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(erstellt: Mai 2020)

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1. Begriffsbestimmung

Der Begriff Koine (mit langem ‚e‘; auf der zweiten Silbe zu betonen; griechisch κοινή, eigentlich κοινὴ διάλεκτος = „gemeinsame Sprache“) bezeichnet diejenige weitgehend einheitliche Sprachform des Griechischen, die sich im griechischen Mutterland ab der zweiten Hälfte des 4. Jh. v. Chr. etablierte und sich in Folge der Eroberungen Alexanders III. von Makedonien (des so genannten Großen, reg. 336-323 v. Chr.) binnen weniger Jahrzehnte im gesamten östlichen Mittelmeerraum und den anschließenden Gebieten (in modernen Termini: Türkei, Syrien, Israel, Irak, Iran, Saudi-Arabien und Ägypten) ausbreitete. Sie fungierte bis ins 6. Jh. n. Chr. als übliche Verkehrssprache der genannten Regionen. In unserem Kontext soll mit Blick auf die jüdischen und christlichen Quellen jedoch nur die Zeit vom 3. Jh. v. bis zum frühen 2. Jh. n. Chr. in den Blick genommen werden.

2. Allgemeine Charakterisierung und historische Entwicklung

Bis zur Zeit Alexanders III. umfasste der griechische Sprachraum das heutige Griechenland (Festland und Inseln im Ägäischen Meer) und die griechischen Städte, die im Zuge der so genannten Großen Kolonisation seit der Mitte des 8. Jh. v. Chr. an den Küsten des gesamten Mittelmeerraums, in Sizilien und Mittel- und Süditalien auch im Landesinneren, sowie an den Küsten des Schwarzen Meeres gegründet worden waren. In der archaischen und klassischen Zeit (Mitte des 8. bis Mitte des 4. Jh. v. Chr.) existierte keine einheitliche griechische Sprache, sondern eine Vielzahl regionaler Dialekte, wobei die genannten Städtegründungen grundsätzlich den Dialekt ihrer Mutterstadt übernahmen. Die drei wichtigsten Dialekte sind Ionisch, das hauptsächlich an der Westküste der heutigen Türkei gesprochen wurde, mit der nahverwandten Varietät des in Athen und Attika gepflegten Attischen, das vor allem auf der Peloponnes heimische Dorisch und schließlich Äolisch, das vor allem auf Lesbos und einigen weiteren Inseln vor der heutigen türkischen Westkoste, etabliert war. Zwar waren diese Dialekte auf ähnliche Weise wie die modernen Pendants im deutschsprachigen Raum miteinander verwandt, so dass eine Verständigung aller Griechen miteinander möglich war, doch beförderte die Ablösung des Polis-Systems mit seiner Vielzahl kleiner und kleinster Staatsgebiete durch die großen Flächenstaaten, die in der Nachfolge Alexanders III. entstanden, offenkundig das Bedürfnis nach der Etablierung einer neuen griechischen Einheitssprache. Dass sich diese Vereinheitlichung, die zum vollständigen Verschwinden der alten Dialekte zumindest im schriftlichen Bereich führte, im gesamten hellenistischen Kulturraum im Wesentlichen binnen eines Jahrhunderts vollzog, ist ein erstaunliches und bislang aufgrund der relativ schlechten Quellenlage noch nicht umfassend erklärtes Phänomen. Soweit wir wissen, handelte es sich dabei um einen evolutionären Prozess, der nicht durch staatliche Lenkung in irgendeiner Form beeinflusst wurde. Da im 4. Jh. v. Chr. Athen das konkurrenzlose Kulturzentrum der griechisch­sprachigen Welt darstellte und das dort gesprochene Attisch auch im philhellenischen Makedonien Philipps II. und seines Sohnes Alexanders III. Amtssprache war, wurde die sich neu entwickelnde Gemeinsprache im Wesentlichen durch das attische Griechisch geprägt. Größere Bedeutung kommt darüber hinaus für die K. nur noch dem Ionischen zu, dorische Elemente sind spärlich, Einflüsse anderer Dialekte wie etwa des Arkadischen marginal.

