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Kupfersteinzeit / Chalkolithikum

(erstellt: Dezember 2021)

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1. Einleitung

Das Wort „Chalkolithikum“ setzt sich zusammen aus den Wörtern χαλκός khalkos (Kupfer) und λίθος lithos (Stein). Die Namensgebung lässt bereits auf das zentrale Element dieser Epoche schließen – das Kupfer. Die Entwicklung der Metallurgie, „metallurgische Revolution“, ist das Charakteristikum dieser Periode.

Das Chalkolithikum (oder auch „Kupfersteinzeit“) umfasst die Zeitspanne von 5000/4500-3600 v. Chr. und liegt somit chronologisch zwischen dem späten Neolithikum und der frühen → Bronzezeit.

Durch die vorangegangene sogenannte „Neolithische Revolution“ sind viele der Siedlungen in der südlichen Levante bereits zu sesshaften, Landwirtschaft treibenden Gesellschaften geworden. In der folgenden Frühen Bronzezeit entstanden in der gesamten südlichen Levante, insbesondere aber auch in Mesopotamien, erste Städte. Genau zwischen diesen beiden Epochen lässt sich das Chalkolithikum einordnen.

Abgesehen von der Metallurgie weist das Chalkolithikum aber auch andere wichtige Elemente auf. Hierzu gehören erste befestigte Siedlungen, die oftmals als Vorläufer des in der frühen Bronzezeit beginnenden Urbanismus in der Levante gesehen werden. Weitere Kennzeichen des Chalkolithikums sind Veränderungen in der sozialen Struktur der Bevölkerung, die im Verlaufe der Bronzezeit zu komplexeren, urbanen Gesellschaften führen. Nur sehr wenige Siedlungen dieser Zeit weisen kontinuierliche Siedlungsspuren bis in die frühe Bronzezeit auf, was die Archäologen vermuten lässt, dass es zu einer Art „Kollaps“ geführt hat, der diese Epoche beendet hat.

2. Chronologie und Regionalität

Der Begriff „Chalkolithikum“ wurde erstmals von W.F. Albright eingeführt. Damit bezeichnete er Keramikformen, die denen des Neolithikums folgten und denen der frühen Bronzezeit vorausgehen. Mit dem Fundplatz Telēlāt Ġassūl (Koordinaten: 2107.1141; N 31° 51' 39'', E 35° 38' 26'') im heutigen Jordanien hatte man auch einen ersten, typischen Fundplatz für diese Epoche. Daher wird diese Zeitspanne auch manchmal noch als „Ghassulien“ bezeichnet.

Ein großes Problem in der Forschung ist, dass es für das Chalkolithikum keine allgemeingültige Chronologie gibt. Daher wird versucht, anhand von Keramikformen (relative Chronologie, → Keramik / Keramiktypologie) oder anhand von Radiocarbondaten (absolute Chronologie) einheitliche Chronologiesysteme für das Chalkolithikum zu entwickeln. Dennoch ist die interne Chronologie (Frühes, Mittleres und Spätes Chalkolithikum) in der Forschung umstritten. Verschiedene Ansätze werden bei Joffe / Dessel 1995; Kerner 2001; Garfinkel 1999; Blackham 2002; Rowan / Golden 2009 diskutiert.

Nicht weniger umstritten sind die Übergänge vom späten Neolithikum zur frühen Bronzezeit. Im Großen und Ganzen ist es jedoch schwierig, die Chronologie des Chalkolithikums in der südlichen Levante zu verallgemeinern, da es teilweise große regionale Unterschiede in der Architektur und den Bestattungsriten gibt. So lassen sich die chalkolitischen Befunde sehr grob zwischen dem Norden (Norden des heutigen Israel / Palästina, Libanon und Jordanien; Golanhöhen), dem nördlichen und dem südlichen Jordantal und dem Süden (Judäische Wüste / Negev-Wüste) unterscheiden.

