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Körperteile

(erstellt: April 2013)

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Arm, → Auge, → Backe, → Bart, → Bauch, → Brust, → Daumen, → Faust, → Finger, → Fuß, → Gesicht, → Haar / Haartracht, → Hals / Kehle, → Hand / Handfläche, → Haut, → Hüfte, → Knie, → Kopf, → Lende, → Lippen, → Mund, → Nacken, → Nase, → Ohr, → Rechte, → Schoß, → Schulter, → Stirn, → Vorhaut, → Zahn, → Zunge;

Blut, → Eingeweide, → Galle, → Gebeine / Knochen, → Herz, → Leber, → Nieren, → Sehne;

Atem, → Emotionen, → Geist, → Geruch, → Geschmack, → Gesten / Gebärden, → Schmecken, → Schmerz;

Mensch.

1. Belege

Das Hebräische des Alten Testaments kennt über 250 verschiedene Wörter / Lexeme für → Körper und Körperteile (Oelsner); sie kommen in mehreren tausend Belegstellen vor (zu grundsätzlichen Überlegungen der Analyse von Körperphänomenen, der Quellenproblematik und den methodischen Analysemöglichkeiten vgl. → Körper 1.).

1.1. Zentrale und weniger zentrale Körperteile. Eine Übersicht über die Zahl der Belege der Wörter für Körperteile weist eine kleine Gruppe von ca. 15-18 Körperteilen aus, die besonders häufig (mehr als 100-mal) vorkommen. Nach diesem Häufigkeitsbefund sollen zentrale (die ca. 100-mal und öfter vorkommen; vgl. u. 4.1, 5.1 und 6.) und weniger zentrale Körperteile (die deutlich weniger als 100-mal vorkommen; vgl. u. 4.2. und 5.2.) unterschieden werden.

1.2. Äußere und innere Körperteile. Beim Körper ist es des Weiteren hilfreich zu unterscheiden, ob wir es mit äußeren Körperteilen (vgl. u. 4.) oder mit inneren Körperteilen (vgl. u. 5.) zu tun haben oder mit Lexemen, die Gesamtaspekte des Körpers (bzw. des Menschen) bezeichnen (vgl. u. 6.); bei Letzteren kann man sich fragen, ob es sich überhaupt noch um Körper-„Teile“ im engeren Sinn handelt, aber es sei hier, weil es Übergangsbereiche gibt und weil es sich teils um wichtige Aspekte handelt, auf diese Lexeme hingewiesen. Beim äußeren Körper, und das ist für die Quellenfrage wichtig, können wir Sprachquellen und Bildquellen vergleichen (vgl. u. 3.), von außen sichtbare Körperteile sind auch materialbildlich belegt (3.1.), innere Körperteile werden nur in seltenen Einzelfällen abgebildet (vgl. u. 3.2.). So ergeben sich für die äußeren Körperteile andere Analysemöglichkeiten.

