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Andere Schreibweise: Ma’at; Ma‘at

(erstellt: Dezember 2006)

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1. Name, Schreibung und Ikonographie

Maat 1
Der Name Maat ist von einer ägyptischen Wurzel m3‘ „lenken / gerade leiten“ abgeleitet. Er kann im hieroglyphischen Schriftbild auf zwei verschiedene Weisen geschrieben werden, mit dem Zeichen der Feder oder einem anderen, das meist als Thronsockel verstanden wird, möglicherweise aber genereller einen Steinblock in Seitenansicht zeigt (Crevatin 2003). Als Bildungselement ägyptischer Thronnamen ist das Wort in keilschriftlicher Wiedergabe im → Neuen Reich als Mu’a belegt; die koptische Lautform ist Mē’e oder Me. Der Name der Göttin ist lautlich nicht vom Abstraktum „Wahrheit“ unterschieden.

Übliche Ikonographie der Maat ist eine Frauengestalt mit Straußenfeder am Kopf. Dies zeigt sowohl das feminine Geschlecht des Wortes als auch eine der üblichen Schreibungen an.

2. Bedeutung

Maat ist die Personifikation des Konzepts der Gerechtigkeit. Als solche hat sie eine bedeutsame Stellung in der Theologie, aber nur selten einen eigenen Kult als Hauptgottheit eines Tempels. Ein spezieller Tempel für sie (wohl in Karnak-Nord) ist z.B. in den Grabräuberakten der späten 20. Dynastie belegt, wo er als Inhaftierungsort für die Verdächtigen dient. Relativ prominent erscheint sie neben Hathor im ptolemäerzeitlichen Tempel von Dēr el-Medīne [Der el-Medine] auf der Westseite Thebens (Bourget 2002). Aufgrund dieser Verortung kann sie auch als „Herrin des Westens“ bezeichnet werden. Der Wesir, zu dessen wesentlichsten Aufgaben die Rechtsprechung gehörte, wurde gerne als „Prophet der Maat“ bezeichnet; zumindest für die Spätzeit ist durch Statuen gesichert, dass er als Amtsabzeichen ein Abbild der Maat um den Hals trug (Diodor I, 48, 6; Aelian XIV, 34; Möller 1920).

In der religiösen Konzeption ist Maat die Tochter des Sonnengottes (→ Re) und wird als solche mit Tefnut oder Hathor verbunden, z.B. in den Schu-Sprüchen der Sargtexte wird Tefnut als „Maat“ bezeichnet (Coffin Texts II 35b-g). Dadurch ist sie auch eng mit dem Konzept der Uräusgöttin sowie der Heimkehr der gefährlichen Göttin verbunden. Der Begriff „der sie (sc. Maat) schuf“ kann geradezu als Bezeichnung des Sonnengottes gebraucht werden (Ptahhotep 89; Merikare E 42; Quack 1992, 29). Auch Ptah von Memphis kann als „Herr der Maat“ bezeichnet werden.

Die Verbindung des Sonnengottes zur Maat findet einen Höhepunkt des Ausdrucks in langen Litaneien darüber, dass er sich von der Maat ernährt, in ihr aufgeht, über sie jubelt etc. Im Mundöffnungsritual (→ Totenkult 2.2.) wird dies in Szene 71 in einer Räucherung im Anschluss an das große Speiseopfer ausgemalt (Otto 1960, I, 186-195), ähnlich im Opferritual des Neuen Reiches im Tempel Sethos’ I. in Qurna. Eine Anrufung, die → Amun intensiv mit Maat in Verbindung setzt, findet sich im täglichen Tempelritual pBerlin 3055, 20, 2-25, 1 als „Spruch zum Darreichen der Maat“. Sie fällt durch sprachlich neuägyptische Züge auf, die sie stark vom sonstigen Ritual absetzen, ist also eine relativ junge Zutat. Spezifische, mit Maat verbundene Erscheinungsformen des Sonnengottes, die teilweise mit der Szene im Mundöffnungsritual parallel gehen, werden auch pGreenfield LXXVII a19-b3; LXXXIIII b12-20 aufgezählt. Die Gabe eines Bildes der Maat ist auch in den Tableaus von Tempeln ein spezieller Typ von Opferszene. Auf der göttlichen Ebene ist es besonders Thot, welcher die Maat herbeibringt.