Im Norden des heutigen Israel / Palästina wie zum Beispiel im Hula-Tal konnten nur wenige Siedlungsplätze ergraben werden. Hierzu zählen Tell Te’o (Koordinaten: 33° 07' 47" N, 35° 34' 10" E) oder Tell Turmus (Koordinaten: 33° 12 '45" N, 35° 38' 46" E).

Im unteren Galiläa sind Bēt Nǝtofa (Koordinaten: 1711.1196; 32° 48' 34" N, 35° 19' 56" E) und Bēt Ha-ʿĒmeq (Koordinaten:1660.2648; 32° 58' 16" N, 35° 08' 41" E) bekannte chalkolitische Fundplätze. Die bisher größte Anzahl an chalkolitischen Fundorten in der Levante wurde im heutigen Israel / Palästina ausgegraben und erforscht. Dort konzentrieren sich die archäologischen Surveys insbesondere auf die Negev-Wüste sowie das Jordantal. Aus diesen Regionen stammt also auch das meiste Wissen aus dieser Epoche. Dies mag damit zusammenhängen, dass diese Region bis heute nicht allzu flächendeckend überbaut ist und somit Raum für archäologische Forschung gibt. Jedoch wurden auch im heutigen Jordanien eine relativ hohe Anzahl an Fundstätten ausgegraben, wohingegen die Anzahl der erforschten Stätten in der nördlichen Levante (heutiges Syrien und Libanon) relativ begrenzt ist. Ältere Ausgrabungen (→ Bet Schean, → Geser, → Meggido, Tell el-Fārʿa Nord [→ Tirza]) zeigen ebenfalls Funde von chalkolitischem Material, können jedoch aufgrund der damaligen Ausgrabungsmethoden nicht weiter eingeordnet werden.

Weitere bedeutende Stätten dieser Zeit sind etwa Tell Abū Habīl (Koordinaten: 2045.1972; 32° 22' 04" N, 35° 34' 38" E), Tell Abū Hāmid (Koordinaten: 2339.1662; 32° 19' 03" N, 35° 34' 14" E), Peqi’in (Koordinaten: 32° 58′ 27″ N, 35° 19′ 53″ E), Nahal Qana (Koordinaten: 150.170; 32° 7′ 37″ N, 34° 53′ 43″ E), Šiqmiîm (Koordinaten: N 31° 11' 51'', E 34° 37' 52''), Gīlat (Koordinaten: 1153.0818; N 31° 19' 37'', E 34° 38' 08''); Bīr es-Safadi (Koordinaten: 31° 13′ 15″ N, 34° 45′ 32″ E), Hadera (Koordinaten: 32° 27′ 0″ N, 34° 55′ 0″ E), Azor (Koordinaten: 32° 01' 09" N, 34° 48' 14" E), Palmachim (Koordinaten: 31° 56′ 2″ N, 34° 42′ 22″ E), → Aschdod (Koordinaten: 1179.1293; 31° 47′ 52″ N, 34° 39′ 1″ E) und Tel Qiri (Koordinaten: 1611.2274; 32° 38′ 38″ N, 35° 6′ 53″ E).

Im Gebiet des heutigen Jordanien sind Telēlāt Ġassūl and Ğebel Sartaba (→ Pella, Koordinaten: 2078.2064; N 35° 36' 41'', E 32° 27' 02'') und Sāl (Koordinaten: 2359.2198; 32° 34' 22'' N, 35° 54' 43'' E) gut erforschte chalkolitische Fundplätze. Eine übersichtliche Aufstellung verschiedener Stätten lässt sich bei Kerner 2001 finden.

3. Siedlungen

Die Veränderungen in der wirtschaftlichen Organisation der Gesellschaft ermöglichten es, dass größere Gruppen sich permanent am selben Ort niederlassen konnten. In der Folge sind die nun entstehenden Siedlungen größer als die vorherigen, neolithischen Siedlungen. So konnte beispielsweise in Telēlāt Ġassūl die Größe der Siedlung auf ca. 10 ha bestimmt werden. Das im heutigen Jordanien liegende sogenannte „Megadorf“ Sal wies sogar eine Fläche von ca. 36 ha auf.

