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Königstal / Königsgrund

(erstellt: November 2010)

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1. Bedeutung im Alten Testament

Das hebräische Wort עֵמֶק ‘emæq bedeutet „Talebene / Talgrund / Senke“, im Unterschied zum tief eingeschnittenen נַחַל nachal „Tal / Schlucht“. Das „Königstal“ (עֵמֶק הַמֶּלֶךְ ‘emæq hammælækh; Lutherbibel in 2Sam 18,18: „Königsgrund“) wird im Alten Testament zweimal erwähnt:

Nach 2Sam 18,18 hat → Absalom dort ein Steinmal aufgerichtet, das an ihn erinnern soll. Da Absalom den Jerusalemer Königsthron angestrebt hat, könnte der Ortsname „Königstal“ mit diesem Anspruch in Zusammenhang stehen.

In Gen 14,17 begegnet „Königstal“ als nähere Erläuterung für das ansonsten unbekannte „Tal Schawe“ (עֵמֶק שָׁוֵה ‘emæq šāweh), das im Erzählkontext dem „Tal Siddim“ (עֵמֶק הַשִּׂדִּים ’emæq haśśiddîm; Gen 14,3.8.10) entgegengesetzt ist. Während im „Tal Siddim“, das in Gen 14,3 durch eine Glosse mit dem Toten Meer identifiziert wird, vier Großkönige (→ Amrafel; → Arjoch; → Kedorlaomer; → Tidal) in einer Schlacht auf fünf Könige einer Koalition um → Sodom stoßen, begegnen sich später im „Tal Schawe“ (vielleicht von שׁוה šwh „gleich / eben sein“ als sprechender Name gebildet, der darauf anspielt, dass Abram nun mit Königen auf gleicher Ebene verkehrt) der zuvor geflohene König von Sodom, → Abram, der die Großkönige inzwischen besiegt hat, und der als zehnter König hinzutretende → Melchisedek, Priester und König von „Salem“, d.h. Jerusalem.

Die Identifikation des „Schawetals“ mit dem „Königstal“ unterstreicht die Ebenbürtigkeit Abrams mit den auftretenden Königen. Da bis Gen 18,1 keine neue Angabe über den Aufenthaltsort Abrahams folgt, sind im Endtext der Genesis auch die Verheißungen vom reichen Lohn (Gen 15,1) bis zur Inbesitznahme des Landes der Jebusiter (Gen 15,21) noch mit dem „Königstal“ verbunden (Caquot), dessen Lage bei Jerusalem als bekannt vorausgesetzt wird.

Die Formulierung „das ist (= das ist jetzt) das Königstal“ in Gen 14,17 soll wohl zum Ausdruck bringen, dass das „Tal Schawe“ vor der unmittelbar folgenden Begegnung Abrams mit den Königen noch nicht so geheißen haben kann (vgl. ähnlich „Bela, das ist Zoar“ in Gen 14,2.8 neben Gen 19,22, oder „Lus, das ist Bethel“ in Gen 35,6 neben Gen 28,19).

2. Lokalisierung

Für die Lokalisierung des Königstals bildet das Denkmal den Ausgangspunkt, das Absalom dort nach 2Sam 18,18 errichtet hat und das „bis auf den heutigen Tag“ seinen Namen trägt (jad ’avšālom). Seit dem Mittelalter wird das schönste und besterhaltene der Gräber im Kidrontal, ein aus dem Felsen gehauener Monolith mit gemauertem Aufbau aus dem 1. Jh. u. Z., als „Absaloms Denkmal“ bezeichnet (dazu Küchler, 708-712; Bieberstein / Bloedhorn 3, 239-241). Dieses Monument kann jedoch schon aus chronologischen Gründen nicht das in 2Sam 18,18 erwähnte sein. Für eine Verbindung des Kidrontals mit dem „Königstal“ könnte allerdings sprechen, dass → Salomo an der dort lokalisierten Gihonquelle zum König gesalbt worden sein soll (1Kön 1,33.38.45). Das wird bisweilen als Hinweis auf eine alte, vielleicht sogar vorisraelitische Tradition gedeutet, wonach der Jerusalemer König an der Gihonquelle in sein Amt eingesetzt wurde (so Kraus zu Ps 110,7). Josephus (Antiquitates 7,243 / 7,10,3; Text gr. und lat. Autoren) bezeichnet ein anderes Monument als Absaloms Denkmal, nämlich eine Marmorstele „im Königstal, zwei Stadien von Jerusalem entfernt“, nennt aber keine Himmelsrichtung. Von Gen 14 und 2Sam 18 her wäre der Norden naheliegend (so noch Dalman, 91-93). In den → Qumranhandschriften weisen sowohl die Erwähnung von Absaloms Mal in der Kupferrolle als auch die des Königstals im → Genesis-Apokryphon in die südliche Umgebung Jerusalems.

