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(erstellt: Januar 2013)

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1. Verwendung

Kohle ist ein Gegenstand des täglichen Gebrauchs. Als „Rohstoff“ kommt in erster Linie Holzkohle zur Verwendung, da es in Israel keine fossile und mineralische Kohle (Braun- und Steinkohle) gibt. Entsprechend den Beobachtungen Gustav Dalmans im frühen 20. Jh. wurde der Brennstoff in Kohlemeilern, im südlichen Palästina auch mit Hilfe von in den Erdboden eingelassenen Köhlergruben erzeugt (vgl. Dalman, 1935, 9-10). Kohle wird für das Zubereiten und Erwärmen von Speisen, zum Heizen (in Jer 36,22.23 wird ein אַח ’aḥ „Kohlenbecken“ als Heizung erwähnt, ohne dass der Begriff „Kohle“ fällt; vgl. Joh 18,18), aber auch in der Metallurgie (Schmelz- und Schmiedefeuer, s.u.) verwendet (→ Feuer).

2. Hebräische Begriffe

Für „Kohle“ gibt es in der hebräischen Bibel drei verschiedene Begriffe. Diese sind nicht völlig eindeutig semantisch abgrenzbar, insbesondere ist nicht immer eindeutig, ob lediglich die Substanz Kohle oder die durch sie ermöglichte „Kohlenglut“ gemeint ist.

2.1. פֶּחָם pӕḥām „Kohle“ als Rohstoff. Das Primärnomen פֶּחָם pӕḥām bezeichnet die Kohle bzw. Holzkohle als „Rohsubstanz“. Regelmäßig wird sie dazu eingesetzt, um eine starke Glut zu erzeugen. Das Wort ist gemeinsemitisch gut bezeugt und die Entsprechungen in der akkadischen Überlieferung mit dem vielfältigen belegten pēmtu / pēntu / pettu / pe’ittu als Brennstoff für die Zubereitung verschiedener Speisen (v.a. Brot und Fleisch), als Heizmaterial und auch für den rituellen und medizinischen Gebrauch (vgl. CAD P [2005] 324-325) weisen in dieselbe Richtung. Dies gilt auch für das Arabische, in dem faḥm „Holzkohle“ bedeutet und faḥḥām die Berufsbezeichnung für den Köhler ist. Das Ugaritische überträgt die Bedeutung von „glühende Kohle“ für pḥm auch auf eine Farb- und Qualitätsbezeichnung einer besonders hellroten Sorte von Purpur (vgl. Dietrich / Loretz, 231-232).

Einen deutlichen Hinweis für פֶּחָם pӕḥām als Zutat für ein Kohlenfeuer liefert Spr 26,21, in dem die (Holz-)Kohle (פֶּחָם pӕḥām) als Voraussetzung für die Glut (גֶּחָלִים gæḥalîm) ausgewiesen wird. Weiterhin wird פֶּחָם pӕḥām noch als wichtiger Bestandteil für die Metallurgie erwähnt (Jes 44,12; Jes 54,16).

2.2. גַּחַל pӕḥām „Glut / Kohlenglut“. Häufigerer als פֶּחָם pӕḥām begegnet das Wort גַּחַל gaḥal. Es bezeichnet weniger die Substanz, den Rohstoff, sondern die dadurch erzeugte Kohlenglut. Da גַּחַל gaḥal fast nur pluralisch verwendet wird, liegt es nahe, darin die glühenden Kohlenstücke zu sehen.

Das Alte Testament gebraucht das Wort bei der Beschreibung einer Räucherzeremonie in dem präskriptiven Vers Lev 16,12. In Ps 120,4 findet sich Glut im Parallelismus zu scharfen Pfeilen: „Scharfe Pfeile eines Kriegers mit glühenden Kohlen vom Ginsterstrauch“ (Zürcher Übersetzung). Dies könnte ein Hinweis auf eine Technik sein, mit Hilfe von Glühkohlen aus Holz vom → Ginsterstrauch (רֹתֶם rotæm) ein Schmiedefeuer zu entfachen, das so große Hitze entwickelt, dass sich in ihm Pfeilspitzen schmieden (und härten) lassen.

Das Auslöschen der letzten verbliebenen Glut wird in 2Sam 14,7 von einer namenlosen weisen Frau aus → Tekoa als Metapher (s.u.) für das Auslöschen der Familienlinie gebraucht (hier seltenes גַּחֶלֶת gaḥælæt, welches morphologisch fem. Sing. ist).

In der → Septuaginta sind sämtliche Belege von גַּחַל gaḥal mit ἄνθραξ anthrax „Kohle“ übersetzt.

