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Koppe, Johann Benjamin

(1750-1791)

(erstellt: Dezember 2019)

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1. Leben

Koppe, Johann Benjamin 01
Johann Benjamin Koppe wurde am 19. August 1750 in Danzig als Sohn eines Tuchbereiters geboren. Er stammt somit aus einer städtischen Handwerksfamilie. Nach dem Besuch des Danziger Akademischen Gymnasiums studierte er ab 1769 in Leipzig und wechselte 1771 nach Göttingen. Seine akademischen Lehrer waren insbesondere Johann August → Ernesti (1707-1781) in Leipzig und Christian Gottlob Heyne (1729-1812) in Göttingen. 1772 wurde er Repetent in Göttingen und 1774 Professor des Griechischen am Akademischen Gymnasium im kurländischen Mitau. Im Jahre 1776 kehrte er als Theologieprofessor nach Göttingen zurück. Kurze Zeit danach erhielt er auch das Amt des Universitätspredigers und des Direktors des Predigerseminars. 1784 trat er eine Stelle als Oberkonsistorialrat und Generalsuperintendent in Gotha an. Aber schon 1788 ging er als Konsistorialrat, Erster Hofprediger an der Schlosskirche und Generalsuperintendent für die Generaldiözese Hoya-Diepholz nach Hannover. Verheiratet war er mit Johanna Charlotte Conradi (1759-1832), der Tochter des Hofrats und Obersekretärs am Oberhofgericht in Mitau, Johann Friedrich Conradi (1720-1803), und seiner Frau Agnesa Dorothea Schwander (1733-1805), einer Kammerbuchhalterstochter. Von den sechs Kindern Koppes erreichten zumindest drei das Erwachsenenalter (zwei Töchter starben jung). Ein Sohn, Carl Wilhelm Koppe (1777-1837), war preußischer geheimer Regierungsrat und Generalkonsul in Mexiko. Johann Benjamin Koppe starb am 12. Februar 1791 in Hannover. Das Grabdenkmal auf dem Gartenfriedhof ist bis heute erhalten. Eine von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745-1804) aufgestellte Gedenksäule für Koppe steht im Garten des Schlosses Friedenstein in Gotha.

2. Bedeutung

In der Epoche der aufkommenden historisch-kritischen Bibelauslegung in Deutschland war Koppe einer der Vorbereiter der Deuterojesajahypothese (s.u. 3; → Deuterojesaja). Er beteiligte sich auch an der Diskussion über das Verhältnis der drei synoptischen Evangelien zueinander (s.u. 4). In Hannover erneuerte er das Schullehrerseminar (vgl. Müller 1877), gab ein Gesangbuch für die Privatandacht heraus (1789) und wirkte am hannoverschen Landeskatechismus von 1790 mit (vgl. Hammann 2000, 87.306). Die beabsichtigte Berufung von Johann Gottfried Herder (1744-1803) an die Universität Göttingen unterstützte er 1788 durch ein positives Gutachten (vgl. Smend 1997, 126f.). Er war Mitglied der Geheimgesellschaften der Freimaurer und der Illuminaten (vgl. Grolle 1963, 33-47; Schüttler 1981, 88; Schaubs 2005, 189-192; Wirkner 2019, 464-468.503f.; The Gotha Illuminati Research Base).

3. Jesaja

Koppe hat seine Überlegungen zum Jesajabuch nicht in einem eigenständigen Werk, sondern in Anmerkungen zur deutschen Übersetzung des Jesajakommentars von Robert → Lowth (1710-1787) geäußert (4 Bände, 1779-1781). Zum Autor des Jesajabuches merkt er an, es könne nicht erwiesen werden, „daß jeder Ausspruch, der in Jesaias Weissagungsbuch steht, auch von ihm nothwendig herkommen müsse“ („Jesaias“ II, 233f.; vgl. II, 1). Als nicht jesajanisch betrachtet er die Kapitel Jes 15f. und 50 („Jesaias“ II, 234; IV, 43). Möglicherweise gingen diese Texte auf die späteren Propheten Jeremia (Jes 15f.) bzw. Ezechiel (Jes 50) zurück (ebd.). Zweifelhaft sind ihm auch Jes 19,18-25; Jes 21,1-10; Jes 30,1-26 („Jesaias“ III, 20f.31f.130). Eine Zusammenschau seiner Beobachtungen gelingt Koppe noch nicht (vgl. dazu „Jesaias“ IV, Vorrede). Allerdings veranlassten seine Anmerkungen Johann Christoph → Döderlein (1746-1792) zu weitergehenden Überlegungen über die Eigenständigkeit von Jes 40-66 (vgl. Mulzer 1989, 20).