2. Funktion der Körperteile – synthetisches Bedeutungsspektrum

Hans Walter Wolff hat 1973 den Begriff der „Synthetischen Bedeutung“ geprägt, der einen wesentlichen Aspekt der Körperteilbedeutung beschreibt: Wird in einem Text ein Körperteil verwendet, so steht es häufig nicht einfach nur für die Bezeichnung des Körperteils, sondern es wird oft stellvertretend für seine Funktion verwendet: „Ruft der Prophet aus (Jes 52,7): Wie schön sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten!, so meint er nicht deren graziöse Gestalt, sondern ihre hurtige Bewegung: Wie schön, daß der Bote über die Berge heraneilt! ‚Füße’ sagt der Hebräer, aber er denkt an das sprunghafte Nahen. In Ri 7,2 kommt der befürchtete Selbstruhm Israels in dem Satz zur Sprache: Meine Hand hat mir geholfen. Gemeint ist natürlich das eigene Zupacken, die eigene Kraft. Das Glied und sein wirksames Handeln werden zusammengeschaut. Der Hebräer kann und muß mit einem verhältnismäßig kleinen Wortschatz, mit dem er die Dinge und gerade auch die menschlichen Körperteile benennt, eine Fülle feiner Nuancen zum Ausdruck bringen, indem der Satzzusammenhang die Möglichkeiten, Tätigkeiten, Eigenarten oder Widerfahrnisse des Benannten heraushebt.“ (Wolff, 30-31). Wolff nennt das „synthetisch“, weil „eine Zusammenschau der Glieder und Organe des menschlichen Leibes mit ihren Fähigkeiten und Tätigkeiten“ vorausgesetzt ist, es ist „das synthetische Denken, das mit der Nennung eines Körperteils dessen Funktion meint“ (Wolff, 30). Es hat sich allerdings bewährt, vom „synthetischen Bedeutungsspektrum“ zu sprechen, weil bei der Nennung eines Körpermotivs das gesamte Spektrum von körperlicher, gestischer bis hin zu einer rein abstrakt-funktionalen Bedeutung abgerufen sein und die Bedeutung innerhalb diesen Spektrums sich hin und herbewegen kann (Wagner 2007): „Hand“ kann in den Texten des Alten Testaments Verwendung finden im Sinne des Körperteils Hand, im Sinne von versprachlichten gestischen Bedeutungen („die Hand geben“) bis hin zu einer ganz funktional verstandenen Bedeutung (Hand = Macht). In allen Fällen steht im Hebräischen dasselbe Wort für Hand, obwohl sehr verschiedene Aspekte aus dem „Bedeutungsspektrum“ gemeint sein können; um die genaue Bedeutung zu erfassen, muss eine sprachliche Äußerung, die eine Körperaussage enthält, aus ihrem Kontext erschlossen werden. Nur von diesem „synthetischen“ Verständnis aus können Ausdrücke wie „die Hand der Zunge“ (Spr 18,21) richtig verstanden werden: Es geht dort nicht um eine Anthropomorphisierung der Zunge, sondern um ihre Macht, die Macht der Rede.

Häufig kommen in Übersetzungen nur die Funktionen zur Sprache, auf die Nennung der Körperteile wird verzichtet; allerdings verschwindet in der Übersetzung der Körper so hinter den Funktionen, was im Hebräischen aufgrund der Gegebenheiten des synthetischen Bedeutungsspektrums nicht möglich ist (vgl. oben zu Hand). Vor allem im Bereich des Anthropomorphismus führt das zu Tendenzen, den Körper Gottes „zu reduzieren“ (vgl. Wagner 2008, 289-317).

3. Die Unterscheidung von äußeren und inneren Körperteilen

3.1. Äußere Körperteile in Sprache und Bild

Die Einteilung in äußere und innere Körperteile ist in erster Linie quellenbedingt. Da in neuerer Zeit bei der Erschließung anthropologischer Sachverhalte Bilder (→ Ikonographie) als Quellen eine große Rolle spielen, ist es ein wesentlicher Vorteil, sprachliche Quellen und material-bildliche Quellen parallel führen zu können. Diese Möglichkeit gibt es bei Körperteilen (bis auf Ausnahmen) nur bei den äußeren bzw. von außen sichtbaren Körperpartien. Innere Körperteile werden auf Bildern so gut wie nicht dargestellt (zu Ausnahmen vgl. 3.2.).

Mensch Abb 1
Jede bildliche Darstellung eines menschlichen Körpers basiert auf der Addition dargestellter Körperteile. Vergleicht man die in „hebräischen“ Bildern vorkommenden Körperteile, ergibt sich in der Präsenz der dargestellten Körperteile eine gewisse Konvergenz mit den zentralen Körperteilen, die aus den Texten des Alten Testaments bekannt sind (Wagner 2010, 101-109). Als „hebräische“ Bilder werte ich solche, bei denen Bilddarstellungen und hebräische Schrift / Sprache kombiniert sind (Wagner 2010, 57-58). Als Beispiel sie hier auf die Abbildung eines Menschen auf großen Vorratsgefäßen (Pithoi) aus Kuntillet ‘Aǧrūd (→ Kuntillet ‘Aǧrūd [Kuntillet Agrud]) verwiesen, auf denen sich hebräische (Kurz-)Texte und Bilder finden.

