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Linkshänder

(erstellt: März 2014; letzte Änderung: Februar 2021)

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1. Altes Testament

1.1. Begriff

Das Alte Testament erzählt an zwei Stellen, dass Menschen „an ihrer rechten Hand gelähmt“ sind (אטר יַד־יָמִין ’ṭr jad jāmîn; Ri 3,15; Ri 20,16). Da es sich bei ihnen um geschickte Krieger handelt, soll damit nicht ausgedrückt werden, dass sie behindert sind (so versteht allerdings Soggin [50] die Wendung in Ri 3,15; → Behinderung), vielmehr werden sie aus der Perspektive von Rechtshändern, die ihre Rechtshändigkeit für das Normale halten, als Linkshänder charakterisiert (vgl. Dexinger, 268f). Zu negativen Wertung der linken und zur positiven der rechten Seite s. → rechts und links (vgl. z.B. Pred 10,2).

In der → Septuaginta wird die Wendung an beiden Stellen nicht im Sinne von linkshändig, sondern – möglicherweise unter dem Einfluss von 2Chr 12,2 (s.u.) – im Sinne von beidhändig verstanden; die Betroffenen haben zwei rechte Hände (ἀμφοτεροδέξιος amphoterodexios). Dem folgt die → Vulgata der Sache nach.

1.2. Personen

Im → Richterbuch wird von → Ehud erzählt, wie er den moabitischen (→ Moab) König → Eglon mit einem Dolch tötet. Einführend stellt die Erzählung Ehud in einem Atemzug als Benjaminit und Linkshänder vor (Ri 3,15). Der Begriff „Benjaminit“ bedeutet – zumal er hier wie sonst nur noch 3-mal im Alten Testament mit Artikel formuliert ist (בֶּן־הַיְמִינִי bæn hajəmînî) – „Sohn der rechten Seite“. Eigentlich meint dies einen „Sohn des Südens / Südländer“, da Süden, wenn man sich zum Sonnenaufgang, zum Orient hin ausrichtet („Orientierung“), rechts liegt, doch hier geht es darum, dass ausgerechnet dieser „Sohn der rechten Seite“ an der rechten Hand gehemmt ist, also Linkshänder ist. Dieser Kontrast gehört sicher zu den humorvollen Zügen der Erzählung (→ Humor 3.2.5.), zielt aber zugleich darauf, die Handlung plausibel zu machen. Als Linkshänder trug Ehud seine Waffe nämlich, wie Ri 3,16 expliziert, an seiner rechten Hüfte, die von den Wachen normalerweise nicht kontrolliert wurde. So konnte er mit ihr bis zum König vordringen und ihn töten: „Ehud streckte seine linke Hand aus und nahm den Dolch von seiner rechten Hüfte und stieß ihm den in seinen Bauch.“ (Ri 3,21).

Im Kontext der Erzählung von der Schandtat des Stammes Benjamin in → Gibea (Ri 19-21) handelt Ri 20,14-17 von der Musterung der Soldaten Benjamins. Unter den 26.700 Kriegern befinden sich 700 Linkshänder, Elitesoldaten, die mit ihrer Steinschleuder ein Haar treffen konnten (Ri 20,16). Linkshändigkeit war für Schwertkämpfer (ähnlich wie für Boxer mit Rechtsauslage und linker Schlaghand) ein Vorteil, weil sie für rechtshändige Gegner, die ihren Schild in der linken Hand führen und damit ihre rechte Seite nur schlecht schützen können, ungewohnt und gefährlich. Für Steinschleuderer bietet die Linkshändigkeit dagegen keinen Vorteil. Wenn es dem Verfasser bei der Linkshändigkeit nicht nur um das Wortspiel mit „Benjamin“ geht (s.o.), sollen die Elitesoldaten vielleicht sowohl als linkshändige Schwertkämpfer als auch als exzellente Steinschleuderer charakterisiert werden.

Nach Park (701-720) bilden die beiden Stellen, die jeweils Benjaminiter als Linkshänder charakterisieren, eine Inklusio um das Richterbuch. Die betreffenden Personen sollten durch ihre Linkshändigkeit negativ bewertet, sogar moralisch diffamiert werden. Die Kritik an Benjaminitern sei letztlich jedoch als Kritik am berühmtesten Sohn dieses Stammes, an → Saul, zu verstehen. In ihrer Niederlage deute sich zudem sein Untergang an.

1Chr 12,2 sagt von den Leuten Davids, die ebenfalls aus Benjamin stammen, dass sie mit rechts und mit links Steine schleudern sowie Pfeil und Bogen bedienen konnten. Da es keinen Vorteil bietet, dies beidseitig zu können, sollen die Männer mit der Formulierung wohl nur als ausgezeichnete Krieger charakterisiert werden.

