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Linguistik

(erstellt: März 2006)

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1. Gegenstand

Die Linguistik beschäftigt sich als wissenschaftliche Disziplin mit der Beschreibung und Erklärung von Sprache(n) und sprachlicher Kommunikation.

Die klassischen Felder der Linguistik (vgl. 2.) sind Phonetik und Phonologie, Morphologie und Wortbildung, Syntax, Semantik und Pragmatik. Daneben gibt es weitere Felder (vgl. zum Folgenden Bußmann, Glück und die Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft) wie die Soziolinguistik, die nach der wechselseitigen Beziehung von Sprache und Gesellschaft fragt, die Neurolinguistik, die die Sprachverarbeitung im Gehirn untersucht, die Psycholinguistik, die sich mit den Prozessen des Sprechens, des Sprachverstehens und der Spracherwerbs beschäftigt und die Textlinguistik, die nach konstitutiven Merkmalen von Text bzw. Texten fragt.

2. Die Felder der Linguistik

2.1. Phonetik und Phonologie

Phonetik und Phonologie beschäftigen sich mit dem Vorgang des Sprechens als dem Äußern von Lauten. Dabei untersucht die Phonetik die physiologischen und physikalischen Vorgänge beim Äußern von Lauten. Die Art der Laute selbst ist der Gegenstand der Phonologie. Sie versucht, die verschiedenen Laute in Lautklassen oder -kategorien, die Phoneme, einzuteilen.

2.1.1. Phonetik

Die Phonetik beschäftigt sich mit der Entstehung der Laute. Gegenstand ist die Erzeugung des Luftstroms in Lunge und Luftröhre und die Erzeugung von Lauten mittels des Kehlkopfes, der Zunge, der Lippen, der Zähne, des Zahndammes, des Rachens, des Mundraums, des Nasenraumes usw. Dabei beschreibt sie die verschiedenen Laute und teilt diese Laute (Konsonanten und Vokale) in verschiedene Klassen ein. Bei den Dentalen z.B. ist die obere Zahnreihe für die Artikulation wichtig, bei den Labialen die Lippen usw.

2.1.2. Phonologie

Die Phonologie abstrahiert diese Lautklassen weiter, indem sie zunächst Geäußertes in einzelne Laute, die sog. Phone, zerlegt (Segmentierung) und diese Phone dann zu den Phonemen (Gruppen von Phonen) zusammenfasst. Phoneme sind bedeutungsunterscheidende Einheiten. Als Allophone bezeichnet man dabei unterschiedliche Realisierungsvarianten eines Phonems (ch „in“ ich bzw. „Loch“).

Durch die Methode der Substitution kann man Phoneme in bedeutungsunterscheidende Einheiten einteilen. Z.B. unterscheiden sich die Wörter [1] Maus und [2] Laus (Beispiele aus Volmert, 77) nur durch [m] und [l] am Wortanfang, /m/ und /l/ sind also bedeutungsunterscheidende Phoneme. Dabei werden Phone in eckigen Klammern notiert (Bsp. „[b]“), Phoneme in Schrägstrichen (Bsp. „/b/“).

Bei der phonetischen Notation hat man sich auf ein phonetisches Alphabet geeinigt, da die verschiedenen Buchstaben der Lateinischen Schrift nicht ausreichen, um alle Phoneme darzustellen (so wird z.B. im Deutschen das Phonem /ŋ/ wie in dem Wort [3] lang als „ng“ dargestellt). Das phonetische Alphabet der Internationel Phonetic Association (IPA) ist das am weitesten verbreitete.

Die Phonotaktik beschreibt Silben. Eine Silbe besteht dabei aus einem Silbenkern oder Nukleus und dem (fakultativen) Silbenrand. Dabei unterscheidet man den Silbenkopf (vor dem Silbenkern) und den Silbenkoda (nach dem Silbenkern). Das Wort [4] gehen besteht aus den beiden Silben ge und hen. Die Silbe ge besteht dabei aus dem Silbenkern e und dem Silbenkopf g, es handelt sich also um eine Silbe, die aus einem Konsonant (K) und einem Vokal (V) besteht, die Silbe hen besteht aus dem Silbenkern e, dem Silbenkopf h und dem Silbenkoda n.