Typisches Siedlungsmuster für diese Zeit ist eine Art „Reihenhausstruktur“ innerhalb der Siedlung – die einzelnen Häuser schließen dicht aneinander an. Die genaue Größe der einzelnen Häuser variiert zwischen 5,5×2,5 m bis hin zu 15×6 m. Diese Bauweise ermöglicht es, dass sich Häuser leicht zu einheitlichen Strukturen zusammenfassen lassen und somit auch Platz für größere Familien bieten können. Jedoch lässt sich dieses Muster nicht für die Häuser der nördlichen Levante feststellen. Hier (zum Beispiel in → Byblos, → Sidon oder Khalde) stehen die Häuser, bestehend aus einem Raum, für sich, ohne erkennbare Struktur. Teilweise weisen sie sogar einen ellipsoiden Grundriss auf.

Zwischen den Häusern verliefen oft Straßen und Gassen und / oder offene Plätze (manchmal sogar steinerne Plattformen).

Die Wohnhäuser selbst waren entweder aus Stein und / oder aus Lehmziegeln errichtet. Die Höhe einiger in Telēlāt Ġassūl gefundener Wände weist auf zweistöckige Bauten hin. Der Eingang ins Hausinnere war meist an der Langseite platziert. Im Inneren finden sich häufig kleinere Trennmauern sowie Pfostenlöcher in der Mitte, die für Stützelemente für das Dach geeignet waren. In den chalkolitischen Siedlungen wurden Silos oder große Vorratsgefäße ausgegraben, die darauf hinweisen, dass die chalkolitische Wirtschaft auf Vorratshaltung basierte.

Große Siedlungszentren in der Beerscheba Region (Šiqmiîm, Bīr es-Safadi, Abū-Matar und Chorvat Beter), im jordanischen Saḥāb (Koordinaten: 2452.1425; N 31° 52' 35'', E 36° 00' 33'') und im Wādī Hisma (Koordinaten: 29° 46' 27'' N, 35° 19' 48'' E) weisen zeitgleiche unterirdische Anlagen auf. Diese sind in den harten Lössboden gegraben worden. Bei diesen Strukturen handelt es sich um Tunnel, Höhlen und Kammern verschiedener Größen (ca. 1,5×3 m bis 3×7 m). Diese unterirdischen Anlagen können verschiedenen Zwecken gedient haben: z.B. als Wohnhöhlen, für die Vorratshaltung, oder für Bestattungen. In Sahāb waren diese Höhlen verbunden mit den erbauten Häusern.

Die Siedlungen und deren Bauweise des Chalkolithikums geben keinerlei Hinweise auf eine Art von sozialer Hierarchie oder elitäre Strukturen.

4. Wirtschaft

Die „gemischte Subsistenzwirtschaft“ des Neolithikums wandelt sich noch einmal im Verlauf des Chalkolithikums. Silos oder andere Vorratsgefäße im archäologischen Befund deuten auf eine vermehrte Vorratshaltung der Bewohner hin. Dies lässt verstärkte Sesshaftigkeit vermuten – im Gegensatz zum Neolithikum.

Die Siedlungsbewohner des Chalkolithikums betrieben eine agropastorale Wirtschaft. Die Jagd auf Großtiere, wie Gazellen und Antilopen, trat gänzlich in den Hintergrund. Schafe und Ziegen, Rinder und Schweine hingegen lieferten einen beachtlichen Teil des Fleischbedarfs. Dies wird belegt durch archäozoologische Funde – zum Beispiel aus Šiqmiîm. Dort stammt der Großteil der Knochenfunde von Schafen und Ziegen, wohingegen ein verschwindend geringer Anteil auf tatsächlich erjagte Tieren zurückgeht.

Der Rest der Nahrung bestand vornehmlich aus Einkorn, Emmer, Gerste, Weizen, Erbsen, Bohnen, aber auch aus Datteln, Oliven, Feigen, Granatäpfeln, Walnüssen und Mandeln.

