zukünftigen König im Blick. Dennoch besteht eine deutliche Entsprechung zur prophetischen Überlieferung. Auf Grund der späteren Rahmung der ersten beiden Psalmenbücher durch die Königspsalmen Ps 2 und Ps 72 wird der schon durch seine Überschriften und biographischen Notizen am Lebensweg Davids orientierte → Psalter auf dessen Königsherrschaft hin erweitert. Aus dieser Perspektive erscheint David als der in Ps 2 auf dem Zion eingesetzte König, und er ist zugleich der Beter, der in Ps 72 die rechte Königsherrschaft für seinen Nachfolger erfleht (vgl. die Schlussnotiz Ps 72,20: „Zu Ende sind die Gebete Davids, des Sohnes Isais“). Am Ende des dritten Psalmenbuches (Ps 73-89) steht mit Ps 89 der Psalm, der den Untergang des Königtums beklagt und Gott darum bittet, die David erwiesene Gnade doch wieder zur Geltung zu bringen. Gegenüber dieser „messianischen“ Perspektive wird im vierten und fünften Psalmenbuch allerdings eine „theokratische“ erkennbar, die schon in den Jahwe-Königspsalmen darauf verweist, das „Vertrauen nicht auf menschliche Herrschaft, sondern auf die ewige Königsherrschaft JHWHs zu setzen, ohne damit jedoch die Hoffnung auf den ewigen Bestand des Davidbundes aufzugeben“ (Kleer, 120).

Insgesamt sind die Erwartungen, die sich mit David im Psalter verbinden, in der Tendenz die gleichen, die auch die Verheißungen in den Prophetenbüchern zu erkennen geben.

3. Aspekte der Wirkungsgeschichte

Die Hoffnungen auf David nehmen sowohl in der prophetischen Überlieferung als auch im Psalter Anleihen bei Aussagen der Jerusalemer Königstheologie. Diese werden in „geschichtlicher“ Rückbindung an das davidische Königtum neu formuliert. Dabei findet sich in beiden Bereichen neben restaurativen Erwartungen die Tendenz, die Hoffnung auf David von der Institution des Königtums zu lösen, indem die Verheißungen entweder auf Israel selbst übertragen („Demotisierung“) oder durch den Glauben an Gottes universale Königsherrschaft (Theokratie) abgelöst werden. Inwieweit sich daraus eine geschichtliche Entwicklung der Daviderwartungen in nachexilischer Zeit ableiten lässt, bleibt fraglich. Eher handelt es sich um unterschiedliche Erwartungen bestimmter Gruppen und Kreise im frühen Judentum, die je nach außen- und innenpolitischer Lage immer wieder neu zum Tragen kommen konnten.

Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann angenommen werden, dass die Verkündigungen Haggais und Sacharjas am Ende des 6. Jh.s v. Chr. nicht nur die Erwartung auf die Wiederherstellung des Jerusalemer Heiligtums, sondern auch die Erwartung genährt haben, dass das davidische Königshaus in einem neuen Licht erstrahlen wird. Aber schon bei Sacharja tritt mit dem Bild von den beiden „Ölsöhnen“ (Sach 4,1-6a.10a-14) neben den König der Hohepriester, der am Ende allein die Krone trägt (Sach 6,11), so dass der Hohepriester faktisch die Stelle des Platzhalters für einen zukünftigen König (Sach 3,8) einnimmt.

Eine vergleichbare nationale Hochstimmung wie zur Zeit des Wiederaufbaus des Tempels lässt sich erst wieder zu Beginn der hellenistischen Zeit belegen und wird durch den Königstext Sach 9,9-10 dokumentiert. Das heißt nicht, dass in persischer Zeit jegliche nationale Hoffnungen aufgegeben worden wären, aber sie wurden, soweit es die Texte belegen, nicht in einer konkreten Forderung nach politischer Wiederherstellung des davidischen Königtums und seines Reiches erhoben.

Dass politische Enttäuschungen die Hoffnungen auf eine Erneuerung des Königtums verändert haben, ist anzunehmen. Der Wechsel der Perspektive von einem König mit politischer Macht zu einem geistigen Führer seines Volkes bzw. zur reinen Symbolgestalt in der Königsherrschaft Gottes kann in diese Richtung verstanden werden. Aber ähnlich wie bei der Übertragung der Davidverheißung auf das Volk handelt es sich primär um einen theologischen, wenn auch nicht von seinem politischen Kontext zu trennenden Interpretationsvorgang. Hinter allen Texten steht die Überzeugung, dass Jahwe selbst das Heil für sein Volk heraufführen wird. Deshalb musste nicht notwendig ein neuer David kommen, sondern die mit ihm verbundenen Hoffnungen lebten in Israel fort. David wurde zum Vorbild und Israel zu seinem „Abbild“. In den Prophetenbüchern waren die Verheißungen auf Dauer eingeschrieben und mit dem auf David hin orientierten Psalter besaß Israel ein geistiges Kompendium, sich seiner Geschichte zu erinnern und sich seiner Hoffnungen, unabhängig der jeweiligen politischen Situation, zu vergewissern. Die Spätzeit, wie sie uns in den Texten des Alten Testaments dokumentiert ist, war keine „messianische“ Zeit. Aber die Hoffnungen auf David wurden tradiert und dadurch nie aufgegeben.

Literaturverzeichnis

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(Messias / Messiah oder משׁח māšach)

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