Soweit die Quellenlage (hierzu mehr unter 3.) eine Beurteilung erlaubt, durchdrang die neue sprachliche Entwicklung zwar alle Gesellschaftsschichten und dominierte die gesprochene Sprache durch die gesamte Zeit des Hellenismus und der römischen Kaiserzeit, jedoch gilt die Faustregel, dass die Volkssprachen in den eroberten Ländern sich um so besser hielten, je ausgeprägter literarische Kultur und kulturelles Selbstbewusstsein waren. In Ägypten z.B. wurde die griechische K. Amts- und Sprache der griechisch geprägten Oberschicht, doch hielt sich das demotische Ägyptisch während dieser ganzen Zeit ebenso wie Aramäisch und Hebräisch in Syrien, Palästina und Judäa. Zwei interessante Spotlights seien genannt: Die Inschrift am Kreuze Jesu wurde nach Joh 19,19f in Hebräisch (wahrscheinlich eher Aramäisch), Latein und Griechisch angebracht: Latein war im römisch beherrschten Judäa die offizielle Amts-, Aramäisch die Volks- und Griechisch die übliche Verkehrssprache. Hier erweist sich Griechisch also nicht als so dominant, dass es die gesprochene Volkssprache im öffentlichen Raum verdrängt hätte. In dieselbe Richtung weist eine Äußerung von Flavius Josephus im Prooemium seines im späten 1. Jh. n. Chr. entstandenen Bellum Judaicum (1.1.3), aus der hervorgeht, dass er sein Werk zunächst in der „einheimischen Sprache“, also Aramäisch, verfasste und dann erst ins Griechische übersetzte. Verbreitet aber war die griechische K. allenthalben, bis sich im frühen Mittelalter etwa ab dem 6. Jh. n. Chr. das Griechische wieder ziemlich genau in die Sprachgrenzen des 4. vorchristlichen Jahrhunderts zurückzog, innerhalb derer sich durch das byzantinische Mittelalter hindurch sehr langsam der allmähliche Wandel von der K. in Richtung des Neugriechischen vollzog. In der Literatursprache entsteht jedoch ab dem 1. Jh. v. Chr. eine Gegenbewegung, die im 2. Jh. n. Chr. ihren Höhepunkt erreichen sollte: der Attizismus, der sich gezielt an der in Athen geschriebenen Sprache des 5. und 4. vorchristlichen Jahrhunderts orientiert. Auf diese Bewegung ist es letztlich zurückzuführen, dass in der Geschichte der Klassischen Philologie in der Nachfolge der attizistischen Grammatiker der Spätantike bis tief ins 20. Jh. hinein die unzutreffende Auffassung vorherrschte, dass es sich bei der K. um eine vulgäre Volkssprache handle, die mit der überlegenen attizistischen Literatur derselben Zeit nicht konkurrieren könne. Beispielhaft sei hier das aus heutiger Sicht absurde Verdikt des einflussreichen Altphilologen Eduard Norden (Kunstprosa II, 479f.) genannt, dass die Schriften des NT und „der sog. apostolischen Väter nicht zur Literaturgeschichte gerechnet werden dürfen“.

3. Quellen

Bei der Betrachtung des vorliegenden schriftlichen Materials sind literarische und nichtliterarische Quellen zu unterscheiden, von denen letztere auch Elemente der gesprochenen Sprache vermitteln können, die in der durchgeformten Diktion der literarischen Texte eher nicht zu erwarten sind. Bei diesen nichtliterarischen Quellen handelt es sich um Inschriften und Papyri, die in großer Zahl erhalten, aber häufig aufgrund ihrer Kürze weniger aussagekräftig sind. Bei den umfangreicheren literarischen Quellen sehen wir uns mit dem Problem konfrontiert, dass die wirkmächtige Bewegung des Attizismus einen Ausleseprozess begünstigte, der dazu führte, dass die meisten K.-Texte im Laufe der Jahrhunderte verlorengingen. Verglichen mit der klassischen Zeit ist die Überlieferungslage bei Texten zwischen dem späten 4. Jh. v. und frühen 2. Jh. n. Chr. ziemlich schlecht. Abgesehen von einer Vielzahl von Fragmenten sind uns größere Textmengen an paganen Prosatexten vor allem von den Historikern Polybios (ca. 200-ca. 118 v. Chr.), Diodor (Mitte 1. Jh. v. Chr.), Dionysios von Halikarnass (spätes 1. Jh. v. Chr.), Josephus (37-nach 100), dem Geographen Strabon (ca. 63 v.-23 n. Chr.), den Philosophen Philon von Alexandria (ca. 20 v.- nach 40 n. Chr.), Plutarch (ca. 45-ca. 120) und Epiktet (ca. 50-ca. 130), dem Redner Dion von Prusa (ca. 45-nach 111) und dem Romanautor Chariton (wahrscheinlich Mitte 1. Jh. n. Chr.) erhalten. Die ebenfalls in geringem Umfang überlieferte Dichtung kann hier unberücksichtigt bleiben, da die poetische Kunstsprache eine Mischform verschiedener sprachlicher Ebenen darstellt und somit von geringer Aussagekraft für K.-Analysen ist. Allen genannten Prosatexten ist gemein, dass sie aufgrund ihrer älteren literarischen Vorbilder mehr oder weniger stark vom klassischen Attisch beeinflusst sind, so dass die K.-Elemente nur in relativ geringem Maß hervortreten. Am stärksten durch die K. geprägt sind von den genannten Autoren Chariton und Epiktet.