Im Jahr 2016 konnte erstmals das Genom eines chalkolitischen Gerstensamens (stammend aus einer Höhle nahe am → Toten Meer) entschlüsselt werden. Die Analyse ergab, dass sich die damalige Gerste nicht zu sehr von der heutigen unterschied. Das bedeutet, dass die Domestikation von Gerste offenbar zu dieser Zeit schon abgeschlossen war.

Neben der landwirtschaftlichen Aktivität bedienten sich die Menschen dieser Zeit auch aquatischen, marinen Ressourcen – es wurde geangelt. Viele der chalkolitischen Fundorte weisen Angelhaken auf, die von einer solchen Aktivität zeugen.

5. Funde

Mit Einführung der Kupfermetallurgie konnten bestimmte Objekte entweder weiterhin aus Stein oder aber aus → Metall hergestellt werden. Da jedoch die Gewinnung und Verarbeitung von Metallen weitaus komplizierter als die Herstellung von Steinobjekten war, wurden alltägliche Gegenstände weiterhin aus Stein hergestellt.

Objekte, gefertigt aus importierten und wertvollen Materialien wie zum Beispiel aus Obsidian oder Elfenbein, sowie Süß- und Salzwassermuscheln lassen auf ein erhöhtes Bedürfnis von Prestigeobjekten schließen. Ringe aus Gold und Elektrum belegen einen regen Handel mit den benachbarten Regionen.

Die gute Erhaltung der Fundstellen in der Wüste ermöglicht außerdem die Untersuchung einiger Textilreste wie zum Beispiel Wolle, Leder und Leinen.

5.1. Keramik

Die Keramik dieser Zeit ist charakterisiert durch zahlreiche neue Variationen und Dekorationen. Offene Gefäßformen sind besonders präsent. Untersuchungen haben gezeigt, dass alle drei Dimensionen der Keramikobjekte (Ware, Form und Dekoration) standardisiert waren.

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Markenzeichen der Epoche sind unter anderem die sogenannten „v-förmigen Schüsseln“ (engl. „v-shaped bowls“), Basins, große Schalen, Rauchopferständer. Ebenso werden die sogenannten „Buttergefäße“ (engl. „churns“) als Markenzeichen des Chalkolithikums gesehen. Andere typische Keramikgefäße dieser Epoche sind die „torpedo-jars“ – ein Amphoren-ähnliches Gefäß. Ebenso typisch sind die sogenannten „cornets“ – lange, konisch geformte Gefäße, mit einer spitzen Basis.

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Die v-förmigen Schüsseln sind typischerweise mit einer roten Linie an der Gefäßöffnung versehen. Auch größere offene Gefäße weisen oftmals diese Linie auf. Der Großteil der Objekte wurde aus jeweils lokalen Tonvorkommen hergestellt.

5.2. Stein

Das Material Kupfer war zu wertvoll, um die Steingeräte als Werkzeuge in vollem Umfang zu ersetzen. Daher wurden neben Kupferobjekten weiterhin Werkzeuge aus Stein verwendet.

Wie es auch bei einigen Keramikformen der Fall ist, spiegelt der Gebrauch von geschlagenen Steinwerkzeugen eine Kontinuität zum späten Neolithikum wider. Typische Funde sind Werkzeuge wie Abschläge, Bohrer, Schaber und Pfriemen, Klingen, Sicheln und Äxte.

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Auch Gefäße werden oftmals aus Stein (Kalkstein oder Basalt) hergestellt. Hierbei handelt es sich um große Schalen und Schüsseln sowie Reibgefäße. Weitere relevante Steinfunde sind die sogenannten Keulenköpfe (engl. „mace heads“) und Kultidole.

5.3. Metall

Neben Werkzeugen, werden auch die sogenannten Keulenköpfe, Standartenaufsätze (teilweise mit Ibexhörnern), Zepter und sogenannte Kronen aus Metall hergestellt.