Als Ergebnis des Vergleichs derjenigen Bilder mit der Kombination „hebräische Sprache / Bilddarstellung“ und sprachlich bezeugter Körperteile lässt sich festhalten:

„Die Gewichtungen sind leicht verschoben, am stärksten ist die Abweichung beim ‚Arm’, der in Bildern konstitutiv ist, bei der sprachlichen Repräsentation der häufigen Glieder [vgl. in diesem Art. unter Abschn. 4.1.] aber den untersten Platz belegt. Der Vergleich zeigt weiterhin zwei auffällige Sachbestände: a) Der in den Bildern immer dargestellte ‚Rumpf’ des Körpers besitzt keine sprachliche Entsprechung. Dass das Wort zufällig nicht in die hebräischen Texte des A.T. eingegangen und daher nicht überliefert wurde, ist angesichts der hohen Zahl der überlieferten Körperbegriffe unwahrscheinlich. Größere Plausibilität hat die Annahme, dass das Hebräische einen solchen Begriff nicht besitzt. b) Sehr auffällig ist auch das ‚Desinteresse’ der Bilder am ‚Ohr’; bei den Darstellungen auf materialen Bildern scheint das Ohr sehr entbehrlich zu sein. Wenn überhaupt kommt es ja nur einmal vor. In den Texten dagegen ist das Ohr unter den ‚top ten’ der Körperbegriffe.“ (Wagner 2010, 109).

Hand 4
Darstellungen von Körperteilen gibt es auch außerhalb von Abbildungen menschlicher Personen bei herausgelösten, selbständig und ohne Körperbezug für sich stehenden Körperteilen.

Aufgrund der Funktionsbedeutung von Körperteilen (vgl. 2.) kann auch in Bildern auf die mit dem Körperteil verbundene Funktion angespielt werden, etwa bei der Hand auf Macht, Schutz o.ä. Das dürfte bei der Abbildung der Hand aus Chirbet el-Qōm (→ Chirbet el-Qōm [Chirbet el-Qom]; Koordinaten: 146.104; N 31° 32' 00'', E 34° 58' 10'') eine Rolle spielen.

Neben den quellenbedingten Unterscheidungen ist es zumindest auffällig, dass bei den zentralen Körperteilen die Zahl der äußeren Körperteile mehr als doppelt so hoch ist als die der inneren. Man könnte daraus schließen, dass die äußeren Körperteile bzw. die mit ihnen verbundenen Funktionen in den Texten des Alten Testaments auch aus Wichtigkeitsgründen stärker im Vordergrund stehen. Da es bei den äußeren Körperteilen sehr stark um Kommunikation und Handlung geht und das zwei äußerst wichtige Sachbereiche sind, wäre das nicht unplausibel. Im Bereich des Anthropomorphismus ist diese Dominanz der äußeren Körperteile und die Betonung der Kommunikations- und Handlungsseite Gottes ein Teil der theologischen Gesamtaussage des Alten Testaments (dazu Wagner 2010, 156-158).

3.2. Innere Körperteile

Innere Körperteile werden weit weniger auf bildlichen Quellen dargestellt; auch bei den zentralen Körperteilen (vgl. 4.) kommen im Alten Testament weniger innere als äußere Körperteile vor.

In den altorientalischen Kulturen, das Alte Israel eingeschlossen, gibt es keine über das planmäßige Sezieren von Leichen gewonnenen Erkenntnisse über den inneren Körper; für medizinisch / anatomisch wissenschaftliche oder zu künstlerisch-ästhetischen Zwecken vorgenommene Untersuchungen von Körpergegebenheiten an Leichen finden sich keine Zeugnisse.

Kenntnisse über innere Organe kommen aus der erfahrungsbezogenen „Heilkunst / Medizin“, aus Beobachtungen von Verletzungen und Toten (Unfall, Krankheiten und vor allem Krieg), aus analogen Beobachtungen zu Tierkörpern, die man aus Schlachtungen gut kannte, u.ä. In einigen Fällen werden auch innere Körperteile etwa in Form von → Amuletten abgebildet, wenn es um ihre funktionale Bedeutung geht, etwa bei den Herzamuletten.