4. Neues Testament

Koppe bestreitet die Abhängigkeit des Markus-Evangeliums vom Matthäus-Evangelium und erklärt die Übereinstimmungen beider mit der Aufnahme von mündlich oder schriftlich überlieferten Einzelerzählungen („Marcus“ 1782, XXII; vgl. de Lang 1993, 273-277). Er zählt damit in der synoptischen Frage zu den frühen Vertretern der Diegesen- oder Fragmentenhypothese (vgl. W. Schmithals in: TRE 10, 1982, 578; Schnelle 2017, 207f.). Die Bergpredigt hält er für eine Sammlung moralischer Grundsätze Jesu, die dieser zu unterschiedlichen Zeiten, u.a. auch bei seinem Aufenthalt in den Bergen, äußerte (vgl. „Predigten“ 1793, II, 71-73 [Predigt von 1781]; Hammann 2000, 299). In dieser Abkehr von einer historisierenden Auslegung folgt ihm sein Schüler David Julius Pott (1760-1838; vgl. Pott 1789, V; und zur Forschungsgeschichte Betz 1995, 13-25). Eine von Koppe begonnene neutestamentliche Kommentarreihe (Gal, Eph, 1 und 2 Thess 1778; Röm 1783) wurde noch bis 1826 fortgeführt.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Allgemeine Deutsche Biographie, München 1875-1912
  • Deutschbaltisches Biographisches Lexikon 1710-1960, Köln / Wien 1970 (Art. Conradi, Johann Friedrich)
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004 (Art. Evangelien, Synoptische)
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992 (Art. Isaiah, Book of [First Isaiah])
  • Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart, Hannover 2002
  • Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart, Hannover 2009
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (im Internet: http://www.bautz.de/bbkl/)

2. Werke (in Auswahl)

  • [Bibliographie: Meusel, J.G., Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. 7, Leipzig 1808, 270f.]
  • Commentatio philologica de limitando criticae conjecturalis usu, Danzig 1769
  • Vindiciae oraculorum a daemonum aeque imperio ac sacerdotum fraudibus, Göttingen (F.A. Rosenbusch) 1774
  • Genauere Bestimmung des Erbaulichen im Predigen. Zur Ankündigung des von Sr. Königl. Majestät auf der Georg Augustus Universität gnädigst gestifteten Prediger Seminariums, Göttingen (J.C. Dieterich) 1778
  • Novum Testamentum graece perpetua annotatione illustratum, Vol. I complectens epistolas Paulli ad Galatas Thessalonicenses Ephesios, Göttingen (Dieterich) 1778 (2. Aufl. als Vol. VI Epistulae Pauli ad Galatas Ephesios Thessalonicenses, bearb. von T.C. Tychsen, Göttingen 1791; 3. Aufl. Göttingen 1823); Vol. IV complectens epistolam Paulli ad Romanos, Göttingen (J.C. Dieterich) 1783 (2. Aufl. complectens epistolam Pauli ad Romanos, bearb. von C.F. Ammon, Göttingen 1806; 3. Aufl. Göttingen 1824)
  • D. Robert Lowth’s … Jesaias neu übersetzt nebst einer Einleitung und kritischen philologischen und erläuternden Anmerkungen … Mit Zusätzen und Anmerkungen von J.B. Koppe, 4 Bände, Leipzig (Weidmanns Erben und Reich) 1779-1781
  • Marcus non epitomator Matthaei, Göttingen 1782 (auch abgedruckt in: D.J. Pott / G.A. Ruperti [Hgg.], Sylloge commentationum theologicarum, Bd. 1, Helmstedt [C.G. Fleckeisen] 1800, 35-69)
  • Christliches Gesangbuch, hg. von J.B. Koppe, Göttingen (J.C. Dieterich) 1789
  • Predigten. Nach seinem Tode hg. von L.T. Spittler, 2 Bände, Göttingen (J.C. Dieterich) 1792.1793