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Eine Höhle im Naḥal Mišmār (Koordinaten: N 31° 22' 51.37'', E 35° 21' 51.65''), nahe am Toten Meer, sorgte für eine Sensation: In diesem Hortfund konnten allerhand Kultgerätschaften (Standartenaufsätze, Zepter, Keulenköpfe) entdeckt werden. Das Fundensemble spiegelt das handwerkliche Können der Menschen im Chalkolithikum wider. Nach Überzeugung des Ausgräbers P. Bar-Adon handele es sich hierbei um rituelle Gegenstände, welche die Priester des nahegelegenen Tempels in En-Gedi bei drohender Gefahr in der Höhle abgelegt hätten. Andere Wissenschaftler vermuten hier eher den Ablageort eines Händlers.

Vergleichbare Horte fand man ebenso in anderen Höhlen (Giv’at Ha’onim, Nahal Qana und Peqi’in).

6. Metallurgie

Wie der Name bereits nahelegt, ist das prominente Element des Chalkolithikums das Kupfer, seine Gewinnung und Verarbeitung.

Kupfer wurde für Objekte des täglichen Bedarfs verwendet (zum Beispiel Werkzeuge), aber auch für Kultgeräte. In der Kupfermetallurgie wird zwischen reinem („gediegenem“) Kupfer und komplexem (mit Zusätzen vermengten Erzen) Kupfer unterschieden. Objekte wie Werkzeuge werden oft aus gediegenem Kupfer hergestellt, wohingegen andere Objekte, wie zum Beispiel Standarten, Keulenköpfe oder auch Gefäße, aus komplexem Kupfer gefertigt werden.

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Der Großteil des Kupfers wurde in den südlichen Teilen der Region, im Wādī Fēnān (heutiges Jordanien) oder in Timna (Koordinaten: 1448.9107; N 29° 46' 17", E 34° 57' 05"), abgebaut. Beide Kupferlagerstätten sind auf die gleiche geologische Art entstanden, und weisen daher sehr ähnliche Kupfererze auf. Die Archäologie gibt deutliche Hinweise darauf, dass im Chalkolithikum der Abbau und die Verarbeitung von Metall an verschiedenen Orten stattfand. Aufgrund der generell fehlenden chalkolitischen Siedlungsstrukturen im Wādī Fēnān wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass der Abbau und die Weiterverarbeitung so organisiert war, dass eine Gruppe von Spezialisten den Abbau an der Lagerstätte selbst organisierte und das Material dann an eine andere Gruppe von Spezialisten zur Weiterverarbeitung übergab. Das abgebaute Erz wurde also von der Lagerstätte weiter in die betreffenden Orte transportiert.

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Solche Verarbeitungsplätze wurden jedoch nicht weiter nördlich als die Negev-Wüste gefunden. Zu nennende Orte sind zum Beispiel Tell Abū Matar (Koordinaten: 1284.0715; 31° 14' 01" N, 34° 46' 31" E), Šiqmiîm oder Tell Jujerat el-Ghuzlan (Koordinaten: 29° 33' 58" N, 35° 02' 02" E). Dort wurden Schlacken, Tiegelproben und Funde ausgegraben, die darauf hinweisen, dass an diesen Orten die fertigen Objekte hergestellt wurden. Alle Produktionsreste der verarbeiteten Stätten weisen auf eine Produktion aus lokalen Erzen hin. Jedoch konnten archäometrische Untersuchungen zeigen, dass es auch Metallfunde aus importierten Erzen gegeben hat. Diese stammen zum Beispiel aus dem Kaukasus, dem heutigen Iran oder Aserbaidschan.

Nach dem Abbau musste das Kupfer durch chemische Prozesse in speziellen Öfen aus den jeweiligen Erzen ausgeschmolzen werden. Je nach abgebautem Erz sind hierfür mehrere Schritte (zum Beispiel das sogenannte „Rösten“) notwendig.

Das nun flüssige Kupfer wird in eine Form aus Stein oder Ton gegossen. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass im Chalkolithikum wiederverwendbare Formen benutzt wurden. Die Objekte wurden meist mithilfe der sogenannten „Wachsausschmelztechnik“ („Guss in der verlorenen Form“) gefertigt. Hierbei wird für jeden Guss ein Modell aus Wachs, ummantelt mit einer Sand- oder Quarzform, hergestellt. Nachdem das Wachs ausgeschmolzen war, konnte das flüssige Metall in den Hohlraum gegossen werden. Um an das nun gegossene Objekt zu gelangen, musste die Form zerschlagen werden.