Daher sind wir bei der Analyse der K. bis zum frühen 2. Jh. n. Chr. weitgehend auf zwei, allerdings beeindruckend große Textcorpora angewiesen: die Septuaginta und das Neue Testament, dessen Autoren von der zeitgleichen Bewegung des Attizismus allenfalls gering beeinflusst sind. Dieses Phänomen führte zu einem in der Geschichte der Theologie und Klassischen Philologie weit verbreiteten Kurzschluss, dass es nämlich ein typisches Septuaginta- oder Neues Testament-Griechisch gebe, das im Verhältnis zum stärker attisch geprägten Griechisch der genannten paganen Autoren eher volkssprachlich oder gar vulgär sei. Dieser Schluss ist aber unzulässig, da eine große Menge paganer K.-Texte existierte, die aber anders als die heiligen jüdischen und christlichen Schriften in der Regel die Zeiten nicht überdauerten: Diese blieben wegen ihres Inhalts erhalten, die attizistisch geprägten paganen Texte wegen ihrer Sprache. An der langfristigen Überlieferung paganer K.-Texte bestand in der Antike im Allgemeinen kein Interesse, spätantike Ausnahmen aus dem 3. und 4. Jh. bilden noch die verschiedenen Rezensionen des Alexander- und Äsop-Romans und die Witzesammlung Philogelos (der „Lachfreund“).

4. Sprachliche Phänomene

Eine Faustregel, die in den meisten Fällen anwendbar ist, lautet: Existiert eine sprachliche Variante nur im Attischen, nicht aber in allen anderen Dialekten, geht sie nicht in die K. ein, sondern wird meist durch die ionische Variante ersetzt (so verschwindet etwa die attische Deklination, z.B. wird νεώς (= Tempel) durch das ionische ναός ersetzt). Umgekehrt verschwinden Ionismen, die in keinem der anderen Dialekte erhalten sind, und werden durch die entsprechende attische Lautung ersetzt. Haben attisch und ionisch eine verschiedene Lautung, die sich jeweils auch in anderen Dialekten findet, setzt sich ebenfalls in der Regel das Attische gegenüber dem Ionischen durch. Ein Wort, an dem sich diese Regel idealtypisch vorführen lässt, ist das Verb für „tun, handeln“, das im Attischen πράττειν, im Ionischen πρήσσειν lautet und in der K. zu πράσσειν wird: Eta anstelle von Alpha ist ein rein ionisches Phänomen, das in der K. verschwindet, während es Doppel-Tau anstelle von Doppel-Sigma nur im Attischen gibt, was sich seinerseits in der K. nicht durchsetzen konnte. (Am Rande sei erwähnt, dass in der Epoche des Attizismus um diesen Doppelkonsonanten ein Streit zwischen gemäßigten und radikalen Attizisten, den so genannten Hyperattizisten, entbrannte: Während die Gemäßigten auch in attisierenden Wendungen das Doppel-Sigma beibehielten, propagierten die Hyperattizisten die Rückkehr zum Doppel-Tau. Der gemäßigte Attizist Lukian (ca. 120-nach 180) hat diesen Streit in seiner amüsanten Schrift „Streit der Konsonanten Sigma und Tau vor dem Gericht der sieben Vokale“ karikiert.)