Bei Silben handelt es sich anders als bei Morphemen nicht um bedeutungstragende Einheiten. Von dem Wort gehen trägt weder die Silbe ge noch die Silbe hen eine Bedeutung. Anders ist dies bei der morphologischen Betrachtung, hier trennt man das Wort in zwei verschiedene Morpheme: geh-en. Dabei ist das Morphem geh das Kernmorphem des Wortes und das Morphem en kennzeichnet den Infinitiv.

2.2. Morphologie

2.2.1. Gegenstand der Morphologie

Die Morphologie beschäftigt sich mit der Frage nach dem Bau von Wörtern. Sie fragt nach den verschiedenen bedeutungstragenden Bestandteilen der Wörter (dies unterscheidet sie von der Phonotaktik, die nach dem Bau der Silben fragt, die gerade nicht bedeutungstragend sind [s.o. 2.1.2.]). Die Bauteile der Wörter werden Morpheme genannt. Diese Morpheme sind unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten bedeutungstragend: zum einen lexikalisch, wie bei dem Beispiel [4] das Morphem geh-, zum anderen grammatisch bzw. funktional wie das Morphem -en in Beispiel [4], das im Deutschen u.a. zum Kennzeichnen des Infinitivs dient.

Man unterscheidet verschiedene Arten von Morphemen: 1. Kernmorpheme (auch Stamm-, Grund-, Basis- oder lexikalische Morpheme genannt). 2. Flexionsmorpheme, 3. die Derivationsmorpheme und 4. Fugenelemente.

Kernmorpheme haben eine lexikalische Bedeutung (Bsp. geh-, lern- usw., aber auch mehrsilbige Wörter wie z.B. Arbeit [Beispiel aus Volmert, 88]). Flexionsmorpheme haben eine funktionale Bedeutung (Bsp. -en zum Kennzeichnen eines Infinitivs wie in geh-en oder lern-en oder zum Kennzeichnen eines Plurals im Dativ wie in Berg-en usw.). Derivationsmorpheme kommen bei abgeleiteten Wörtern wie Ver-steh-en vor. Dabei ist Ver- ein Derivationsmorphem, steh ein Kernmorphem und -en ein Flexionsmorphem.

Fugenelemente kommen bei zusammengesetzten Wörtern (Komposita) vor, Bsp. Schiff-s-rumpf, -s- ist dabei das Fugenelement, das zwei Kernmorpheme verbindet.

Bei den flektierenden Sprachen, wozu auch das Deutsche und das Biblische Hebräisch gehört, werden Wörter nicht nur durch das Anhängen von Flexions- und Derivationsmorphemen sowie Fugenelementen gebildet, sondern das Kernmorphem selbst kann verändert werden (Bsp. Maus, aber Mäus-e).

2.2.2. Wortbildung

Das Lexikon (der Sprachschatz) einer Sprache verändert sich ständig. Es werden neue Worte gebildet. Der Teilbereich der Wortbildung der Linguistik beschäftigt sich – wie der Name schon sagt – mit der Bildung (neuer) Worte. Von der Wortbildung ist die Flexion und die Wortschöpfung klar zu unterscheiden.

„Flexion“ bezeichnet die Bildung syntaktischer Wörter im Sinne der Morphologie [s.o. 2.2.1], „Wortschöpfung“ die Schaffung komplett neuer Wörter und wird besonders bei der Benennung neuer Produkte angewandt. Unter „Wortbildung“ versteht man hingegen die Bildung neuer Wörter durch Verwendung bereits im Lexikon vorhandener sprachlicher Mittel.

Man unterscheidet verschiedene Typen von Wortbildungen:

1. die Komposition (Zusammensetzung), Bsp. „Schreibtisch“ – „schreiben“ + „Tisch“;

2. die Derivation (Ableitung), Bsp. „schreibbar“ – „schreiben“ + Derivationsaffix „bar“;

3. die Konversion, Bsp. „Gehen“ – Substantivierung von „gehen“;

4. Kürzung, Bsp. „LKA“ – Abkürzung von „Landeskriminalamt“ oder „Landeskirchenamt“;

5. Kontamination (Wortmischung, Wortkreuzung), Bsp. „Tragikomik“ – „Tragik“ + „Komik“ (Beispiel aus Volmert, 113).

2.3. Syntax

Der linguistische Teilbereich Syntax beschäftigt sich mit der Frage nach dem Bau von Sätzen und überhaupt mit der Frage, was ein Satz ist. Ries (1931) hat 141 Satzdefinitionen veröffentlicht, Seidel (1935) 85 weitere Definitionen. Je nach Betrachtungsweise und Theorie werden unterschiedliche Definitionen für Sätze geliefert.