4. Äußere Körperteile

4.1. Die zentralen äußeren Körperteile

Körperteilbegriffe, die mehr als 100-mal vorkommen:

פָּנִים pānîm „Gesicht“ (2127-mal); יָד jād „Hand“ (1618-mal), + כַּף kaf „Handfläche“ (192-mal), + יָמִין jāmîn „Rechte“ (139-mal); עַיִן ‘ajin „Auge“ (866-mal); נֶפֶשׁ næfæš „Kehle / Hals“ (754-mal); רֹאשׁ ro’š „Kopf“ (596-mal); פֶּה pæh „Mund“ (500-mal); אַף ’ap „Nase“ (277-mal); רֶגֶל rægæl „Fuß“ (247-mal); אֹזֶן ’ozæn „Ohr“ (187-mal); שָׂפָה śāfāh „Lippe“ (176-mal); זְרוֹעַ zərôa‘ „Arm“ (93-mal; wichtiges Körperteil, knapp unter 100-mal belegt).

Zu diesen Körperteilen vgl. die Einzelartikel → Arm, → Auge, → Fuß, → Gesicht, → Hals / Kehle, → Hand, → Kopf, → Lippe, → Mund, → Nase, → Ohr.

4.2. Weitere äußere Körperteile

Die Häufigkeit der Körperteile sagt nichts darüber aus, wie bedeutend ein Körperteil für das Verständnis eines Textes ist. Auch weniger zentrale Körperteile, die im Wortschatz des Alten Testaments nicht in hoher Frequenz vorkommen, können für einzelne Texte bzw. einzelne Aspekte des Körpers / des Menschen (→ Mensch) große Bedeutung haben. Sie gehören zur Gesamtauffassung des Körpers / des Menschen hinzu.

Auch die weniger zentralen Körperteile folgen in der Regel dem Prinzip des synthetischen Bedeutungsspektrums und können stellvertretend für die Sicht auf den Menschen unter einem bestimmten Aspekt stehen (zu Grenzen dieses Verständnisses vgl. Kap. 7). Auch diese Körperteile sind hier nicht im Einzelnen zu beschreiben, vgl. folgende Artikel: → Backe, → Bauch, → Brust, → Daumen, → Faust, → Finger, → Haut, → Hüfte / Lende, → Knie, → Lippen, → Nacken, → Schoß / Mutterschoß, → Schulter, → Stirn, → Zahn, → Zunge etc.

5. Innere Körperteile

5.1. Die zentralen inneren Körperteile

Von den Körperteilen des Inneren sind folgende der Beleganzahl nach zu den zentralen Körperteilen zu rechnen: לֵב lev „Herz“ (601-mal); דָּם dām „Blut“ (360-mal); לֵבָב levāv „Herz“ (252-mal); עֶצֶם ‘æṣæm „Knochen“ (123-mal); לָשׁוֹן lāšôn „Zunge“ (117-mal). Auch hier sei auf die Einzelartikel zu → Herz, → Blut, → Knochen / Gebeine und → Zunge verwiesen.

5.2. Weitere innere Körperteile

Was zu den äußeren weniger zentralen Körperteilen in Abschn. 4.2. gesagt ist, gilt auch hier. Für das Verständnis von Texten und bestimmten Aspekten des Menschseins sind auch diese Körperteile von großer Bedeutung. Vgl. dazu die Einzelartikel zu → Galle, Leber, → Nieren etc.

6. Körperteilübergreifende Aspekte des Körpers

Der Unterscheidung von äußeren und inneren Körperteilen entziehen sich einige der alttestamentlichen „Körper-Wörter“. Einige davon sind deswegen besonders wichtig, weil sie zu den „zentralen“ Körper-Wörtern gehören, da sie mehr als 100-mal im Alten Testament vorkommen. Sie entziehen sich der Unterscheidung zum Teil, weil mit ihnen einerseits nicht-körperliche Funktionen verbunden sind (נֶפֶשׁ næfæš, רוּחַ rûaḥ), andererseits auf Aspekte gezielt wird, die die äußeren Körperteile umfassen (Gruppe c) oder gar Anteile der inneren wie äußeren Körperteile beinhalten:

• Hierhin gehört a) das Wort נֶפֶשׁ næfæš (754-mal nach THAT), das teils Körperteilbegriff ist („Hals / Kehle“), teils über die Funktionsbedeutung für Gesamtaspekte des Körpers (man könnte auch „des Menschen“ sagen) steht („Leben / Gier“ etc.). Es gehört, wie die Beleganzahl zeigt, zu den zentralen Lexemen.