In 2Sam 20,8-10 erscheint → Joab, ohne dass dies ausdrücklich gesagt wird (so jedoch z.B. in der Lutherbibel), als Linkshänder. Er ergreift → Amasa nämlich mit der rechten Hand am Bart und tötet ihn mit dem Schwert, das er folglich in der linken Hand geführt haben muss.

Weil nur Benjaminiter und von ihnen gleich mehrere Hundert explizit als Linkshänder bezeichnet werden, hat man, die historische Richtigkeit der Angaben voraussetzend, erwogen, dass eine entsprechende Veranlagung im Stamm Benjamin genetisch vererbt worden sei (Klein / Seevers). Für die Erzähler dürfte jedoch eher das genannte Wortspiel ausschlaggebend gewesen sein.

2. Alter Orient

Darstellungen von Linkshändern zielen nicht zwingend darauf, einen Menschen als Linkshänder abzubilden, sondern können ihren Grund in der Komposition des Bildes haben, z.B. darin, dass ein Mensch im Gegenüber zu einem Rechthänder in genauer Symmetrie gezeigt werden soll.

Die Stadt → Lachisch wurde 701 v. Chr. von den → Assyrern unter König → Sanherib (705-681 v. Chr.) belagert und erobert. Im Südwestpalast von → Ninive wird dieser Sieg auf mehreren Reliefplatten dargestellt. Dabei sieht man auf dem Stadttor von Lachisch rechts einen Verteidiger, der in seiner linken Hand eine Steinschleuder bedient (Abb. 1). Auch der Soldat, der neben ihm einen Stein wirft, macht dies möglicherweise mit seiner Linken. Dass der Steinschleuder als Linkshänder dargestellt wird, ermöglicht eine bessere Nutzung des freien Raumes, liegt also an der Bildkomposition; wäre er nämlich als Rechtshänder dargestellt, stünde ihm im Bild wie auf der Realebene sein Nachbar im Weg.

Bogenschützen halten den Bogen normalerweise in der linken Hand und den Pfeil in der rechten (vgl. Ez 39,3). In Til Barsip (Tell Aḥmar) am Ostufer des → Euphrats in Nordsyrien wurden in den 1930er Jahren Wandgemälde gefunden. Eines dieser Gemälde, von dem nur noch eine Abzeichnung erhalten ist, zeigt einen assyrischen König bei der Löwenjagd (→ Jagd). Die Sehne seines Bogens ist vor seinem Körper zu sehen und dies macht deutlich, dass der König den Pfeil mit seiner Linken hält, wie es Linkshänder zu tun pflegen (Abb. 2). Zudem ragt das Schwert nur hinter dem Körper hervor, befindet sich also wie bei einem Linkshänder auf der rechten Körperseite. Nach Poisel handelt es sich, da alle anderen neuassyrischen Könige auf Darstellungen als Rechtshänder ausgewiesen seien, um → Asarhaddon (681-669 v. Chr.).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992 (Rechts und Links)
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992

2. Weitere Literatur

  • Dexinger, F., 1977, Ein Plädoyer für die Linkshändler im Richterbuch, ZAW 89, 268-269
  • Groß, W., 2009, Richter (HThKAT), Freiburg
  • Halpern, B., 2. Aufl. 1996, The First Historians. The Hebrew Bible and History, University Park (41-43)
  • Hertz, R., The Pre-eminence of the Right Hand. A Study in Religious Polarity, Journal of Ethnographic Theory 3 (2013), 335-357 (franz. Original 1909)
  • Klein, J. / Seevers, B., 2013, Left-Handed Sons of Right-Handers, BAR 39,3, 26.69f
  • Park, S., 2015, Left-Handed Benjaminites and the Shadow of Saul, JBL 134, 701-720
  • Poisel, T.J., 2006, Plate LIII from Til-Barsip. The Left-Handed Assyrian King, Iraq 68, 121-127
  • Reeves, N., 1999, Left-handed Kings? Observations on a Fragmentary Egyptian Sculpture, in: A. Leahy / J. Tait (Hgg.), Studies on Ancient Egypt (FS H.S. Smith), London, 249-254
  • Soggin, J.A., 2. Aufl. 1987, Judges. A Commentary (OTL), London

Abbildungsverzeichnis

  • Szene der Eroberung von Lachisch (Südwestpalast von Ninive; um 700 v. Chr.). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum, BM124906
  • Ein neuassyrischer König als Linkshänder dargestellt (Til Barsip). Aus: A. Parrot, Nineveh and Babylon, London 1961, Abb. 345

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