Dass es sich bei einer Äußerung wie [5] „Es regnet.“ oder [6] „Fischers Fritz fischt frische Fische.“ um Sätze handelt, ist einsichtig. Wie ist das aber bei folgenden Äußerungen [7] „Achtung! Feuer!“ oder [8] „Warnung! Bissiger Hund!“? Kann man auch hier von Sätzen sprechen? Um diese Fragestellungen geht es im Bereich der Syntax. Die Frage nach der Bedeutung und nach dem Handlungsaspekt von Äußerungen wird hingegen in erster Linie in den Bereichen der Semantik bzw. Pragmatik behandelt.

2.3.1. Die klassische Schulgrammatik

Die Syntaxlehre der Schulgrammatik baut auf der Urteilslehre der klassischen Logik auf (vgl. Volmert, 121). Innerhalb dieser Betrachtungsweise werden die Sätze in verschiedene Teile, die Satzglieder, eingeteilt. Im Deutschen besteht dabei ein Satz aus Subjekt, Prädikat, ggfs. Objekt / Objekten, adverbiellen Bestimmungen und Attributen. In Beispiel [6] liegt ein Satz mit Subjekt (Fischers Fritz, Nominalphrase aus zwei Nomina, das eine im Genitiv, das andere im Nominativ), Prädikat (fischt, finites Verb) und Objekt (Fische, Nomen) vor, wobei das Objekt noch durch ein Adjektiv (frisch) näher klassifiziert wird.

Die verschiedenen Satzarten werden in der klassischen Schulgrammatik z.B. durch die Stellung der Satzglieder gekennzeichnet. So steht z.B. beim normalen Aussagesatz das Subjekt an erster Position im Satz, das Prädikat an zweiter, es folgen ggfs. Objekte usw. (vgl. Beispiel [6]). In einem Fragesatz steht hingehen zuerst das Prädikat, gefolgt vom Subjekt usw., Bsp. [9] „Kommst Du nachher auch zum Vortrag von […]?“

2.3.2. Die Generative Transformationsgrammatik

Die generative Transformationsgrammatik (N. Chomsky) unterscheidet zwischen der Sprachkompetenz (Sprachfähigkeit) und der Sprachperformanz (reale Sprachanwendung). Die Sprachkompetenz entwickelt sich beim Spracherwerb, d.h. beim Erlernen von Regeln, um Sätze bilden bzw. generieren zu können. Gemeintes (Ebene der Tiefenstruktur) wird in einen gesprochenen oder geschriebenen Satz (Ebene der Oberflächenstruktur) transformiert. Dabei kann das Gemeinte auf der Ebene der Oberflächenstruktur verschieden ausgedrückt werden. Sowohl der Satz [10] „Peter schlägt Paul.“ als auch der Satz [11] „Paul wird von Peter geschlagen.“ (Beispiele aus Volmert, 118) drücken auf der Ebene der Tiefenstruktur dasselbe aus. Dieses auf der Ebene der Tiefenstruktur Gemeinte kann auf der Ebene der Oberflächenstruktur unterschiedlich realisiert werden, zum einen in einem Aktivsatz [10], zum anderen in einem Passivsatz [11]. Umgekehrt kann ein Satz auf der Ebene der Oberflächenstruktur verschiedene Tiefenstrukturen repräsentieren. Der Satz [12] „Sie fahren mit Abstand am besten.“ (Beispiel aus von Polenz, 58) kann mindestens zwei Bedeutungen haben: 1. [13] „Am besten fahren Sie, wenn Sie Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einhalten“ oder 2. [14] „Unter einer Gruppe von Autofahrern sind Sie mit Abstand der beste.“

Ziel der generativen Transformationsgrammatik ist es, eine Regelliste zu erstellen, nach der „alle in einer Sprache möglichen grammatischen Sätze generiert und als Transformationen von Tiefenstrukturen in Oberflächenstrukturen beschrieben werden können“ (Volmert, 119).