3. Sekundärliteratur

  • anonym, Johann Benjamin Koppe, in: Allgemeines Magazin für Prediger nach den Bedürfnissen unserer Zeit, hg. von J.R.G. Beyer, Bd. 5,3, Leipzig 1791, 323-329g
  • anonym [= Hoppenstedt, A.L.], Ueber den verstorbenen Königl. Churfürstl. Consistorialrath und ersten Hofprediger D. Johann Benjamin Koppe. Ein biographisches Fragment, Hannover 1791
  • Betz, H.D., The Sermon on the Mount. A Commentary on the Sermon on the Mount, Including the Sermon on the Plain (Matthew 5:3-7:27 and Luke 6:20-49) (Hermeneia), Minneapolis, MN 1995
  • Dannenberg, K., Geschichte und Statistik des Gymnasiums zu Mitau. Festschrift zur Säcularfeier des Gymnasiums am 17. Juni 1875, Mitau 1875
  • Grolle, J., Landesgeschichte in der Zeit der deutschen Spätaufklärung. Ludwig Timotheus Spittler (1752-1810) (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 35), Göttingen u.a. 1963
  • Hammann, K., Universitätsgottesdienst und Aufklärungspredigt. Die Göttinger Universitätskirche im 18. Jahrhundert und ihr Ort in der Geschichte des Universitätsgottesdienstes im deutschen Protestantismus (BHT 116), Tübingen 2000
  • Heeren, A.H.L., Christian Gottlob Heyne. Biographisch dargestellt, Göttingen 1813
  • Lang, M.H. de, De opkomst van de historische en literaire kritiek in de synoptische beschouwing van de evangeliën van Calvijn (1555) tot Griesbach (1774), Diss. Leiden 1993
  • Lanz, E., Der ungeteilte Jesaja. Neues Licht auf eine alte Streitfrage (BWM 13), Wuppertal 2004
  • Meusel, J.G., Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. 7, Leipzig 1808
  • Meyer, G.W., Geschichte der Schrifterklärung seit der Wiederherstellung der Wissenschaften, Bd. 5, Göttingen 1809
  • Möller, B., Thüringer Pfarrerbuch, Bd. 1 Herzogtum Gotha (Schriftenreihe der Stiftung Stoye 26), Neustadt a.d.Aisch 1995
  • Moser, C., Umstrittene Prophetie. Die exegetisch-theologische Diskussion um die Inhomogenität des Jesajabuches von 1780 bis 1900 (BThSt 128), Neukirchen-Vluyn 2012
  • Müller, H., Leben und Streben im Seminar zu Hannover während der Jahre 1790-94. Als Beitrag zur Geschichte des Seminarwesens nach Acten und Tagebüchern dargestellt, Hannover 1877
  • Mulzer, M., Döderlein und Deuterojesaja, BN 66 (1993), 15-22
  • Ossa-Richardson, A., The Devil’s Tabernacle. The Pagan Oracles in Early Modern Thought, Princeton, NJ / Oxford 2013
  • Pott, D.J., Dissertatio theologica inauguralis de natura atque indole orationis montanae et de nonnullis huius orationis explicandae praeceptis, Diss. Helmstedt 1788 (auch unter dem Titel: Commentatio de natura atque indole orationis montanae, et de nonnullis huius orationis explicandae praeceptis, Helmstedt 1789)
  • Pütter, [J.S.], Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen, 2. Theil von 1765 bis 1788, Göttingen 1788; 3. Theil (von F. Saalfeld) von 1788 bis 1820, Hannover 1820
  • Rotermund, H.W., Das gelehrte Hannover, Bd. 2, Bremen 1823
  • Schaubs, C., Die Erziehungsanstalt in Schnepfenthal im Umfeld geheimer Sozietäten. Ein Beitrag zum Leben und Werk Christian Gotthilf Salzmanns, Nordhausen 2005
  • Schlichtegroll, F., Nekrolog auf das Jahr 1791, 1. Band, Gotha 1792
  • Schmidt, F.A. (Hg.), Neuer Nekrolog der Deutschen, Bd. 15,1, Weimar 1839 (zu Carl Wilhelm Koppe)
  • Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament, 9. Aufl. (UTB 1830), Göttingen 2017
  • Schüttler, H., Die Mitglieder des Illuminatenordens 1776-1787/93 (Deutsche Hochschuledition 18), München 1991
  • Sehmsdorf, E., Die Prophetenauslegung bei J.G. Eichhorn, Göttingen 1971
  • Seitz, C.R., Prophecy in the Nineteenth Century Reception, in: M. Sæbø (Hg.), Hebrew Bible/Old Testament. The History of Its Interpretation, Bd. 3 From Modernism to Post-Modernism (The Nineteenth and Twentieth Centuries), Part 1 The Nineteenth Century – a Century of Modernism and Historicism, Göttingen 2013, 556-581
  • Seuberlich, E., Stammtafeln deutsch-baltischer Geschlechter, Leipzig 1924
  • Smend, R., Deutsche Alttestamentler in drei Jahrhunderten, Göttingen 1989
  • Smend, R., Lowth in Deutschland, in: Ders., Epochen der Bibelkritik. Gesammelte Studien, Bd. 3 (BEvTh 109), München 1991, 43-62 (auch in: Ders., Bibel und Wissenschaft. Historische Aufsätze, Tübingen 2004, 51-70)
  • Smend, R., Herder und Göttingen, in: Ders., Bibel. Theologie. Universität (KVR 1582), Göttingen 1997, 108-134
  • Smend, R., Kritiker und Exegeten. Porträtskizzen zu vier Jahrhunderten alttestamentlicher Wissenschaft, Göttingen 2017
  • Stansell, G., The Poet’s Prophet: Bishop Robert Lowth’s Eighteenth-Century Commentary on Isaiah, in: Mathews McGinnis, C./Tull, P.K. (Hgg.), “As Those Who are Taught”. The Interpretation of Isaiah from the LXX to the SBL (SBL Symposium Series 27), Atlanta, GA 2006, 223-242
  • Steinmetz, R., Die Generalsuperintendenten von Hoya-Diepholz, Zeitschrift der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte 16 (1911), 148-264, hier 188-201
  • Wirkner, C., Logenleben. Göttinger Freimaurerei im 18. Jahrhundert (Ancien Régime. Aufklärung und Revolution 45), Berlin Boston 2019
  • The Gotha Illuminati Research Base: Johann Benjamin Koppe (im Internet: https://database.factgrid.de/wiki/Item:Q612)

Abbildungsverzeichnis

  • Johann Benjamin Koppe (Stich von J.G. Schmidt, 1791).

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