• Zu dieser Gruppe gehört b) auch das Wort רוּחַ rûaḥ (378-mal nach THAT; → Geist), das einen Zusammenhang mit der Körperfunktion des Atmens hat, aber auch für den Geist steht. Auch רוּחַ rûaḥ gehört zu den zentralen Körper- / Menschen-Lexemen.

• Schließlich gehört c) eine Reihe von Wörtern hierzu, die keine Körperteile, sondern den sichtbaren Umriss des Gesamtkörpers o.ä. bezeichnen, wie מַרְאֶה mar’æh „Gestalt“.

• Und nicht zuletzt ist hier auf d) das Wort בָּשָׂר bāśār (270-mal nach THAT; → Fleisch) zu verweisen, das zur Benennung des vergänglichen Körperanteils der inneren wie äußeren Körperteile dient und ebenfalls zu den zentralen Körper- / Menschen-Lexemen zählt.

7. Körper-Wörter: der Mensch unter einem bestimmten Blickwinkel

Die zentralen Körperteile (vgl. 4.1, 5.1 und 6.) können hier nur in einer knappen Überschau kurz charakterisiert werden (vgl. bes. die ausführlicheren Darstellungen bei Schroer / Staubli 2005, 33-173; Wagner 2010, 110-134). Die Körperteile können jeweils den ganzen Menschen vertreten und stehen damit für Thematisierungen des Menschen unter einem bestimmten Aspekt (Wagner 2006: → Mensch):

פָּנִים pānîm „Gesicht / Antlitz“ zielt auf mimische Kommunikationsfähigkeit / Zugewandtheit (1Kön 21,4: „er [Ahab] legte sich auf sein Bett, wandte sein Antlitz ab [= er wandte sich ab] und wollte nicht Speise essen“);

יָד jād „Hand“ zielt auf Handlungsmöglichkeit / Mächtigkeit (Ri 7,2: „meine Hand hat mir geholfen“ [= ich habe mir selbst geholfen, es stand in meiner Macht, mir zu helfen]);

עַיִן ‘ajin „Auge“ zielt auf (optisch-visuelle) Erkenntnisfähigkeit / Kommunikationsfähigkeit (Ps 54,9: „mein Auge sieht meine Feinde“ [= ich sehe meine Feinde]);

נֶפֶשׁ næfæš zielt auf Leben / Lebenswille / Lebenskraft / Gier / Bedürftigkeit / Hals / Kehle (Gen 12,13: „und meine נֶפֶשׁ næfæš wird um deinetwillen am Leben bleiben“ [= ich werde um deinetwillen am Leben bleiben]);

לֵב lev „Herz“ zielt auf Erkenntnisfähigkeit / Rationalität (Jer 12,3: „Du, Jahwe Herr, kennst mich und siehst mich und prüfst mein Herz vor dir“ [= prüfst mich]);

רֹאשׁ ro’š „Kopf“ zielt auf „Personhaftigkeit [Individualität (?)]“ (Gen 49,26: „die Segnungen deines Vaters … – mögen sie kommen auf das Haupt Josefs …“ [= mögen sie kommen auf Josef]);

פֶּה pæh „Mund“ zielt auf Sprache / Kommunikationsfähigkeit (Spr 15,2: „der Weisen Zunge bringt gute Erkenntnis hervor; der Toren Mund sprudelt nur Narrheit“ [= die Toren sprudeln nur Narrheit]);

רוּחַ rûaḥ „Geist / Kraft“ zielt auf Geist / Kraft / Vitalität (Ps 77,7: „ich denke [und grüble] in der Nacht, ich sinne mit meinem Herzen und meine rûaḥ forscht“ [= ich forsche]);

דָּם dām „Blut“ zielt auf pysische Lebenskraft (Ps 30,10: „Was für einen Gewinn hat mein Blut [= habe ich] [für dich, Jahwe], wenn ich ins Grab hinabsteige?“);