2.3.3. Die Dependenzgrammatik

Bei der Dependenzgrammatik (L. Tesnière) steht das Verb im Zentrum der Betrachtung. Dabei wird davon ausgegangen, dass die übrigen Elemente des Satzes direkt oder indirekt vom Verb abhängig sind. Die Valenztheorie weist dabei den verschiedenen Verben verschiedene Wertigkeiten zu. So ist z.B. das Verb „gehen“ ein einwertiges Verb, denn es kann höchstens ein Subjekt, das sog. 1. Syntagma regieren, Bsp. [15] „Du gehst.“ Das Verb gehen ist ein absolutes (oder auch: intransitives) Verb, d.h. es trägt keine Objekte. Ein zweiwertiges Verb ist z.B. das Verb sehen, Bsp.: [16] „Ich sehe Dich.“ Das Verb sehen regiert ein Subjekt und ein Objekt. Geben ist ein dreiwertiges Verb, Bsp. [17] „Du gibst mir ein Buch.“ Von dem Verb geben hängt hier das Subjekt Du, das direkte Objekt ein Buch und das indirekte Objekt mir ab. Ein nullwertiges Verb ist das Verb regnen. In dem Satz [18] „Es regnet“ regiert das Verb lediglich das unpersönliche Subjekt Es, das eigentlich kein echtes Subjekt ist (vgl. z.B. den Satz [19] „Es scheint die Sonne“).

2.3.4. Die funktionale Grammatik

Unter dem Begriff der funktionalen Grammatik werden neuere Ansätze und Grammatikkonzepte zusammengefasst, die die einzelnen Kategorien der Sprache und Bestandteile von Äußerungen nach ihren Funktionen bestimmen. Zu nennen sind hier u. a. die Konzepte Topic / Comment (Prädikation) und Thema / Rhema. So kennzeichnet bei letzterem Konzept z.B. das Thema einen bekannten Sachverhalt, während das Rhema einen neuen Sachverhalt im Bezug auf das Thema einführt. Thema und Rhema kann man in Frage-/Antwortpaaren verdeutlichen. Isaak fragt in Gen 27,18 [20] „Wer bist Du?“ Thema ist damit der anwesende Sohn, der sich im ‚Sichtfeld’ Isaaks befindet. Die Antwort auf diese Frage verdeutlicht, was das Rhema ist: [21] „Ich bin Esau, dein Erstgeborener.“ In der Antwort wird das Thema durch Ich bin wieder aufgenommen, der neue Sachverhalt, die neue Information über die im Sichtfeld Isaaks anwesende Person nach der mit der Frage gefragt wird, ist Esau, dein Erstgeborener. Das Thema kann in Antwortsätzen völlig fehlen, das Rhema (hier Esau, dein Erstgeborener) genügt oft als Antwort auf eine Frage.

Thema und Rhema entsprechen im Deutschen in Aussagesätzen sehr oft den Kategorien Subjekt und Prädikat der klassischen Schulgrammatik, dies ist aber nicht immer der Fall. Oft kann das Rhema auch eine adverbielle Bestimmung sein, Bsp. [22] „Ich bin gestern angekommen.“ als Antwort auf die Frage: „Wann bist du angekommen?“ Rhema wäre hier die adverbielle Bestimmung der Zeit gestern, Thema wäre der Rest der Äußerung Ich bin […] angekommen.

2.4. Semantik

Die Semantik beschäftigt sich mit der Frage nach der Bedeutung sprachlicher Äußerungen. Dabei ist zwischen der Wortsemantik (oder lexikalischen Semantik) und der Satzsemantik zu unterscheiden. Die Wortsemantik fragt nach der Bedeutung von einzelnen Wörtern, die Satzsemantik nach der Bedeutung von Ketten von Wörtern bzw. von Sätzen. Ob z.B. mit einer ‚Bank’ ein Gegenstand zum Sitzen oder ein Kreditinstitut gemeint ist, wird nur im Kontext (d.h. im Satz) klar. Auf der anderen Seite wird erst im weiteren Kontext klar, wer Subjekt des folgenden Satzes ist: „Die Mutter schlägt die Tochter.“ (Beispiel aus Vater, 135).

Im Bereich der Wortsemantik, also der Bedeutung von Wörtern, sind drei verschiedene Analysemethoden wichtig:

1. Bei der Merkmal- oder Komponentenanalyse wird die Gesamtbedeutung eines Wortes durch verschiedene Bedeutungsmerkmale beschrieben. Das Wort „Strom“ ist mindestens doppeldeutig (folgendes Beispiel aus Volmert S. 157):

Strom: (+)konkret, (-)menschlich, (+)Gewässer, (+)fließend

Strom: (+)konkret, (-)menschlich, (-)Gewässer, (+)fließend

Man kann das Gewässer vom elektrischen Strom durch das Merkmal (+)Gewässer bzw. (-)Gewässer semantisch unterscheiden.