Als weitere Beispiele für diese Regel sowie für wichtige weitere Phänomene der K., denen man vor allem in Septuaginta und NT häufig begegnet, seien die folgenden genannt:

  • γ schwindet unter ionischem Einfluss vor ν; so werden etwa die Verben γιγνώσκω und γίγνομαι zu γινώσκω und γίνομαι. Diese Vereinfachung der Aussprache findet aber zum Teil auch Eingang in attizistische Texte.
  • Der Dativ Singular der α-Deklination endet nach ι und ρ häufig auf ῃ anstelle des attischen ᾳ, etwa in μαχαίρῃ statt μαχαίρᾳ (z.B. Lk 22,49; Apk 13,10).
  • Das attische ρρ wird meist durch ρσ ersetzt (z. B. ἄρσην statt ἄρρην (= „männlich“; etwa Mk 10,6; Apk 12,5).
  • Das klassische οὐδείς („keiner“, „niemand“) wird ab dem 3. Jh. v. Chr. zunehmend durch οὐϑείς ersetzt, wobei in vielen Texten beide Formen nebeneinander vorkommen. Ab dem 2. Jh. n. Chr. nimmt οὐϑείς dann interessanterweise wieder ab, um gegen Ende der Spätantike ganz zu verschwinden: Hier hat offenkundig die attizistische Rückwendung zum klassischen οὐδείς auch in der K. die moderne Form wieder verdrängt.
  • Die Verben auf -μι werden meist durch Varianten auf -ω ersetzt, z.B. δείκνυμι durch δεικνύω und ἀπόλλυμι durch ἀπολλύω.
  • Starke Aoriste werden nicht selten durch schwache Aoriste ersetzt, z.B. εἶπον, εἶπες etc. durch εἶπον, εἶπας etc.; oft existieren beide Formen aber auch in ein- und demselben Text nebeneinander (z.B. Mt 10,27 u. Mt 15,4).
  • Das aus dem ionischen εἵνεκεν entstandene ἕνεκεν („um willen“) verdrängt die attische Form ἕνεκα weitgehend; wie bei πράσσειν (s.o.) entsteht also eine attisch-ionische Mischform.
  • Als Beispiel für ganz vereinzelte dorische Einflüsse sei μεγιστάν („Vornehmer“) (Mk 6,21; Apk 6,15; Apk 18,23) mit dorischer Vokalisation (α statt η) genannt.
  • Die ursprünglich ein Begehren bezeichnende Negation μή dringt in den Bereich der konstatierenden Negation οὐ vor, insbesondere bei Partizipialkonstruktionen. Auch dieses Phänomen findet sich nicht selten auch in attizistischen Texten.
  • Die Konjunktion ἵνα („damit“) dringt in den Bereich von ὅτι und ὡς („dass“) vor.
  • Der Dual verschwindet gänzlich.
  • Die Präposition ἐν + Dativ übernimmt häufig die Funktion eines instrumentalen Dativs.
  • Der Optativ wird stark zurückgedrängt.
  • Zum Ausdruck einer iterativen oder eventualen Färbung von Relativsätzen wird syntaktisch eigentlich unlogisch das Relativpronomen mit der Konjunktion ἐάν anstelle eines einfachen ἄν kombiniert.
  • Es gibt Varianten im Vokabular gegenüber klassischen und attizistischen Texten: Während z.B. „schwören lassen“ im klassischen Attisch fast immer ὁρκοῦν, selten ὁρκίζειν heißt, kommt (mit Ausnahme einer Textvariante in 4 Reg 11,4) in Septuaginta und NT ausschließlich ὁρκίζειν vor.
  • Die in der Forschungsliteratur vielfach genannten Latinismen, im Wesentlichen also das Eindringen lateinischer Fremdwörter ins Griechische, ist von relativ geringer Bedeutung und in seinem Umfang stark von den Vorlieben der jeweiligen Autoren abhängig. Unter den Synoptikern etwa finden sich die meisten Latinismen bei Markus, etwas weniger bei Matthäus, während Lukas sie fast ganz meidet.