Eine spezifische Definition der Maat gibt es in der Stele des Neferhotep aus der 13. Dynastie, wo es heißt „Der Lohn eines Handelnden liegt darin, dass man für ihn handelt; das ist Maat im Herzen des Gottes“. Dies zeigt die konnektive Konzeption, bei der wechselseitige Solidarität erwartet wird.

Generell hat das Konzept der Maat einerseits eine ethische Komponente. Sie wird u.a. in den Weisheitslehren thematisiert, wo sie schon seit alters (z.B. Lehre des Ptahhotep) ein wichtiges Konzept ist. Die Annahme, ab der Ramessidenzeit sei der freie Wille Gottes an die Stelle der alten Maat-Konzeption getreten, wird heute kontrovers beurteilt (Lichtheim 1992). Die Ausübung der Maat gehört zu den Charakteristika eines guten Beamten und wird deshalb auch in Autobiographien aller Zeiten gerne thematisiert. Die Erzählung vom „Beredten Bauern“ stellt Maat als Tugend des gerechten Richters heraus. Auch Könige orientieren sich am Ideal der Maat; dies erscheint ebenso in Monumentalinschriften wie in Lehren, insbesondere der Lehre für König Merikare. → Echnaton verwendet gern das Epitheton „der von Maat lebt“, wobei dies bildlich durch die Familienstelen aus Amarna ausgedrückt wird, auf denen Echnaton und Nofretete die Rollen einnehmen, welche Schu und Tefnut / Maat in der Mythologie haben.

Das maatgemäße Verhalten wird nach dem Tod in einem Gerichtsverfahren überprüft; spätestens ab dem Neuen Reich ist dies als generelle Vorstellung belegt und findet seinen Niederschlag im Totenbuch Kapitel 125, wo über die Beteuerung hinaus, gemäß der Maat gehandelt zu haben, auch eine Einzelauffächerung vorhanden ist, welche Verfehlungen man nicht begangen hat. In der Szene des Totengerichts spricht man gerne im Dual von der „Halle der beiden Wahrheiten“, was in der Forschung gerne als sprachlicher Ausdruck für die vollkommene Wahrheit verstanden wird, von den Ägyptern im Bild aber real so umgesetzt ist, dass tatsächlich zwei Maat-Göttinnen dargestellt werden (Seeber 1976, 140-147).

Mehr als man es heute erwarten würde, hat Maat aber auch eine kosmische Komponente. Sie fährt beim Sonnenlauf mit und steht am Bug der Barke, wo sie die Fahrt gegen Gefahren absichert. Diese Konstellation wird auch in Sonnenhymnen gerne beschrieben. Signifikant ist, wie im Text über die Einsetzung der Elle als normatives und korrektes Maß zwar auch die ethische Dimension der korrekten Zuteilung eine Rolle spielt, die Regularität der kosmischen Prozesse jedoch eher mehr herausgestellt wird (Quack 2006, 47 u. 51).

Antonym zur Maat ist Isefet, das Konzept der Unordnung bzw. Ungerechtigkeit. Ihre Vertreibung ist mit der Etablierung der Maat gerne gekoppelt. Im spätesten Ägyptisch wird statt des einfachen Wortes Maat meist eine Zusammensetzung zur Abstraktbildung verwendet (Medet-Maat), ihr Antonym ist die gleichartig als Abstraktum gebildete Lüge (Medet-Adja). Bis in die spätesten Epochen Ägyptens hinein, so noch in der demotischen Prophezeiung des Lammes (Handschrift aus der Zeit des Augustus) wird das Aufblühen der Maat als Zeichen für eine Wiederherstellung des guten Zustands angesehen (Thissen 1998, 1045). Einige Tempelinschriften der griechisch-römischen Zeit thematisieren ein „goldenes Zeitalter“, als Maat vom Himmel auf die Erde kam (Otto 1969).