7. Soziale Organisation

Im Verlauf des Chalkolithikums, besonders in späteren Phasen, entstand zunehmend eine Untergliederung der Gesellschaft. Die komplexer werdende soziale Organisation kann sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Entstehen der Kupfermetallurgie gesehen werden. Die intensive Gewinnung und Verarbeitung von Kupfer und die daraus resultierende Überschussproduktion eröffnete Möglichkeiten für einen organisierten Handel und benötigte verstärkte „soziale Kontrollmechanismen“ durch eine übergeordnete Person, die den menschlichen Arbeitseinsatz und den stärker werdenden Fernhandel mit diesen Materialien lenkte.

Als Folge bildeten sich im Laufe der Zeit hierarchisierende Gesellschaftsstrukturen heraus. Um eine dauerhafte und effiziente Verarbeitung und Gewinnung von Kupferprodukten zu gewährleisten, wird ebenfalls vermutet, dass es zunehmend zu einer Spezialisierung auf verschiedene Tätigkeiten innerhalb der Gesellschaft gekommen ist. Diese Strukturierung ist ein nicht unbedeutender Faktor für die spätere Entwicklung komplexer urbaner Gesellschaften, wie sie ab der Bronzezeit entstehen.

8. Kult

Kultisches Leben nahm im Laufe des Chalkolithikums immer weiter zu. Die Archäologie unterscheidet zwischen intramuralen (innerhalb der Stadt) sowie extramuralen (außerhalb der Stadt) Kultstätten.

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Die fast vollständig erhaltene Tempelanlage in ʿĒn Gedi (Koordinaten: 1871.0965; N 31° 28' 05'', E 35° 23' 18'') ist ein eindrucksvolles Zeugnis öffentlicher Religionsausübung außerhalb der eigentlichen Siedlung. Die Tempelanlage befindet sich in einem eingezäunten Hof, der durch eine Toranlage betreten werden konnte. Innerhalb dieses Hofes lag das rechteckige Heiligtum mit einem Altar.

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Eine weitere Fundstätte, die mit rituellen Praktiken verbunden werden kann, ist Gīlat. Der Großteil der archäologischen Funde deutet auf eine solche kultische Interpretation hin. Darunter sind violinförmige Figuren aus Stein, eine hohe Anzahl an Reibegefäßen aus Basalt und ein Hundebegräbnis mit einem einzigartigen Keramikgefäß als Grabbeigabe. Insgesamt wurden dort viele anthropomorphe und zoomorphe Figuren gefunden. Bekannt davon ist die sogenannte „Gilat Lady“, die als Göttin interpretieret wird.

Ein Beispiel für einen heiligen Platz innerhalb der Siedlung ist Šiqmiîm. Hier ist der heilige, kultische Bereich von der Siedlung durch eine temenos-Mauer abgetrennt.

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Kultische Aktivitäten konnten ebenso im Bereich des Hauses stattfinden. Zeugnisse davon sind Idole und Ständer aus Basalt, die insbesondere im Golan, in Galiläa und Nordjordanien gefunden wurden.

9. Bestattungskultur

Die Begräbnisse des Chalkolithikums lehnten sich teilweise an die neolithischen Traditionen der intramuralen Bestattungen an. Jedoch finden sich auch viele Begräbnisstätten außerhalb der Siedlung, zum Beispiel in Grabhöhlen oder extra dafür angelegten Friedhöfen. In ariden Gebieten (zum Beispiel Adēmah, Nahal Sekher und Šiqmiîm) wurden zusätzlich Steinkreise entdeckt. Diese Kreise bestehen aus Steinkisten, deren Funktion nicht ganz geklärt ist, die vermutlich jedoch zum Zweck der Sekundärbestattung verwendet wurden.