2.3. רִצְפָּה riṣpāh „Glühstein“. Etwas schwieriger ist das Wort רִצְפָּה riṣpāh in Jes 6,6 zu bestimmen. In der → Berufungsvision des → Jesaja verwendet ein → Seraf eigens eine Zange, um den mit רִצְפָּה riṣpāh bezeichneten Gegenstand vom Altar zu nehmen und damit den Mund des Propheten reinigend zu berühren (vgl. Hurowitz, bes. 43.79). Die allgemein akzeptierte Deutung ist, dass es sich um eine glühende Kohle handelt, wobei diese vom irdischen oder vom himmlischen (so Beuken, 174) Rauchopferaltar stammen kann. Die Septuaginta übersetzt auch mit ἄνθραξ anthrax „Kohle“; die → Peschitta verwendet nicht, wie man erwarten würde, raʻpā (s.u.), sondern gmūrtā, das übliche Wort im Syroaramäischen für Kohle, das griech. ἄνθραξ anthrax entspricht. Möglicherweise ist רִצְפָּה riṣpāh hier gewählt, um eine einzelne glühende Kohle zu bezeichnen, denn eine derartige sprachliche Spezifikation wäre mit dem fast ausschließlich pluralisch gebrauchten גַּחַל gaḥal nicht möglich. Wahrscheinlicher ist trotzdem, dass רִצְפָּה riṣpāh einen glühend heißen Stein bezeichnet. Das hebr. רִצְפָּה riṣpāh (möglicherweise Primärnomen; vgl. רצף rṣp I „einlegen“; dazu HALAT 1198) entspricht syr. raʻpā „in Glut oder auf heißen Steinen gebackenes Brot“ (Sokoloff, 1482) und arab. raḍf „Glut“ (Dalman, 1939, 48). Das Lemma רִצְפָּה riṣpāh bezeichnet wohl zunächst die heißen Steine, auf denen → Brot gebacken wird: Gemäß 1Kön 19,6 wird der lebensüberdrüssige → Elia auf seinem Weg zum → Horeb mit עֻגַת רְצָפִים ʻugat rǝṣāfîm in glühender Asche oder auf heißen Steinen gebackenen Broten / Kuchen gestärkt (LXX: ἐγκρυφίας ὀλυρίτης enkryphias olyritēs „in Asche gebackenen Brotfladen aus einem weizenähnlichen Getreide“).

3. Kohle in Spruchweisheit und metaphorischer Rede, in Orakel- und Fluchsprache

Da Kohle und ihre Verwendung zur Erzeugung großer und dauerhafter Hitze aus den Erfahrungen der unmittelbaren Lebenswelt vertraut sind, findet sie sich auch in Spruchweisheit und metaphorischer Rede:

● Ehebruch hat Folgen, so wie man nicht über glühende Kohlen gehen kann, ohne sich die Füße zu verbrennen (Spr 6,28).

● Eine Wohltat einem Feind gegenüber ist wie das Sammeln von Kohlen auf seinem Haupt (Spr 25,22; aktualisierend aufgenommen in Röm 12,20).

● Wie Kohle die Glut und Hölzer den Brand so lässt ein streitbarer Mensch Streit auflodern (Spr 26,21).

Sir 8,10 (Lutherbibel: Sir 8,13) warnt davor, dem Frevler die Kohlenglut (גחלת gaḥælæt, ἄνθραξ anthrax) seines Tuns zu entfachen, und Sir 11,32 (Lutherbibel: Sir 11,33) vor dem Verleumder, der einen Funken in eine Kohlenglut (גחלת gaḥælæt, ἀνθρακιά anthrakia) verwandeln kann.

Auch für das Agieren Jahwes wird die Metaphorik der Kohlenglut angewandt: Jahwes Epiphanie wird mit Kohlenbrand verglichen (2Sam 22,9 // Ps 18,9; 2Sam 22,13 // Ps 18,13; Ez 1,13; Ps 18,14; Hi 41,13).

In Ps 140,11 wünscht der Beter seinen Feinden, dass glühende Kohle auf sie herab falle. Eine Kohlenglut kann auch verlöschen: Eine ausgerottete Sippe gleicht einer verlöschenden Kohlenglut (hier gleich wie in 2Sam 14,7 seltenes גַּחֶלֶת gaḥælæt pars pro toto eines Kohlenfeuers). Die babylonische Sterndeuterei erscheint in Jes 47,14 als Feuer auf einem Stoppelfeld und wie Kohle, die nicht wärmt. Im Orakel → Ezechiels steht ein leerer Topf auf einem Kohlenfeuer solange, bis er rein und sein Rost weggebrannt ist (Ez 24,11).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979.
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003.

2. Weitere Literatur

  • Beuken, W. / Berges, U., Jesaja 1-12 (HThKAT), Freiburg im Breisgau 2003.
  • Dalman, G., Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. 4: Brot, Öl und Wein (Schriften des Deutschen Palästina-Instituts 3,7), Gütersloh 1935.
  • Dalman, G., Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. 6: Zeltleben, Vieh- u. Milchwirtschaft, Jagd, Fischfang (Schriften des Deutschen Palästina-Instituts 3,9), Gütersloh 1939.
  • Dietrich, M. / Loretz, O., Der Vertrag zwischen Šuppiluliuma und Niqmandu: Eine philologische und kulturhistorische Studie, WdO 3 (1966), 206-245.
  • Hurowitz, V., Isaiah’s Impure Lips and Their Purification in Light of Mouth Purification and Mouth Purity in Akkadian Sources, HUCA 60 (1989) 39-89.
  • Sokoloff, M., A Syriac Lexicon. A Translation from the Latin, Correction, Expansion, and Update of C. Brockelmann’s Lexicon Syriacum, Winona Lake, Indiana / Piscataway, New Jersey 2009.

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