3. Einflüsse auf das Alte Testament

Die direkte Verbindung der Maat zum hebräischen Begriff צדקה ṣədāqāh → „Gerechtigkeit“ wird heute eher skeptisch gesehen. Gerne zieht man aber Verbindungen zur hebräischen Konzeption, dass die Gerechtigkeit als Fundament des Gottesthrones bezeichnet wird (Ps 89,15; Ps 97,2; Spr 16,12; eventuell auch Spr 20,28; Brunner 1958). Manche Forscher denken auch an einen Einfluss auf die Konzeption der personifizierten חכמה chåkhmāh → „Weisheit“ im → Sprüchebuch.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Berlin 1952.
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992.
  • Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999.

2. Weitere Literatur

  • Anthes, R., 1952, Die Maat des Echnaton (Supplement zu JAOS 14), Baltimore.
  • Assmann, J., 1990, Ma’at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München.
  • Bourguet, P. du, 2002, Le temple de Deir al-Médîna, Kairo.
  • Brunner, H., 1958, Gerechtigkeit als Fundament des Thrones (Vetus Testamentum 8), 426-428.
  • Cannuyer, C., 2001, À propos de la Maât égyptienne et de la Hokmâh biblique, figures féminines de la sagesse (Acta Orientalia Belgica 15), 17-34.
  • Crevatin, F., 2003, The Meaning of the Hieroglyph Aa 11, Göttinger Miszellen 192, 11.
  • Grieshammer, R., 1982. Maat und Ṣädäq. Zum Kulturzusammenhang zwischen Ägypten und Kanaan, Göttinger Miszellen 55, 35-42.
  • Koch, K., 1998, Sädäq und Ma‘at: Konnektive Gerechtigkeit in Israel und Ägypten?, in: J. Assmann (Hg.), Gerechtigkeit. Richten und Retten in der abendländischen Tradition und ihren altorientalischen Ursprüngen, München, 37-64.
  • Lichtheim, M., 1992, Maat in Egyptian Autobiographies and Related Studies (OBO 120), Freiburg (Schweiz) / Göttingen.
  • Möller, G., 1920, Das Amtszeichen des Oberrichters in der Spätzeit, Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 56, 67-68.
  • Otto, E. 1960, Das ägyptische Mundöffnungsritual (Ägyptologische Abhandlungen 3), Wiesbaden.
  • Otto, E., 1969, Das „goldene Zeitalter“ in einem ägyptischen Text, in: Religions en Égypte hellénistique et romaine. Colloque de Strasbourg 16-18 mai 1967, Paris, 93-108.
  • Quack, J.F., 1992, Studien zur Lehre für Merikare (Göttinger Orientforschungen, IV. Reihe: Ägypten, 23), Wiesbaden.
  • Quack, J.F., 2006, Eine Papyruskopie des Textes der Votivellen (Papyrus Carlsberg 419), in: K. Ryholt (Hg.), The Carlsberg Papyri 7. Hieratic Texts from the Collection (Carsten Niebuhr Institute Publications 30), Kopenhagen, 39-52.
  • Schmid, H.H., 1968, Gerechtigkeit als Weltordnung. Hintergrund und Geschichte des alttestamentlichen Gerechtigkeitsbegriffes (Beiträge zur historischen Theologie 40), Tübingen.
  • Seeber, Chr., 1976, Untersuchungen zur Darstellung des Totengerichts im Alten Ägypten (Münchener Ägyptologische Studien 35), München / Berlin.
  • Teeter, E. 1997, The Presentation of Maat. Ritual and Legitimacy in Ancient Egypt (Studies in Ancient Oriental Civilisations 57), Chicago.
  • Thissen, H.-J., 1998, „Apokalypse Now!“ Anmerkungen zum Lamm des Bokchoris, in: W. Clarysse / A. Schoors / H. Willems (Hgg.), Egyptian Religion, The Last Thousand Years, Part II. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur (Orientalia Lovaniensia Analecta 85), Leuven, 1043-1053.

Abbildungsverzeichnis

  • Maat. Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 26.5.2007
  • Maat im Totengericht. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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