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Land der Lebenden

(erstellt: November 2010)

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1. Belege

אֶרֶץ חַיִּים ’æræṣ chajjîm oder אֶרֶץ הַחַיִּים ’æræṣ hachajjîm „Land der Lebendigen“ / „Lebenden“ kommt in der Hebräischen Bibel 14-mal im Singular und einmal im Plural vor. Die Stellen beschränken sich auf die poetische (Hi 28,13; Ps 27,13; Ps 52,7; Ps 116,9 [Plural; wahrscheinlich Extensivplural]; Ps 142,6) und prophetische Literatur (Jes 38,11; Jes 53,8; Jer 11,19; Ez 26,20; Ez 32,23.24.25.26.27.32).

2. Übersetzung

Beide Elemente in der Genitivverbindung אֶרֶץ חַיִים ’æræṣ chajjîm (auch mit Artikel) können unterschiedliche Bedeutungen haben, wodurch es theoretisch bis zu sechs Übersetzungsmöglichkeiten gibt. אֶרֶץ ’æræṣ kann „Erde“, „Welt“ oder „Land“ bedeuten und חַיִים chajjîm „Leben“, „Lebende“ oder „Lebendige“. Die üblichen Übersetzungen sind „Land der Lebendigen“ oder „Land der Lebenden“. Da „lebendig“ im Deutschen auch die Konnotation „lebhaft“ hat, ist „lebend“ vorzuziehen, denn in dem vorliegenden Ausdruck geht es bei חַיִים chajjîm um die Betonung von lebend im Unterschied zu tot.

3. Bedeutung

Tod und Leben sind in der alttestamentlichen Vorstellungswelt zwei Qualitäten, die zugleich als Räume oder Bereiche gesehen werden (Barth, 20); ein Verständnis, das sich auch in Israels Umwelt findet (Beispiele bei Barré). Das Leben gehört zur Erde, der → Tod zur Unterwelt (s. für bildliche Vorstellungen Keel; → Jenseitsvorstellungen in Israel). Lebt ein Mensch, so ist er auf der Erde, und ist er auf der Erde, so lebt er. Entsprechendes gilt für Tod und Totenreich unter der Erde (s. Ez 26,20). Daher kann die Übersetzung „Land der Lebenden“ ohne Bedeutungsverlust durch „Erde der Lebenden“, im Sinne von: „Die Lebenden sind auf der Erde“, bzw. „Welt der Lebenden“ mit der Konnotation „Realität / Zustand des Lebens“ wiedergegeben werden.

Häufig erscheint „Land der Lebenden“ im Gegensatz zum Totenreich, oft auch mit Angabe oder Drohung der Versetzung aus dem Reich des Lebens in das des Todes oder mit der Verheißung des umgekehrten Prozesses (Barth). Die Formulierung „abgeschnitten aus dem Land der Lebenden“ bedeutet wohl „gestorben sein“ (Jes 53,8; Jer 11,19; Ps 52,7) oder „wie gestorben sein“ (Soggin).

Da die Erde der Bereich der Lebenden ist, kommt auch ein sozialer Aspekt ins Blickfeld. Ist ein Mensch im Land der Lebenden, so ist er zusammen mit anderen Lebenden auf Erden. Das Land der Lebenden ist somit gleichsam: 1. der Ort der Lebewesen (Ringgren, 894); 2. der Ort der Lebewesen im Gegensatz zum Totenreich (Ottosson, 430); 3. das lebendig Sein bzw. Leben; 4. die menschliche Gesellschaft (so vor allem in Hi 28,13; s. van Selms, z.St.).

4. Septuaginta

Die Septuaginta bestätigt dieses Bedeutungsspektrum durch ihre variierenden Wiedergaben von אֶרֶץ חַיִים ’æræṣ chajjîm (auch mit Artikel): γῆ ζώντων gē zōntōn „Land / Erde der Lebenden“ (Ps 27,13 u.ö.) oder χώρα ζώντων chōra zōntōn „Gebiet der Lebenden“ (Ps 114,9 LXX = Ps 116,9 MT); schlichtes ἡ γῆ hē gē „das Land / die Erde“ (Jes 38,11; vgl. Jes 53,8); γῆ ζώης gē zōēs „Land / Erde des Lebens“ (alle Stellen in Ezechiel); oder gar ἄνθρωποι anthrōpoi „Menschen“ (Hi 28,13).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Barré, M.L., 1988, ’rṣ (h)ḥyym. „The Land of the Living“?, JSOT 41,37-59
  • Barth, C., 1997 (2. Aufl. 1987, 1947), Die Errettung vom Tode. Leben und Tod in den individuellen Klage- und Dankliedern des Alten Testaments, 3. Aufl., Zürich
  • Keel, O., 1996, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, 5. Aufl., Göttingen
  • Ottosson, M., 1973, Art. אֶרֶץ ’æræṣ, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. 1, Stuttgart u.a., 418-436
  • Ringgren, H., 1977, Art. חיה chjh, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. 2, Stuttgart u.a., 874-898
  • Selms, A. van, 1985, Job. A Practical Commentary (Text and Interpretation), Grand Rapids, MI
  • Soggin, J.A., 1975, Tod und Auferstehung des leidenden Gottesknechtes, ZAW 87, 346-355

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