בָּשָׂר bāśār „Fleisch“ zielt auf Körperlichkeit und Vergänglichkeit (Ps 119,120: „es schaudert mein bāśār aus Furcht vor dir“ [= es schaudert mir aus Furcht vor dir]);

אַף ’ap „Nase“ zielt auf Wut / Ausdruckskraft / Kommunikationsfähigkeit (Ez 38,18: „wenn Gog kommen wird über das Land Israels, spricht Gott der Herr, wird mein Zorn in meiner Nase aufsteigen“ [= in mir aufsteigen]);

רֶגֶל rægæl „Fuß“ zielt auf Macht / Präsenz (1Sam 23,22: „geht nun und gebt weiter Acht, wisst und seht, an welchem Ort sein Fuß weilt [an welchem Ort er weilt] und wer ihn dort gesehen hat“);

אֹזֶן ’ozæn „Ohr“ zielt auf (akustische) Erkenntnisfähigkeit / Kommunikationsfähigkeit (Spr 18,15: „ein verständiges Herz erwirbt Einsicht, und das Ohr der Weisen sucht Erkenntnis“ [= die Weisen suchen Erkenntnis]);

שָׂפָה śāfāh „Lippe“ zielt auf Sprache / Kommunikationsfähigkeit (Spr 15,7: „die Lippen des Weisen breiten Einsicht aus“ [= der Weise breitet Einsicht aus]);

זְרוֹעַ zərôa‘ „Arm“ zielt auf Handlungsmöglichkeit / Mächtigkeit (Ez 30,21: „ich habe den Arm des Pharao, des Königs von Ägypten, zerbrochen“ [= ich habe den Pharao vernichtet]).

Die Frage ist, wie weit diese aspekthafte Stellvertretung für den Menschen durch Körperteile vom Alten Testament durchgehalten wird. Können auch seltene Körperteile wie „Daumen“ etc. den ganzen Menschen vertreten? Ganz ohne Zweifel sind alle zentralen Körperteile in dieser Funktion. Aber es gibt wohl eine abnehmende Wahrscheinlichkeit, dass mit Körperteilen, die nur in geringer bis sehr geringer Anzahl vorkommen, ein Aspekt des ganzen Menschen zum Ausdruck gebracht wird. Dies muss bei der Auslegung einer Textstelle oder der Nachfrage nach einem Körperteil jeweils genau geprüft werden. Hier ist die Forschung noch nicht abgeschlossen.

8. Körperteile Gottes

Die auf Gott angewendeten Körperteile unterscheiden sich vom Prinzip her in dem Charakter der Funktionalität nicht. Auch bei Gott steht die Hand für Macht, das Herz für die Rationalität, der Mund für das Sprechen usw. Allerdings hat Gott aufgrund seiner „göttlichen“ Fähigkeiten andere Möglichkeiten als der Mensch; der Grad der Funktionalität ist ein anderer: Gottes Hand bedeutet wie beim Menschen Macht, aber seine Hand / Macht gelangt überall hin; sein Ohr hört wie das menschliche Ohr auch, aber die Hörfähigkeit erstreckt sich auf alle menschlichen Äußerungen usw.

Mit Blick auf die einzelnen Körperteile und deren Funktion gibt es insofern keine Unterschiede zwischen den Anwendungen auf Gott und Mensch, als sich keine „gottspezifischen“ Körperteile finden. Alle Körperteile, die auf Gott angewandt werden, finden sich auch im menschlichen Anwendungsbereich. Umgekehrt ist das nicht der Fall, denn im direkten Anthropomorphismus bei den äußeren Körperteilen werden alle diejenigen menschlichen Körperteile ausgespart, die geschlechtliche Festlegungen ermöglichen. Es ist im Alten Testament nicht die Rede von Gottes „weiblicher Brust“, Gottes Penis, Gottes Hoden u.ä. (Wagner 2010, 135-137).