2. Bei der Prototypenanalyse geht man bei der semantischen Bestimmung von Prototypen aus. Ein Prototyp ist „der beste Repräsentant einer Klasse“ (Vater S. 148). Beispiel: „Der Stuhl mit viereckiger Sitzfläche und vier Beinen ist eher Mitglied der Kategorie Stuhl als der mit runder oder dreieckiger Sitzfläche, nur einem Bein und/oder Armlehnen“ (ebd.)

3. Die Theorie der Semantischen Felder ordnet verschiedene Wörter mit ähnlicher Bedeutung in ein Wortfeld. Dabei gilt folgendes:

„Die Grundannahmen der Feldtheorie sind die folgenden:

- der gesamte Wortschatz einer Sprache lässt sich in Feldern ordnen (Prinzip der Ganzheit);

- die zu einem Feld gehörenden Lexeme decken das gesamte Bedeutungsspektrum ab (Prinzip der Lückenlosigkeit);

- die Lexeme eines Feldes bilden eine hierarchische Ordnung (Prinzip der hierarchischen Ordnung);

- die Bedeutungen der Lexeme eines Feldes bestimmen sich gegenseitig (Prinzip der Wechselseitigen Bedeutungsbestimmung).“ (Volmert, 169)

2.5. Pragmatik

Die (Sprach-)Pragmatik beschäftigt sich mit dem Handlungsaspekt von Äußerungen und Sprache.

J. L. Austin, der Äußerungen wie [23] „Ich taufe dieses Schiff auf den Namen ‚Queen Elizabeth’.“ (Bsp. aus Austin, 28) betrachtet, kommt zu dem Schluss, dass jegliches Äußern von Sätzen bedeutet, etwas zu tun und entwickelt die sog. Sprechakttheorie. Er unterscheidet dabei drei verschiedene Akte, den sog. lokutionären Akt, den illokutionären Akt und den perlokutionären Akt. Der lokutionäre Akt ist dabei das Sprechen an sich, das Äußern von Lauten (phonetischer Akt), von Wörtern (phatischer Akt) und von Inhalten (rhetischer Akt). Der illokutionäre Akt beschreibt den Handlungsaspekt auf Seiten des Sprechers, die Absicht des Sprechers (der Sprecher möchte z.B. eine Frage stellen, eine Aussage machen, eine Absicht erklären usw.). Der perlokutionäre Akt beschreibt schließlich den Handlungsaspekt auf Seiten des Hörers (der Hörer wird überzeugt, in Frage gestellt, beleidigt usw.).

J. L. Searle modifiziert die Sprechakttheorie Austins dahingehend, dass er den phonetischen und phatischen Akt im ‚Äußerungsakt’ zusammenfasst, den rhetischen Akt hingegen als propositionalen Akt beschreibt, der aus einem Referenzakt und einem Prädikationsakt besteht. Im Referenzakt wird Bezug auf eine Größe genommen, im Prädikationsakt wird eine Aussage über diese Größe getroffen.

Searle teilt die Sprechakte in insgesamt fünf Klassen ein, die REPRÄSENTATIVA (Feststellungen, Behauptungen usw.), die DIREKTIVA (Aufforderungen, Befehle, Bitten usw.), die KOMMISSIVA (Versprechen, Gelübde usw.), die EXPRESSIVA (Bedankungen, Entschuldigungen, Gefühlsäußerungen usw.) und die DEKLARATIVA (hier fallen beim Äußern von Sätzen Äußerung und Handlung zusammen, vgl. Bsp. [23]).

Zu den wichtigen Vertretern, die die Pragmatik in die deutschsprachige Linguistik eingeführt haben, gehören D. Wunderlich und K. Ehlich.

Ein anderer Zweig der Pragmatik beschäftigt sich mit Bedingungen, die Konversationen zu Grunde liegen (H. P. Grice). Grice stellt dabei insgesamt vier Maximen auf (vgl. zum folgenden Vater, 188ff.): 1. Die Maxime der Quantität (‚Mach deinen Beitrag so informativ wie notwendig und nicht informativer als notwendig’); 2. die Maxime der Qualität (‚Sage nichts, was du für falsch hältst oder wofür du keine hinreichenden Anhaltspunkte hast’); 3. die Maxime der Relation (‚Sprich zur Sache!’) und 4. die Maxime der Art und Weise (‚Mach deinen Redebeitrag durchsichtig!’). Diese vier Maximen können unter dem Kooperationsprinzip zusammengefasst werden. Als zweites Prinzip gilt für Grice, dass es einen Unterschied gibt zwischen Gesagtem und Gemeintem.