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Im Zusammenhang mit diesen Zweitbestattungen können auch die Ossuarien (→ Ossuar), meist aus Ton, gesehen werden. Die künstlerische Gestaltung dieser Ossuarien ist vielfältig. So finden sich entweder sehr simple Modelle, aber auch sogenannte „Hausossuarien“. Sie stellen in ihrer rechteckigen Form ein Haus dar, werden aber auch oft mit einem Gesicht (Augen, Nase, Mund) ausgestattet – manche sogar noch bemalt.

Eine andere Form von Ossuarien hingegen sind große Krüge mit einer Art Fenster an der Seite. In Telēlāt Ġassūl oder in Tell Abū Hāmid konnten Kinderbestattungen in solchen Krügen, teils begraben in Hausecken, ausgegraben werden.

Die Grabhöhlen weisen eine große architektonische Vielfalt auf. Sie reichen von einfachen, in den Felsen gehauenen Kammern (Azor, Bēt Schemen, Bǝne Bǝrak, Palmachim und Taiyibe) bis hin zu extensiven Gangsystemen (Nahal Qana, Peqi’in and Schoham).

Den Toten wurden Gegenstände aus dem Alltag, Keramik (zum Beispiel die „v-förmigen Schüsseln“) oder Basaltgefäße, Keulenköpfe, aber auch wertvolle Kupfer- oder Elfenbeinobjekte mit ins Grab gegeben.

10. Der Übergang vom Chalkolithikum zur frühen Bronzezeit

Der Übergang vom späten Chalkolithikum zur frühen Bronzezeit wird in der Forschung stark diskutiert. Unumstritten ist jedoch, dass viele Merkmale auf einen Bruch hinweisen, so zum Beispiel das Verschwinden von symbolischen Gegenständen wie Kupferstandarten oder Keulenköpfe. Auch kann an kaum einem Siedlungsplatz des Chalkolithikums eine Siedlungskontinuität bis zur frühen Bronzezeit nachgewiesen werden.

Gängige Erklärungen dieses „Kollapses“ sind Klimaschwankungen, die innerhalb von wenigen Jahren zerstörerische Effekte auf die ansässigen Gesellschaften haben können (Levy 1998). Andere Wissenschaftler (Joffe 1994) schlagen einen sozialen Kollaps vor. Eine sich herausbildende Elite hätte bisherige Gesellschaftsmuster verdrängt, weswegen die symbolischen Gegenstände verschwunden sind.

Weitere Vorschläge für das Ende dieser Epoche könnten die Handelsverbindungen zum Beispiel mit Ägypten sein, was durch importierte Funde (Metall, Keramik) belegt werden kann. Da zu dieser Zeit komplexe Kupfervorräte weniger werden und somit weniger Fernhandel betrieben werden kann oder Metallgegenstände hergestellt werden können, könnte das einen Einfluss auf den Status und die Autorität der Kupfer produzierenden und vertreibenden Gesellschaft haben, die diesen folglich verlor.

Ein weiterer Grund für das Ende des Chalkolithikums könnte ebenso Krieg sein (Levy 1998). Das vermehrte Auftreten von Keulenköpfen (welche durchaus als Waffen genutzt werden können) könnte auf ein erhöhtes Konfliktpotenzial hindeuten (Golden 2009).

Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

  • „Butter-churn“. © Hanay, Wikipedia Creative Common License
  • „Cornet“ © Met Museum; Accession Number 1978.495.1
  • Chalkolithische Klinge aus Stein. © Met Museum; Accession Number1978.495.40
  • Zepter aus dem Nahal Mishmar Hortfund. © Oren Rozen, Wikipedia Common creative License
  • Unterirdischer Gang einer Kupfermine in Timna. © Jennifer Zimni
  • Kupfererzgang in Timna. © Jennifer Zimni
  • Chalkolithischer Tempel in En Gedi. © Jennifer Zimni
  • Sogenannte „Gilat-Lady“; Keramikgefäß in Gestalt einer Frau, die ein Gefäß auf dem Kopf trägt. © Hany Wikipedia Creative Common License
  • Basalt Idol aus Gīlat (BIBEL+ORIENT Datenbank Online). Mit Dank an © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
  • Ossuar in der Form eines Hauses. © The Trustees of the British Museum, Number 135740

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