5. Koine-Griechisch in Septuaginta und Neuem Testament

Es wurde bereits ausgeführt (s.o. unter 3), dass von einem eigenständigen sprachlichen Idiom der biblischen Texte im Verhältnis zu den paganen Texten der frühen Kaiserzeit nicht die Rede sein kann: Alle Autoren der Septuaginta und des Neuen Testaments schreiben in natürlich unterschiedlichen stilistischen Ausprägungen K., ohne dass der Attizismus nennenswerte Spuren in den neutestamentlichen Texten hinterlassen hätte. Alle genannten Texte zeichnen sich durch relative Schlichtheit der Sprache und Grammatik und einen überwiegend parataktischen Satzbau aus. Aus dieser Schlichtheit auf mangelnde literarische und sprachliche Fähigkeiten der Verfasser zu schließen, wäre aber verfehlt: zum einen ist zu bedenken, dass sicherlich leichte Verständlichkeit mit Blick auf Aussageintention und Zielpublikum angestrebt wurde: Auch und gerade literarisch Ungebildete sollten die Texte verstehen und daraus Nutzen ziehen können. Zum anderen zeigen Detailanalysen, dass selbst als besonders unbedarft geltende Autoren wie Markus durchaus zu stilistisch ansprechender Gestaltung in der Lage sind. Auch der rhetorisch durchgeformte Anfang des Lukas-Evangeliums zeigt, dass der Autor syntaktisch anspruchsvoll schreiben konnte, wenn er wollte. Und die berühmt-berüchtigten Grammatikverstöße des Apokalyptikers Johannes lassen sich fast ausnahmslos als Ausdruck eines Gestaltungswillens erklären, der eine möglichst große Übereinstimmung zwischen sprachlicher Form und Inhalt anstrebt. Mit vorurteilsfreien sprachlichen Analysen lässt sich auch einer Jahrhunderte währenden Diskussion der Boden entziehen, wie stark die biblische K. durch Semitismen geprägt sei, welche die Herkunft der Autoren aus dem aramäisch-hebräischen Sprachraum verrate. Alfred Thumb hat schon zu Beginn des 20. Jh. gezeigt, dass viele angebliche Semitismen wie als wohl prominentestes Beispiel der Nominativus pendens, also der isoliert stehende, nicht in die Satzkonstruktion eingegliederte Nominativ, durchaus bisweilen in Texten aus dem griechischen Mutterland vorkommen. Dasselbe gilt für die gelegentliche syntaktisch überflüssige Wiederaufnahme eines Relativpronomens durch ein Personalpronomen im selben Kasus. Ebenso ist die angeblich semitische syntaktische Fügung Imperativ + καί + Indikativ Futur schon im klassischen Attisch nachzuweisen. In der Septuaginta können Semitismen freilich dann zustande kommen, wenn die jeweiligen Übersetzer darauf bedacht waren, den hebräischen Urtext möglichst wortgetreu zu übertragen. Im Bereich des Neuen Testaments sollte man in solchen Fällen besser von ‚Septuagintismen‘ sprechen (vgl. → Septuaginta), da sie in der Regel in wörtlichen oder sinngemäßen Zitaten aus der Septuaginta auftreten. Hierbei handelt es sich aber natürlich um ein völlig anderes Phänomen, als wenn vermeintliche Semitismen auf unzulängliche Griechischkenntnisse der Übersetzer und Autoren zurückgeführt werden. Zusammenfassend gesagt gilt immer noch die Aussage von Deissmann, dass die biblische Gräzität völlig in den hellenistischen Kreis einzuordnen und als Gemeingut der K. zu betrachten sei; Septuaginta und Neues Testament sind also im Wesentlichen in normalem K.-Griechisch abgefasst.

Literaturverzeichnis

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2. Grammatiken und Lexikonartikel

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  • Blass, F./Debrunner, A./Rehkopf, F., 182001, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen
  • Kühner, R./Blass, D., ³1890=1966, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, 1. Teil: Elementar- und Formenlehre, Hannover/Leipzig
  • Kühner, R./Gerth, B.., ³1898=1963, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, 2. Teil: Satzlehre, Hannover/Leipzig

3. Monographien und Aufsätze

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  • Debrunner, A./Scherer, A., 1969, Geschichte der Griechischen Sprache II. Grundfragen und Grundzüge des nachklassischen Griechisch, Berlin
  • Deissmann, A., 1897, Neue Bibelstudien, Marburg
  • Deissmann, A., 41923, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt, Tübingen
  • Karrer, M.: Sprache und Identität – Beobachtungen an der Apokalypse, in: F. Wilk (Hrsg.): Identität und Sprache. Prozesse jüdischer und christlicher Identitätsbildung im Rahmen der Antike, Göttingen, S. 139-198
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  • Norden, E., 91983, Die antike Kunstprosa, 2 Bände, Darmstadt
  • Paulsen, Th., 2018: Identitätswahrung durch Abgrenzung oder warum kaiserzeitliche Griechen kein Latein lernten, in: F. Wilk (Hrsg.): Identität und Sprache. Prozesse jüdischer und christlicher Identitätsbildung im Rahmen der Antike, Göttingen, S. 63-87
  • Petersmann, H., 1995, Zur Entstehung der hellenistischen Koine, in: Philologus 139, 3-14
  • Radermacher, L., 1947, Koine, Wien
  • Thumb, A., 1901, Die griechische Sprache im Zeitalter des Hellenismus. Beiträge zur Geschichte und Beurteilung der KOINH, Straßburg

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