Neben den genannten Themen behandelt die Pragmatik auch andere Felder, wie z.B. die Deixis u.a.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Glück, H. (Hg.), 1993, Metzler Lexikon Sprache
  • Bußmann, H., 1990 2. Aufl., Lexikon Sprachwissenschaft. Unter Mithilfe und mit Beiträgen von Fachkolleginnen und -Kollegen (Körners Taschenausgabe Band 452), Stuttgart

2. Weitere Literatur

  • Ágel, L. u.a., 2003, Dependenz und Valenz – Dependency and Valency (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 25.1), Berlin / New York
  • Austin, J. L., 2. Aufl. 1989, Zur Theorie der Sprechakte (How to to things with Words), Stuttgart
  • Booij, G. u.a. (Hg.), 2000 und 2004, Morphologie – Morphology. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung – An International Handbook on Inflection and Wordformation (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 17.1 und 17.2), Berlin / New York
  • Bünting, K.-D. / Bergenholtz, H., 3. Aufl. 1995, Einführung in die Syntax. Grundbegriffe zum Lesen einer Grammatik, Königstein/Ts.
  • Chomsky, N., 1969, Apsekte der Syntaxtheorie, Frankfurt am Main
  • Ehlich, K., 1979, Verwendungen der Deixis beim sprachlichen Handeln. Linguistisch-philologische Untersuchungen zum hebräischen deiktischen System. Teil 1 und 2 (Forum Linguisticum 24), Frankfurt am Main / Bern / Las Vegas
  • Grice, H. P., 1968, Logic and conversation, in: Cole, P. / Morgan, J. L. (Eds.), Syntacs and semantics. Bd. 3, Speech acts. New York, 41-58
  • Heike, G., 1982, Phonologie (Sammlung Metzler 104, Abt. C.: Sprachwissenschaft), Stuttgart
  • Helbig, G. / Buscha, J., 2001, Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht, Nachdruck 2005, Berlin u.a.
  • Hindelang, G., 4. Aufl. 2004, Einführung in die Sprachakttheorie (Germanistische Arbeitshefte 27), Tübingen
  • Jacobs, J. u.a. (Hg.), 1993 und 1995, Syntax. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung – An International Handbook of Contemporary Research (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 9.1 und 9.2), Berlin / New York
  • Linke, A. / Nussbaumer, M. / Portmann, P. R. (Hgg.), 5. Aufl. 2004, Studienbuch Linguistik. Ergänzt um ein Kapitel »Phonetik/Phonologie« von Urs Willi (Reihe Germanistische Linguistik 121), Tübingen
  • Morris, Ch. W., 1938, Foundations of the Theory of Signs, Chicago; deutsch: 1972, Grundlagen der Zeichentheorie, München
  • Polenz, P. von, 2. Aufl. 1988, Deutsche Satzsemantik. Grundbegriffe des Zwischen-den-Zeilen-Lesens (Sammlung Göschen 2226), Berlin / New York
  • Ries, J., 1931, Was ist ein Satz?, Prag
  • Saussure, F. de, 3. Aufl. 1963, Cours de linguisitque générale, Paris; deutsch: 1967, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, Berlin
  • Searle, J. R., 5. Aufl. 1992, Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 458), Frankfurt am Main
  • Searle, J. R., 1973, Linguistik und Sprachphilosophie, in: R. Bartsch / T. Vennemann (Hgg.), Linguistik und Nachbarwissenschaften, Kronberg/Ts., 113-125
  • Seidel, E., 1935, Geschichte und Kritik der wichtigsten Satzdefinitionen, Jena
  • Stechow, A. von / Wunderlich, D., 1991, Semantik – Semantics. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung – An International Handbook of Contemporary Research (Handbücher für Sprach- und Kommunikationswissenschaft 6), Berlin / New York
  • Tesnière, L, 1980, Grundzüge der strukturellen Syntax, Stuttgart
  • Vater, H., 4. Aufl. 2002, Einführung in die Sprachwissenschaft (UTB 1799), München
  • Volmert, J. (Hg.), 5. Aufl. 2005, Grundkurs Sprachwissenschaft. Eine Einführung in die Sprachwissenschaft für Lehramtsstudiengänge (UTB 1879), München
  • Wunderlich, D., 1976, Studien zur Sprechakttheorie (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 172), Frankfurt am Main

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