Den größten Anteil der Körperteile haben im Anthropomorphismus diejenigen, die mit den Funktionen von Kommunikation und Handlung verbunden sind (zur theologischen Deutung dieses Befundes vgl. → Körper 7.2.).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006

2. Weitere Literatur

  • Brunner-Traut, E., 1992/2012, Frühformen des Erkennens, Darmstadt (vgl. auch Janowski 2012)
  • Decker, W.,1994, Bildatlas zum Sport im alten Ägypten, 2 Bde, Leiden u.a.
  • Janowski, B., 2008, Die lebendige Statue Gottes. Zur Anthropologie der priesterlichen Urgeschichte, in: ders., Die Welt als Schöpfung (Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 4), Neukirchen-Vluyn, 140-171
  • Janowski, B., 2012, Der ganze Mensch. Zur Geschichte einer integrativen Formel, in: ders. (Hg.), Der ganze Mensch. Zur Anthropologie der Antike und ihrer europäischen Nachgeschichte, Oldenburg, 9-23.
  • Keel, O., 1984, Deine Blicke sind wie Tauben. Zur Metaphorik des Hohen Liedes (SBS 114/115), Stuttgart
  • Machinist, P., 1987, Über die Selbstbewußtheit in Mesopotamien, in: Sh.N. Eisenstadt (Hg.), Kulturen der Achsenzeit. Die Ursprünge und ihre Vielfalt. Teil 1, Frankfurt a.M., 258-291
  • Martin, E., 2012, Theriomorphismus im Alten Testament und Alten Orient. Eine Einführung, in: dies., Tiergestaltigkeit der Göttinnen und Götter zwischen Metapher und Symbol (BThSt 129), Neukirchen-Vluyn, 1-36
  • Müller, K., 2012, „So wurde der Mensch ein lebendiges Wesen …“. Die „Seele“ des Menschen im Alten Testament, Bibel heute 189, 14-16
  • Oelsner, J., 1960, Benennung und Funktion der Körperteile im hebräischen Alten Testament. Diss. masch., Leipzig
  • Schroer, S. / Keel, O., 2005ff, Die Ikonographie Palästinas / Israels und der Alte Orient. Eine Religionsgeschichte in Bildern, Band 1ff, Fribourg (= IPIAO)
  • Schroer, S. / Staubli, Th., 2005, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 2. Aufl. (1. Aufl. 1998)
  • Schroer, S., 2003, Sport ist ungesund. Die Widerständigkeit des Alten Testaments gegenüber Körperkult und Sport, Berliner Debatte Initial 14, 56-62
  • Wagner, A. u.a. (Hgg.), 2008, Gott im Wort – Gott im Bild. Bilderlosigkeit als Bedingung des Monotheismus?, Neukirchen-Vluyn 2. Aufl.
  • Wagner, A., 2006, Art. Mensch, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, → Mensch
  • Wagner, A., 2007, Das synthetische Bedeutungsspektrum hebräischer Körperteilbezeichnungen, BZ 51, 257-265
  • Wagner, A., 2008, Beten und Bekennen. Über Psalmen, Neukirchen-Vluyn
  • Wagner, A., 2010, Gottes Körper. Zur alttestamentlichen Vorstellung der Menschengestaltigkeit Gottes, Gütersloh [2. Dt. Aufl. und Engl. Übersetzung bei T&T Clark in Vorbereitung]
  • Wagner, A., 2011, Der Mensch als „Bild“ Gottes und das „Bild“ Gottes im Alten Testament, Rheinsprung 11. Zeitschrift für Bildkritik 1 (2011), 79-91 [im Internet]
  • Wolff, H.W., 2010, Anthropologie des Alten Testaments. Neuausgabe hg. von B. Janowski, Gütersloh [Erstauflage 1973]

Abbildungsverzeichnis

  • Darstellung eines Menschen auf Pithos B aus Kuntillet ‘Aǧrūd (8. Jh. v. Chr.). Aus: O. Keel / C. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg u.a. 5. Aufl. 2001, 243 Abb. 221 (Ausschnitt); © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
  • Darstellung einer Hand in <i>Chirbet el-Qōm</i> (8. Jh. v. Chr.). Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg, 5. Aufl. 2001, Abb. 236; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
  • Verschiedene Herzamulette (Ägypten; ab Ende des Mittleren Reichs). Aus: Schroer / Staubli, Körpersymbolik, Abb. 9; mit Dank an © Schroer / Staubli

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