Koenigstal 2

Zur genaueren Lokalisierung müssen – unter der Voraussetzung, dass in der Abram- und in der Absalomgeschichte jeweils dieselbe Talebene bezeichnet werden soll, was keineswegs sicher ist – die Identifikationen des Königstals mit dem „Tal Schawe“ (Gen 14,17) sowie, nach Genesis-Apokryphon 22,13f., mit der „Talebene von Beth-Karma“ (בקעת בית כרמא) herangezogen werden. In der Kupferrolle aus Qumran (3Q 15; Übersetzung: Beyer, Bd.2, 290-299) dienen „Kidrontal“ (3Q 15, 8,8), „Schawe“ (3Q 15, 8,10.14), „Beth-Hakerem“ (3Q 15, 10,5) und „Absaloms Mal“ (3Q 15, 10,12) in dieser Reihenfolge als Orientierungspunkte für das Auffinden von vergrabenen Schätzen in der Umgebung Jerusalems (dort ist allerdings kein „Königstal“ erwähnt). „Schawe“ könnte demnach (so Astour) die kleine Ebene bezeichnen, wo Hinnom- und Käsemachertal in das Kidrontal münden, unweit des „Königsgartens“ an der Südostecke Jerusalems (2Kön 25,4; Jer 39,4; Jer 52,7; Neh 3,15). Dieser „Königsgarten“ ist aber nur eine der diskutierten Lokalisierungen für „Beth-Hakerem“ (Astour), daneben wird die Identifikation mit dem weiter südlich gelegenen → Ramat Rahel (Aharoni; vgl. auch Küchler, 1044) oder mit dem weiter westlich gelegenen Ein-Kerem (zuletzt Barkay) vorgeschlagen. Lediglich im erstgenannten Fall würde die in Genesis-Apokryphon 22,14 zur Identifikation des Schawe- und des Königstals genannte Talebene von Beth-Karma / Beth-Hakerem die Lokalisierung des „Königstals“ mit der unterhalb des „Königsgartens“ liegenden Erweiterung des Kidrontals bestätigen.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Aharoni, Y., 1967, Beth-Haccherem, in: D.W. Thomas (Hg.), Archaeology and Old Testament Study, Oxford, 171-184
  • Allegro, J.M., 1960, The Treasure of the Copper Scroll, Garden City / NY
  • Astour, M.C., 1992, Art. Shaveh, Valley of, in: Anchor Bible Dictionary, Bd. V, New York, 1167f.
  • Barkay, G., 2006, Royal Palace, Royal Portrait?, Biblical Archaeology Revue 32/5, 34-44
  • Beyer, K., 1984 (Bd. 1), 2004 (Bd. 2), Die aramäischen Texte vom Toten Meer, Göttingen
  • Bieberstein, K. / Bloedhorn, H., 1994, Jerusalem. Grundzüge der Baugeschichte vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft (TAVO Beihefte B 100/1-3), Wiesbaden
  • Caqout, A., 1962, L’alliance avec Abraham (Genèse 15), Semitica 12, 51-66
  • Dalman, G., 1930, Jerusalem und sein Gelände, Gütersloh
  • Fitzmyer, J.A., 2004, The Genesis Apocryphon of Qumran Cave I. A Commentary, 3. Aufl., Rom
  • Kraus, H.-J., 1961, Psalmen, 2. Teilband (BKAT XV/2), 2. Aufl., Neukirchen
  • Küchler, M., 2007, Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt (OLB IV,2), Göttingen
  • Milik, T.J., 1961, „Saint-Thomas de Phordêsa“ et Gen. 14,17, Biblica 42, 77-84
  • Schatz, W., 1972, Genesis 14. Eine Untersuchung (EHS 23.2), Bern
  • Vincent, L.-H., 1954 (Bd. I-II) 1956 (Bd. III), Jérusalem de l’Ancien Testament. Recherches d’ Archéologie et d’ histoire, Paris
  • Ziemer, B., 2005, Abram – Abraham. Kompositionsgeschichtliche Untersuchungen zu Gen 14, 15 und 17 (BZAW 350), Berlin / New York

Abbildungsverzeichnis

  • Absaloms Denkmal am Fuß des Ölbergs. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2010)
  • Karte zur Lokalisierung des Königtals. © Google Earth (Zugriff 29.11.2010); Beschriftung Klaus Koenen

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